Berndt Heydemann

Aus SPD Geschichtswerkstatt
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Berndt Heydemann
Berndt Heydemann
Berndt Heydemann
Geboren: 27. Februar 1930
Gestorben: 6. April 2017

Prof. Dr. Berndt Heydemann, * 27. Februar 1930 in Kiel † 6. April 2017. Biologe und zeitweise Umweltminister des Landes Schleswig-Holstein. Drei Kinder. Er war nicht Mitglied der SPD.

Werdegang

Berndt Heydemann besuchte bis 1947 die Kieler Admiral-Graf-Spee-Oberschule (heute: Humboldt-Schule); 1948 machte er sein Abitur in Flensburg. Dann trat er in die väterlichen Fußstapfen: Dr. Fritz Heydemann war Oberlandwirtschaftsrat und Honorarprofessor an der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Kiel. Der Sohn absolvierte eine Ausbildung in Gartenbau und Landwirtschaft, studierte danach Biologie, Ökologie, Mikrobiologie, Chemie und Physik. 1953 promovierte er über Agrarökologische Problematik, 1964 folgte eine Habilitation zum Thema Die Entwicklung von Meer und Land - Freiland- und Laborexperimente zur Adaption der Organismen im Ebbe- und Flut-Bereich.

Während der 60er Jahre lehrte Berndt Heydemann als Dozent an der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel. 1970 wurde er zum außerordentlichen Professor für Ökologie berufen. Schon als Sprecher der Dozentinnen und Dozenten setzte er sich entschieden für die Verbesserung von deren Stellung ein. Unter anderem forderte er für Nichtordinarien das Recht, um das (damals noch jährlich wechselnde) Präsidentenamt zu kandidieren. 1972 unterlag er als Bewerber um dieses Amt für 1973 dem ordentlichen Professor Hans Hattenhauer, aber das Prinzip war durchgesetzt.[1]

Berndt Heydemann war Mitglied im Deutschen Beamtenbund (dbb). Mit dessen Unterstützung gründete er 1973 gleichzeitig auf Bundes- und auf Landesebene[2] den "Verband Hochschule und Wissenschaft" (VHW), der daher von Bundes- und Landesinstanzen bei Gesetzgebungsverfahren angehört und in Tarifauseinandersetzungen als Partner akzeptiert werden muss. Er war Landes- und bis 1987 auch Bundesvorsitzender des VHW; 2003 wurde er mit dem Ehrenvorsitz ausgezeichnet.[3]

Berndt Heydemann blieb - mit Unterbrechung - bis 1994 Professor der CAU.[4] Er wurde Direktor am Biologiezentrum und gründete die Abteilung Angewandte Ökologie und Küstenforschung sowie die Forschungsstelle für Ökosystemforschung und Ökotechnik. Außerdem baute er den ökologisch-biologischen Arbeitsbereich des Forschungszentrums in Büsum auf. Daneben setzte er sich als 1. Vorsitzender des Konvents der Nichtordinarien weiterhin tatkräftig für die Verbesserung der Personalsituation und der beruflichen Perspektiven des akademischen Nachwuchses an der CAU ein.[5]

Berndt Heydemanns Arbeiten über die Salzwiesen des Wattenmeeres seien wesentlich für die Gründung von Nationalparks gewesen, ebenso hätten viele seiner Studien wichtige Anstöße für Naturschutzgebiete in Deutschland und international gegeben, so heißt es in der Begründung für die Verleihung des Deutsches Umweltpreises 2005, die auch im Nachruf zitiert wird.[6]

Bis zu seiner Ernennung zum Umweltminister war er Vorsitzender des Landesnaturschutzverbandes[7], Mitglied im Beirat des Bundesumwelt- und Bundeslandwirtschaftsministeriums, Gutachter beim Bundesforschungsminister und bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Außerdem hatte er 14 Jahre lang den Bundesvorsitz des Verbandes Hochschule und Wissenschaft inne, dessen Gründer und zuletzt Ehrenvorsitzender er war[8], und mehr als 25 Jahre lang den Vorsitz der Faunistisch-ökologischen Arbeitsgemeinschaft e.V.[9].

Umweltminister

1988 berief der neu gewählte Ministerpräsident Björn Engholm den parteilosen Berndt Heydemann als Minister für Natur, Umwelt und Landesentwicklung in sein Kabinett - schon zur Landtagswahl 1983 war der Kieler Zoologie-Professor Teil des Regierungsteams[10]. Der SPIEGEL sah ihn als zweiten "Aktivposten" in der Regierung: "Erst kommt Engholm, dann Heydemann und dann eine ganze Zeit gar nichts."[11]

Gleichzeitig galt er als schwierig. "Mit [ihm] hat Engholm einen hochqualifizierten Umweltminister zur Seite, der in Naturschutzfragen keinen Streit mit Jägern, Bauern und Fischern ausläßt und es im Land zu Popularität gebracht hat."[12] Sein Staatssekretär Bodo Richter musste laut SPIEGEL 1990 gehen, weil er "vor Parteifreunden bisweilen ungeniert über seinen parteilosen Minister Heydemann herzieht"[13]. Neuer Staatssekretär wurde Peer Steinbrück, der sein Verhältnis zu Heydemann von Anfang an als ein schwieriges sah:

"Steinbrück trifft seinen künftigen Minister und ist entsetzt. Während des etwa vierstündigen Gespräches redet vor allem Heydemann. Steinbrück beziffert die Gesprächsanteile auf 95 zu 5 Prozent. Er fragt sich, wie er mit einem Minister zusammenarbeiten soll, der kein rechtes Interesse an seinem Staatssekretär aufzubringen scheint. Für Steinbrück ist Heydemann ein ökologischer Visionär und Missionar; solche Menschen sind ihm suspekt. Als Steinbrück seiner Frau von dem »Gespräch« berichtet, drängt sie ihn, das Angebot auszuschlagen. »Da gehst du nicht hin. Der ist doch egomanisch«, sagt Gertrud Steinbrück. Ihr Mann hält dagegen. Die gesamte Umgebung Engholms rechne bereits mit ihm, und außerdem könne er eine Offerte als Staatssekretär nicht einfach ablehnen. Also ziehen die Steinbrücks nach Kiel."[14]

Einige Monate vor der Landtagswahl 1992 kam es zum Eklat um ein relativ nebensächliches Thema: Berndt Heydemann und sein Ministerkollege Hans Wiesen sollten einen Vorschlag zum Umgang mit der Kormoranpopulation vorlegen. Keiner von beiden hatte sich als federführend gesehen. Als Berndt Heydemann dann erheblich mehr Geld für das Projekt forderte, als zwischen den Ministerien abgesprochen war, griff der Chef der Staatskanzlei, Stefan Pelny, ein und forderte beide zu besserer Zusammenarbeit auf.[15]

"Zumeist aber erntete der bienenfleißige Heydemann Beifall für seine Vorhaben. So entwarf er scharfe Verbote, um den Einsatz von Asbest und Gülle einzuschränken. Er brachte ein neues Wasser- und Abfallgesetz auf den Weg, wies Wasser- und Naturschutzgebiete aus, entwickelte das Modell einer Weiterbildungsakademie für Natur und Umwelt und rüstete Dutzende von Kläranlagen mit Stickstoff- und Phosphorfilterung nach."[16]

Der Landesnaturschutzverband (LNV) bescheinigte ihm, "das wohl modernste Naturschutzgesetz in der Bundesrepublik Deutschland durchgesetzt"[17] zu haben. Auch führte er das Biotopverbundsystem als Planungsinstrument ein, das die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein noch in ihrem Nachruf als Orientierung bei der Entwicklung ihres Netzwerks wertvoller Naturschutzflächen hervorhob.[18]

Unter Engholms Nachfolgerin, Ministerpräsidentin Heide Simonis, musste Heydemann erhebliche Einschränkungen in Kompetenzen und Etat hinnehmen; die Landesentwicklung wurde ihm entzogen. Er fühlte sich nicht mehr ausreichend unterstützt und trat zum Jahresende 1993 zurück.[19] "Wir kamen nicht miteinander zurecht", sagte Heide Simonis später.[20]

Nach der Politik

1998 gründete Berndt Heydemann die Nieklitzer Ökologie- und Ökotechnologie-Stiftung (NICOL). Sie betrieb mit dem Zukunftszentrum Mensch-Natur-Technik-Wissenschaft (ZMTW) einen Naturerlebnispark in Nieklitz, Mecklenburg-Vorpommern.

Hierfür wurde Heydemann 2005 mit dem Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt ausgezeichnet. Allerdings war dem Zukunftszentrum kein wirtschaftlicher Erfolg beschieden, es kam zur Insolvenz. Auch der wissenschaftliche Nutzen wurde vom Land Mecklenburg-Vorpommern nicht hoch eingeschätzt.[21] Heydemann strebte einen Neuanfang in Mölln an, für den ihm die schleswig-holsteinischen Landesregierung unter Ministerpräsident Torsten Albig und Wissenschaftsministerin Wara Wende die erhoffte Unterstützung jedoch versagte.

Im Jahr 2000 wurde gegen Berndt Heydemann wegen des Verdachts auf Untreue ermittelt. Er solle, so der Vorwurf, als Minister a.D. von seiner ehemaligen Arbeitgeberin, der Universität Kiel, unrechtmäßig Gelder für Beratung kassiert haben.[22] Ob dieser Vorwurf - der angeblich auf Betrug und Steuerhinterziehung ausgeweitet werden sollte - jemals aufgeklärt wurde, ob es zu einer Anklage kam oder nicht, konnte bisher nicht ermittelt werden. Allein die Tatsache, dass eine Internetsuche keine weiteren Artikel zutage förderte, lässt vermuten, dass der juristische Elefant bald wieder zur Mücke schrumpfte und das Verfahren eingestellt wurde.

Veröffentlichungen

Ehrungen

  • Deutscher Umweltpreis 2005[23]
  • Biokratie-Preis 2013[24]
  • März 2015: Zukunftspreis des Vereins Zukunft-SH für sein Lebenswerk[25]

Stimmen

"Berndt Heydemann, 63, war schon immer selbstbewußt: Als gelernter Wissenschaftler müsse seine Politik 'objektiv wahr und präzise' sein. Der schleswig-holsteinische Umweltminister gilt aber nicht nur sich selbst, sondern auch in Fachkreisen als hervorragender Biologe, der Politik 'immer als Methode, nicht als Zweck' betrachtet habe. [...] Seine manchmal überheblich-belehrende Art machte ihm das Leben im Kabinett wie im eigenen Hause jedoch zunehmend schwer. Nur auf Drängen ihrer Fraktion übernahm die jetzige Ministerpräsidentin Heide Simonis den unbequemen Naturfreund [...] in ihr Kabinett". (DER SPIEGEL zu seinem Rücktritt als Minister)[26]
"Mit seiner Tätigkeit als Hochschullehrer, Wissenschaftler und Autor zahlreicher Publikationen hat er Meilensteine in der Ökosystemforschung, der Naturschutzforschung, der Ökotechnik und Bionik gesetzt. Das Forschungs- und Technologiezentrum Westküste in Büsum, das Institut für Natur- und Ressourcenschutz haben ihre Wurzeln in der von ihm geleisteten Aufbauarbeit."[27]
"Ein in ungewöhnlichen Zusammenhängen denkender Wissenschaftler, ein konsequenter Streiter für die Belange der Natur, ein besonderer, ein liebenswerter Mensch hat sich verabschiedet." (Traueranzeige persönlicher Freunde)[28]
"Professor Dr. Heydemann [hat] mit großem persönlichem Engagement seine Vorstellungen und Ideen zum Umwelt- und Naturschutz in die schleswig-holsteinische Politik und Gesetzgebung eingebracht. Er hat damit Pionierarbeit geleistet und Maßstäbe gesetzt, die bis heute wirken. [...] Er war weit über das Land hinaus ein Motor der Ökologiebewegung." (Nachruf der Landesregierung)[29]

Links

Einzelnachweise

  1. Kieler Nachrichten, 1.1972
  2. Udo Rempe: Zum Tod von Prof. Dr. Dr. h.c. Berndt Heydemann - ein persönlicher Nachruf. In: vhw Mitteilungen, Heft 1/2017, S. 33-36.
  3. Josef Arendes: Traueranzeige des Bundesvorsitzenden des VHW für Professor Dr. Dr. h.c. Berndt Heydemann. In: vhw Mitteilungen, Heft 1/2017, S. 33.
  4. Pressemeldung der CAU Nr. 145/2017: Personalmeldungen April 2017
  5. Haushalt ein "kardinaler Druckfehler", Kieler Nachrichten, 5.11.1970
  6. Deutsche Bundesstiftung Umwelt: DBU trauert um Umweltpreisträger Prof. Dr. Berndt Heydemann, abgerufen 18.8.2017
  7. Traueranzeige des Verbandes, Kieler Nachrichten, 15.4.2017
  8. Traueranzeige des Verbandes, Kieler Nachrichten, 15.4.2017
  9. Traueranzeige der FÖAG, Kieler Nachrichten, 15.4.2017
  10. Quer zum Kurs, DER SPIEGEL, 7.3.1983
  11. Gezielte Vergrämung, DER SPIEGEL, 4.11.1991
  12. Nach vier Jahren: Was hat sich in Schleswig-Holstein geändert? Die Millimeter nach dem Erdrutsch, DIE ZEIT, 20.3.1992
  13. Schmerzhafte Distanz, DER SPIEGEL, 12.2.1990
  14. Sturm, Daniel Friedrich: Peer Steinbrück - Der Kandidat (München 2012), S. 71f
  15. Gezielte Vergrämung, DER SPIEGEL, 4.11.1991
  16. Gezielte Vergrämung, DER SPIEGEL, 4.11.1991
  17. Traueranzeige des LNV, Kieler Nachrichten, 15.4.2017
  18. Traueranzeige der Stiftung, Kieler Nachrichten, 15.4.2017
  19. Berufliches: Berndt Heydemann, DER SPIEGEL, 8.11.1993
  20. Professoren tun sich schwer, Kieler Nachrichten, 31.5.2014
  21. Höver, Peter: Krach um teures Umwelt-Zentrum: Ex-Minister Heydemann scheitert in Mecklenburg-Vorpommern - jetzt will er nach Mölln, Ostholsteiner Anzeiger, 11.1.2013
  22. Michael Legband: Ex-Minister Heydemann bald vor Gericht?, DIE WELT, 22.9.2000
  23. Deutsche Bundesstiftung Umwelt: DBU trauert um Umweltpreisträger Prof. Dr. Berndt Heydemann, abgerufen 18.8.2017
  24. Ex-Umweltminister erhält Preis für Lebenswerk, shz.de, 9.7.2013
  25. Zukunftspreis für Ex-Umweltminister Heydemann, Kieler Nachrichten, 19.3.2015
  26. Berufliches: Berndt Heydemann, DER SPIEGEL, 8.11.1993
  27. Pressemeldung der CAU Nr. 145/2017: Personalmeldungen April 2017
  28. Kieler Nachrichten, 13.4.2017
  29. Kieler Nachrichten, 15.4.2017