Deutschlandpolitik

Aus SPD Geschichtswerkstatt

Unter Deutschlandpolitik versteht man alle konzeptionellen Bemühungen aus der Zeit von 1945 bis 1990, die den Umgang mit der DDR betreffen. Bei der SPD Schleswig-Holstein ist diese Frage der Wiedervereinigung und des Umganges mit der DDR immer eingebetten gewesen in eine allgemeine Friedenspolitik. So prägte der schleswig-holsteinische Bundestagsabgeordnete Egon Bahr 1964 den Begriff "Wandel durch Annäherung". Im Kern bedeutete das:

  1. Kontakte zwischenden Menschen,
  2. militärische Entspannung und
  3. wirtschaftliche Zusammenarbeit

Eutiner Erklärung

Das galt nicht nur für die DDR, sondern für den gesamten Ostblock. Die Eutiner Erklärung der SPD Schleswig-Holstein unterstützte bereits 1966 diesen Kurs. Mit ihr gab die SPD Schleswig-Holstein der Diskussion über den Umgang mit der DDR innerhalb der Gesamtpartei einen starken Impuls.

Bericht der Kieler Delegation von der Rostocker Ostsee-Woche an Bundesinnenminister Egon Bahr

Egon Bahr erklärte den "sensationellen" Charakter des Beschlusses von Eutin im Rückblick:

"Das wirklich Großartige an „Eutin eins" ist, daß die drei formulierten Ziele: Kontakte zwischenden Menschen, militärische Entspannung und wirtschaftliche Zusammenarbeit im inneren Zusammenhang dieser drei Faktoren gesehen wurden. Deutsch-deutsche Sicherheit und Ost/West-übergreifende Wirtschaftsstrukturen gehören zusammen.Soweit ist die CDU bis heute noch nicht,wenn man ihr neues Papier zur Außen-, Sicherheits-und Deutschlandpolitik an sieht, obwohl sie wenigstens einigen Nachholbedarf gedeckt hat."[1]

Kontroverse

Ganz unumstritten war diese Politik tatsächlich auch in der SPD Schleswig-Holstein nicht: Seit 1967 war Reinhold Rehs Präsident des Bundes der Vertriebenen. Der Vertriebenenbund und Rehs hatten 1968 die SPD-Beschlüsse zur Oder-Neiße-Grenze kritisiert. Er stand somit quer zur Ostpolitik Willy Brandts. Die schleswig-holsteinischen Jusos forderten Reinhold Rehs daraufhin auf, sein Mandat niederzulegen und kündigten an, eine erneute Kandidatur zur Bundestagswahl 1969 verhindern zu wollen. Der damalige Juso-Landesvorsitzende Günther Jansen schrieb in einem offenen Brief an Rehs: Der SPD werde im Stil eines NPD-Manifests "Wortbruch, Verzichtbereitschaft, Kapitulation und Zwielichtigkeit" unterstellt. In dem Loyalitätskonflikt zwischen Vertriebenenverband und SPD habe sich Reinhold Rehs für den Verband entschieden.[2] Auch Alfred Nau, SPD-Bundesschatzmeister, schaltete sich ein und verlangte, Reinhold Rehs nicht wieder kandidieren zu lassen. Der Landesvorsitzende Jochen Steffen und der Landesverband widersetzten sich und stellten ihn wieder auf[3]. Am 13. Mai 1969 trat Rehs wegen der Ostpolitik zur CDU über.

Langfristig aber setzte sich die kluge Ostpolitik Egon Bahrs durch.

Die 1980er

Egon Krenz und Willi Piecyk bei der Unterschrift

Im März 1981 - mitten in der Debatte um den NATO-Doppelbeschluss - reist eine Delegation der Jusos mit ihrem damaligen Bundesvorsitzenden Willi Piecyk zu Gesprächen mit der FDJ in die DDR. Dabei wird eine gemeinsame Resolution verabschiedet, die Willi Piecyk und Egon Krenz unterschreiben, der damals 1. Sekretär des Zentralrats der FDJ war. Darin sprechen sich beide Organisationen dafür aus, dass die UdSSR und die NATO ihre Rüstung einfrieren und mit Verhandlungen beginnen. Drei Wochen später reist wiederum eine Juso-Delegation nach Moskau.[4]

1986 fasste der Landesparteitag in Meldorf einen Beschluss mit einer umfangreichen "Standortbestimmung sozialdemokratischer Deutschlandpolitik". Dort heißt es:

"Sozialdemokratische Deutschlandpolitik ist Bestandteil unserer Friedenspolitik. Es ist unser Ziel, gegenseitige Bedrohungen abzubauen, trennende Grenzen zu überwinden und den Austausch von Informationen und Meinungen zwischen Deutschen und Deutschen zu fördern. Dieses Ziel ist nur erreichbar in der Verantwortungsgemeinschaft der beiden deutschen Staaten und der Zusammenarbeit der Repräsentanten beider Staaten auf allen politischen und organisatorischen Ebenen. "[5]

Ein Jahr vor dem Fall der Mauer, 1988, noch schrieb Egon Bahr:

"Die CDU, die das alles leidenschaftlich bekämpft und abgelehnt hatte,ist nun stolz auf Kontinuität und die Erfolge, die sie durch Fortsetzung unserer Politik reklamieren kann. Inzwischen gibt sie sogar Kredite nach Osten. Wenn wir das gemacht hätten, wäre zum Vorwurf des Ausverkaufs deutscher Interessen sicher noch dazugekommen, daß wir sogar noch die „KZ-Wächter" schmieren.
Die „Standortbestimmung sozialdemokratischer Deutschlandpolitik", „Eutin zwei", spricht nicht mehr von Wiedervereinigung. Sie negiert nicht ein Ziel, das nach dem vollständigen Zusammenbruch der Politik der Stärke oft zu einem heuchlerischen Gequatsche verkommen ist. Wenn heute die CDU dem Widerstand aus den eigenen Reihen gegen die Aufarbeitung ihres Nachholbedarfs in der Deutschlandpolitik nachgibt,und „die Wiedervereinigung als vordringlichste Aufgabe" wie Adenauer formuliert, gleicht sie dem zahnlosen Greis, der den köstlichen Biß in unreife Äpfel preist."[6]

Siehe auch

Weiterlesen

Quellen

  1. Bahr, Egon: Frieden und Entspannung - Tradition im besten Sinn, In: Demokratische Geschichte, Band 3, 1988
  2. Kieler Nachrichten, "Krach um Reinhold Rehs", 5. April 1968
  3. DER SPIEGEL 1/1969 Sauber runter
  4. CDU-Dokumentation 16/1981, Seite 5 f.
  5. Beschlussdatenbank: Standortbestimmung sozialdemokratischer Deutschlandpolitik (1986)
  6. Bahr, Egon: Frieden und Entspannung - Tradition im besten Sinn, In: Demokratische Geschichte, Band 3, 1988