Bezirksverband Schleswig-Holstein: Unterschied zwischen den Versionen

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Der '''Bezirksverband Schleswig-Holstein''' war die Vorgängerorganisation des [[Landesverband|Landesverbandes]]. Er umfasste das Gebiet des Landesverbandes ohne [[Kreisverband Lübeck|Lübeck]], aber mit den Städten [[Ortsverein Altona|Altona]] und [[Ortsverein Wandsbek|Wandsbek]] im Randgebiet von Hamburg sowie dem Gebiet, das nach der Volksabstimmung von [[1920]] dauerhaft [[Minderheitenpolitik|dänisch]] wurde.
[[Datei:PrSleeswijk-Holstein.png|mini|Schleswig-Holstein als Teil von Preußen]]
Der '''Bezirksverband Schleswig-Holstein''' war die Vorgängerorganisation des [[Landesverband|Landesverbandes]]. Er umfasste bis zum Verbot der SPD durch die Nazis [[1933]] das Gebiet des Landesverbandes ohne die [[Kreisverband Lübeck|Freie und Hansestadt Lübeck]] aber mit den Städten [[Ortsverein Altona|Altona]] und [[Ortsverein Wandsbek|Wandsbek]] im Randgebiet von Hamburg sowie dem Gebiet, das nach der Volksabstimmung von [[1920]] dauerhaft [[Minderheitenpolitik|dänisch]] wurde. Auch das [[Fürstentum Lübeck]] zählte dazu, obwohl der Landesteil verwaltungsmäßig nicht zur preußischen Provinz Schleswig-Holstein, sondern zum Großherzogtum Oldenburg gehörte.


== Kaiserreich ==
Nach der Neugründung [[1945]] trug der Verband - jetzt in den heutigen Grenzen Schleswig-Holsteins - zunächst weiter die Bezeichnung "[[Bezirk|Bezirksverband]]".
Bereits nach der gescheiterten [https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Revolution_1848/1849 Märzrevolution 1848/1849] begannen Handwerker und Arbeiter sich zu organisieren. [[Stephan Born]] gründete die [https://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeine_Deutsche_Arbeiterverbr%C3%BCderung Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrüderung]. Allerdings hatte die Industrialisierung Deutschland noch nicht wirklich erreicht; es gab also noch keine größere Arbeiterschaft.


=== Gründung ===
==Kaiserreich==
Die Sozialdemokratie breitete sich mit der Arbeiterbewegung langsam aus und kam aus Hamburg, wo sich bereits [[1862]] ein Arbeiterkommitee gegründet hatte, nach Schleswig-Holstein. Der Hamburger Parteiorganisator [[Theodor Yorck|Theodor Yorck]] und der Redakteur des [[Nord-Stern]] [[Karl von Bruhn]] waren zum Beispiel die führenden Köpfe der Agitation im [[Kreisverband Pinneberg|Kreis Pinneberg]].<ref>[[Ortsverein Elmshorn|SPD-Ortsverein Elmshorn]]: ''100 Jahre SPD-Ortsverein Elmshorn'' (Elmshorn 1963)</ref>
Bereits nach der gescheiterten [https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Revolution_1848/1849 Märzrevolution 1848/1849] begannen Handwerker und Arbeiter sich zu organisieren. [[Stephan Born]] gründete die [https://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeine_Deutsche_Arbeiterverbr%C3%BCderung Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrüderung]. Allerdings hatte die Industrialisierung Deutschland noch nicht wirklich erreicht; es gab noch keine größere Arbeiterschaft.
 
===Vorgeschichte===
Die Sozialdemokratie breitete sich mit der wachsenden Arbeiterbewegung langsam aus und kam von Hamburg nach Schleswig-Holstein. In Hamburg hatten Arbeiter bereits [[1862]] ein Arbeiterkommitee gegründet. Der Hamburger Parteiorganisator [[Theodor Yorck]] und der Redakteur des [[Nord-Stern]], [[Karl von Bruhn]], waren zum Beispiel die führenden Köpfe der Agitation im [[Kreisverband Pinneberg|Kreis Pinneberg]].<ref>[[Ortsverein Elmshorn|SPD-Ortsverein Elmshorn]]: ''100 Jahre SPD-Ortsverein Elmshorn'' (Elmshorn 1963)</ref>
[[Datei:Theodor Yorck.jpg|180px|thumb|right|Theodor Yorck]]
[[Datei:Theodor Yorck.jpg|180px|thumb|right|Theodor Yorck]]
: "Am Gründungskongreß des [[ADAV|Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins]] (ADAV) am [[23. Mai|23. 5.]] [[1863]], dem Ausgangspunkt der organisierten Sozialdemokratie in Deutschland, nahmen drei Delegierte aus Hamburg teil. Die Hamburger Gemeinde des [[ADAV]] brachte [[Ferdinand Lassalle|lassalleanische]] Ideen nach Schleswig-Holstein. Bis [[1905]] stellten Hamburg und Schleswig-Holstein einen gemeinsamen Agitationsbezirk der Sozialdemokratie dar [...]".<ref>Danker, Uwe: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay03.pdf Die Geburt der Doppelstrategie in der "Roten Hochburg" - Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein 1863-1918]'', in: ''Demokratische Geschichte'' 3(1988), S. 31</ref>.


In der Broschüre zum SPD-Reichsparteitag [[1927]] in Kiel schrieb der [[Landesvorsitzende/r|Bezirksvorsitzende]] von Schleswig-Holstein, [[Willy Verdieck]], dass bereits in den 1860er Jahren in vielen Orten der Provinz Ableger des "Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins" gegründet worden seien. Er zählte [[Ortsverein Altona|Altona]] und [[Ortsverein Wandsbek|Wandsbek]] auf, die bis [[1938]] bzw. [[1937]] zu Schleswig-Holstein gehörten, [[Ortsverein Krempe|Krempe]], [[Ortsverein Itzehoe|Itzehoe]], [[Ortsverein Pinneberg|Pinneberg]], [[Kreisverband Kiel|Kiel]], [[Ortsverein Elmshorn|Elmshorn]], [[Kreisverband Neumünster|Neumünster]], [[Kreisverband Flensburg|Flensburg]], [[Ortsverein Eutin|Eutin]], [[Ortsverein Rendsburg|Rendsburg]], [[Ortsverein Plön|Plön]] und [[Ortsverein Glückstadt|Glückstadt]] auf. Und auch die Anhänger der "Eisenacher" Wurzel der SPD, der [[SDAP|Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP)]], gründeten einige Vereine - allerdings viel weniger. Schließlich vereinigten sich beide Richtungen zur [[SAP|Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP)]]. Willy Verdieck fuhr fort:
<blockquote>"Am Gründungskongreß des [[ADAV|Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins]] (ADAV) am [[23. Mai|23.5.]] [[1863]], dem Ausgangspunkt der organisierten Sozialdemokratie in Deutschland, nahmen drei Delegierte aus Hamburg teil. Die Hamburger Gemeinde des [[ADAV]] brachte [[Ferdinand Lassalle|lassalleanische]] Ideen nach Schleswig-Holstein. Bis [[1905]] stellten Hamburg und Schleswig-Holstein einen gemeinsamen Agitationsbezirk der Sozialdemokratie dar [...]".<ref>Danker, Uwe: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay03.pdf Die Geburt der Doppelstrategie in der "Roten Hochburg" - Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein 1863-1918]'', in: ''Demokratische Geschichte'' 3(1988), S. 31</ref></blockquote>
: "Mit der Vereinigung beider Richtungen im Jahre [[1875]] stieg die Schlagkraft der Organisation. Auf dem Sozialistenkongreß zu Gotha im Jahre [[1876]] wurden 37 Wahlkreise für offizielle Reichstagswahlkreise erklärt. Darunter befanden sich fünf in Schleswig-Holstein, und zwar: 1. Itzehoe-Meldorf, 2. Glückstadt-Elmshorn, 3. Kiel-Neumünster, 4. Altona-Wandsbek, 5. Plön-Segeberg. Schon im Jahre [[1874]] konnten die Lassalleaner die Wahlkreise Altona-Wandsbek und Plön-Segeberg erobern. Bei der [[Reichstagswahl 1877|Reichstagswahl]] im Jahre [[1877]] zeigte sich der Aufschwung der Partei durch erhöhte Abgabe von sozialistischen Stimmen.
 
<blockquote>"Zur Ungunst dieser politischen Umstände während des Vordringen der [[Lassalleaner|lassalleanischen]] Bewegung von Hamburg nach Schleswig-Holstein kamen wirtschaftliche Verhältnisse, die keine großen Werbeerfolge versprachen. Das vorwiegend konservativ gesonnene Agrarland, in dem der Adel noch eine führende Rolle innehatte, war kein idealer Entwicklungsboden für eine moderne sozialistische Bewegung. Es fehlte an einer lebhaft voranschreitenden Industrialisierung. Von der knapp einen Million Einwohner lebten noch 70 % au dem Lande. Das Land besaß weder industriell verwertbare Rohstoffe noch lag es verkehrsmäßig günstig. [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kiel]], das um diese Zeit 18000 Einwohner besaß, hatte die einzige Schiffswerft der Provinz, in der es mehr als 200 Beschäftige gab. [[Kreisverband Neumünster|Neumünster]], das - mit 7000 Einwohnern - eine gute Verkehrslage hatte, konnte eine alte Tuchindustire aus 82 kleinen Fabriken und Manufakturen und einigen Maschinenbau aufweisen. In [[Ortsverein Rendsburg|Rendsburg]] war die 'Karlshütte', in Krusau eine Kupfermühle, in [[Kreisverband Flensburg|Flensburg]] und Hadersleben gab es Eisengießereien. [[Ortsverein Altona|Altona]], mit 30000 Einwohner, die größte Stadt der Provinz, lag im Schatten des Hamburger Wirtschaftsausfstieges. Einige industrielle Ansätze waren in [[Ortsverein Ottensen|Ottensen]] und [[Ortsverein Wandsbek|Wandsbek]] und [[Ortsverein Elmshorn|Elmshorn]] vorhanden."<ref>{{Osterroth-100-Jahre}}, Seite 6f</ref></blockquote>
 
In der Broschüre zum Reichsparteitag [[1927]] in Kiel schrieb der [[Landesvorsitzende/r|Bezirksvorsitzende]] [[Willy Verdieck]], dass bereits in den 1860er Jahren in vielen Orten der Provinz Ableger des [[ADAV]] gegründet worden seien. Er zählte [[Ortsverein Altona|Altona]], [[Ortsverein Wandsbek|Wandsbek]], [[Ortsverein Krempe|Krempe]], [[Ortsverein Itzehoe|Itzehoe]], [[Ortsverein Pinneberg|Pinneberg]], [[Kreisverband Kiel|Kiel]], [[Ortsverein Elmshorn|Elmshorn]], [[Kreisverband Neumünster|Neumünster]], [[Kreisverband Flensburg|Flensburg]], [[Ortsverein Eutin|Eutin]], [[Ortsverein Rendsburg|Rendsburg]], [[Ortsverein Plön|Plön]] und [[Ortsverein Glückstadt|Glückstadt]] auf. In einer Auflistung der [[ADAV]]-Ortsvereine mit mehr als 100 Mitgliedern von [[1869]] finden sich [[Kreisverband Neumünster|Neumünster]] (280 Mitglieder), [[Ortsverein Altona|Altona]] (164 Mitglieder), [[Ortsverein Wandsbek|Wandsbek]] (137 Mitglieder) und [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kiel]] (111 Mitglieder).<ref>[https://fes.imageware.de/fes/web/index.html?open=SC05117&page=2 Social-Demokrat - Tagesausgabe], 6.10.1869</ref> Auch die Anhänger der "[[Eisenacher]]" Wurzel der SPD, der [[SDAP|Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP)]], gründeten einige Vereine - allerdings deutlich weniger.  


: Am [[24. Juni]] [[1877]] wurde in [[Kreisverband Neumünster|Neumünster]] auf einer Parteikonferenz die Gründung einer Parteizeitung für die Provinz beschlossen. Diese, die [[Schleswig-Holsteinische Volkszeitung|Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung]], hatte ein Jahr später rund 8000 Abonnenten. Mit dem Inkrafttreten des Sozialistengesetzes stellte die Zeitung ihr Erscheinen ein."<ref>''Die Partei in Schleswig-Holstein'', in: ''Sozialdemokratischer Parteitag Kiel 1927'' (Nachdruck Kiel o.O.u.J.)</ref>.
<blockquote>"Mit der Vereinigung beider Richtungen im Jahre [[1875]] stieg die Schlagkraft der Organisation. Auf dem Sozialistenkongreß zu Gotha im Jahre [[1876]] wurden 37 Wahlkreise für offizielle Reichstagswahlkreise erklärt. Darunter befanden sich fünf in Schleswig-Holstein, und zwar: 1. Itzehoe-Meldorf, 2. Glückstadt-Elmshorn, 3. Kiel-Neumünster, 4. Altona-Wandsbek, 5. Plön-Segeberg. Schon im Jahre [[1874]] konnten die [[Lassalleaner]] die Wahlkreise Altona-Wandsbek und Plön-Segeberg erobern. Bei der [[Reichstagswahl 1877|Reichstagswahl]] im Jahre [[1877]] zeigte sich der Aufschwung der Partei durch erhöhte Abgabe von sozialistischen Stimmen."<ref>''Die Partei in Schleswig-Holstein'', in: ''Sozialdemokratischer Parteitag Kiel 1927'' (Nachdruck Kiel o.O.u.J.)</ref></blockquote>Am [[24. Juni]] [[1877]] wurde in [[Kreisverband Neumünster|Neumünster]] auf einer Parteikonferenz die Gründung einer Parteizeitung für die Provinz beschlossen. Diese, die [[Schleswig-Holsteinische Volkszeitung|Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung]], hatte ein Jahr später rund 8000 Abonnenten. Mit dem Inkrafttreten des [[Sozialistengesetz]]es musste die Zeitung ihr Erscheinen einstellen.


=== Sozialistengesetz ===
===Sozialistengesetz===
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[[Datei:FB002461.jpg|thumb|right|280px|Hausdurchsuchung im Rahmen des Sozialistengesetzes, um 1879]]
[[Datei:FB002461.jpg|thumb|right|280px|Hausdurchsuchung im Rahmen des Sozialistengesetzes, um 1879]]
War die Arbeit der Sozialisten vorher schon durch Bürgertum und Obrigkeit nicht besonders gern gesehen, wurde sie zwischen [[1878]] und [[1890]] komplett verboten. Das [[Sozialistengesetz|Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie]] zerstörte die mühsam aufgebaute Parteiorganisation, die jedoch in der Illegalität durch [[Vertrauensperson|Vertrauensmänner]] aufrecht erhalten wurde. Sozialdemokraten wurden verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt oder zur Emigration gezwungen.  
War die Arbeit der Sozialisten vorher schon durch Bürgertum und Obrigkeit nicht besonders gern gesehen, wurde sie zwischen [[1878]] und [[1890]] komplett verboten. Das [[Sozialistengesetz|Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie]] störte die mühsam aufgebaute Parteiorganisation, zerstörte sie jedoch nicht. In der Illegalität wurde sie durch [[Vertrauensperson|Vertrauensmänner]] aufrecht erhalten. Sozialdemokraten wurden verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt oder zur Emigration gezwungen.  


Selbst diese Unterdrückung konnte nichts ändern an der Attraktivität der Idee der Sozialdemokratie.  
Selbst diese Unterdrückung konnte nichts ändern an der Attraktivität der Idee der Sozialdemokratie.  
: "Maßnahmen gegen die Bewegung spornten unsere Genossen in einzelnen Orten zur größten Kraftentfaltung an. [[Ortsverein Altona|Altona]], [[Kreisverband Neumünster|Neumünster]] und [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kiel]] standen im Mittelpunkt der Abwehrbewegung. Als das Ausnahmegesetz [[1890]] fiel, da stand auch in Schleswig-Holstein die Bewegung stärker wie je zuvor da."<ref>''Die Partei in Schleswig-Holstein'', in: ''Sozialdemokratischer Parteitag Kiel 1927'' (Nachdruck Kiel o.O.u.J.)</ref>
Im September [[1890]] wurde es endlich offiziell aufgehoben. In Halle gab die [[SAP]] sich ein neues Organisationsstatut, und sie nahm ihren endgültigen Namen an: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD).


=== Wilhelminismus ===
<blockquote>"Maßnahmen gegen die Bewegung spornten unsere Genossen in einzelnen Orten zur größten Kraftentfaltung an. [[Ortsverein Altona|Altona]], [[Kreisverband Neumünster|Neumünster]] und [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kiel]] standen im Mittelpunkt der Abwehrbewegung. Als das Ausnahmegesetz [[1890]] fiel, da stand auch in Schleswig-Holstein die Bewegung stärker wie je zuvor da."<ref>''Die Partei in Schleswig-Holstein'', in: ''Sozialdemokratischer Parteitag Kiel 1927'' (Nachdruck Kiel o.O.u.J.)</ref></blockquote>
 
Am [[26. Mai]] [[1888]] trat eine neue Kreisordnung für die Provinz Schleswig-Holstein in Kraft, durch die sich Kreis-, Amts- und Gemeindegrenzen veränderten.<ref>[http://www.verfassungen.de/sh/kreisordnung1888.htmhttp://www.verfassungen.de/sh/kreisordnung1888.htm Kreisordnung für die Provinz Schleswig-Holstein vom 26. Mai 1888]</ref> Dies hatte auch Auswirkungen für die im Untergrund arbeitende Parteiorganisation.
 
Auf dem Parteitag in Halle vom [[12. Oktober|12.]]-[[18. Oktober]] [[1890]] gab die [[SAP]] sich ein neues Organisationsstatut, und sie nahm ihren endgültigen Namen an: ''Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)''.
 
===Wilhelminismus===
[[Datei:Louise Zietz.jpg|thumb|180px|left|Luise Zietz]]
[[Datei:Louise Zietz.jpg|thumb|180px|left|Luise Zietz]]
Aber auch nach [[1890]] wurden viele, die sich für Sozialdemokratie oder Gewerkschaften einsetzten, weiter behindert und schikaniert. Die rechtliche Ausgrenzung wurde aufgehoben, die gesellschaftliche Ausgrenzung blieb noch lange Zeit bestehen - mit nachhaltiger Auswirkung auf das Verhältnis der Betroffenen zum Staat. In dieser Zeit breitete sich die sozialdemokratische Arbeiterkultur aus: [[Sozialdemokratische Zeitungen]] wurden gegründet. Arbeiter durften in den bürgerlichen Vereinen keine Mitglieder werden; deshalb gründeten sie eigene [[Arbeitersport|Arbeitersportvereine]], [[:Kategorie:Kultur|Arbeiterkultureinrichtungen]] wie die [[Freie Volksbühne Kiel]] oder den [[Kieler Chor-Verein]]. [[Frauen- und Gleichstellungspolitik|Frauen]] durften sich bis [[1908]] überhaupt nicht organisieren. Mutige Schleswig-Holsteinerinnen wie [[Alma Wartenberg]] oder [[Luise Zietz]] taten es trotzdem - [[Luise Zietz]] wurde [[1908]] die erste Frau im SPD-Parteivorstand. [[Alma Wartenberg]] wurde später als einzige Frau in den schleswig-holsteinischen [[Provinziallandtagswahlen 1919-1933|Provinziallandtag]] gewählt.
Aber auch danach behinderten staatliche Organe die Arbeit von Sozialdemokratie oder Gewerkschaften weiterhin nach Kräften und schikanierten ihre Anhänger. Die rechtliche Ausgrenzung wurde aufgehoben, die gesellschaftliche Ausgrenzung blieb noch lange Zeit bestehen - mit nachhaltigen Auswirkungen auf das Verhältnis der Betroffenen zum Staat. In dieser Zeit bildete sich die sozialdemokratische Arbeiterkultur: [[Sozialdemokratische Zeitungen]] wurden gegründet, weil die Sichtweise der Arbeiter in der bürgerlichen Presse nicht vorkam. In bürgerlichen Vereinen waren Arbeiter als Mitglieder nicht gern gesehen; deshalb gründeten sie eigene [[Arbeitersport|Arbeitersportvereine]], [[:Kategorie:Kultur|Arbeiterkultureinrichtungen]] wie die [[Freie Volksbühne Kiel]] oder den [[Kieler Chor-Verein]]. Eine der beeindruckendsten Schöpfungen der Arbeiterkultur waren die [[Allgemeiner Konsumverein Kiel|Konsumvereine]].
 
[[Frauen- und Gleichstellungspolitik|Frauen]] durften sich bis [[1908]] überhaupt nicht organisieren. Einige mutige Schleswig-Holsteinerinnen wurden trotzdem politisch aktiv - [[Luise Zietz]] war eine der ersten weiblichen Agitatorinnen und gehörte ab [[1908]] als erste Frau dem Parteivorstand an.
 
Das "Verbindungsverbot" untersagte noch bis [[1899]] die Gründung überregionaler politischer Zusammenschlüsse. Deswegen gab es bis [[1891]] keine landesweite Parteiorganisation. Die SPD setzte auf eine Doppelstrategie: Auf lokaler Ebene waren politische Vereine erlaubt, deshalb gründeten sich nach [[1890]] vermehrt Ortsvereine. Überregional sicherten Abgeordnete und [[Vertrauensperson]]en den Zusammenhalt der Partei.<ref>{{Martens-45-59}}, S. 24</ref> Ein Provinzial-Parteitag wählte [[1891]] eine dreiköpfige [[Agitationskommission]] (die schon vorher im Geheimen bestanden hatte) mit [[Heinrich Lienau]] als 1. Vorsitzenden - die erste landesweite sozialdemokratische Organisation in Schleswig-Holstein. Mehr war bis zur Aufhebung des Verbindungsverbots nicht möglich.
 
===Gründung der Bezirksorganisation===
Bereits [[1904]] begann [[Eduard Adler]] aus Kiel die Diskussion über die Reorganisation des bisherigen "Agitationsbezirks". [[1905]] verabschiedete der Parteitag in Jena ein Organisationsstatut, das weitestgehend den Vorschlägen von [[Eduard Adler]] entsprach: 


Das "Verbindungsverbot" untersagte noch bis [[1899]] die Gründung überregionaler politischer Zusammenschlüsse. Deswegen gab es bis [[1891]] keinen landesweiten organisatorischen Zusammenschluss der Sozialdemokraten. Die SPD setzte auf eine Doppelstrategie: Auf lokaler Ebene waren politische Vereine erlaubt. Hier gründeten sich nach 1890 vermehrt SPD-Ortsvereine. Überregional wurden sie durch die Abgeordneten und [[Vertrauensperson]]en zusammengehalten<ref>Martens, S. 24</ref>. Ein Provinzial-Parteitag wählte [[1891]] dann eine dreiköpfige Agitationskommission mit [[Heinrich Lienau]] als 1. Vorsitzenden - die erste landesweite sozialdemokratische Organisation in Schleswig-Holstein. Mehr war bis zur Aufhebung des Verbindungsverbots nicht möglich.  
Die Grundlage der Organisation war nun der Verein des Wahlkreises. Für den Fall, dass der Wahlkreis sich über mehrere Orte erstreckte, konnten [[Ortsverein]]e gebildet werden. Diese "Sozialdemokratischen Vereine" schlossen sich zu Bezirksverbänden und Landesorganisationen zusammen, deren selbstständige Führung der Geschäfte allerdings nicht in Widerspruch zum Statut der Gesamtpartei stehen durfte. Mindestens 20 % ihrer Einnahmen waren an die Parteileitung abzuführen. Kein Wahlkreis durfte durch mehr als drei Delegierte auf dem reichsweiten Parteitag vertreten werden. Diese Struktur setzte Schleswig-Holstein zügig um, wie auf dem [[Provinzialparteitag 1905, Elmshorn|Provinzialparteitag 1905]] berichtet wurde. Der gemeinsame Agitationsbezirk mit Hamburg wurde jedoch beibehalten.


[[1904]] begann [[Eduard Adler]] aus Kiel die Diskussion über die Reorganisation des bisherigen "Agitationsbezirks". [[1905]] wurden mit einer Organisationsreform zeitgemäße Strukturen eingeführt, die Parteiorganisation in Bezirke eingeteilt. [[1905]]/[[1906|06]]  trennte sich Schleswig-Holstein von Hamburg und gründete einen eigenen Bezirksverband: Die lokale Ebene bildeten die Ortsvereine. Als zweite Ebene gab es die Wahlkreisvereine in den zehn schleswig-holsteinischen Reichstagswahlkreisen (damals noch ohne Lübeck). Darüber hinaus wurde der SPD-Bezirksverband Schleswig-Holstein gegründet, der [[1906]] [[Friedrich Bartels]] zu seinem Vorsitzenden wählte.<ref>Martens, S. 24</ref> Damit machte sich Schleswig-Holstein von der Hamburger Organisation unabhängig. Ab [[1912]]/[[1913|13]] nannte sich die Agitationskommission [[Landesvorstand|Bezirksvorstand]].
Die Hamburger waren skeptisch, was diese Reorganisation anging; die Stadt mit ihren besonderen Landes- und Kommunalgesetzen passe nicht in das Organisationsgebilde der Provinz. Nach längeren Diskussionen beschlossen sie daher [[1905]] in einer Urabstimmung mit 1610 gegen 640 Stimmen, aus der Provinzorganisation auszutreten.<ref>[http://fes.imageware.de/fes/web/index.html?open=VW22291&page=5 ''Vorwärts'' Nummer 290, Jahrgang 22, 12.12.1905]</ref>


Die Zeit des Wilhelminismus war gesellschaftlich auch durch die Rüstungs- und Flottenpolitik des Kaisers Wilhelm II. geprägt. Die Sozialdemokratie setzte sich dagegen für eine [[Friedenspolitik]] ein.<ref>[[Wilhelm Brecour|Brecour, Wilhelm]]: ''Die [[Kreisverband Kiel|Sozialdemokratische Partei in Kiel]]. Ihre geschichtliche Entwicklung'' (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in ''Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung'', Kiel 1983), Seite I-71</ref>
Teil der Reorganisation scheint auch die Einführung von [[Unterbezirk]]en gewesen zu sein - ab wann, ist bisher nicht ermittelt.


=== Der Erste Weltkrieg ===
[[1906]] übernahm [[Friedrich Bartels]] den Vorsitz des Agitationsbezirks Schleswig-Holstein.<ref>{{Martens-45-59}}, S. 24</ref> Er wurde als [[ParteisekretärIn|Parteisekretär]] besoldet und war eine Art früher Landesgeschäftsführer. Ab [[1912]]/[[1913|13]] nannte sich die Agitationskommission [[Landesvorstand|Bezirksvorstand]]. Am [[1. November]] [[1913]] wurde [[Heinrich Kürbis]] zum [[Landesvorsitzende/r|Bezirksvorsitzenden]] gewählt und angestellt.<ref>Paetau, Rainer: ''Konfrontation oder Kooperation. Arbeiterbewegung und bürgerliche Gesellschaft im ländlichen Schleswig-Holstein und in der Industriestadt Kiel zwischen 1900 und 1925'' (Neumünster 1988), S. 508</ref>
In den Tagen nach der Mobilmachung zum Ersten Weltkrieg [[1914]] hielt die SPD Schleswig-Holstein einen [[Bezirksparteitag 1914, Eckernförde|Bezirksparteitag]] ab. Die Entschließungen des Tages zeigten den Weitblick der Delegierten:


: "Die Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein hat gemeinsam mit der deutschen Gesamtpartei und den anderen Parteien in Europa ihr Bestes getan, um den drohenden Weltkrieg zu verhindern und eine friedliche politische Entwicklung der Völker zu Wohlfahrt und Freiheit zu sichern. Wir stellen fest, daß unsere Partei keine Schuld an dem Verderben trifft, das da über die Welt ziehen will; die Verhältnisse dieser kapitalistischen Zeit und deren Konsequenzen waren stärker als die Arbeit unserer Millionen und der Friedenswille mancher Regierenden."<ref>Osterroth, S.</ref>
===Der Erste Weltkrieg===
Die Zeit des Wilhelminismus war gesellschaftlich auch durch die Rüstungs- und Flottenpolitik von Kaiser Wilhelm II. geprägt. Die Sozialdemokratie setzte sich dagegen für eine [[Friedenspolitik]] ein.<ref>[[Wilhelm Brecour|Brecour, Wilhelm]]: ''Die [[Kreisverband Kiel|Sozialdemokratische Partei in Kiel]]. Ihre geschichtliche Entwicklung'' (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in ''Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung'', Kiel 1983), Seite I-71</ref> In den Tagen nach der Mobilmachung zum Ersten Weltkrieg [[1914]] berief die [[Landesverband|SPD Schleswig-Holstein]] einen [[Bezirksparteitag 1914, Eckernförde|Bezirksparteitag]] ein. Die Entschließungen des Tages zeigten den Weitblick der Delegierten:  
<blockquote>"Die Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein hat gemeinsam mit der deutschen Gesamtpartei und den anderen Parteien in Europa ihr Bestes getan, um den drohenden Weltkrieg zu verhindern und eine friedliche politische Entwicklung der Völker zu Wohlfahrt und Freiheit zu sichern. Wir stellen fest, daß unsere Partei keine Schuld an dem Verderben trifft, das da über die Welt ziehen will; die Verhältnisse dieser kapitalistischen Zeit und deren Konsequenzen waren stärker als die Arbeit unserer Millionen und der Friedenswille mancher Regierenden."<ref>{{Osterroth-100-Jahre}}, S. 54</ref></blockquote>


Doch als zwei Tage später die Reichstagsfraktion den von der Regierung beantragten Kriegskrediten zustimmte, stand der Bezirk zunächst an ihrer Seite. Erst nach und nach brach hier, wie überall im Reich, der im Gegenzug vereinbarte "Burgfrieden". Ab [[1916]] wuchs die innerparteiliche Kritik. Im März [[1917]] kam es dann zu Spaltung in [[MSPD|Mehrheits-SPD]] (MSPD) und [[USPD|Unabhängige SPD]] (USPD). Hochburgen der [[USPD]] in Schleswig-Holstein wurden [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kiel]], [[Ortsverein Bordesholm|Bordesholm]], Altona, [[Kreisverband Flensburg|Flensburg]], [[Ortsverein Schleswig|Schleswig]] und [[Ortsverein Eckernförde|Eckernförde]].<ref>Osterroth, S.</ref>
Doch als zwei Tage später die Reichstagsfraktion den von der Regierung beantragten Kriegskrediten zustimmte, stand der Bezirk zunächst an ihrer Seite. Erst nach und nach brach hier, wie überall im Reich, der im Gegenzug vereinbarte "Burgfrieden" (der von den Herrschenden nie eingehalten worden war). Ab [[1916]] wuchs die innerparteiliche Kritik. Im März [[1917]] kam es dann zur Abspaltung der [[USPD|Unabhängigen SPD (USPD)]]. Ihre Hochburgen in Schleswig-Holstein wurden [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kiel]], [[Ortsverein Bordesholm|Bordesholm]], [[Ortsverein Altona|Altona]], [[Kreisverband Flensburg|Flensburg]], [[Ortsverein Schleswig|Schleswig]] und [[Ortsverein Eckernförde|Eckernförde]].<ref>{{Osterroth-100-Jahre}}, S. 56</ref>


=== Arbeiter- und Matrosenaufstand in Kiel 1918 ===
===Arbeiter- und Matrosenaufstand===
{{Hauptartikel
{{Hauptartikel
|Seite=Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand
|Seite=Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand
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}}
Mit der Verschlechterung der Versorgungslage und dem immer sinnloser werdenden Sterben an der Front wuchs der Widerstand in der Bevölkerung. Ab Januar [[1918]] kam es vermehrt zu Streiks, im November [[1918]] dann zum [[Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand]]. Mit Unterstützung von Gewerkschaften, SPD und [[USPD]] breitete er sich binnen Tagen über das Reich aus, wurde zur [[Novemberrevolution]], die Krieg und Kaiserreich ein Ende setzte.
Mit der Verschlechterung der Versorgungslage und dem immer sinnloser werdenden Sterben an der Front wuchs der Widerstand in der Bevölkerung. Ab Januar [[1918]] kam es vermehrt zu Streiks, im November [[1918]] dann zum [[Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand]]. Mit Unterstützung von Gewerkschaften, SPD und [[USPD]] breitete er sich binnen Tagen über das Reich aus, wurde zur Novemberrevolution, die dem Kaiserreich ein Ende setzte.
 
==Weimarer Republik==
[[Datei:Sekretärs-Kurs in Probstzella 1927.png|thumb|left|300px|III. Sekretärs-Kurs in Probstzella/Thür., möglicherweise mit Willy Verdieck (4. rechts von der Frau Mitte vorn) und Karl Meitmann (links vorn auf der 1. Treppenstufe, mit Fliege)]]Im November [[1918]] wurde [[Heinrich Kürbis]] Beigeordneter beim Oberpräsidenten und im März [[1919]] selbst Oberpräsident. Daher übernahm am [[29. Januar]] [[1919]] [[Carl F. Alps]] aus [[Ortsverein Itzehoe|Itzehoe]] provisorisch den Bezirksvorsitz. Im Juli [[1919]] wurde dann [[Rudolf Hackelberg]] zum Bezirkssekretär gewählt. Er muss spätestens [[1920]]/[[1921|21]] die Geschäfte an [[Willy Verdieck]] übergeben haben, der vom [[Bezirksparteitag 1921, Altona|Bezirksparteitag 1921]] in seinem Amt bestätigt wurde.<ref>Jacobsen, Jens-Christian; ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay17.pdf 'Der Stolz der Gesamtpartei?' Die SPD Schleswig-Holstein 1918-1933]''. In: ''Demokratische Geschichte'' 3(1988), Seite 211</ref> Er füllte das Amt bis zum erneuten Verbot der Partei [[1933]] aus. Allerdings stellte der Bezirksverband [[1926]] [[Karl Meitmann|'Jack' Meitmann]] als hauptamtlichen Parteisekretär ein.<ref>HM [Holger Martens]: [http://lebensgeschichten.avs-hh.de/index.php?id=86 Karl Meitmann in der Datenbank AvS]</ref>
<blockquote>"Die schleswig-holsteinische SPD zeichnete sich [während der Weimarer Republik] nicht nur durch vergleichsweise gute Wahlergebnisse aus, sondern auch durch eine hohe personelle Kontinuität [...] der Bezirksorganisationsspitze."<ref>{{Martens-45-59}}, S. 25</ref></blockquote>


== Weimarer Republik ==
Reichspräsident [[Friedrich Ebert]] sagte in einer Ansprache vor Sozialdemokraten am [[4. September]] [[1922]] in Kiel:
[[1918]] stand [[Heinrich Kürbis]] - der [[1919]] zum Oberpräsidenten der Provinz Schleswig-Holstein ernannt wurde - als Bezirksvorsitzender an der Spitze der Landespartei, von [[1921]] bis [[1933]] war es [[Willy Verdieck]]. "Die schleswig-holsteinische SPD zeichnete sich [während der Weimarer Republik] nicht nur durch vergleichsweise gute Wahlergebnisse aus, sondern auch durch eine hohe personelle Kontinuität bei [...] der Bezirksorganisationsspitze."<ref>Martens, S. 25</ref>
<blockquote>"Es war nicht nur meine Auffassung, sondern auch die der gesamten Parteileitung, insbesondere unserer Alten, [[August Bebel|Bebel]], [[Paul Singer|Singer]], daß die Parteibewegung in Schleswig-Holstein eine der besten deutschen Bezirke ist, nicht nur ihrem Umfang und ihrer straffen, in sich gefestigten Organisation nach, sondern auch nach der ganzen geistigen Einstellung der Parteibewegung in Schleswig-Holstein. Es ist hier theoretisch und praktisch immer eine sehr intensive Schulung der Parteigenossen erfolgt und damit sehr früh den staatspolitischen Notwendigkeiten bei der hiesigen Parteigenossenschaft der Weg bereitet worden ... So war es möglich, daß in all den Stürmen ... die Parteiorganisation immer in sich geschlossen und gefestigt blieb und daß sie eine Reihe von Leuten hervorgebracht hat, die auch unseren Pflichten und Aufgaben im staatlichen Leben gerecht zu werden verstanden."<ref>Zitiert nach: {{Osterroth-100-Jahre}}, S. 3</ref></blockquote>


Reichspräsident [[Friedrich Ebert]] sagte in einer Ansprache vor Sozialdemokraten [[1922]] in Kiel:
Der Erfolg der Weimarer Republik hing nach Meinung der SPD auch davon ab, wie gut es gelänge, die Verwaltung zu demokratisieren. Da Sozialdemokraten der Weg in die Verwaltung bislang auf vielfache Art schwer gemacht worden war, gab es wenig Erfahrung und Vorbilder. Abhilfe sollte in Schleswig-Holstein unter anderem die [[Arbeitervolkshochschule Harrisleefeld|Arbeitervolkshochschule]] schaffen<ref>Jacobsen, Jens-Christian (1988) ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay17.pdf 'Der Stolz der Gesamtpartei?' Die SPD Schleswig-Holstein 1918-1933]''. In: ''Demokratische Geschichte'' 3(1988), S. 211</ref>, die aber erst [[1928]] eröffnet werden konnte und im Februar [[1933]] von den Nazis geschlossen wurde.
: "Es war nicht nur meine Auffassung, sondern auch die der gesamten Parteileitung, insbesondere unserer Alten, [[August Bebel|Bebel]], [[Paul Singer|Singer]], daß die Parteibewegung in Schleswig-Holstein eine der besten deutschen Bezirke ist, nicht nur ihrem Umfang und ihrer straffen, in sich gefestigten Organisation nach, sondern auch nach der ganzen geistigen Einstellung der Parteibewegung in Schleswig-Holstein. Es ist hier theoretisch und praktisch immer eine sehr intensive Schulung der Parteigenossen erfolgt und damit sehr früh den staatspolitischen Notwendigkeiten bei der hiesigen Parteigenossenschaft der Weg bereitet worden ... So war es möglich, daß in all den Stürmen ... die Parteiorganisation immer in sich geschlossen und gefestigt blieb und daß sie eine Reihe von Leuten hervorgebracht hat, die auch unseren Pflichten und Aufgaben im staatlichen Leben gerecht zu werden verstanden."<ref>Zitiert nach: Osterroth, S.</ref>


Der Erfolg der Weimarer Republik sollte nach Meinung der Sozialdemokraten aus Schleswig-Holstein auch davon abhängen, wie gut gelänge, die Verwaltung zu demokratisieren. Da Sozialdemokraten der Weg in die Verwaltung bislang auf vielfache Art schwer gemacht worden war, gab es wenig Erfahrung und Vorbilder. Abhilfe sollte unter anderem die [[Arbeitervolkshochschule Harrisleefeld|Arbeitervolkshochschule]] schaffen.<ref>Jacobsen, Jens-Christian (1988) "[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay17.pdf 'Der Stolz der Gesamtpartei?' Die SPD Schleswig-Holstein 1918-1933]" in: Demokratische Geschichte, Band 3, Seite 211</ref>
Die Reste der seit [[1920]] zerfallenden [[USPD]] kehrten auf dem Parteitag von [[1922]] bis auf einige wenige Köpfe in die SPD zurück. Der größere Teil hatte sich schon [[1920]] der mittlerweile gegründete KPD angeschlossen.


[[1922]] vereinigte sich der größte Teil der [[USPD]] wieder mit der SPD.
Da vermutlich das [[Gewerkschaftshaus Kiel|Gewerkschaftshaus]] für die wachsende Organisation nicht mehr genügend Raum bot, musste der Bezirksverband ausweichen. [[Karl Rickers]], damals in der [[SAJ|Sozialistischen Arbeiterjugend]], erinnert sich an Besuche bei seinem Jugendsekretär:
[[Datei:Fahne Reichsbanner Kiel-Hassee.jpg|280px|thumb|right|Fahne des Reichsbanners Kiel-Hassee]]
<blockquote>"[<nowiki/>[[Wilhelm Kuklinski|Wilhelm Kuklinskis]]] Büro lag in der Flämischen Straße in der Kieler Altstadt, als eines der etwa fünf oder sechs Büroräume des SPD-Bezirks; der [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Ortsverein Kiel der SPD]] residierte hingegen im angestammten [[Gewerkschaftshaus Kiel|Gewerkschaftshaus]]. Der Bezirksverband aber hatte Räume in einem der alten, dunklen Häuser aus der Barock- oder Nachbarockzeit gemietet, die es damals noch gab. Es ging durch ein altes Treppenhaus in engem Viereck nach oben. Wir wußten, daß hier alle Parteisekretäre ihre Büros hatten, z.B. [[Theodor Werner]], der die Gemeindepolitik und gleichzeitig die Parteikasse betreute - vielleicht auch war letzteres in den Händen von [[Paul Andratschke|Andratzke]] (sic!).<ref>Rickers, Karl: ''Erlebte Weimarer Republik. Erinnerungen eines Kielers aus den Jahren zwischen 1918 und 1933.'' In: Paetau, Rainer / Rüdel, Holger (Hrsg.): ''Arbeiter und Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein im 19. und 20. Jahrhundert'' (Neumünster 1987) ISBN 3-529-02913-0, S. 351</ref></blockquote>[[Datei:Fahne Reichsbanner Kiel-Hassee.jpg|280px|thumb|right|Fahne des Reichsbanners Kiel-Hassee]]Als Reaktion auf die zahlreichen politischen Morde, Putsch- und Aufstandsversuche in den Anfangsjahren der Weimarer Republik wurde [[1924]] das [[Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold]] gegründet. Überall formierten sich Ortsgruppen, vorwiegend aus Sozialdemokraten, die auch notfalls mit Gegenwehr gegen ihre gewaltbereiten Feinde die Demokratie schützen wollten.
Als Reaktion auf die zahlreichen politischen Morde, Putsch- und Aufstandsversuche in den Anfangsjahren der Weimarer Republik wurde [[1924]] das [[Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold]] gegründet. Überall formieren sich Ortsgruppen, vorwiegend aus Sozialdemokraten, die auch notfalls mit Gewalt gegen ihre gewaltbereiten Gegner die Demokratie schützen wollen.


Gegen Ende der Weimarer Republik kam es immer häufiger zu gewaltvollen Auseinandersetzungen mit den Anhängern des Nationalsozialismus. Es gab Tote. In Harrislee wurde zum Beispiel der Sozialdemokrat [[Julius Zehr]] von einem SA-Mann erschossen. In Lübeck war [[Julius Leber]] in eine Auseinandersetzung verwickelt, in der in Notwehr ein Reichsbanner-Mann einen SA-Schergen erstach. In den brauen Hochburgen wie Eutin und Kaltenkirchen litten die Genossen unter Dauerterror. Sie waren in einen Abwehrkampf verwickelt, sahen die Erfolge der Nazis, deren Vorgehen und ahnten, was ihnen blühte, wenn die Nazis an die Macht kommen sollten
Vom [[31. Mai]] bis [[5. Juni]] [[1931]] fand in Leipzig der Parteitag statt. Für Schleswig-Holstein nahmen als Delegierte teil [[Karl Andritzke]], [[Louis Biester]], [[August Blume]], [[Friedrich Böttcher]], [[Karl Bugdahn]], [[Paul Dölz]], [[Emma Drewanz]], [[Friedrich Hansen]], [[Richard Hansen]], [[Heinrich Hauschildt]], [[Toni Jensen]], [[Walter Lamp'l]], [[Karl Langebeck]], [[Max Schmidt]], [[Wilhelm Schweizer]], [[Willy Verdieck]] und [[Grete Wöhrmann]].<ref>{{Martens-45-59}}, S. 239</ref> Niemand ahnte, dass dies der letzte reichsweite Parteitag war; der nächste sollte die Reichskonferenz von Wennigsen am [[5. Oktober|5.]]/[[6. Oktober]] [[1945]] im drastisch verkleinerten und faktisch schon geteilten Deutschland sein.


== Nationalsozialismus ==
Gegen Ende der Weimarer Republik kam es immer häufiger zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den Nazis, aber auch mit Kommunisten. Es gab Tote. So wurden [[1932]] in [[Ortsverein Harrislee|Harrislee]] der Sozialdemokrat [[Julius Zehr]] von einem SA-Mann erschossen, in [[Ortsverein Eckernförde|Eckernförde]] die Landarbeiter [[Hinrich Junge]] und [[Johann Buhs]] bei einem Überfall auf das Gewerkschaftshaus ermordet. In [[Kreisverband Lübeck|Lübeck]] geriet [[Julius Leber]] im Februar [[1933]] in eine Auseinandersetzung, in der in Notwehr einer seiner Begleiter einen SA-Mann erstach. In den braunen Hochburgen wie [[Ortsverein Eutin|Eutin]] und [[Ortsverein Kaltenkirchen|Kaltenkirchen]] litten die Genossen unter Dauerterror. Sie waren in einen Abwehrkampf verwickelt, sahen die Erfolge der Nazis, deren Vorgehen und ahnten, was sie erwartete, wenn die Nazis an die Macht kommen sollten.
 
==Nationalsozialismus==
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{{Hauptartikel
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[[Datei:Stolperstein Wilhelm Spiegel.jpg|thumb|280px|left|Stolperstein für Wilhelm Spiegel, eins der ersten sozialdemokratischen Opfer der Nazis in Kiel]]
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[[1933]] wurde die SPD von den Nationalsozialisten verboten. Vielerorts wurden [[Traditionsfahne|Parteifahnen]] und Unterlagen vergraben oder - wie beim [[Ortsverein Schleswig]] - eingemauert, damit man sie später wieder hervorholen und dort weitermachen konnte, wo die Arbeit unterbrochen worden war.
Am [[22. Juni]] [[1933]] wurde die SPD von den Nationalsozialisten verboten. Vielerorts wurden [[:Kategorie:Fahne|Parteifahnen]] und Unterlagen vergraben oder - wie beim [[Ortsverein Schleswig]] - eingemauert, damit man sie später wieder hervorholen und dort weitermachen konnte, wo die Arbeit unterbrochen worden war.


Eine Reihe von SPD-Mitgliedern aus Schleswig-Holstein flohen ins Ausland - am bekanntesten dürfte der gebürtige Lübecker und späterer Bundeskanzler [[Willy Brandt]] sein, weitere waren [[Lisa Hansen|Lisa]] und [[Richard Hansen]] und [[Franz Osterroth]]. Andere, wie [[Andreas Gayk]] oder [[Anne Brodersen]], zogen nach Berlin, um in der Anonymität der Großstadt unterzutauchen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten Widerstand zu leisten. Auch in der Provinz organisierten Sozialdemokraten in dieser Zeit Widerstand, ebenso wie Kommunisten und kirchlich orientierte Manschen. Die Schleswig-Holsteiner hielten etwa engen Kontakt zu den nach Skandinavien Emigrierten.  
Eine Reihe von Mitgliedern aus Schleswig-Holstein floh ins Ausland - am bekanntesten dürfte [[Willy Brandt]] (damals schon zur [[Sozialistische Arbeiterpartei (1931)|SAP]] gewechselt) sein, weitere waren [[Lisa Hansen|Lisa]] und [[Richard Hansen]], [[Franz Osterroth]], [[Willy Busch]] und [[Hans E. Hansen]]. Andere, wie [[Andreas Gayk|Frieda und Andreas Gayk]] oder [[Anne Brodersen|Anne]] und [[Niels Brodersen]], zogen nach Berlin, um in der Anonymität der Großstadt unterzutauchen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten Widerstand zu leisten. Auch in der Provinz organisierten Sozialdemokraten in dieser Zeit Widerstand, ebenso wie Kommunisten und viele Konservative und religiöse Menschen. Die schleswig-holsteinischen Genossen hielten engen Kontakt zu den nach Skandinavien Emigrierten.  


Viele wurden [[Liste der sozialdemokratischen Opfer 1933-1945|von den Nazis umgebracht]]. Eine ganze Reihe bekannter Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wurden nach dem missglückten Attentat auf Adolf Hitler [[1944]] in der "[[Aktion Gitter]]" verhaftet und in Konzentrationslager gesteckt, wie etwa [[Hermann Lüdemann]]. Das berühmteste Beispiel eines schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten im Widerstand ist wohl der Lübecker [[Julius Leber]]. Bei seiner Aburteilung vor dem Volksgerichtshofs sagte er:
Viele wurden [[Liste der sozialdemokratischen Opfer 1933-1945|von den Nazis umgebracht]]. Zahlreiche bekannte Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wurden nach dem missglückten Attentat auf Adolf Hitler [[1944]] im Rahmen der "[[Aktion Gewitter]]" verhaftet und in Konzentrationslager gesteckt. Das berühmteste Beispiel eines schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten im Widerstand ist wohl der Wahl-Lübecker [[Julius Leber]]. Bei seiner Aburteilung vor dem Volksgerichtshofs sagte er:
<blockquote>"Für eine so gute und gerechte Sache ist der Einsatz des eigenen Lebens der angemessene Preis. Wir haben getan, was in unserer Macht stand."</blockquote>


: "Für eine so gute und gerechte Sache ist der Einsatz des eigenen Lebens der angemessene Preis. Wir haben getan, was in unserer Macht stand."
Andere blieben und versuchten, unter der Gewaltherrschaft zu überleben. Wer zum Kriegsdienst eingezogen wurde und ihn überlebte, kam danach oft in Gefangenschaft. Erst nach ihrer Freilassung konnten etwa [[Walter Damm]] oder [[Hans Schröder]] die SPD in Schleswig-Holstein wieder mit aufbauen.


Andere blieben und versuchten, unter der Gewaltherrschaft zu überleben. Wer zum Kriegsdienst eingezogen wurde und ihn überlebte, kam danach oft in Gefangenschaft. Erst nach ihrer Freilassung konnten Menschen wie [[Walter Damm]] die SPD in Schleswig-Holstein wieder mit aufbauen.
*Siehe auch: [[Liste der sozialdemokratischen Todesopfer 1933-1945]]


* Siehe auch: [[Liste der sozialdemokratischen Todesopfer 1933-1945]]
==Literatur==
 
== Literatur ==
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{{Hauptartikel
|Seite=Literatur zur Geschichte der Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein
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Nur wenig Literatur beschäftigt sich mit der Geschichte des Landesverbands insgesamt:
Nur wenig Literatur beschäftigt sich mit der Geschichte des Landesverbands insgesamt:
* [[Uwe Danker|Danker, Uwe]]: [http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_09/Demokratische_Geschichte_Band_09_Essay11.pdf ''Die Geburt der Doppelstrategie in der "Roten Hochburg". Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein 1863-1918''], in: ''Demokratische Geschichte'' 3(1988), S. 21-62
* [[Franz Osterroth|Osterroth, Franz]]: ''100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick'' (Kiel o. J. [1963])
* [[Rolf Schulte|Schulte, Rolf]] / [[Jürgen Weber|Weber, Jürgen]]: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay23.pdf Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) in Schleswig-Holstein]'', in: ''Demokratische Geschichte'', 3(1988), S. 307-317


== Links ==
*[[Uwe Danker|Danker, Uwe]]: [http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_09/Demokratische_Geschichte_Band_09_Essay11.pdf ''Die Geburt der Doppelstrategie in der "Roten Hochburg". Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein 1863-1918''], in: ''Demokratische Geschichte'' 3(1988), S. 21-62
* [http://www.spd-schleswig-holstein.de/ SPD Schleswig-Holstein]
*[[Holger Martens|Martens, Holger]]: ''Die Geschichte der [[Landesverband|Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein]] 1945 - 1959'' (2 Bde., Malente 1998), ISBN 3993862248 (liefert trotz des Titels viele Informationen über die Zeit der Weimarer Republik)
*[[Franz Osterroth|Osterroth, Franz]]: ''100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick'' (Kiel o. J. [1963])
*Paetau, Rainer: ''Konfrontation oder Kooperation. Arbeiterbewegung und bürgerliche Gesellschaft im ländlichen Schleswig-Holstein und in der Industriestadt Kiel zwischen 1900 und 1925'' (Neumünster 1988)
*Rüdel, Holger: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay05.pdf Ein schwieriger Start. Zur Frühgeschichte der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein]'', in: ''Demokratische Geschichte'' 3(1988), S. 77-85
*[[Rolf Schulte|Schulte, Rolf]] / [[Jürgen Weber|Weber, Jürgen]]: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay23.pdf Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) in Schleswig-Holstein]'', in: ''Demokratische Geschichte'', 3(1988), S. 307-317
*Trautmann, Günter: ''[http://library.fes.de/jportal/receive/jportal_jparticle_00010249 Liberalismus, Arbeiterbewegung und Staat in Hamburg und Schleswig-Holstein 1862 - 1869]'' In: ''Archiv für Sozialgeschichte'', Band 15 (1975), Seite 51-110
*Unterlagen des Bezirksvorstands wurden zu Beginn der NS-Diktatur beschlagnahmt und befinden sich heute im Bestand des Landesarchivs Abt. 384.1<ref>Schreiben 395/2016 des Leitenden Archivdirektors Prof. Dr. Dr. Rainer Hering an den SPD-Landesverband, Ralf Stegner, vom 10.2.2016</ref>


== Quellen ==
==Links==
Unterlagen des Bezirksvorstands wurden zu Beginn des "Dritten Reichs" beschlagnahmt und befinden sich heute im Bestand des Landesarchivs Abt. 384.1<ref>Schreiben 395/2016 des Leitenden Archivdirektors Prof. Dr. Dr. Rainer Hering an den SPD- Landesverband, Ralf Stegner, vom 10. Februar 2016</ref>


*[http://www.spd-schleswig-holstein.de/ SPD Schleswig-Holstein]
==Einzelnachweise==
<references />
<references />
[[Kategorie:Landesverband]]

Version vom 9. Mai 2022, 12:30 Uhr

Schleswig-Holstein als Teil von Preußen

Der Bezirksverband Schleswig-Holstein war die Vorgängerorganisation des Landesverbandes. Er umfasste bis zum Verbot der SPD durch die Nazis 1933 das Gebiet des Landesverbandes ohne die Freie und Hansestadt Lübeck aber mit den Städten Altona und Wandsbek im Randgebiet von Hamburg sowie dem Gebiet, das nach der Volksabstimmung von 1920 dauerhaft dänisch wurde. Auch das Fürstentum Lübeck zählte dazu, obwohl der Landesteil verwaltungsmäßig nicht zur preußischen Provinz Schleswig-Holstein, sondern zum Großherzogtum Oldenburg gehörte.

Nach der Neugründung 1945 trug der Verband - jetzt in den heutigen Grenzen Schleswig-Holsteins - zunächst weiter die Bezeichnung "Bezirksverband".

Kaiserreich

Bereits nach der gescheiterten Märzrevolution 1848/1849 begannen Handwerker und Arbeiter sich zu organisieren. Stephan Born gründete die Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrüderung. Allerdings hatte die Industrialisierung Deutschland noch nicht wirklich erreicht; es gab noch keine größere Arbeiterschaft.

Vorgeschichte

Die Sozialdemokratie breitete sich mit der wachsenden Arbeiterbewegung langsam aus und kam von Hamburg nach Schleswig-Holstein. In Hamburg hatten Arbeiter bereits 1862 ein Arbeiterkommitee gegründet. Der Hamburger Parteiorganisator Theodor Yorck und der Redakteur des Nord-Stern, Karl von Bruhn, waren zum Beispiel die führenden Köpfe der Agitation im Kreis Pinneberg.[1]

Theodor Yorck

"Am Gründungskongreß des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) am 23.5. 1863, dem Ausgangspunkt der organisierten Sozialdemokratie in Deutschland, nahmen drei Delegierte aus Hamburg teil. Die Hamburger Gemeinde des ADAV brachte lassalleanische Ideen nach Schleswig-Holstein. Bis 1905 stellten Hamburg und Schleswig-Holstein einen gemeinsamen Agitationsbezirk der Sozialdemokratie dar [...]".[2]

"Zur Ungunst dieser politischen Umstände während des Vordringen der lassalleanischen Bewegung von Hamburg nach Schleswig-Holstein kamen wirtschaftliche Verhältnisse, die keine großen Werbeerfolge versprachen. Das vorwiegend konservativ gesonnene Agrarland, in dem der Adel noch eine führende Rolle innehatte, war kein idealer Entwicklungsboden für eine moderne sozialistische Bewegung. Es fehlte an einer lebhaft voranschreitenden Industrialisierung. Von der knapp einen Million Einwohner lebten noch 70 % au dem Lande. Das Land besaß weder industriell verwertbare Rohstoffe noch lag es verkehrsmäßig günstig. Kiel, das um diese Zeit 18000 Einwohner besaß, hatte die einzige Schiffswerft der Provinz, in der es mehr als 200 Beschäftige gab. Neumünster, das - mit 7000 Einwohnern - eine gute Verkehrslage hatte, konnte eine alte Tuchindustire aus 82 kleinen Fabriken und Manufakturen und einigen Maschinenbau aufweisen. In Rendsburg war die 'Karlshütte', in Krusau eine Kupfermühle, in Flensburg und Hadersleben gab es Eisengießereien. Altona, mit 30000 Einwohner, die größte Stadt der Provinz, lag im Schatten des Hamburger Wirtschaftsausfstieges. Einige industrielle Ansätze waren in Ottensen und Wandsbek und Elmshorn vorhanden."[3]

In der Broschüre zum Reichsparteitag 1927 in Kiel schrieb der Bezirksvorsitzende Willy Verdieck, dass bereits in den 1860er Jahren in vielen Orten der Provinz Ableger des ADAV gegründet worden seien. Er zählte Altona, Wandsbek, Krempe, Itzehoe, Pinneberg, Kiel, Elmshorn, Neumünster, Flensburg, Eutin, Rendsburg, Plön und Glückstadt auf. In einer Auflistung der ADAV-Ortsvereine mit mehr als 100 Mitgliedern von 1869 finden sich Neumünster (280 Mitglieder), Altona (164 Mitglieder), Wandsbek (137 Mitglieder) und Kiel (111 Mitglieder).[4] Auch die Anhänger der "Eisenacher" Wurzel der SPD, der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP), gründeten einige Vereine - allerdings deutlich weniger.

"Mit der Vereinigung beider Richtungen im Jahre 1875 stieg die Schlagkraft der Organisation. Auf dem Sozialistenkongreß zu Gotha im Jahre 1876 wurden 37 Wahlkreise für offizielle Reichstagswahlkreise erklärt. Darunter befanden sich fünf in Schleswig-Holstein, und zwar: 1. Itzehoe-Meldorf, 2. Glückstadt-Elmshorn, 3. Kiel-Neumünster, 4. Altona-Wandsbek, 5. Plön-Segeberg. Schon im Jahre 1874 konnten die Lassalleaner die Wahlkreise Altona-Wandsbek und Plön-Segeberg erobern. Bei der Reichstagswahl im Jahre 1877 zeigte sich der Aufschwung der Partei durch erhöhte Abgabe von sozialistischen Stimmen."[5]

Am 24. Juni 1877 wurde in Neumünster auf einer Parteikonferenz die Gründung einer Parteizeitung für die Provinz beschlossen. Diese, die Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung, hatte ein Jahr später rund 8000 Abonnenten. Mit dem Inkrafttreten des Sozialistengesetzes musste die Zeitung ihr Erscheinen einstellen.

Sozialistengesetz

Hauptartikel: Sozialistengesetz

Hausdurchsuchung im Rahmen des Sozialistengesetzes, um 1879

War die Arbeit der Sozialisten vorher schon durch Bürgertum und Obrigkeit nicht besonders gern gesehen, wurde sie zwischen 1878 und 1890 komplett verboten. Das Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie störte die mühsam aufgebaute Parteiorganisation, zerstörte sie jedoch nicht. In der Illegalität wurde sie durch Vertrauensmänner aufrecht erhalten. Sozialdemokraten wurden verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt oder zur Emigration gezwungen.

Selbst diese Unterdrückung konnte nichts ändern an der Attraktivität der Idee der Sozialdemokratie.

"Maßnahmen gegen die Bewegung spornten unsere Genossen in einzelnen Orten zur größten Kraftentfaltung an. Altona, Neumünster und Kiel standen im Mittelpunkt der Abwehrbewegung. Als das Ausnahmegesetz 1890 fiel, da stand auch in Schleswig-Holstein die Bewegung stärker wie je zuvor da."[6]

Am 26. Mai 1888 trat eine neue Kreisordnung für die Provinz Schleswig-Holstein in Kraft, durch die sich Kreis-, Amts- und Gemeindegrenzen veränderten.[7] Dies hatte auch Auswirkungen für die im Untergrund arbeitende Parteiorganisation.

Auf dem Parteitag in Halle vom 12.-18. Oktober 1890 gab die SAP sich ein neues Organisationsstatut, und sie nahm ihren endgültigen Namen an: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD).

Wilhelminismus

Luise Zietz

Aber auch danach behinderten staatliche Organe die Arbeit von Sozialdemokratie oder Gewerkschaften weiterhin nach Kräften und schikanierten ihre Anhänger. Die rechtliche Ausgrenzung wurde aufgehoben, die gesellschaftliche Ausgrenzung blieb noch lange Zeit bestehen - mit nachhaltigen Auswirkungen auf das Verhältnis der Betroffenen zum Staat. In dieser Zeit bildete sich die sozialdemokratische Arbeiterkultur: Sozialdemokratische Zeitungen wurden gegründet, weil die Sichtweise der Arbeiter in der bürgerlichen Presse nicht vorkam. In bürgerlichen Vereinen waren Arbeiter als Mitglieder nicht gern gesehen; deshalb gründeten sie eigene Arbeitersportvereine, Arbeiterkultureinrichtungen wie die Freie Volksbühne Kiel oder den Kieler Chor-Verein. Eine der beeindruckendsten Schöpfungen der Arbeiterkultur waren die Konsumvereine.

Frauen durften sich bis 1908 überhaupt nicht organisieren. Einige mutige Schleswig-Holsteinerinnen wurden trotzdem politisch aktiv - Luise Zietz war eine der ersten weiblichen Agitatorinnen und gehörte ab 1908 als erste Frau dem Parteivorstand an.

Das "Verbindungsverbot" untersagte noch bis 1899 die Gründung überregionaler politischer Zusammenschlüsse. Deswegen gab es bis 1891 keine landesweite Parteiorganisation. Die SPD setzte auf eine Doppelstrategie: Auf lokaler Ebene waren politische Vereine erlaubt, deshalb gründeten sich nach 1890 vermehrt Ortsvereine. Überregional sicherten Abgeordnete und Vertrauenspersonen den Zusammenhalt der Partei.[8] Ein Provinzial-Parteitag wählte 1891 eine dreiköpfige Agitationskommission (die schon vorher im Geheimen bestanden hatte) mit Heinrich Lienau als 1. Vorsitzenden - die erste landesweite sozialdemokratische Organisation in Schleswig-Holstein. Mehr war bis zur Aufhebung des Verbindungsverbots nicht möglich.

Gründung der Bezirksorganisation

Bereits 1904 begann Eduard Adler aus Kiel die Diskussion über die Reorganisation des bisherigen "Agitationsbezirks". 1905 verabschiedete der Parteitag in Jena ein Organisationsstatut, das weitestgehend den Vorschlägen von Eduard Adler entsprach:

Die Grundlage der Organisation war nun der Verein des Wahlkreises. Für den Fall, dass der Wahlkreis sich über mehrere Orte erstreckte, konnten Ortsvereine gebildet werden. Diese "Sozialdemokratischen Vereine" schlossen sich zu Bezirksverbänden und Landesorganisationen zusammen, deren selbstständige Führung der Geschäfte allerdings nicht in Widerspruch zum Statut der Gesamtpartei stehen durfte. Mindestens 20 % ihrer Einnahmen waren an die Parteileitung abzuführen. Kein Wahlkreis durfte durch mehr als drei Delegierte auf dem reichsweiten Parteitag vertreten werden. Diese Struktur setzte Schleswig-Holstein zügig um, wie auf dem Provinzialparteitag 1905 berichtet wurde. Der gemeinsame Agitationsbezirk mit Hamburg wurde jedoch beibehalten.

Die Hamburger waren skeptisch, was diese Reorganisation anging; die Stadt mit ihren besonderen Landes- und Kommunalgesetzen passe nicht in das Organisationsgebilde der Provinz. Nach längeren Diskussionen beschlossen sie daher 1905 in einer Urabstimmung mit 1610 gegen 640 Stimmen, aus der Provinzorganisation auszutreten.[9]

Teil der Reorganisation scheint auch die Einführung von Unterbezirken gewesen zu sein - ab wann, ist bisher nicht ermittelt.

1906 übernahm Friedrich Bartels den Vorsitz des Agitationsbezirks Schleswig-Holstein.[10] Er wurde als Parteisekretär besoldet und war eine Art früher Landesgeschäftsführer. Ab 1912/13 nannte sich die Agitationskommission Bezirksvorstand. Am 1. November 1913 wurde Heinrich Kürbis zum Bezirksvorsitzenden gewählt und angestellt.[11]

Der Erste Weltkrieg

Die Zeit des Wilhelminismus war gesellschaftlich auch durch die Rüstungs- und Flottenpolitik von Kaiser Wilhelm II. geprägt. Die Sozialdemokratie setzte sich dagegen für eine Friedenspolitik ein.[12] In den Tagen nach der Mobilmachung zum Ersten Weltkrieg 1914 berief die SPD Schleswig-Holstein einen Bezirksparteitag ein. Die Entschließungen des Tages zeigten den Weitblick der Delegierten:

"Die Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein hat gemeinsam mit der deutschen Gesamtpartei und den anderen Parteien in Europa ihr Bestes getan, um den drohenden Weltkrieg zu verhindern und eine friedliche politische Entwicklung der Völker zu Wohlfahrt und Freiheit zu sichern. Wir stellen fest, daß unsere Partei keine Schuld an dem Verderben trifft, das da über die Welt ziehen will; die Verhältnisse dieser kapitalistischen Zeit und deren Konsequenzen waren stärker als die Arbeit unserer Millionen und der Friedenswille mancher Regierenden."[13]

Doch als zwei Tage später die Reichstagsfraktion den von der Regierung beantragten Kriegskrediten zustimmte, stand der Bezirk zunächst an ihrer Seite. Erst nach und nach brach hier, wie überall im Reich, der im Gegenzug vereinbarte "Burgfrieden" (der von den Herrschenden nie eingehalten worden war). Ab 1916 wuchs die innerparteiliche Kritik. Im März 1917 kam es dann zur Abspaltung der Unabhängigen SPD (USPD). Ihre Hochburgen in Schleswig-Holstein wurden Kiel, Bordesholm, Altona, Flensburg, Schleswig und Eckernförde.[14]

Arbeiter- und Matrosenaufstand

Hauptartikel: Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand Mit der Verschlechterung der Versorgungslage und dem immer sinnloser werdenden Sterben an der Front wuchs der Widerstand in der Bevölkerung. Ab Januar 1918 kam es vermehrt zu Streiks, im November 1918 dann zum Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand. Mit Unterstützung von Gewerkschaften, SPD und USPD breitete er sich binnen Tagen über das Reich aus, wurde zur Novemberrevolution, die dem Kaiserreich ein Ende setzte.

Weimarer Republik

III. Sekretärs-Kurs in Probstzella/Thür., möglicherweise mit Willy Verdieck (4. rechts von der Frau Mitte vorn) und Karl Meitmann (links vorn auf der 1. Treppenstufe, mit Fliege)

Im November 1918 wurde Heinrich Kürbis Beigeordneter beim Oberpräsidenten und im März 1919 selbst Oberpräsident. Daher übernahm am 29. Januar 1919 Carl F. Alps aus Itzehoe provisorisch den Bezirksvorsitz. Im Juli 1919 wurde dann Rudolf Hackelberg zum Bezirkssekretär gewählt. Er muss spätestens 1920/21 die Geschäfte an Willy Verdieck übergeben haben, der vom Bezirksparteitag 1921 in seinem Amt bestätigt wurde.[15] Er füllte das Amt bis zum erneuten Verbot der Partei 1933 aus. Allerdings stellte der Bezirksverband 1926 'Jack' Meitmann als hauptamtlichen Parteisekretär ein.[16]

"Die schleswig-holsteinische SPD zeichnete sich [während der Weimarer Republik] nicht nur durch vergleichsweise gute Wahlergebnisse aus, sondern auch durch eine hohe personelle Kontinuität [...] der Bezirksorganisationsspitze."[17]

Reichspräsident Friedrich Ebert sagte in einer Ansprache vor Sozialdemokraten am 4. September 1922 in Kiel:

"Es war nicht nur meine Auffassung, sondern auch die der gesamten Parteileitung, insbesondere unserer Alten, Bebel, Singer, daß die Parteibewegung in Schleswig-Holstein eine der besten deutschen Bezirke ist, nicht nur ihrem Umfang und ihrer straffen, in sich gefestigten Organisation nach, sondern auch nach der ganzen geistigen Einstellung der Parteibewegung in Schleswig-Holstein. Es ist hier theoretisch und praktisch immer eine sehr intensive Schulung der Parteigenossen erfolgt und damit sehr früh den staatspolitischen Notwendigkeiten bei der hiesigen Parteigenossenschaft der Weg bereitet worden ... So war es möglich, daß in all den Stürmen ... die Parteiorganisation immer in sich geschlossen und gefestigt blieb und daß sie eine Reihe von Leuten hervorgebracht hat, die auch unseren Pflichten und Aufgaben im staatlichen Leben gerecht zu werden verstanden."[18]

Der Erfolg der Weimarer Republik hing nach Meinung der SPD auch davon ab, wie gut es gelänge, die Verwaltung zu demokratisieren. Da Sozialdemokraten der Weg in die Verwaltung bislang auf vielfache Art schwer gemacht worden war, gab es wenig Erfahrung und Vorbilder. Abhilfe sollte in Schleswig-Holstein unter anderem die Arbeitervolkshochschule schaffen[19], die aber erst 1928 eröffnet werden konnte und im Februar 1933 von den Nazis geschlossen wurde.

Die Reste der seit 1920 zerfallenden USPD kehrten auf dem Parteitag von 1922 bis auf einige wenige Köpfe in die SPD zurück. Der größere Teil hatte sich schon 1920 der mittlerweile gegründete KPD angeschlossen.

Da vermutlich das Gewerkschaftshaus für die wachsende Organisation nicht mehr genügend Raum bot, musste der Bezirksverband ausweichen. Karl Rickers, damals in der Sozialistischen Arbeiterjugend, erinnert sich an Besuche bei seinem Jugendsekretär:

"[Wilhelm Kuklinskis] Büro lag in der Flämischen Straße in der Kieler Altstadt, als eines der etwa fünf oder sechs Büroräume des SPD-Bezirks; der Ortsverein Kiel der SPD residierte hingegen im angestammten Gewerkschaftshaus. Der Bezirksverband aber hatte Räume in einem der alten, dunklen Häuser aus der Barock- oder Nachbarockzeit gemietet, die es damals noch gab. Es ging durch ein altes Treppenhaus in engem Viereck nach oben. Wir wußten, daß hier alle Parteisekretäre ihre Büros hatten, z.B. Theodor Werner, der die Gemeindepolitik und gleichzeitig die Parteikasse betreute - vielleicht auch war letzteres in den Händen von Andratzke (sic!).[20]

Fahne des Reichsbanners Kiel-Hassee

Als Reaktion auf die zahlreichen politischen Morde, Putsch- und Aufstandsversuche in den Anfangsjahren der Weimarer Republik wurde 1924 das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gegründet. Überall formierten sich Ortsgruppen, vorwiegend aus Sozialdemokraten, die auch notfalls mit Gegenwehr gegen ihre gewaltbereiten Feinde die Demokratie schützen wollten.

Vom 31. Mai bis 5. Juni 1931 fand in Leipzig der Parteitag statt. Für Schleswig-Holstein nahmen als Delegierte teil Karl Andritzke, Louis Biester, August Blume, Friedrich Böttcher, Karl Bugdahn, Paul Dölz, Emma Drewanz, Friedrich Hansen, Richard Hansen, Heinrich Hauschildt, Toni Jensen, Walter Lamp'l, Karl Langebeck, Max Schmidt, Wilhelm Schweizer, Willy Verdieck und Grete Wöhrmann.[21] Niemand ahnte, dass dies der letzte reichsweite Parteitag war; der nächste sollte die Reichskonferenz von Wennigsen am 5./6. Oktober 1945 im drastisch verkleinerten und faktisch schon geteilten Deutschland sein.

Gegen Ende der Weimarer Republik kam es immer häufiger zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den Nazis, aber auch mit Kommunisten. Es gab Tote. So wurden 1932 in Harrislee der Sozialdemokrat Julius Zehr von einem SA-Mann erschossen, in Eckernförde die Landarbeiter Hinrich Junge und Johann Buhs bei einem Überfall auf das Gewerkschaftshaus ermordet. In Lübeck geriet Julius Leber im Februar 1933 in eine Auseinandersetzung, in der in Notwehr einer seiner Begleiter einen SA-Mann erstach. In den braunen Hochburgen wie Eutin und Kaltenkirchen litten die Genossen unter Dauerterror. Sie waren in einen Abwehrkampf verwickelt, sahen die Erfolge der Nazis, deren Vorgehen und ahnten, was sie erwartete, wenn die Nazis an die Macht kommen sollten.

Nationalsozialismus

Hauptartikel: Widerstand in der NS-Zeit

Stolperstein für Wilhelm Spiegel, eins der ersten sozialdemokratischen Opfer der Nazis in Kiel

Am 22. Juni 1933 wurde die SPD von den Nationalsozialisten verboten. Vielerorts wurden Parteifahnen und Unterlagen vergraben oder - wie beim Ortsverein Schleswig - eingemauert, damit man sie später wieder hervorholen und dort weitermachen konnte, wo die Arbeit unterbrochen worden war.

Eine Reihe von Mitgliedern aus Schleswig-Holstein floh ins Ausland - am bekanntesten dürfte Willy Brandt (damals schon zur SAP gewechselt) sein, weitere waren Lisa und Richard Hansen, Franz Osterroth, Willy Busch und Hans E. Hansen. Andere, wie Frieda und Andreas Gayk oder Anne und Niels Brodersen, zogen nach Berlin, um in der Anonymität der Großstadt unterzutauchen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten Widerstand zu leisten. Auch in der Provinz organisierten Sozialdemokraten in dieser Zeit Widerstand, ebenso wie Kommunisten und viele Konservative und religiöse Menschen. Die schleswig-holsteinischen Genossen hielten engen Kontakt zu den nach Skandinavien Emigrierten.

Viele wurden von den Nazis umgebracht. Zahlreiche bekannte Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wurden nach dem missglückten Attentat auf Adolf Hitler 1944 im Rahmen der "Aktion Gewitter" verhaftet und in Konzentrationslager gesteckt. Das berühmteste Beispiel eines schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten im Widerstand ist wohl der Wahl-Lübecker Julius Leber. Bei seiner Aburteilung vor dem Volksgerichtshofs sagte er:

"Für eine so gute und gerechte Sache ist der Einsatz des eigenen Lebens der angemessene Preis. Wir haben getan, was in unserer Macht stand."

Andere blieben und versuchten, unter der Gewaltherrschaft zu überleben. Wer zum Kriegsdienst eingezogen wurde und ihn überlebte, kam danach oft in Gefangenschaft. Erst nach ihrer Freilassung konnten etwa Walter Damm oder Hans Schröder die SPD in Schleswig-Holstein wieder mit aufbauen.

Literatur

Hauptartikel: Literatur zur Geschichte der Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein Nur wenig Literatur beschäftigt sich mit der Geschichte des Landesverbands insgesamt:

Links

Einzelnachweise

  1. SPD-Ortsverein Elmshorn: 100 Jahre SPD-Ortsverein Elmshorn (Elmshorn 1963)
  2. Danker, Uwe: Die Geburt der Doppelstrategie in der "Roten Hochburg" - Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein 1863-1918, in: Demokratische Geschichte 3(1988), S. 31
  3. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 6f
  4. Social-Demokrat - Tagesausgabe, 6.10.1869
  5. Die Partei in Schleswig-Holstein, in: Sozialdemokratischer Parteitag Kiel 1927 (Nachdruck Kiel o.O.u.J.)
  6. Die Partei in Schleswig-Holstein, in: Sozialdemokratischer Parteitag Kiel 1927 (Nachdruck Kiel o.O.u.J.)
  7. Kreisordnung für die Provinz Schleswig-Holstein vom 26. Mai 1888
  8. Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (Malente 1998), ISBN 3-933862-24-8, S. 24
  9. Vorwärts Nummer 290, Jahrgang 22, 12.12.1905
  10. Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (Malente 1998), ISBN 3-933862-24-8, S. 24
  11. Paetau, Rainer: Konfrontation oder Kooperation. Arbeiterbewegung und bürgerliche Gesellschaft im ländlichen Schleswig-Holstein und in der Industriestadt Kiel zwischen 1900 und 1925 (Neumünster 1988), S. 508
  12. Brecour, Wilhelm: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983), Seite I-71
  13. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), S. 54
  14. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), S. 56
  15. Jacobsen, Jens-Christian; 'Der Stolz der Gesamtpartei?' Die SPD Schleswig-Holstein 1918-1933. In: Demokratische Geschichte 3(1988), Seite 211
  16. HM [Holger Martens]: Karl Meitmann in der Datenbank AvS
  17. Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (Malente 1998), ISBN 3-933862-24-8, S. 25
  18. Zitiert nach: Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), S. 3
  19. Jacobsen, Jens-Christian (1988) 'Der Stolz der Gesamtpartei?' Die SPD Schleswig-Holstein 1918-1933. In: Demokratische Geschichte 3(1988), S. 211
  20. Rickers, Karl: Erlebte Weimarer Republik. Erinnerungen eines Kielers aus den Jahren zwischen 1918 und 1933. In: Paetau, Rainer / Rüdel, Holger (Hrsg.): Arbeiter und Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein im 19. und 20. Jahrhundert (Neumünster 1987) ISBN 3-529-02913-0, S. 351
  21. Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (Malente 1998), ISBN 3-933862-24-8, S. 239
  22. Schreiben 395/2016 des Leitenden Archivdirektors Prof. Dr. Dr. Rainer Hering an den SPD-Landesverband, Ralf Stegner, vom 10.2.2016