Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD (Jusos): Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 17. Juli 2019, 13:55 Uhr

Die Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD (kurz: "Jusos") sind eine Arbeitsgemeinschaft der SPD für Menschen, die mindestens 14 Jahre und höchstens 35 Jahre alt sind. Man kann auch Mitglied werden, ohne in die SPD einzutreten. Es gibt deutschlandweit über 50.000 Mitglieder, in Schleswig-Holstein ca. 2.000. In jedem der 15 Kreisverbände der schleswig-holsteinischen SPD gibt es aktive Jusos, teilweise sogar auf Gemeinde- oder Stadtebene als Orts-AG.

"Die Jusos sind ein politischer Jugendverband, der sich den Grundwerten der Sozialdemokratie Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität verpflichtet fühlt und zur Verwirklichung dieser wirkt. Wir verstehen uns dabei nicht nur als Jugendorganisation der SPD, sondern auch als eigenständiger, linker Richtungsverband. Wir treten ein für internationale Solidarität, soziale Gerechtigkeit, Feminismus und Antifaschismus. Als Jugendverband stehen natürlich die Belange junger Menschen im Mittelpunkt unseres Handelns. Wir setzen uns dabei mit vielen, verschiedenen Themen auseinander: Bildung, gute Arbeit und Ausbildung, Umwelt, Frieden oder Demokratie sind nur einige aus der Vielzahl von verschiedenen Bereichen, mit denen wir uns beschäftigen."[1]

Weimarer Republik

In der Weimarer Republik hatte die SPD zwei Jugendorganisationen:

  1. Die Sozialistische Arbeiterjugend (SAJ) für die 14- bis 20-Jährigen.
  2. Die Jungsozialisten für 20- bis 25-Jährige

Die Jungsozialisten wurden nach dem Antrag Nr. 321 auf dem Reichsparteitag in Kassel 1920 gegründet. Der Parteitag verpflichtete die Parteiorganisationen, sie tatkräftig zu unterstützen. Die Leitung und Verwaltung der Gruppen sollten die Jugendlichen selbstständig besorgen, allerdings einen Vertreter der Parteiorganisation und des Bildungsausschusses hinzuziehen.[2]

In Kiel gab es aktive Gruppe von Jungsozialist*innen der Jahrgänge gleich nach der Jahrhundertwende, für die später diese Zugehörigkeit ein Teil ihrer Identität wurde. Sie schlossen sich nach der NS-Zeit als Juso 22 wieder zusammen. Diese knüpften an eine Ausrichtung der Kieler Jusos vor 1933 an, die sehr viel stärker die politische Bildung in den Mittelpunkt stellte, als das gemeinhin in der Arbeiterjugend der Fall war. Unter ihnen waren in Kiel bekannte Namen wie Andreas Gayk, Hans Adam, Frieda Bendfeldt, Julius Bredenbeck, August Rathmann, Karl Rickers oder Albert Witte.

Die Jungsozialisten standen dem Parteivorstand kritisch gegenüber. Der Nachwuchs warf der Parteiführung die "Verwässerung des revolutionären proletarischen Klassenkampfes" vor. 1931 eskalierte der Streit. Die SPD widerrief auf Antrag des damaligen SAJ-Reichsvorsitzenden Erich Ollenhauer den Gründungsbeschluss. In seiner Begründung rechnete er vor, in SAJ, Gewerkschaften und Arbeitersport seien 600.000 Jugendliche sozialistisch organisiert, bei den Jungsozialisten nur 2.000 - obwohl es in der Partei rund 80.000 Mitglieder unter 25 Jahren gab:

"Die Aufgabe der Parteigenossen [...] in der Jugendorganisation ist, Vermittler zwischen SPD und Jugend zu sein. Sie sollen für die SPD werben, und das kann man nicht, wenn man, wie wir es erlebt haben, vor der Jugend immer nur kritisch von der Partei spricht. Kritik ist berechtigt, aber wir üben sie in der Partei selbst. [...]
Die Partei hat früher den Standpunkt vertreten, man müsse der Jugend innerhalb der Partei Raum zur Gestaltung eines gewissen Eigenlebens geben. [...] In ihren Gruppen sollte die Einsicht geweckt werden, daß nur auf dem Wege der praktischen Politik die hohen Ideale der Jugend verwirklicht werden können. Wir müssen heute feststellen, daß davon nichts mehr übriggeblieben ist." An dieser Stelle vermerkt das Protokoll Zustimmung beim Parteitag. "[...] das Urteil der großen Mehrheit der Partei über die Jungsozialisten von heute steht fest, und der Parteitag braucht nur noch dieses Urteil schriftlich festzulegen."[3]

Dies tat der Parteitag; er beschloss mit nur wenig Gegenstimmen die Aufhebung des Juso-Gründungsbeschlusses. Ein Teil der Parteijugend verließ daraufhin die SPD und gründete 1931 die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP), der sich auch Willy Brandt anschloss.[4]

Wiedergründung

1946 wurden die Jungsozialisten neu gegründet. Am 12. März 1959 beschloss der SPD-Parteivorstand neue Arbeits- und Organisationsrichtlinien für die Nachwuchsorganisation. In den Ortsvereinen sollen Arbeitsgemeinschaften der Jungsozialisten gebildet werden. Sie sollen die jungen Mitglieder bis zum 35. Lebensjahr (bisher 30 Jahre) in der Partei zusammenschließen.

Bis in die 1960er Jahren galten die Jungsozialisten als angepasste, brave Parteijugend. Die ZEIT umriss 1963 die Bedingungen ihrer Arbeit:

"Trotz ihrer stolzen Mitgliederzahl von 120 000 haben die Jungsozialisten keine eigenständige Organisation wie etwa die Jungdemokraten oder die Junge Union. Sie bilden nur eine Arbeitsgemeinschaft innerhalb der Partei; und die Richtlinien für ihre Arbeit werden nicht von der Delegiertenversammlung bestimmt, sondern vom Parteivorstand der SPD erlassen. Auch der Vorsitzende der Jungsozialisten wurde bisher nicht von den Delegierten, sondern von einem Ausschuß gewählt. Und daß in Berlin der Vorsitzende zum erstenmal in offener Feldschlacht gekürt wurde [...], das erschien den Delegierten schon als ein großer Fortschritt, einige sprachen sogar von einem Sieg über die Funktionäre.
[...] Die Jungsozialisten haben für Grundsatzerklärungen, für ideologische Richtungskämpfe einfach nichts mehr übrig. Sie sind Praktiker der politischen Arbeit. [...] Die Vorstellung, daß die Macht von selber kommt, wenn nur die Ideologie stimmt – ein Grundsatz, der früher das Denken der Sozialdemokraten geprägt hat –, scheint den Jungsozialisten einfach absurd. Und daß es, eben um die Macht zu erreichen, notwendig ist, Disziplin zu üben, ist eine selbstverständlich befolgte Grundregel. Außerdem sind die Delegierten auf sozialdemokratischen Kongressen meist so mit Arbeit eingedeckt, daß sie zu Grundsatzdebatten keine Zeit mehr haben. [...] Auch der Jungsozialisten-Kongreß machte da keine Ausnahme. Es wurde Papier produziert, pfundweise."[5]

DER SPIEGEL erinnerte 1969:

"Bis 1960 hatten die Jusos ihre Beiträge zur SPD-Politik auf Hinweise beschränkt, daß die Partei 'nur die richtigen Reklamefachleute braucht' (Steffen). Und noch bis 1965 war es - so Börnsen - 'die eigentliche Funktion der Bundeskongresse' der Jungsozialisten, 'innerparteiliche Heerschau und Akklamationsveranstaltung mit Reklamerummel nach außen zu sein'."[6]

Am Streit um das Godesberger Programm, das die SPD zu einer Volkspartei machen sollte, nahmen die Jusos nicht teil.[7]

Linkswende

Rebellisch wurden sie erst wieder mit der aufkommenden Außerparlamentarischen Opposition (APO). Bis 1967 nannten sich die Jungsozialisten kurz "JS". Nach der Verabschiedung einer neuen Satzung änderten sie dies in "Jusos" und leiteten die "Linkswende" ein.

Am 25. November 1967 gaben sich die schleswig-holsteinischen Jusos auf ihrer Landeskonferenz in Eckernförde eine neue Satzung, die vorbildhaft für zahlreiche Juso-Bezirke in Deutschland wirkte und auch die Bundesrichtlinien beeinflusste. [8]

Auf Bundesebene gilt der Bundeskongress in München 1969 als Zeitpunkt der Linkswende.

"Auf dem Münchner Juso-Kongreß im Dezember 1969 schließlich entdeckten die jungen Sozis den Sozialismus, von dem in der Partei lange nicht gesprochen worden war. Mit einem neuen Vorstand [...] verabschiedeten sie Beschlüsse, die den rechten Sozialdemokraten und MdB Hermann Schmitt-Vockenhausen zu der Einsicht brachten: 'Das kommt davon, wenn man das dumme Geschwätz laufen läßt, weil man sich mit den jungen Herren nicht anlegen will.' Die linken Genossen forderten, daß 'eine sozialdemokratisch geführte Regierung alle ihre Handlungen an den Bedürfnissen einer kommenden sozialistischen Gesellschaft' zu messen habe.[9]

Die Jusos jagten ihren (angepassten) Vorsitzenden vom Hof und setzen von nun an auf Provokation, um die Bürgerinnen und Bürger aus ihrer politischen Apathie zu wecken:

"Nach diesem Provokations-Modell wiesen schleswig-holsteinische Jungsozialisten unlängst auf den Widerspruch zwischen dem Anspruch der Allgemeinheit auf Erholungsgebiete und dem Privatbesitz an Wäldern hin. Bei strömendem Regen zogen 300 Wanderer, voran der Kieler Juso-Chef Peter Kruse, mit einer roten Fahne durch den für die Bevölkerung weithin gesperrten Sachsenwald des Fürsten Otto von Bismarck. Text eines mitgeführten Plakats: 'Haut den Bismarck auf den Hering'. [...]
Play-In der Jusos in Mettenhof, 1970
Gegen den Mangel an 'Folgeeinrichtungen' in Neubaugebieten - vom Sportplatz bis zur Sandkiste - starteten Jusos in Kiel, Lübeck, Eutin und Pinneberg eine Aktion 'Kinder - lauft auf den Rasen'. [...] Über den Neue-Heimat-Rasen des Kieler Neubau-Stadtteils Mettenhof liefen Kinder mit roten Fahnen. Die Neue Heimat gab darauf die Rasenflächen ihrer Anlagen in ganz Schleswig-Holstein für Kinderspiele frei."[10]

Die Jusos machten sich auf den "Marsch durch die Institutionen" und übernahmen einen Ortsverein nach dem anderen. Die waren vielerorts zusammengeschrumpft und überaltert. "Eine Handvoll diskutierender Jusos genügte häufig schon, um solche Basisgruppen umzukrempeln und von Vorstandsloyalität auf Vorstandsopposition umzustimmen."[11] Spätestens mit der Kommunalwahl 1974 nahm in der SPD der Generationswechsel Fahrt auf, in vielen Stadt- und Gemeinderäten machten die Jungen den Älteren die Sitze streitig.

Provokationen richtete sich aber, anders als bei den Weimarer Jungsozialisten, nach außen statt auf die Mutterpartei.

"In Schleswig-Holstein stifteten die zehn Bonner Abgeordneten des Landes 1000 Mark für Juso-Aktivitäten. Die Beschenkten unterstützten dafür den Landtagswahlkampf der Partei auf ihre Weise. An Jungwähler verteilten sie eine Schrift mit Forderungen wie:
  • 'Bauherren, die öffentliche Mittel bekommen, müssen die Mietermitbestimmung einführen.'
  • 'Langfristig muß die pharmazeutische Industrie vergesellschaftet werden.'
  • 'Die Bundesbahn schafft die zweite Klasse ab.'
'Natürlich', sagt Jochen Steffen, 'ist mitunter ein gewisser anarchistischer Anflug da, aber die Juso-Führungsgruppen sind natürlich für rationelle [sic!] Argumente sehr aufgeschlossen. Und die große Mehrheit war immer für vernünftige Politik des Möglichen.'"[12]
Bei den Jusos hatte Jochen Steffen - ehemaliger Juso-Landesvorsitzender - viele Fans. Allein aus Nordrhein-Westfalen kamen im Laufe des Wahlkampfes 1971 über 70 Jusos nach Schleswig-Holstein, um ihn zu unterstützen.[13]
Aufkleber des Jusos "Das rotgrüne Chaos"

In den 1970er Jahren ging von den Jusos Schleswig-Holstein der Impuls zum Ausstieg aus der Atomkraft aus.

Später unterstützten sie konstruktiv-kritisch die Bestrebungen zum Machtwechsel im Land und, als dieser gelungen war, die Regierungen von Björn Engholm und nach dessen Rücktritt von Heide Simonis. Selbstironie war angesagt, als mit der Landtagswahl 1996 die absolute Mehrheit in Frage und "das rot-grüne Chaos" vor der Tür stand.

Landesvorsitzende

Gegenwärtig ist Sophia Schiebe Landesvorsitzende. Weiteres siehe → Hauptartikel: Jusos - Landesvorstände

Landesgeschäftsstelle

Seit Oktober 1970 verfügen die Jusos über ein Büro im Walter-Damm-Haus und hauptamtliche Unterstützung durch den Landesverband.

Presse

Einige Juso-Gruppierungen geben eigene Zeitschriften heraus. So haben seit mehr als 40 Jahren die Kieler Jusos ihr Rotkielchen. Das Heft des Juso-Kreisverbandes Rendsburg-Eckernförde heißt programmatisch Der Stachel. Eine Zeitlang gab der Juso-Landesverband das Mitgliedermagazin Rote Küste heraus. Auf der Landeskonferenz 2015 wurde der Aufbau eines neuen, gleichnamigen Online-Magazins beschlossen.

Links

Quellen

  1. Selbstbeschreibung auf der Homepage jusos-sh.de, abgerufen am 21.12.2013
  2. Vgl. Seitz, Jürgen: 75 Jahre Kölner Jusos - Jungsozialisten heraus!
  3. Zit. bei Seitz, Jürgen: 75 Jahre Kölner Jusos - Jungsozialisten heraus!
  4. Seitz, Jürgen: 75 Jahre Kölner Jusos - Jungsozialisten heraus!
  5. Zundel, Rolf: Sieg der Parteidisziplin. Kongreß der Jungsozialisten in Berlin - Der Streit um eine Leiche, DIE ZEIT, 22.11.1963
  6. Schwein geschlachtet, DER SPIEGEL, 15.12.1969
  7. Vgl. JUSOS / SPD: Sozusagen die Macht, DER SPIEGEL, 1.3.1971
  8. SPD Schleswig-Holstein (Hrsg.): Politik und Organisation - Jahresberichte 1967/68
  9. JUSOS / SPD: Sozusagen die Macht, DER SPIEGEL, 1.3.1971
  10. JUSOS / SPD: Sozusagen die Macht, DER SPIEGEL, 1.3.1971
  11. JUSOS / SPD: Sozusagen die Macht, DER SPIEGEL, 1.3.1971
  12. JUSOS / SPD: Sozusagen die Macht, DER SPIEGEL, 1.3.1971
  13. Ungefähres Gegenteil, DER SPIEGEL, 19.4.1971
Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD (Jusos)
Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD (Jusos)
Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD Schleswig-Holstein
Gegründet: 1906 als Sozialistische Arbeiterjugend
Wiedergegründet: 1946
Vorsitzende/r: Simon Bull
Homepage: http://jusos-sh.de
Beschlussdatenbank: http://jusos-sh.beschluesse.spd-schleswig-holstein.de/


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