Franz Osterroth

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Franz Osterroth
Franz Osterroth
Franz Osterroth
Geboren: 8. März 1900
Gestorben: 1. Oktober 1986

Franz Osterroth, * 8. März 1900 in Eisenberg/Pfalz; † 1. Oktober 1986 in Lübeck; Metallarbeiter, Journalist und Publizist. 1914 Eintritt in die Sozialistische Arbeiterjugend, 1917 Mitglied der SPD.

Leben & Beruf

Franz Osterroth war das älteste von acht Kindern des Partei- und Gewerkschaftsfunktionärs Nikolaus Osterroth. Er wuchs in der Rheinpfalz, im Saargebiet und schließlich in Schlesien auf. Der Vater verlor aufgrund seiner kirchenfeindlichen und sozialdemokratischen Haltung seine Arbeit und musste sich als fliegender Händler durchschlagen. 1908 wurde er Arbeitersekretär in Waldenburg/Schlesien[1]. Der Sohn "musste schon als kleines Kind Gedichte mit kirchenfeindlichem Inhalt vortragen, wenn im Hause Besuch war". Franz Osterroth ging gleich nach der Schule als Fabrikarbeiter in die Eisenindustrie, um zum Unterhalt der Familie beizutragen, denn der Vater wurde 1914 zum Kriegsdienst einberufen. Auf Drängen des Vaters wurde er - immer auf der Suche nach besser bezahlter Arbeit - auch Kranführer und Montagearbeiter.[2]

"[Der Vater] sah seine Hauptaufgabe darin, seinen Sohn zu einem Agitator für die Partei zu erziehen. Er erlaubte auch nicht, dass der Sohn das Gymnasium besuchte, obwohl die Großeltern sich das Schulgeld vom Munde abgespart hatten, die die Ausbildung des Befragten finanzieren wollten."[3]

Auch er musste noch 1918 Soldat werden.

"In Lippstadt erlebte er die Revolution. Dann ging er in eine Stadt Westfalens [Hamm][1] und wurde dort Adjutant seines Vaters, der Vorsitzender des Arbeiter- und Soldatenrates geworden war."[3]

Von 1919 bis 1924 war er Jugendsekretär des Bergarbeiterverbandes in Bochum und Redakteur von dessen Jugendzeitung. In dieser Zeit machte er seine ersten literarischen Gehversuche und lernte Mentoren wie den Arbeiterdichter Karl Bröger oder den Arbeiterführer Otto Hue kennen, der ihn zur Weiterbildung auf der Akademie der Arbeit ermutigte.[3] Nach deren Besuch der fand er 1926 eine Tätigkeit als Berufsberater beim Arbeitsamt in Hamburg.[4] 1928 wechselte er in die hauptberufliche Partei- und Jugendarbeit nach Magdeburg.

Von 1926 bis 1933 war er Mitherausgeber der Schriften zur Zeit.

1926 heirateten er und Käthe Cords (*1905), eine Maurerstochter aus Lübeck. Sie hatten sich in der Sozialistischen Arbeiterjugend kennengelernt. Die beiden hatten einen Sohn, Bertram, und eine in der schwedischen Emigration verstorbene Tochter.[3]

Nationalsozialismus

Die Vorgänge um 1933 erschütterten ihn stark. Er maß den Hauptteil der Schuld der damaligen Parteiführung bei.[3] 1933 gründete er eine aus Sicht der Nazis "illegale" Jungsozialistengruppe in Magdeburg und gab die ebenso "illegale" Zeitschrift Junger Sozialismus heraus.

"Von dieser Zeitschrift erschienen 10 Nummern. Während dieser Zeit war er gezwungen, laufend den Wohnsitz zu wechseln und sich verborgen zu halten."[3]

1934 emigrierte er mit der Familie in die Tschechoslowakei, wo er unter dem Decknamen Jörg Willenbacher für den Exilvorstand der Sopade tätig war. Kurz vor der Zerschlagung der Tschechoslowakei durch Deutschland 1938 floh die Familie weiter nach Schweden; auch hier engagierte sich Franz Osterroth neben dem Brotberuf (Zahnradfräser) in der Arbeiter- und Erwachsenenbildung. Er war zudem Mitglied der sogenannten Kleinen Internationale. Käthe Osterroth, "eine ganz wunderbare Frau", fand Arbeit als Haushälterin für Lise Meitner.[5]

"In der Emigration sammelte er sozialistische Lieder und Gedichte [...] Der Eindruck des schwedischen Wohlfahrtsstaates hat seine grundsätzliche politische Einstellung nicht geändert. Er ist der Ansicht, dass dieses wirtschaftliche System die Grundlage für die menschenbildende Aufgabe des Sozialismus sein könnte."[3]

Rosa Wallbaum, die ihn später als seine Nachfolgerin in der Frauenarbeit kennenlernte, erinnerte sich gut an ihn:

"Er war klein und ging sogar ein bißchen geduckt, als wenn er sich noch kleiner machen wollte. [...] ein ganz sensibler Mann, ein ganz Stiller, [...] aber immer einer der Führenden, der auch den Mut hatte, seine Meinung zu vertreten. Der war so bereit, Verantwortung zu tragen, den habe ich nur bewundert.
Dem Mann hättest du überhaupt keine Heldentat zugetraut, aber was der geleistet hat, das ist unglaublich! '33 ist er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern nach Schweden gegangen. In Schweden starb dann seine kleine Tochter. Er ist nach Deutschland gefahren und hat Kurierdienste geleistet. Das hat er aufgegeben, weil einer der Leute, bei denen er zuletzt gewesen war, von den Nazis verhaftet und hingerichtet worden ist. Da ist er völlig zusammengebrochen."[5]

Ab 1951 gehörte er als Beisitzer zum Vorstand des "Bundes für deutsche Friedensarbeit im Grenzlande" (Grenzfriedensbund).[6]

Zurück in Kiel, wohntedas Ehepaar in der Sandkuhle 1 (2. Stock). Käthe Osterroth starb "nach langem, tapfer ertragenem Leiden" mit 60 Jahren am 7. Januar 1966. Sie ist auf dem Vorwerker Friedhof in Lübeck beigesetzt.[7] Mit dem Ruhestand zog Franz Osterroth nach Lübeck und wurde nach seinem Tod am 1. Oktober 1986[8] ebenfalls dort beigesetzt.

Partei & Politik

Franz Osterroth (Mitte) auf dem Internationalen Frauentag Juni 1960 in Kiel

1917 trat Franz Osterroth (unter Angabe eines falschen Geburtsjahres) in die SPD ein.[3] 1923 gehörte er zu den Gründern des (nichtmarxistischen, jugendbewegt, national und republikanisch orientierten) Hofgeismarer Kreises der Jungsozialisten, für den er von 1923 bis 1926 die Politischen Rundbriefe herausgab. Konfessionslos, aber religiös sehr stark interessiert, rechnete er sich zu den religiösen Sozialisten.[3]

1928 holte ihn Karl Höltermann als Redakteur der Zeitschrift Das Reichsbanner nach Magdeburg. Er verantwortete das Feuilleton und den Jugendteil und war stellvertretender Chefredakteur. Zudem wurde er Bundesjugendleiter des Reichsbanners und blieb dies bis zum Beginn der NS-Herrschaft.[3]

Nach deren Ende war er von 1948 bis zu seinem Ruhestand 1963 als Parteisekretär im Landesverband tätig, wo er die Ressorts Kultur- und Frauenarbeit verantwortete. In dieser Funktion war er Mitglied im Bundes- und im Landesfrauenausschuss.

Rosa Wallbaum erinnerte sich weiter:

"Als sie zurück nach Kiel kamen, gingen für Franz viele Träume verloren. Er hat geglaubt, er könnte die alte SPD weiter fortführen. Aber dann fand er hier eine ganz andere Welt vor [...].

Franz Osterroth gehörte zu denen, die die Frau als gleichberechtigtes Wesen ansahen, die immer wieder sich auch für die Frauen einsetzten. Das haben nicht alle Männer seiner Generation in der Partei gekonnt. Ich glaube, er ist manchen dabei sogar auf den Wecker gefallen, nicht, weil er so aufdringlich war, sondern weil sie ihm einfach nicht gewachsen waren.

Er war mitunter sicher auch schwierig. Aber man hat es ihm auch nicht immer leicht gemacht. Er wollte eigentlich immer viel mehr Romantik in die Arbeit bringen. Uns kam das schon ein bißchen komisch vor. Wenn wir ein Seminar hatten, dann mußten wir vor dem Mittagessen aufstehen, uns an die Hand fassen und "Guten Appetit!" sagen. Das war schon antiquiert. Aber wir haben uns nicht gegen Franz gewehrt."[5]

Als Delegierter nahm er am außerordentlichen Parteitag der SPD vom 13. - 15. November 1959 in Bad Godesberg teil, auf dem das Godesberger Programm beschlossen wurde.[9] Er gehörte dem Kulturpolitischen Ausschuß beim SPD-Parteivorstand an und auch der Programmkommission. Damit ist er einer der "Väter" des Godesberger Programms.[10]

Teile seines Nachlasses sollen im Kieler Stadtarchiv liegen.

Ehrungen

Zu seinem 85. Geburtstag richtete der Kreisverband Lübeck einen Empfang für Franz Osterroth aus, zu dem nicht nur bundesweite Parteiprominenz geladen war, sondern auch "alle Mitglieder des Walter-Hammer-Kreises, die in der sozialistischen Jugendbewegung der Weimarer Republik aktiv waren". Für den Landesverband sprach Günther Jansen. [11]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Singendes Volk (Karlsbad 1938)
  • Weißbuch der deutschen Opposition gegen die Hitlerdiktatur (London 1946) (für den Parteivorstand im Exil)
  • Das Erbe der Arbeiterdichtung (1952)
  • Mit Gesang wird gekämpft. Leitfaden durch die Geschichte des sozialistischen Liedes (1953)
  • Biographisches Lexikon des Sozialismus / Bd. 1. Verstorbene Persönlichkeiten (Hannover 1960)
  • 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein (Kiel 1963)
  • Der Hofgeismarkreis der Jungsozialisten, in: Archiv für Sozialgeschichte, Bd. 4 (1964)
  • Chronik der Lübecker Sozialdemokratie 1866-1972 (Lübeck 1973)
  • Chronik der deutschen Sozialdemokratie I. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (Berlin 1975) (zusammen mit Dieter Schuster)
  • Chronik der deutschen Sozialdemokratie Band II. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges (Berlin 1975) (zusammen mit Dieter Schuster)
  • Chronik der deutschen Sozialdemokratie Band III. Nach dem Zweiten Weltkrieg (2., neu bearb. u. erw. Auflage, Berlin 1978) (zusammen mit Dieter Schuster)
  • Die Zeit als Jugendsekretär des Bergarbeiterverbandes in Bochum 1919-1924 (Bochum 1983)

Siehe auch

Links

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Wikipedia: Nikolaus Osterroth, abgerufen 25.8.2023
  2. Zu diesem Absatz vgl. Protokoll einer Befragung von Franz Osterroth. Dort auch das Zitat.
  3. 3,00 3,01 3,02 3,03 3,04 3,05 3,06 3,07 3,08 3,09 Vgl. Protokoll einer Befragung von Franz Osterroth
  4. Wikipedia: Franz Osterroth, abgerufen 25.8.2023
  5. 5,0 5,1 5,2 Kalweit, Susanne (Hg.): "Ich hab mich niemals arm gefühlt!" Rosa Wallbaum berichtet aus ihrem Leben, S. 153 f.
  6. Vgl. Grenzfriedensbrief Nr. 3 (1951), S. 1
  7. Traueranzeige der Familie, VZ, 10.1.1966
  8. Traueranzeige der Hinterbliebenen, Oktober 1986
  9. Protokoll des außerordentlichen Parteitags in Bad Godesberg vom 13.-15. November 1959, herausgegeben vom Parteivorstand der SPD Deutschlands, S. 619
  10. name=":0">Heute in Lübeck: Franz Osterroth wird 85, Sozialdemokratischer Informationsbrief, Nr. 2/85
  11. name=":0">Heute in Lübeck: Franz Osterroth wird 85, Sozialdemokratischer Informationsbrief, Nr. 2/85