Bezirksverband Schleswig-Holstein: Unterschied zwischen den Versionen

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== Nationalsozialismus ==
== Nationalsozialismus ==
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Version vom 21. Juni 2018, 10:33 Uhr

Der Bezirksverband Schleswig-Holstein war die Vorgängerorganisation des Landesverbandes. Er umfasste das Gebiet des Landesverbandes ohne Lübeck, aber mit den Städten Altona und Wandsbek im Randgebiet von Hamburg sowie dem Gebiet, das nach der Volksabstimmung von 1920 dauerhaft dänisch wurde.

Kaiserreich

Bereits nach der gescheiterten Märzrevolution 1848/1849 begannen Handwerker und Arbeiter sich zu organisieren. Stephan Born gründete die Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrüderung. Allerdings hatte die Industrialisierung Deutschland noch nicht wirklich erreicht; es gab also noch keine größere Arbeiterschaft.

Gründung

Die Sozialdemokratie breitete sich mit der Arbeiterbewegung langsam aus und kam aus Hamburg, wo sich bereits 1862 ein Arbeiterkommitee gegründet hatte, nach Schleswig-Holstein. Der Hamburger Parteiorganisator Theodor Yorck und der Redakteur des Nord-Stern Karl von Bruhn waren zum Beispiel die führenden Köpfe der Agitation im Kreis Pinneberg.[1]

Theodor Yorck
"Am Gründungskongreß des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) am 23. 5. 1863, dem Ausgangspunkt der organisierten Sozialdemokratie in Deutschland, nahmen drei Delegierte aus Hamburg teil. Die Hamburger Gemeinde des ADAV brachte lassalleanische Ideen nach Schleswig-Holstein. Bis 1905 stellten Hamburg und Schleswig-Holstein einen gemeinsamen Agitationsbezirk der Sozialdemokratie dar [...]".[2].

In seinem Grußwort an den SPD-Reichsparteitag 1927 in Kiel berichtete der Bezirksvorsitzende von Schleswig-Holstein, Willy Verdieck, dass bereits in den 1860er Jahren in vielen Orten der Provinz Ableger des "Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins" gegründet worden seien. Er zählt dort Altona und Wandsbek auf, die bis 1938 bzw. 1937 zu Schleswig-Holstein gehörten, Krempe, Itzehoe, Pinneberg, Kiel, Elmshorn, Neumünster, Flensburg, Eutin, Rendsburg, Plön und Glückstadt auf. Und auch die Anhänger der anderen Wurzel der SPD, der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP), gründeten einige Vereine - allerdings viel weniger. 1875 vereinigten sich beide Richtungen zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP).[3].

Sozialistengesetz

Hauptartikel: Sozialistengesetz

Hausdurchsuchung im Rahmen des Sozialistengesetzes, um 1879

War die Arbeit der Sozialisten vorher schon durch Bürgertum und Obrigkeit nicht besonders gern gesehen, wurde sie zwischen 1878 und 1890 komplett verboten. Das Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie zerstörte die mühsam aufgebaute Parteiorganisation, die jedoch in der Illegalität durch Vertrauensmänner aufrecht erhalten wurde. Sozialdemokraten wurden verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt oder zur Emigration gezwungen.

Selbst diese Unterdrückung konnte nichts ändern an der Attraktivität der Idee der Sozialdemokratie. Als das Gesetz im September 1890 endlich offiziell aufgehoben wurde, war in der Partei der Boden für eine Periode des politischen Machtzuwachses bereitet. In Halle gab sie sich ein neues Organisationsstatut, und sie nahm ihren endgültigen Namen an: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD).

Wilhelminismus

Luise Zietz

Aber auch nach 1890 wurden viele, die sich für Sozialdemokratie oder Gewerkschaften einsetzten, weiter behindert und schikaniert. Die rechtliche Ausgrenzung wurde aufgehoben, die gesellschaftliche Ausgrenzung blieb noch lange Zeit bestehen - mit nachhaltiger Auswirkung auf das Verhältnis der Betroffenen zum Staat. In dieser Zeit breitete sich die sozialdemokratische Arbeiterkultur aus: Sozialdemokratische Zeitungen wurden gegründet. Arbeiter durften in den bürgerlichen Vereinen keine Mitglieder werden; deshalb gründeten sie eigene Arbeitersportvereine, Arbeiterkultureinrichtungen wie die Freie Volksbühne Kiel oder den Kieler Chor-Verein. Frauen durften sich bis 1908 überhaupt nicht organisieren. Mutige Schleswig-Holsteinerinnen wie Alma Wartenberg oder Luise Zietz taten es trotzdem - Luise Zietz wurde 1908 die erste Frau im SPD-Parteivorstand. Alma Wartenberg wurde später als einzige Frau in den schleswig-holsteinischen Provinziallandtag gewählt.

Das "Verbindungsverbot" untersagte noch bis 1899 die Gründung überregionaler politischer Zusammenschlüsse. Deswegen gab es bis 1891 keinen landesweiten organisatorischen Zusammenschluss der Sozialdemokraten. Die SPD setzte auf eine Doppelstrategie: Auf lokaler Ebene waren politische Vereine erlaubt. Hier gründeten sich nach 1890 vermehrt SPD-Ortsvereine. Überregional wurden sie durch die Abgeordneten und Vertrauenspersonen zusammengehalten[4]. Ein Provinzial-Parteitag wählte 1891 dann eine dreiköpfige Agitationskommission mit Heinrich Lienau als 1. Vorsitzenden - die erste landesweite sozialdemokratische Organisation in Schleswig-Holstein. Mehr war bis zur Aufhebung des Verbindungsverbots nicht möglich.

1904 begann Eduard Adler aus Kiel die Diskussion über die Reorganisation des bisherigen "Agitationsbezirks". 1905 wurden mit einer Organisationsreform zeitgemäße Strukturen eingeführt, die Parteiorganisation in Bezirke eingeteilt. 1905/06 trennte sich Schleswig-Holstein von Hamburg und gründete einen eigenen Bezirksverband: Die lokale Ebene bildeten die Ortsvereine. Als zweite Ebene gab es die Wahlkreisvereine in den zehn schleswig-holsteinischen Reichstagswahlkreisen (damals noch ohne Lübeck). Darüber hinaus wurde der SPD-Bezirksverband Schleswig-Holstein gegründet, der 1906 Friedrich Bartels zu seinem Vorsitzenden wählte.[5] Damit machte sich Schleswig-Holstein von der Hamburger Organisation unabhängig. Ab 1912/13 nannte sich die Agitationskommission Bezirksvorstand.

Die Zeit des Wilhelminismus war gesellschaftlich auch durch die Rüstungs- und Flottenpolitik des Kaisers Wilhelm II. geprägt. Die Sozialdemokratie setzte sich dagegen für eine Friedenspolitik ein.[6]

Der Erste Weltkrieg

In den Tagen nach der Mobilmachung zum Ersten Weltkrieg 1914 hielt die SPD Schleswig-Holstein einen Bezirksparteitag ab. Die Entschließungen des Tages zeigten den Weitblick der Delegierten:

"Die Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein hat gemeinsam mit der deutschen Gesamtpartei und den anderen Parteien in Europa ihr Bestes getan, um den drohenden Weltkrieg zu verhindern und eine friedliche politische Entwicklung der Völker zu Wohlfahrt und Freiheit zu sichern. Wir stellen fest, daß unsere Partei keine Schuld an dem Verderben trifft, das da über die Welt ziehen will; die Verhältnisse dieser kapitalistischen Zeit und deren Konsequenzen waren stärker als die Arbeit unserer Millionen und der Friedenswille mancher Regierenden."[7]

Doch als zwei Tage später die Reichstagsfraktion den von der Regierung beantragten Kriegskrediten zustimmte, stand der Bezirk zunächst an ihrer Seite. Erst nach und nach brach hier, wie überall im Reich, der im Gegenzug vereinbarte "Burgfrieden". Ab 1916 wuchs die innerparteiliche Kritik. Im März 1917 kam es dann zu Spaltung in Mehrheits-SPD (MSPD) und Unabhängige SPD (USPD). Hochburgen der USPD in Schleswig-Holstein wurden Kiel, Bordesholm, Altona, Flensburg, Schleswig und Eckernförde.[8]

Arbeiter- und Matrosenaufstand in Kiel 1918

Hauptartikel: Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand Mit der Verschlechterung der Versorgungslage und dem immer sinnloser werdenden Sterben an der Front wuchs der Widerstand in der Bevölkerung. Ab Januar 1918 kam es vermehrt zu Streiks, im November 1918 dann zum Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand. Mit Unterstützung von Gewerkschaften, SPD und USPD breitete er sich binnen Tagen über das Reich aus, wurde zur Novemberrevolution, die Krieg und Kaiserreich ein Ende setzte.

Weimarer Republik

1918 stand Heinrich Kürbis - der 1919 zum Oberpräsidenten der Provinz Schleswig-Holstein ernannt wurde - als Bezirksvorsitzender an der Spitze der Landespartei, von 1921 bis 1933 war es Willy Verdieck. "Die schleswig-holsteinische SPD zeichnete sich [während der Weimarer Republik] nicht nur durch vergleichsweise gute Wahlergebnisse aus, sondern auch durch eine hohe personelle Kontinuität bei [...] der Bezirksorganisationsspitze."[9]

Reichspräsident Friedrich Ebert sagte in einer Ansprache vor Sozialdemokraten 1922 in Kiel:

"Es war nicht nur meine Auffassung, sondern auch die der gesamten Parteileitung, insbesondere unserer Alten, Bebel, Singer, daß die Parteibewegung in Schleswig-Holstein eine der besten deutschen Bezirke ist, nicht nur ihrem Umfang und ihrer straffen, in sich gefestigten Organisation nach, sondern auch nach der ganzen geistigen Einstellung der Parteibewegung in Schleswig-Holstein. Es ist hier theoretisch und praktisch immer eine sehr intensive Schulung der Parteigenossen erfolgt und damit sehr früh den staatspolitischen Notwendigkeiten bei der hiesigen Parteigenossenschaft der Weg bereitet worden ... So war es möglich, daß in all den Stürmen ... die Parteiorganisation immer in sich geschlossen und gefestigt blieb und daß sie eine Reihe von Leuten hervorgebracht hat, die auch unseren Pflichten und Aufgaben im staatlichen Leben gerecht zu werden verstanden."[10]

1922 vereinigte sich der größte Teil der USPD wieder mit der SPD.

Fahne des Reichsbanners Kiel-Hassee

Als Reaktion auf die zahlreichen politischen Morde, Putsch- und Aufstandsversuche in den Anfangsjahren der Weimarer Republik wurde 1924 das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gegründet. Überall formieren sich Ortsgruppen, vorwiegend aus Sozialdemokraten, die auch notfalls mit Gewalt gegen ihre gewaltbereiten Gegner die Demokratie schützen wollen.

Nationalsozialismus

Hauptartikel: Widerstand in der NS-Zeit

Stolperstein für Wilhelm Spiegel, eins der ersten sozialdemokratischen Opfer der Nazis in Kiel

1933 wurde die SPD von den Nationalsozialisten verboten. Vielerorts wurden Parteifahnen und Unterlagen vergraben oder - wie beim Ortsverein Schleswig - eingemauert, damit man sie später wieder hervorholen und dort weitermachen konnte, wo die Arbeit unterbrochen worden war.

Eine Reihe von SPD-Mitgliedern aus Schleswig-Holstein flohen ins Ausland - am bekanntesten dürfte der gebürtige Lübecker und späterer Bundeskanzler Willy Brandt sein, weitere waren Lisa und Richard Hansen und Franz Osterroth. Andere, wie Andreas Gayk oder Anne Brodersen, zogen nach Berlin, um in der Anonymität der Großstadt unterzutauchen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten Widerstand zu leisten. Auch in der Provinz organisierten Sozialdemokraten in dieser Zeit Widerstand, ebenso wie Kommunisten und kirchlich orientierte Manschen. Die Schleswig-Holsteiner hielten etwa engen Kontakt zu den nach Skandinavien Emigrierten.

Viele wurden von den Nazis umgebracht. Eine ganze Reihe bekannter Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wurden nach dem missglückten Attentat auf Adolf Hitler 1944 in der "Aktion Gitter" verhaftet und in Konzentrationslager gesteckt, wie etwa Hermann Lüdemann. Das berühmteste Beispiel eines schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten im Widerstand ist wohl der Lübecker Julius Leber. Bei seiner Aburteilung vor dem Volksgerichtshofs sagte er:

"Für eine so gute und gerechte Sache ist der Einsatz des eigenen Lebens der angemessene Preis. Wir haben getan, was in unserer Macht stand."

Andere blieben und versuchten, unter der Gewaltherrschaft zu überleben. Wer zum Kriegsdienst eingezogen wurde und ihn überlebte, kam danach oft in Gefangenschaft. Erst nach ihrer Freilassung konnten Menschen wie Walter Damm die SPD in Schleswig-Holstein wieder mit aufbauen.

Literatur

Hauptartikel: Literatur zur Geschichte der Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein Nur wenig Literatur beschäftigt sich mit der Geschichte des Landesverbands insgesamt:

Links

Quellen

  1. SPD-Ortsverein Elmshorn: 100 Jahre SPD-Ortsverein Elmshorn (Elmshorn 1963)
  2. Danker, Uwe: Die Geburt der Doppelstrategie in der "Roten Hochburg" - Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein 1863-1918, in: Demokratische Geschichte 3(1988), S. 31
  3. Sozialdemokratischer Parteitag Kiel 1927, o.O.u.J
  4. Martens, S. 24
  5. Martens, S. 24
  6. Brecour, Wilhelm: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983), Seite I-71
  7. Osterroth, S.
  8. Osterroth, S.
  9. Martens, S. 25
  10. Zitiert nach: Osterroth, S.