Björn Engholm: Sozialdemokraten in der Regierungsverantwortung (1988): Unterschied zwischen den Versionen

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Nicht akzeptabel ist eine Kritik, die vergessen macht, daß der Amtsinhaber, der Generalstaatsanwalt, in vollem Bewußtsein dieses politischen Beamtenstatus sein Amt angetreten hat. Kritik ist für mich nicht akzeptabel, wenn sie ausspart, daß die Möglichkeit nach der heftigen Kritik der Rechten Monate an der Arbeit der Staatsanwaltschaft, daß die Möglichkeit auch zu einem freiwilligen Agreement vorhanden gewesen wäre, aber von dem Betroffenen nicht genutzt worden ist. Und schließlich - das will ich mit Nachdruck sagen - ich halte eine Kritik für absolut nicht akzeptabel, deren Sprache maßlos und denunziativ ist wie die einiger Verbandsfunktionäre im Juristenbereich. Den Sozialdemokraten nach den Erfahrungen der letzten Monate duodezfürstliches Verhalten vorzuwerfen, nachdem man selbst länger als ein Jahrzehnt mit Duodezfürsten im Lande sehr friedfertig gelebt hat - das ist etwas, dem ich mich nicht beugen werde.
Nicht akzeptabel ist eine Kritik, die vergessen macht, daß der Amtsinhaber, der Generalstaatsanwalt, in vollem Bewußtsein dieses politischen Beamtenstatus sein Amt angetreten hat. Kritik ist für mich nicht akzeptabel, wenn sie ausspart, daß die Möglichkeit nach der heftigen Kritik der Rechten Monate an der Arbeit der Staatsanwaltschaft, daß die Möglichkeit auch zu einem freiwilligen Agreement vorhanden gewesen wäre, aber von dem Betroffenen nicht genutzt worden ist. Und schließlich - das will ich mit Nachdruck sagen - ich halte eine Kritik für absolut nicht akzeptabel, deren Sprache maßlos und denunziativ ist wie die einiger Verbandsfunktionäre im Juristenbereich. Den Sozialdemokraten nach den Erfahrungen der letzten Monate duodezfürstliches Verhalten vorzuwerfen, nachdem man selbst länger als ein Jahrzehnt mit Duodezfürsten im Lande sehr friedfertig gelebt hat - das ist etwas, dem ich mich nicht beugen werde.


In der '''Wirtschaft''' und der '''Arbeitsmarktpolitik''' darf die gegenwärtig gute Konjunktur nicht darüber hinwegtäuschen‚ daß die Grunddaten der wirtschaftlichen Entwicklung in Schleswig-Holstein nach wie vor problematisch sind. Wir haben eine hohe Arbeitslosenquote, trotz guter Konjunktur, wir verzeichnen eine unterdurchschnittliche Wirtschaftskraft, eine unterdurchschnittliche Industrialisierungsquote und auch eine unterdurchschnittliche Exportquote. Wir wollen mit der Wirtschaft, mit den Gewerkschaften und vor allem auch mit unseren Nachbarländern schrittweise die Struktur der norddeutschen Wirtschaft verbessern helfen. Ich habe in den ersten Wochen unserer Regierung drei Konferenzen mit [[Henning Vorscherau]] und einmal auch mit dem Bremer Freund [[Klaus Wedemeier|Wedemeyer]] geführt, und wir wollen künftig eine neue Qualität der Gemeinsamkeit landesübergreifend sicherstellen. Dazu gehört insbesondere eine enge Abstimmung in allen Fragen der Wirtschaftswerbung und der Wirtschaftsförderung. Wir sind uns einig und werden daraus in diesem Jahre noch Ernst machen, daß wir keine Konkurrenzkämpfe uns mehr leisten werden, insbesondere im Hamburger Randgebiet, die nur öffentliche Kosten verursachen, unterm Strich aber können die Menschen zum Nullsummenspiel degradiert werden. Wir wollen mit den Hamburgern - und wenn die Niedersachsen, auch unter Herrn Albrecht, wollen, auch mit ihnen, lieber wäre mir [[Gerhard Schröder]] - wir wollen mit den dreien und mit den Bremern zusammen, also mit vieren, im Bundesrat, wo immer es geht, gemeinsame Sache machen, weil es nicht angeht, daß auf Dauer auf die schon großen Haufen im Süden immer noch die dicksten Kartoffeln wieder angepflanzt werden. Wir wollen die Strukturschwäche im Norden beenden, um dann eines Tages nicht mehr als Bittsteller nach Bonn gehen zu müssen. Darauf haben wir im Sinne gleichartiger Lebensverhältnisse ein Anrecht, nicht nur ein Bittrecht, und das sollte Herr Stoltenberg wissen.
In der '''Wirtschaft''' und der '''Arbeitsmarktpolitik''' darf die gegenwärtig gute Konjunktur nicht darüber hinwegtäuschen‚ daß die Grunddaten der wirtschaftlichen Entwicklung in Schleswig-Holstein nach wie vor problematisch sind. Wir haben eine hohe Arbeitslosenquote, trotz guter Konjunktur, wir verzeichnen eine unterdurchschnittliche Wirtschaftskraft, eine unterdurchschnittliche Industrialisierungsquote und auch eine unterdurchschnittliche Exportquote. Wir wollen mit der Wirtschaft, mit den Gewerkschaften und vor allem auch mit unseren Nachbarländern schrittweise die Struktur der norddeutschen Wirtschaft verbessern helfen. Ich habe in den ersten Wochen unserer Regierung drei Konferenzen mit [[Henning Voscherau]] und einmal auch mit dem Bremer Freund [[Klaus Wedemeier|Wedemeyer]] geführt, und wir wollen künftig eine neue Qualität der Gemeinsamkeit landesübergreifend sicherstellen. Dazu gehört insbesondere eine enge Abstimmung in allen Fragen der Wirtschaftswerbung und der Wirtschaftsförderung. Wir sind uns einig und werden daraus in diesem Jahre noch Ernst machen, daß wir keine Konkurrenzkämpfe uns mehr leisten werden, insbesondere im Hamburger Randgebiet, die nur öffentliche Kosten verursachen, unterm Strich aber können die Menschen zum Nullsummenspiel degradiert werden. Wir wollen mit den Hamburgern - und wenn die Niedersachsen, auch unter Herrn Albrecht, wollen, auch mit ihnen, lieber wäre mir [[Gerhard Schröder]] - wir wollen mit den dreien und mit den Bremern zusammen, also mit vieren, im Bundesrat, wo immer es geht, gemeinsame Sache machen, weil es nicht angeht, daß auf Dauer auf die schon großen Haufen im Süden immer noch die dicksten Kartoffeln wieder angepflanzt werden. Wir wollen die Strukturschwäche im Norden beenden, um dann eines Tages nicht mehr als Bittsteller nach Bonn gehen zu müssen. Darauf haben wir im Sinne gleichartiger Lebensverhältnisse ein Anrecht, nicht nur ein Bittrecht, und das sollte Herr Stoltenberg wissen.


Wir sind dabei, die Beziehungen zu den osteuropäischen Nachbarn, zur DDR und zu den skandinavischen Staaten auszubauen. Der Wirtschaftsminister hat seinen ersten Besuch in Dänemark gemacht; ich bin mit [[Klaus Rave]] und [[Ute Erdsiek-Rave|Ute Erdsiek]] und meiner Frau in Schweden gewesen, und wir haben ein bißchen dazu beigetragen bei der Auftaktveranstaltung des schwedischen Wahlkampfes, daß unser Freund [[Ingvar Carlsson]] so gut abgeschnitten hat, wie er letztendlich dann doch ahgeschnitten hat.
Wir sind dabei, die Beziehungen zu den osteuropäischen Nachbarn, zur DDR und zu den skandinavischen Staaten auszubauen. Der Wirtschaftsminister hat seinen ersten Besuch in Dänemark gemacht; ich bin mit [[Klaus Rave]] und [[Ute Erdsiek-Rave|Ute Erdsiek]] und meiner Frau in Schweden gewesen, und wir haben ein bißchen dazu beigetragen bei der Auftaktveranstaltung des schwedischen Wahlkampfes, daß unser Freund [[Ingvar Carlsson]] so gut abgeschnitten hat, wie er letztendlich dann doch ahgeschnitten hat.

Version vom 6. August 2016, 22:48 Uhr

Rede von Ministerpräsident Björn Engholm auf dem Landesparteitag 1988, Travemünde

Sozialdemokraten in der Regierungsverantwortung

Zwischenbilanz und Perspektive

Rede auf dem a.o. Landesparteitag der SPD Schleswig-Holstein

am 1. Oktober 1988 in Travemünde

Genossinnen und Genossen,

wir haben als Sozialdemokraten 38 Jahre gebraucht, um nach einer kurzen Regierungszeit Ende der 40er Jahre mit einem fast 55prozentigen Ergebnis das Mandat zum Regieren von der Bevölkerung unseres Landes zu bekommen. Die vier Jahrzehnte Opposition, das wissen die Älteren unter uns besser als die meiner Generation oder die Jüngeren, waren kein Spaziergang. Das war eine lange, schwere und entbehrungsreiche Zeit, etwa eine Art Marathon über vier Jahrzehnte, um die Mehrheit in diesem Lande zu bekommen. Wir haben auf diesem buchstäblich langen Marsch nicht verzweifelt, und wir haben als Sozialdemokraten auf diesem langen Marsch etwas gelernt, was andere, die Christdemokraten in der Opposition, jetzt erst wieder lernen müssen, nämlich Ausdauer, Zähigkeit und Zieltreue.

Wir haben auf diesem langen Marsch nicht verlernt, aus welcher geschichtlichen Wurzel wir stammen, woher wir kommen und wo wir stehen, und ich verspreche Euch, die neue sozialdemokratische Landesregierung wird nicht vergessen, wem sie verpflichtet ist, woher sie kommt und wem sie künftig in diesem Lande zu dienen hat. Ich habe einige Maßstäbe für die Art und die Qualität des Regierens in den letzten Wochen und auch schon kurz nach der Wahl geäußert, und ich will das noch einmal in wenigen Sätzen zusammenfassen. Wir wollen - und das ist mein fester Wille - mit Beharrlichkeit, aber auch mit Geduld ans Werk gehen, statt in Ungeduld anfechtbar und fehlerhaft Politik zu machen. Wir wollen mit Beherrschung im Verhalten und Bescheidung im eigenen Anspruch regieren, statt eigensüchtig und eigennützig, wie es unsere Vorgänger getan haben. Wir wollen und müssen, auch aufgrund der historischen Erfahrungen in diesem Land, Rücksicht nehmen auf andere Meinungen und auf fremden Rat und nicht selbstherrlich und ignorant so tun, als könnten wir bestimmen, was in diesem Lande alleine zu geschehen habe.

Und ich sage es mit Nachdruck: Bei allem Recht, das wir uns mit der großen Mehrheit erworben haben, zu neuem politischem Handeln zu kommen, dieses Recht der Mehrheit zum Handeln beinhaltet die Pflicht zur Achtung der Meinungen und der Rechte der Minderheiten im Lande. Dies sind wir auch aus den Erfahrungen der letzten zwei Jahre unserem Lande schuldig, und wir werden davon keinen Deut abweichen. Ich bin dafür, daß wir in einer guten alten sozialdemokratischen Tradition uns die Radikalität im Denken, das heißt die Grundsätzlichkeit im Denken, nicht nehmen lassen, auch nicht im Regieren, daß wir aber gleichzeitig uns die Fähigkeit erhalten, kompromißbereit und kompromißfähig im Handeln zu sein. In beiden, in der grundsätzlichen Radikalität‚ des An-die-Wurzel-Gehens im Denken, und der Kompromißbereitschaft im Handeln, liegt unsere Chance und liegt unsere Stärke und liegt auf Dauer die einzige Möglichkeit, große Mehrheiten im Lande für unsere Partei zu bewahren.

Deshalb, bei aller Ungeduld, die wir gestern auch im Landesausschuß verspürt haben, laßt uns mit dem Pfunde der Zustimmung der Bevölkerung dieses Landes wuchern, Gramm für Gramm, und laßt es uns nicht wegen kurzfristiger Vorteile verspielen. So haben wir auf Dauer mehr davon, als wenn wir kurzfristig das Zepter der Mehrheit auf falsche Weise benutzen würden.

Wir standen in den ersten Monaten der Regierung vor einer unbeschreiblichen Altlast, und ich beschränke mich bei der Beschreibung dieser Altlast auf die Finanzsituation des Landes Schleswig-Holstein. Die Verschuldung unseres Landes ist in vier Jahren guter volkswirtschaftlicher Konjunktur von 83 bis 87 um 50 glatte Prozent gestiegen. Jeder Bürger und jede Bürgerin dieses Landes stehen, einfach gesagt, mit 6 500 DM Schulden in der Kreide, und wenn wir den Durchschnitt der anderen Flächenländer nehmen, die ja auch nicht alle reich sind, dann ist dort der Durchschnitt gegenwärtig pro Kopf der Bevölkerung in der Verschuldung bei 4 700 Mark.

Die kreisfreien Städte, bei denen man einiges über deren Politik sagen könnte, aber die anderes unverschuldet zu tragen haben, nämlich die sozialen Lasten, die kreisfreien Städte sind gegenwärtig dabei festzustellen, daß sie seit 1980 einen Zuwachs der Sozialausgaben von über 390 Prozent verzeichnet haben. Wir haben Gemeinden unter ihnen, die 300 bis 400 D-Mark Sozialhilfelasten pro Kopf der Bevölkerung zu zahlen haben, und wir haben in Baden-Württemberg Gemeinden, wo die Sozialhilfelasten pro Kopf der Bevölkerung bei 25 Mark liegen. Und wenn in dieser Situation der Bund - was er getan hat, mit der Zustimmung des Bundesrates und seiner knappen Mehrheit dort - uns eine Steuerreformlast aufs Haupt und die Schultern legt, von 550 Millionen D-Mark Einahmeausfällen jedes Jahr, das Gott werden läßt‚ wovon die Hälfte die Gemeinden zu tragen haben, dann sage ich noch einmal, die in Bonn sind weit entfernt von der sozialen Realität, mit der wir es im Lande Schleswig-Holstein zu tun haben. Der berühmt-berüchtigte Kardinal Richelieu hat einmal gesagt, der Haushalt ist der Nerv des Staates. Deshalb muß er den profanen Augen der Untertanen entzogen werden. In diesem Sinne haben offenbar unsere Vorgänger Finanzpolitik betrieben. Wir treten ein Erbe an, das unglaublich schwer zu bewältigen sein wird, und ich prophezeie heute, und das ist kein Kunststück, daß wir viele, viele Parteitagsdebatten haben werden, wo die Klagen über die Nichtausgabefähigkeit der Regierung viel größer sein werden als heute noch.

Die Konsequenzen aus der Finanzsituation heißen: extreme Zurückhaltung bei jeder Zusage einer Ausgabe, und das heißt, nur noch das zusagen, was wir auch wirklich und nachweisbar in den kommenden vier Jahren realisieren können. Es heißt gleichzeitig, wie Heide es immer gesagt hat, nicht mehr einfach noch eine Wohltat neben die andere tun oder obendrauf tun, sondern in harten politischen Debatten nach dem Prinzip "alternativ statt additiv” das für dieses Land absolut Notwendige formulieren und dann auch finanzieren. Und die Konsequenz wird bei vielen Dingen heißen, den Mut zu besitzen, nein zu sagen. Und wenn die Regierung beim Nein-Sagen-Müssen alleine stehen wird und von der Partei im Regen stehen gelassen wird, dann wird es Konflikte geben, die über das hinausgehen, was wir in der Vergangenheit erlebt haben. Wir werden manche Tränen vergießen im buchstäblichen Sinne des Wortes, wenn die Haushalte 89, 90 und 91 zur Debatte stehen.

Wir haben in den ersten Wochen einige Schnellentscheidungen treffen müssen. Ich will einige davon erwähnen, weil sie nicht allgemein ins Bewußtsein gelangt sind. Wir haben eine Kapitalerhöhung geleistet von 37 Millionen D-Mark bei der Howaldt-Werft in Kiel. Dies ist für uns als Anteilseigner selbstverständlich, daß wir es tun, und ich bekräftige an dieser Stelle, daß das Land Schleswig-Holstein nicht, wie es die Vorgänger offensichtlich geplant haben, seine Beteiligung bei Howaldt in Kiel aufgeben wird. Unsere Kapitalerhöhung ist zugleich ein Beitrag zur Sicherung der dort vorhandenen und insgesamt nicht immer gesicherten Arbeitsplätze der Kolleginnen und Kollegen auf der Werft. Ich verbinde mit dieser Kapitalerhöhung, die ja nicht von der Summe her gering ist, die feste Erwartung an ein Geschäftsgebaren der Geschäftsführung der Howaldt-AG in Kiel, nach dem es künftig unmöglich wird, daß U-Boot-Aufträge, wie in der Vergangenheit, zugleich bei so schludriger Führung der Geschäfte noch möglich sein werden. Und ich verbinde mit der Zahlung der Kapitalerhöhung die Hoffnung, daß dieses traditionsreiche Unternehmen endlich begreift, was Sozialdemokraten vor zehn Jahren in ihre Papiere hineingeschrieben haben, daß am Weltmarkt auf Dauer nur bestehen kann, wer bereit ist, über den Schiffbau hinaus auch andere Produkte in seine Produktionspalette aufzunehmen. Wir werden darauf achten, daß das passiert.

Wir haben unter der Leitung von Eva Rühmkorf kurzfristig 25 neue Berufschullehrerinnen und -lehrer in den Landesdienst eingestellt. Um die ärgsten Löcher im berufsbildenden Bereich zu stopfen, um auch ein Zeichen zu setzen, daß die Mehrheit der jungen Menschen, die ja letztlich ihre letzte Ausbildung in Berufsschulen erhalten, uns mehr wert sind, als sie es den Vorgängern wert gewesen sind.

Wir haben vorgefunden 277 Auszubildende, überwiegend in Monopolausbildungsgängen des Landes. Alle 277 standen mit Ablauf ihrer Ausbildung vor der Arbeitslosigkeit, und Ihr wißt, wer solche Monopolausbildungsgänge im Land macht, kriegt woanders im Regelfalle keine Chance. Wir haben uns trotz der knappen Finanzlage entschieden, diesen immerhin 277 jungen Menschen eine feste Beschäftigung im Lande Schleswig-Holstein anzubieten, und sie haben sie angenommen.

Wir haben in kurzer Zeit, und im Grunde aus dem Boden herausgestampft, erlebt, wie ein Umweltminister Berndt Heydemann ein Abwassersofortprogramm, für das wir 9 Millionen zur Verfügung gestellt haben, ein Uferstreifenprogramm, für das 4,5 Millionen DM Verpflichtungsermächtigungen zur Verfügung stehen, aus dem Boden gestampft und popularisiert hat. Und ich denke, wir haben auf Bundesebene keinen Vergleich zu diesem Umweltminister, der bundesweit die Probleme, die uns bedrücken, die ja auch die Probleme anderer Menschen außerhalb 5chleswig-Holsteins sind, so ins öffentliche Bewußtsein bekommen hat, wie Heydemann das geschafft hat. Dafür gilt ihm Dank.

Wir haben zugleich in Übereinstimmung mit der Landtagsfraktion und ihrem Vorsitzenden Gert Börnsen und dem Kabinett uns deutlich erklärt für die Zukunft der Tieffliegerei in Schleswig-Holstein. Es ist unsere Auffassung, daß Tiefflüge nach anderen Kriterien geübt und geführt werden könnten, aber nicht in dichtbesiedelten oder ökologisch hochwertvollen Gebieten durchgeführt werden dürfen. Wir wollen, daß dies weitestgehend von der Tagesordnung bei uns verschwindet.

Wir haben in den ersten vier Monaten auch daran immens arbeiten müssen, eine neue Verwaltungsorganisations- und Regierungsstruktur hinzukriegen. Und dabei sind uns zwei bis drei Pannen passiert, Fehler unterlaufen, auch Versäumnisse sind gemacht worden. Und ich gebe uneingeschränkt zu, daß die Information über das, was die Regierung gemacht hat, nicht ausreichend war, um alle politisch Interessierten und Engagierten innerhalb oder außerhalb der Partei rechtzeitig zu erreichen. Der Umgang der Regierung mit Fraktion, Parlament und Partei ist zweifelsfrei verbesserungsfähig. Und die Geschwindigkeit mancher Entscheidung - nicht aller, wie es hier erwartet wird - ist erhöhbar. Aber ich bitte zu bedenken: Wir sind angetreten nach 38 Jahren, ohne auch nur einen einzigen neuen Mitarbeiter mitnehmen zu können. Wir haben komplett mit der alten Mann- und Frauschaft der 38 Jahre regierenden Vorgängerregierung arbeiten müssen. Daß dabei Pannen und Versäumnisse, weil die unsere Denkungsart nicht kennen, zustande kommen, das, glaube ich, ist verständlich. Ich bitte deshalb, nicht vorzeitig den Stab über einige Dinge zu brechen, die zu beheben wir uns alle Mühe geben.

Wir sind fertig mit der Neugliederung der Staatskanzlei. Wir haben die Landesplanung aus der Staatskanzlei ausgegliedert und sie nach guter und reiflicher Überlegung dem Minister für Umwelt und Natur an die Hand gegeben, weil wir glauben, daß Landesplanung künftig überwiegend nach ökologischen Gesichtspunkten durchgeführt werden muß in einem Land besonders wie dem unseren. Wir haben eine neue Planungsabteilung. Sie wird übrigens, wer das noch nicht weiß, von einer Frau geführt werden. Und ich habe mir gesagt und mit mir meine Regierung, es geht nicht an, daß jedes mittelständische Unternehmen in seiner Planungsfähigkeit besser ausgestattet ist als die Landesregierung im Lande Schleswig-Holstein. Wir wollen uns den Luxus leisten, mindestens so gut zu sein wie die, die auf anderen Feldern um Dinge zu konkurrieren haben.

Wir sind dabei, eine Spitzenrunde von Gewerkschaftlern und Unternehmern zur ständigen Beratung der Regierung und des Ministerpräsidenten ins Leben zu rufen, und wir sind mit den Vorbereitungen zur Einrichtung einer "Denkfabrik" fast fertig. Wir wollen mit dieser Denkfabrik unkonventionelle Lösungen für das Land Schleswig-Holstein aus den intelligentesten Köpfen des Landes und von außerhalb herausholen, und das wird nicht nur für den Bereich der Wirtschaft gelten; es wird auch gelten für den Bereich der Kultur, und wenn es möglich ist, auch für einige sehr grundsätzliche Themen, etwa für die Gentechnik.

Der Bürgerbeauftragte Eugen Glombig hat seine Arbeit aufgenommen. Er wird eine Mischung aus Sozialanwalt und Ombudsman und Behindertenbeauftragter für die in Not befindlichen, sozial bedrückten Menschen im Lande werden.

Die Frauenministerin [ Gisela Böhrk ] ist voll in Tätigkeit und drängt bei jeder Sitzung und bei jeder Vorlage der Regierung auf die absolute Gleichstellung der Frauen, das heißt, sie kontrolliert jedes Gesetz, jede Verordnung, jede Verwaltungsrichtlinie, alles, was im Kabinett entschieden wird, und sie bereitet gegenwärtig Frauenförderrichtlinien vor für die Beschäftigung von Frauen und für die Förderung von Frauenprojekten. Und die Tatsache, daß auf dem Bundesparteitag die Quotendiskussion mit einer so hohen Zustimmung verabschiedet worden ist, und die Tatsache, daß die Schleswig-Holsteiner dabei so viel Zustimmung bekommen haben, ist ein Produkt der jahrelangen Arbeit auf dem Gebiet der Frauengleichstellung, die hier in 5chleswig-Holstein von der SPD geleistet worden ist.

Wir haben für all das, was ich mal kurz aufgereiht dargestellt habe, 115 neue Stellen im Nachtragshaushalt beantragt. Gemessen an etwa knapp 70000 Landesbediensteten, die schon vorhanden sind, scheint mir das eher bescheiden und mit Bedacht beantragt und bewilligt worden zu sein. Und wenn heute die eine oder andere Zeitung, und die, die ich meine, kommt im Regelfalle‚ erscheint in Hamburg, in einem nicht zu bezeichnenden Großkonzern, wenn die davon spricht, wir würden eine "brutale Personalpolitik" machen, dann zeigt der Blick auf die 115 Stellen sehr deutlich, daß solche Aussagen und Kommentare nichts anderes sind, als was sie sind, nämlich pure Propaganda. Wir haben das Land nicht ausgenommen.

Es ist uns eine Entscheidung in den ersten Wochen außergewöhnlich schwer gefallen, und das war die Frage, sollen wir den Generalstaatsanwalt des Landes in den vorzeitigen Ruhestand schicken. Jede Kritik an der Entscheidung der Regierung ist legitim, ebenso wie die Regierung sich auch freut, wenn heute auf dem Parteitag oder durch die Fraktion vor geraumer Zeit Zustimmung zu dieser Entscheidung kommt. Man steht ja nicht so gern allein im Regen, wie wir es hier doch überwiegend getan haben. So legitim Kritik an dieser Entscheidung ist, so wenig akzeptabel ist eine Kritik, die komplett ignoriert, daß es der Gesetzgeber war, das Parlament, das die Möglichkeit des politischen Zur-Ruhe-Setzens geschaffen hat, und es ist kein Willkürakt der Regierung gewesen.

Nicht akzeptabel ist eine Kritik, die vergessen macht, daß der Amtsinhaber, der Generalstaatsanwalt, in vollem Bewußtsein dieses politischen Beamtenstatus sein Amt angetreten hat. Kritik ist für mich nicht akzeptabel, wenn sie ausspart, daß die Möglichkeit nach der heftigen Kritik der Rechten Monate an der Arbeit der Staatsanwaltschaft, daß die Möglichkeit auch zu einem freiwilligen Agreement vorhanden gewesen wäre, aber von dem Betroffenen nicht genutzt worden ist. Und schließlich - das will ich mit Nachdruck sagen - ich halte eine Kritik für absolut nicht akzeptabel, deren Sprache maßlos und denunziativ ist wie die einiger Verbandsfunktionäre im Juristenbereich. Den Sozialdemokraten nach den Erfahrungen der letzten Monate duodezfürstliches Verhalten vorzuwerfen, nachdem man selbst länger als ein Jahrzehnt mit Duodezfürsten im Lande sehr friedfertig gelebt hat - das ist etwas, dem ich mich nicht beugen werde.

In der Wirtschaft und der Arbeitsmarktpolitik darf die gegenwärtig gute Konjunktur nicht darüber hinwegtäuschen‚ daß die Grunddaten der wirtschaftlichen Entwicklung in Schleswig-Holstein nach wie vor problematisch sind. Wir haben eine hohe Arbeitslosenquote, trotz guter Konjunktur, wir verzeichnen eine unterdurchschnittliche Wirtschaftskraft, eine unterdurchschnittliche Industrialisierungsquote und auch eine unterdurchschnittliche Exportquote. Wir wollen mit der Wirtschaft, mit den Gewerkschaften und vor allem auch mit unseren Nachbarländern schrittweise die Struktur der norddeutschen Wirtschaft verbessern helfen. Ich habe in den ersten Wochen unserer Regierung drei Konferenzen mit Henning Voscherau und einmal auch mit dem Bremer Freund Wedemeyer geführt, und wir wollen künftig eine neue Qualität der Gemeinsamkeit landesübergreifend sicherstellen. Dazu gehört insbesondere eine enge Abstimmung in allen Fragen der Wirtschaftswerbung und der Wirtschaftsförderung. Wir sind uns einig und werden daraus in diesem Jahre noch Ernst machen, daß wir keine Konkurrenzkämpfe uns mehr leisten werden, insbesondere im Hamburger Randgebiet, die nur öffentliche Kosten verursachen, unterm Strich aber können die Menschen zum Nullsummenspiel degradiert werden. Wir wollen mit den Hamburgern - und wenn die Niedersachsen, auch unter Herrn Albrecht, wollen, auch mit ihnen, lieber wäre mir Gerhard Schröder - wir wollen mit den dreien und mit den Bremern zusammen, also mit vieren, im Bundesrat, wo immer es geht, gemeinsame Sache machen, weil es nicht angeht, daß auf Dauer auf die schon großen Haufen im Süden immer noch die dicksten Kartoffeln wieder angepflanzt werden. Wir wollen die Strukturschwäche im Norden beenden, um dann eines Tages nicht mehr als Bittsteller nach Bonn gehen zu müssen. Darauf haben wir im Sinne gleichartiger Lebensverhältnisse ein Anrecht, nicht nur ein Bittrecht, und das sollte Herr Stoltenberg wissen.

Wir sind dabei, die Beziehungen zu den osteuropäischen Nachbarn, zur DDR und zu den skandinavischen Staaten auszubauen. Der Wirtschaftsminister hat seinen ersten Besuch in Dänemark gemacht; ich bin mit Klaus Rave und Ute Erdsiek und meiner Frau in Schweden gewesen, und wir haben ein bißchen dazu beigetragen bei der Auftaktveranstaltung des schwedischen Wahlkampfes, daß unser Freund Ingvar Carlsson so gut abgeschnitten hat, wie er letztendlich dann doch ahgeschnitten hat.

Ich begrüße nachdrücklich, daß das Mitglied des Politbüros der SED, Hermann Axen, unserem Lande Schleswig-Holstein einen Besuch abgestattet hat. Dieser Besuch hat in einer politisch und menschlich erfreulichen Atmosphäre stattgefunden. Er wird ein Auftakt sein für mehrere Begegnungen, die wir im Bereich der DDR mit den dort Verantwortlichen planen. Und ich füge hier hinzu, wir wollen mit unseren Partnern in der DDR nicht nur über Wirtschaftsfragen reden - wir wollen auch das, was uns über die Grenzen bindet, die Sprache und die Kultur, zu einem gemeinsamen Anliegen machen. Und ich werde bei meinen Besuchen in der DDR, und ich bin sicher, mit Eurer Zustimmung, aus meiner Meinung, auch als neues Präsidiumsmitglied der SPD, kein Hehl machen, daß das, was unsere skandinavischen Freunde unter der Führung von Olof Palme und was wir jahrelang mit ihnen gemeinsam zu einem großen Ziel gemacht haben, nämlich die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone in Mitteleuropa, daß dies nach wie vor zu unseren politischen Anliegen gehört, wo wir Deutsche gemeinsam kämpfen können. Ich werde auch aus meiner Meinung kein Hehl machen, auch in der DDR nicht, daß wir viele Dinge von der DDR erwarten, daß wir umgekehrt aber auch bereit sein müssen, den einen oder anderen berechtigten Wunsch der DDR auf unserer Seite endlich zu erfüllen. Und dazu gehört für mich die Beendigung des absolut nicht verständlichen, manchmal unsinnigen Streits um den Verlauf der Grenze auf der Elbe. Wenn 900 km Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik durch Verträge gesichert sind, dann wäre es ein Aberwitz, aus nicht verständlichen Prinzipienreitereien bei den letzten 50 km nicht zur Einigung zu kommen. Wenn es an uns liegen sollte, eine solche Einigung wird möglich werden und damit der Weg zu neuer Kooperation verbessert werden.

Wir haben im Bereich der Wirtschaft eine Reihe von schwierigen Fragen und auch Mißverständnissen in den ersten Wochen gehabt, wenn es darum ging, die Fragen des Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur miteinander zu bereden. Ich will hier noch einmal in Kürze sagen, was die Position unserer Regierung, Eurer Regierung ist. Großbauprojekte, die immer wieder gelegentlich wie ein Fahnentuch am Mast hochgezogen werden, also feste Elbquerungen für anderthalb oder zwei Milliarden Mark, sind sind für meine Regierung, und das sage ich abschließend, kein Thema. Es muß möglich sein, andere, der kleinteiligen Struktur unseres Landes und auch des südlichen Anschlusses adäquate Lösungen zu finden. Und da mögen die Großtechnologen von heute lachen, aber ich sage, eine im Takt verkehrende‚ in die Landschaft eingepaßte schiffbare Verbindung von beiden Seiten bringt allenfalls 15 bis 20 Minuten mehr Zeitaufwand, ist aber unter ökologischen Bedingungen zu realisieren, die eine Brücke nie erfüllen könnte. Solche Lösungen wollen wir anstreben.

Straßenneubau ist ein Thema, das gottlob auch nicht direkt bei uns auf der Tagesordnung steht. Ich meine, daß bei aller Misere in einigen Bereichen, etwa die Querverbindungen im Lande, große Straßenneubauvorhaben in unserem Lande nicht nötig sind. Wo immer Straßensystemverbesserungen vonnöten sind und bewiesen werden können, bin ich dafür, daß wir ökologisch adäquate Veränderung der vorhandenen Trassen machen, aber darauf verzichten, die Landschaft mit neuen Trassen zu übersäen.

Dies gilt im Prinzip auch für die Frage, ob, wenn neue Verkehrsverbindungen auf See anstehen, wir uns den Luxus leisten müssen, wirklich jedesmal einen neuen Hafen zu bauen. Meine Auffassung ist, Häfen und Schiffsbecken gibt es im Lande Schleswig-Holstein genug, so daß alle, die noch künftig neue Routen entdecken und befahren wollen, sich gefälligst konzentrieren können auf die vorhandenen Anlagen. Neue Häfen - nach meiner Auffassung - sind in diesem Lande nicht vonnöten.

Wir haben die Kooperation mit den Gewerkschaften kurz nach der Regierungsübernahme begonnen. Es hat mehrere Gespräche mit Einzelgewerkschaften gegeben und ein großes Gespräch mit der Spitze des DGB Nordmark und den Einzelgewerkschaftsvorsitzenden. Wir sind uns darin einig, daß in der künftigen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der Regierung die wesentlichen und finanzierbaren Teile des Küstenstrukturprogramms der Gewerkschaft selbstverständlich volle Berücksichtigung finden. Wir ziehen hier beide gemeinsam am gleichen Strang.

Wir sind uns einig, daß‚ wenn wir über technologischen Fortschritt reden, die Gewerkschaften bei der notwendigen mitbestimmenden Begleitung dieses Fortschritts nicht ohne eigene Kapazitäten dastehen dürfen. Es wird deshalb mit Sicherheit in dieser Legislaturperiode eine Innovationsberatung der Gewerkschaften mit Förderung unserer Regierung geben. Und wir werden - ich denke, bis zur Mitte der Legislaturperiode - in der Lage sein, gemeinsam mit der Fraktion und nach Rücksprache mit allen beteiligten und betroffenen Verbänden ein Bildungsurlaubsgesetz vorzulegen, von dem ich hoffe, daß es dann nicht nur im Parlament, sondern auch über den Kreis der Gewerkschaften hinaus als ein wesentlicher Schritt in eine stark von Bildung abhängige Zukunft begriffen werden kann.

Laßt mich an dieser Stelle deutlich sagen, es wird auch keine sozialdemokratische Regierung der SPD in Schleswig-Holstein geben, die völlig problemlos mit den Gewerkschaften wird leben können. Die Gewerkschaften werden von uns in aller Regel weitaus mehr erwarten und verlangen, als wir realisieren können. Ich sag’ mal, die ÖTV hat hochgerechnet, was sie nach der Einführung der Arbeitszeitverkürzung von uns erwartet an Neubeschäftigungen im Lande Schleswig-Holstein. Ich sage die Zahl mal übern Daumen:

2700 neue öffentlich Bedienstete. Wenn Ihr meine Eingangsworte ernst nehmt - und wir haben nicht eine einzige müde Mark, um in diesem Bereich etwas auszugeben -‚ dann würde das bedeuten, daß wir jede zusätzliche Beschäftigung künftig über Kredite finanzieren müßten. Die Beschäftigung von Beamten über Kredite ist nicht der ideale Weg, von dem ich träume. Wir werden dennoch versuchen, Schneisen zu finden, um das, was an Neubeschäftigung nach der Arbeitszeitverkürzung nötig wird, an den richtigen Stellen zu investieren. Und da hoffe ich auf Eure Zustimmung, daß wir nicht flächendeckend überall mehr Menschen beschäftigen können, sondern überwiegend da, wo die Not bei der Bewältigung öffentlicher Aufgaben am größten ist. Dort muß auch am ehesten neue Beschäftigung geschaffen werden.

Es muß klar sein, daß bei allem, was in den letzten Wochen diskutiert worden ist, für Sozialdemokraten in der Regierung des Landes Schleswig-Holstein bei der Arbeitszeitverkürzung die sogenannte Mittagspausenlösung nicht in Frage kommt.

Wir haben auch die Kooperation mit der Wirtschaft des Landes begonnen. Dabei sind wir in gar keiner Weise darauf angelegt, Unterschiede, die es gibt in der Auffassung, etwa zu verdrängen. Die machen, ebenso wie wir, aus ihrem Herzen keine Mördergrube; aber wir haben festgestellt, daß es eine Fülle gemeinsamer Ziele gibt, wo es auch mit der Wirtschaft möglich ist, gemeinsam für dasselbe Ziel zu streiten, und ich finde, diese Aufschließung gegenüber denen in der Wirtschaft, die bereit sind, für vernünftige Ziele mit uns gemeinsam zu operieren, diese Aufschließung sollten wir uns nicht nur als Regierung, sondern auch als Sozialdemokratische Partei vornehmen.

Der Strukturfonds wird eine entscheidende Aussagen machen über die überhaupt noch vorhandene Finanzierungsfähigkeit des Landes Schleswig-Holstein. Was gegenwärtig um diesen berühmten Albrechtschen Strukturfonds abläuft, ist ein klägliches und unsägliches und der Sache abträgliches Hickhack. Wenn ich lese, daß Bayern, das zweitreichste Land der Bundesrepublik Deutschland, durchgesetzt hat, daß es mit über sechs Prozent an diesem Kuchen beteiligt wird und damit mehr als die Hälfte dessen kriegt, was das mehrfach ärmere Land Schleswig-Holstein bekommt, dann sage ich, hier wird nach Parteiproporz, aber nicht nach der Not der Menschen entschieden, und das ist schlimm.

Ich möchte den Weg einer Klage gegen das, was da auf uns zukommt, dennoch nicht ins Auge fassen, weil je mehr Leute klagen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß unter dem Strich aus dem Strukturfonds überhaupt nichts wird. Und ich sage ganz drastisch, selbst wenn ich 15 oder 20 Millionen Mark weniger bekomme für unser Land, als vorgesehen, mir ist wichtiger, das Geld kommt, und ich kann es noch investieren in die Zukunft, als daß wir nach einem unsäglichen Verfassungsstreit mit Null dastehen und in die Röhre gucken. Und was der Rüdiger dezent angemerkt hat, und der Bürgermeister, wie klug das immer sein mag, auf solchen Parteitagen über Großprojekte zu reden, oder was die Kieler gerne möchten, ein Museum für Industrie und Alltagskultur, und ich will die ganze Latte des ganzen Landes - Neumünster, Itzehoe, Geesthacht - gar nicht erst aufmachen.

... und Toleranz in Schleswig-Holstein stärken, eine Hauptrolle gespielt. Und ich finde, daß die Abschaffung des Radikalenerlasses in einer der ersten Sitzungen des Landeskabinetts deutlich gemacht hat, daß Repression Menschen gegenüber, die eine andere Meinung vertreten, daß Repression gegen ihre beruflichen Interessen im Lande Schleswig-Holstein künftig nicht mehr vorkommen wird.

Wir werden jetzt einige schwierige Fragen in diesem Zusammenhang zu entscheiden haben, und da wird es Eurer sehr rationalen Mithilfe bedürfen. Die Initiativen, die auf diesem Felde tätig sind - einige jedenfalls -‚ erwarten von uns eine komplette Generalwiedergutmachung aller abgelehnten Bewerber in der Vergangenheit. Und ich denke, eine solche Zusage kann die Landesregierung, ohne Präzedenzfälle für ganz anders gelegene Ablehnungen, nicht geben. Ich denke, daß jeder, der zum Zeitpunkt seiner Bewerbung den Noten- und Beurteilungsdurchschnitt derer hatte, die eingestellt worden sind, der aber nur deshalb nicht eingestellt wurde, weil er eine andere politische Auffassung hat, der oder die eine Chance haben müssen auf gerechte Behandlung heute. Das heißt, bei Einbeziehung in die Beurteilung des üblichen Noten- und Beurteilungsdurchschnitts‚ glaube ich, schaffen wir ein System der Gerechtigkeit all jenen gegenüber, die in der Vergangenheit politisch repressiv behandelt und abgelehnt worden sind.

Wir haben, so hoffe ich, im wesentlichen, vielleicht nicht bis ins Detail, den Streit um die Frage beendet, ob eine Gemeinde sich im Sinne einer Petition zur atomwaffenfreien Gemeinde erklären kann oder nicht. Es sollen künftig Gemeindepolitiker im Parlament sagen: Unsere Auffassung ist, hier sollen keine Atomwaffen her, die Landesregierung hat ihnen das gefälligst nicht mehr zu untersagen. Das hat der Bull geschafft.

Gerd Walter hat darauf hingewiesen, daß wir eine Richtlinie für Asylanten in Schleswig-Holstein verabschiedet haben. Danach beginnt von jetzt an die zentrale Unterbringung und die schrittweise Auflösung der Sammelunterkünfte für Asylanten, was wir seit Jahren gefordert haben. Damit wird zugleich mehr Freizügigkeit für die Asylbewerber eröffnet im Lande und die individuelle Situation verbessert.

Hans Peter Bull, der Innenminister, hat mit den Vorarbeiten zur Reform des kommunalen Verfassungsrechtes begonnen. Und ich sage hier zu, was ich bei verschiedenen Gelegenheiten gesagt habe: Das ganze Paket, das sich mit der Frage der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung beschäftigt und das mehr Transparenz und Mitwirkung für die Menschen bringen wird, liegt so rechtzeitig zur Kommunalwahl vor, daß alle, die alle Details und Ergebnisse wollen, damit in ihren persönlichen Wahlkampf eintreten können. Wir werden also Euch munitionieren mit dem, was an Veränderungen im Lande kommt, rechtzeitig zur Kommunalwahl.

Wir sind dabei, die Frage eines kommunalen Wahlrechts für Ausländer vorzubereiten. Manche haben gehofft und erwartet, daß wir schon für die Kommunalwahl im Jahre 90 dieses kommunale Wahlrecht realisieren könnten. Wir haben dies geprüft und festgestellt, wer das Kommunalwahlrecht für Ausländer bis 90 will, muß bis zum Februar 89 alles durch sein Parlament durch haben, weil sämtliche Gesetzesveränderungen in der Folge einer solchen Entscheidung sonst nicht mehr möglich sind. Dies ist faktisch ausgeschlossen. Wir werden deshalb so schnell und juristisch solide wie irgend möglich einen Entwurf vorlegen für das kommunale Wahlrecht von Ausländern. Ich habe daraufhin auch gebeten, daß das Präsidiumsmitglied der Europa-Union‚ Herr Johansson‚ uns für eine Zeit als Beauftragter und für die Interessenkoordinierung zur Verfügung steht. Er wird auch Vorschläge machen für mögliche Zwischenformen bis zu dem letzten großen Schritt.

Ich verstehe die Ungeduld, die in manchen Gliederungen der Partei vorhanden ist, insbesondere bei vielen, auch kirchlichen Initiativen. Aber ich bitte Euch, mit dem Kabinett der Meinung zu sein, daß wir keinen Weg gehen sollten, der mit großer Sicherheit am Verfassungsgericht scheitert. Ein Vorschlag für das kommunale Wahlrecht von Ausländern, der verfassungsgerichtlich eine Absage erhält, läßt die Ausländer am Ende schlechter dastehen als heute. Und dies wollen wir vermeiden, und deshalb laßt uns einige Monate mehr Zeit.

Und schließlich: Das Personalvertretungsrecht wird, wie angekündigt und wie von mir in zwei großen Runden mit allen Personal- und Hauptpersonalräten des Landes durchgeführten Diskussionen angekündigt, es wird in Schleswig-Holstein aus dem derzeit schlechtesten Personalvertretungsrecht bis zur Mitte der Periode das beste in Deutschland und das höchst angesehene Personalvertretungsrecht werden. Wir haben durch die Landesregierung, den Innenminister, ein Rundschreiben, eine Anordnung erlassen, für alle Einheiten des öffentlichen Dienstes in gewissen Fragen schon jetzt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit so zu üben und einzuspielen, als sei das neue Gesetz bereits verabschiedet, das heißt wir haben auf diesem Gebiet alles getan, was in der Kürze der Zeit möglich war.

Meine vorletzte Bemerkung zum Bereich Toleranz und Liberalität: Ich werde, nachdem wir die ersten Konsolidierungsarbeiten hinter uns haben, verstärkt den Dialog zu den nichtparlamentarischen Gruppen im Lande Schleswig-Holstein suchen. Die außerparlamentarischen Gruppen sind - und das gilt auch für unsere Regierungszeit - das Salz in der Suppe der Demokratie. Sie brauchen ihre Autonomie, aber sie brauchen zugleich auch eine Chance auf Einfluß auf das Regierungs- oder Politikhandeln des Parlamentes. Und von daher habe ich die Absicht, bis Anfang 89 - ich nenne es mal noch etwas unbestimmt -‚ ein Bindeglied zu schaffen. Das kann ein Gremium sein oder eine Person, das die Verbindung, eine ständige Verbindung, zwischen Regierung und außerparlamentarischen Gruppen herstellt. Wir wollen das, was dort an Potential und Phantasie vorhanden ist, nicht mehr nutzlos an der Landespolitik vorbeigehen lassen.

Und schließlich: Gerd Walter hat angesprochen die Übung Wintex, Wintex-Cimex, und es gibt noch einen dritten Begriff, der mir jetzt nicht geläufig ist. Ich sage einschränkend, das Land Schleswig-Holstein kann nicht verhindern, daß in Schleswig-Holstein Manöver stattfinden. Und ich sage auch, solange es eine Bundeswehr gibt, wird meine Regierung, und ich denke auch unsere Partei, nicht prinzipiell dagegen sein, daß diese Bundeswehr mit Alliierten zusammen Dinge einübt. Wogegen wir zu Recht etwas haben, sind Übungen und Manöver, die nur noch davon ausgehen, daß Konflikte ausschließlich militärisch und letztlich nuklear gelöst werden müssen, und dies tut ganz offenbar Wintex. Und dagegen bestehen meine Bedenken, und die will ich deutlich sagen.

Uns in Schleswig-Holstein sind Manöver im Natobereich und der Bundeswehr die willkommensten und die liebsten, die davon ausgehen, daß künftig militärische Lösungen keine Lösungen mehr für Menschen sind, sondern nur noch politische Konfliktlösungen eingeübt werden müssen, weil sonst die Menschheit am Ende steht, und dies können wir nicht wollen.

Der Ausstieg aus der Kernenergie, von unserer Partei beschlossen, wird der schwerste Brocken der Landespolitik in der Zukunft sein. Unser Leitspruch, daß Sicherheit Vorrang hat vor allem anderen, den haben wir bei dem technischen Defekt mit den Zentrierstäben in Brokdorf sofort und uneingeschränkt umgesetzt, und ich sage mal, diese Entscheidung, den Konflikt aufzunehmen bei einem technischen Defekt unkalkulierbarer Sicherheitsdimension, war richtig, und ich stehe nach wie vor dazu. Wenn der Herr Töpfer im Bundestag in Bonn sagt, wir wären nicht bereit, die Verantwortung zu tragen, dann sage ich: Verantwortung mit Kernenergie trägt heute nur noch der, der bereit ist, bei offenen Fragen den Mut zum Nein zu haben, nicht derjenige, der Augen-zu-und-Ja-sage-Politik zur Norm macht.

Günther Jansen gibt die Euch allen avisierten Gutachten zur Sicherheit des Betriebes der Kernkraftwerke und zur Entsorgungslage in Auftrag. Das wird - Claus Möller nickt mit dem Kopf - zwei Jahre dauern. Am Ende dieser zwei Jahre werden wir politisch entscheiden, was wir in welchen Schritten und mit welchem Risiko politisch realisieren können, und was nicht. Eines ist sicher: Diese Gutachten werden die sorgfältigste Analyse sein über den Betrieb von Kernkraft und die Entsorgung, die es je gegeben hat, und ich denke, daß von daher ein ganz entscheidender Impuls schon ausgehen wird für alle, die in anderen Teilen Deutschlands auf solche Anstöße warten. Ihr müßt nur alle wissen, dies ist wahrscheinlich der größte Konfliktstoff, den die Regierung durch die Beschlüsse der eigenen Partei auf den Schultern zu tragen hat. Ich gehöre nicht zu denen, die versuchen werden, in einem Husarenritt das zu vollenden, was auf dem Papier steht. Ich werde versuchen, einen Prozeß zustande zu kriegen mit einer gewissen Moderation zwischen allen Beteiligten. Ich habe deshalb mit Günther Jansen gemeinsam nicht leichte Gespräche geführt mit dem Vorstand der VEBA, mit dem Vorstand von PREAG und mit dem Vorstand von HEW. Wir haben gesagt, wir mögen grundsätzlich anderer Auffassung sein; aber wenn selbst Herr Benningsen-Vörder, der Vorstandsvorsitzende von VEBA, sagt, Kernenergie sei eine Übergangsenergie‚ wann, bitte, haben wir sie gefragt, wollt Ihr denn anfangen mit dem Neuen, was nach der Übergangszeit kommt? Und ich sage ihnen heute noch einmal, warum nehmen wir nicht Schleswig-Holstein, das am weitesten gedacht hat, als einen Modellfall, wo die Grundstrukturen einer anderen, nicht von Kernenergie gespeisten Energieversorgung deutlich werden? Wir bieten dies allen an, die guten Willens sind. Wir müssen auch ernst nehmen, sehr ernst nehmen, die Bedenken, die einige wenige Unternehmen im Lande haben, was die Frage der Kostenstrukturen der Energie angeht. Da kann man als Partei leichter mit fertig werden denn als Regierung. Die meisten haben gelesen, daß ein Großunternehmen der Papierverarbeitung hierüber sich ernsthafte Gedanken gemacht hat. Auch darüber haben wir Günther Jansen‚ Claus Möller und ich und Franz Froschmaier - in einem langen, ausführlichen Gespräch versucht, mit den Betreibern dieses Papierunternehmens einen gemeinsamen Weg zu finden. Wir haben gesagt, wir wollen niemanden verprellen, wir sind im Grunde viel offener und wirtschaftsfreundlicher als die Verbohrten, engherzigen Vorgänger. Und wir werden denen, die Sorgen haben, Möglichkeiten auch einer eigenständigen, dezentral organisierten Energie- und Wärmeversorgung eröffnen. Das heißt, ich bitte Euch auf diesem Felde mitzudenken. Die Uetersener können Euch da eine ganze Menge erzählen, was an Diskussionen in diesem Bereich gelaufen ist.

Laßt mich abschließend zu dem Punkt sagen: Manche haben uns vorgeworfen, die Abkehr von der Kernenenergie sei ein Indiz für die Wirtschaftsfeindlichkeit der SPD. Die müssen mit dem Klammerbeutel gepudert sein. Ich denke, wirtschaft- und technologiefreundlich ist nur derjenige, der heute die Herausforderung annimmt, neue, sanftere Energiesysteme zu entwickeln; denn wenn er damit Erfolg hat, wird er der erste sein, der auch weltweit bei dem Ausstieg aus der Kernenergie wirtschaftlich das Bein im Rennen hat. Und wir wollen dabei sein.

Es vergeht kein Parteitag, wo man nicht eine Bemerkung machen muß zur Gesamtschule. Und das will ich auch hier machen. Ich bitte Euch zunächst einmal alle - und ich sage das mit aller Zurückhaltung -, sich bitte nicht verrückt machen lassen weder durch die schärfer gewordene Kritik von rechts noch durch das Drängen und Bohren der engagierten Gesamtschulbefürworter. Die Fraktion hat seit nunmehr neun Jahren in ununterbrochener Folge von Klaus Matthiesen über Björn Engholm zu Gert Börnsen eine und dieselbe Linie vertreten, und die wird sich nicht ändern. Und diese Linie heißt: Das Elternrecht ist ein sehr hohes Gut, aber das Elternrecht ist keine Einbahnstraße. So wie es das Recht von Eltern auf den Besuch von Hauptschule, Realschule, Gymnasium gibt, so muß künftig auch das Tor aufgemacht werden für Eltern, die ihr Recht beanspruchen für den Besuch einer Gesamtschule. Und das wird passieren. Es ist dabei selbstverständlich, daß die Gesamtschule keine Schule zweiten Ranges sein wird. Mit der Änderung des Schulgesetzes wird natürlich die Gesamtschule wie alle anderen guten Schulen dieses Landes auch in den Status einer Regelschule gehoben werden, sie bleibt nicht mehr Ausnahme, sie wird eine Regelschule neben den anderen, die es heute gibt. Und dabei bleibt es, auch für diese Regierung.

Man muß hinzufügen, daß der Weg, den wir gehen, ein neuer Weg ist, der 38 Jahre in Schleswig-Holstein immer nur in umgekehrter Richtung beschritten worden ist. Und deshalb, bei den Unwägbarkeiten, die damit verbunden sind, ist ein Plazet für Anträge, die jetzt einlaufen, in einer Woche schlichtweg nicht möglich. Man kann die Gesamtschule nach 14 000 Tagen des Wartens nicht in 100 Tagen aus dem Boden stampfen - das müssen auch die Engagiertesten einfach so sehen.

Wir haben einige Fragen zu beantworten, die wir auch so schlicht auf einem Parteitag gar nicht formulieren können. Wie viele Eltern und Kinder brauchen wir, um den Einstieg in eine Gesamtschule verantwortbar machen zu können? Wievielzügig soll eine Gesamtschule sein? Und ich denke, daß niemand auf die Idee kommt, zurückzugehen in die Größenordnung einer Zwergschule, weil dann alles, was wir sonst beschlossen haben an innerer Differenzierung, nicht geht und auch die Bildungsherausforderungen der Zukunft nicht bewältigt werden. Welche Rolle spielen die Eltern, Kreiselternbeiräte‚ Schulelternbeirat, welche Rolle spielt ganz genau der Schulträger vor Ort, der die Hauptverantwortung der Entscheidung tragen wird, weil wir immer gesagt haben, wir dekretieren nicht von oben herab, ob in Norderstedt oder egal, wo die Gesamtschule kommt, das sollen die Norderstedter gefälligst mit sich selbst ausmachen. Einen solchen Kriterienraster entwickeln - da ist Eva Rühmkorf dabei. Dazu hat sie eine Kommission eingesetzt, in der sehr unterschiedliche Fachleute beteiligt sind, solche, die für die Gesamtschule sind, ebenso wie die Skeptiker. Das ist keine nur einseitige Kommission. Dieser Kriterienraster wird bis gegen Jahresende vorliegen, und auf dieser Basis dieses Kriterienrasters kann bis Jahresende auch entschieden werden, welchen Anträgen, die jetzt vorliegen oder noch eingehen, die Zustimmung erteilt wird. Und dann denke ich, Genossinnen und Genossen, wenn man fünf Monate nach Übernahme der Regierung sagen kann, wir haben entschieden über zwei, drei oder vier Anträge, dann ist das sehr viel geschwinder, als auch die Mutigsten in der Vergangenheit geglaubt haben, daß wir es schaffen. Ich denke, wir sind da auf einem guten Weg. Ich möchte dennoch mal hinzufügen: Laßt uns diesen Prozeß so fahren, daß die Befürworter nicht auf noch schnellere Gewaltakte drängen. Das widerspricht unserer Philosophie, alle Beteiligten und Betroffenen einzubinden. Und laßt uns den Prozeß so organisieren, daß die Gutwilligen oder die noch Skeptischen nicht in die falsche Frontlinie der Bendixens abgedrängt werden. Ich möchte eine Entwicklung für die Gesamtschule in Schleswig-Holstein, in der alle, die Pros und die Contras, erkennen, daß ihre Rechte jeweils gewahrt und gesichert sind, und daß alle, auch die Philologen, hinterher sagen, das Stück neuer pädagogischer Konkurrenz durch die Gesamtschule tut uns sogar gut, denn Konkurrenz beflügelt das Geschäft auch der Pädagogik. Diesen Weg möchte ich gehen, und dafür bitte ich um Eure Unterstützung.

Die Jugendstiftung ist in diesem Jahre im Nachtragshaushalt um rechtlich zulässige 100 000 DM gekürzt worden. Die Jugendstiftung wird im nächsten Jahr keine D-Mark aus Landesmitteln mehr erhalten.

Ich möchte noch ein Wort zur Kultur hinzufügen - nicht weil es mein Hobby ist, sondern weil ich glaube, daß die Beschäftigung mit der Sprache, dem Urtrieb und der Grundlage der Kultur, mit der eigenen Geschichte, mit der Bebauung der Landschaft, der Städte, mit der Architektur, mit der Musik, mit der Philosophie, mit der Literatur und dem Theater, Dinge sind, um die sich die Sozialdemokratische Partei stärker kümmern muß. Es gibt nicht die Gnade der späten Geburt - habe ich auf dem Bundesparteitag gesagt, und wir haben zu Recht Helmut Kohl dafür kritisiert. Es gibt ebensowenig die Gnade einer sozialdemokratischen alternativen Kultur. Wir wollen nicht trennen in traditionell und alternativ, so wie ich es für unsinnig halte, immer zu trennen in Unterhaltungs- und ernste Musik - das eine für die Dummen, das andere für die Intelligenten. Dies ist Quatsch. Mozart etwa zum Inbegriff des Bürgerlichen zu machen, ist unsinnig und kann überhaupt nur so lange geäußert werden, als wir zugucken, wie nur ganz wenige andere Leute sich des Mozarts bemächtigen. Warum tut es denn nicht gefälligst auch die Sozialdemokratie? Und von daher das Traditionelle nicht aus dem Auge verlieren! Und wer ein bißchen politisch denken kann - ich seh’ das Gelächter ja auf den Gesichtern -, wer ein bißchen seinen Habermas gelegentlich mal liest, und wer nicht nur über Adorno redet, sondern auch weiß, was der gesagt hat, der weiß, daß neben der Frage der Beherrschung der Wirtschaft die Frage der Beherrschung seiner eigenen Sprache und Kultur natürlich die größte gesellschaftliche Herausforderung der Zukunft ist, und von daher: Vergnügen und politischer Anspruch kommen hier zusammen.

Ich möchte, weil die Kieler ziemlich sauer waren, sagen, daß, wenn wir finanzielle Bewegung haben werden im Etat des Landes, und dazu kann der Strukturfonds beitragen, wir selbstverständlich in der Sache einig sind mit Kiel, daß in der Museumslandschaft des Landes Schleswig-Holstein ein Element fehlt, und das ist ein Museum für Industrie und Alltagskultur. Wenn es finanzierbar wird, wird es kommen.

Genossinnen und Genossen, einige wenige abschließende Bemerkungen. Und so als Ministerpräsident eine Bilanz von sich geben ist eben doch schwerer, als wenn man früher so stand und die großen Forderungen gegen die Regierung erhob. Gerd Walter hat uns, wie ich nach Rückkehr aus einem kurzen Urlaub mit Freude festgestellt habe, in die olympische Kür eingeweiht, die Medaillenkür. Wir haben dafür von ihm für die ersten hundert Tage eine Bronzemedaille erhalten. Ich stelle in diesem Zusammenhang mit Befriedigung fest, daß offensichtlich in die Sozialdemokratie des Landes Schleswig-Holstein ein vernünftiges Verhältnis zum Leistungsbegriff Einkehr gehalten hat. Und ich wiederhole, was Heide gestern gesagt hat: Ehrlich erworbene Bronze ist dreimal besser als gedoptes Gold. Und daß auch mein alter Freund Eckart Kuhlwein, der ja eigentlich eher dafür bekannt ist, Noten abschaffen zu wollen, zumindest für die ErstkläBler‚ und das sind wir ja im Augenblick noch, uns die Note Zwei minus bis bis Zwei gegeben hat - wenn ich mich an meine Schulzeit zurückerinnere, von diesen Noten konnte ich damals nur träumen. Und von daher, Eckart‚ ich nehm' das mit großem Dank zur Kenntnis. Wir wollen dieses Niveau halten und, wo immer es geht, noch ein bißchen dazulegen.

Wir stehen in Schleswig-Holstein jetzt auch in der Rolle als Regierung in einer doppelten Tradition. Wir stehen einerseits als schleswig-holsteinische Politiker in der Tradition des Landes Schleswig-Holstein mit seiner landschaftlichen Sonderheit, mit der kulturellen und ethnischen Vielfalt und mit einer geschichtlich gewachsenen Einheit, und wir stehen auf der anderen Seite in der Tradition der deutschen Sozialdemokratie, deren Geschichte ein immerwährendes Ringen um Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden war. Aus der ersten Bindung an das Land und seine Vergangenheit ziehen wir ein Stück Kontinuität, landesgeschichtlicher Kontinuität. Aus der Bindung an die Tradition unserer Partei gewinnen wir unsere Ziele und schöpfen wir die Kraft zur Veränderung. Und ich denke, beides - Kontinuität, wo notwendig und gerechtfertigt, und Veränderung, wo notwendig und lange drauf gewartet - beides, Kontinuität und Veränderung auf einen Nenner bringen, darin liegt langfristig die Chance, die Zustimmung der Mehrheiten in Schleswig-Holstein zu erhalten. In diesem Sinne wollen wir politisch arbeiten, in diesem Sinne erhoffen wir Eure kritische Unterstützung.