Hatice Kara

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Hatice Kara
Hatice Kara
Hatice Kara
Geboren: 9. Juli 1979

Hatice Kara, * 9. Juli 1979 in Karaman/Türkei; Rechtsanwältin und Bürgermeisterin. Muslimin. Seit Dezember 2000 Mitglied der SPD.

Werdegang

Im August 1980 zog die Familie von Karaman, ca. 350 km östlich von Antalya, nach Rendsburg um, wo Hatice mit fünf Geschwistern aufwuchs. Der Vater war zunächst bei HDW in Kiel tätig. Den Eltern war sehr daran gelegen, allen Kindern mit einer soliden Ausbildung eine gute Zukunft zu ermöglichen. 1999 machte Hatice ihr Abitur an der Herderschule in Rendsburg, nahm dann an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ein Studium der Rechtswissenschaften auf, das sie 2004 mit dem 1. Juristischen Staatsexamen abschloss. Auch vier ihrer Geschwister haben studiert.

Seit 2003 ist sie vereidigte Dolmetscherin im Landgerichtsbezirk Kiel für die Sprachen Deutsch und Türkisch.

Von 2004 bis 2007 absolvierte sie ihr Referendariat im Landgerichtsbezirk Kiel bis zum 2. Juristischen Staatsexamen. Ab 1. Juni 2007 war sie als Rechtsanwältin in der Anwaltskanzlei Kühl & Kollegin in Rendsburg mit dem Tätigkeitsschwerpunkten im Arbeits- und im Strafrecht tätig.

2012 bewarb sie sich in Timmendorfer Strand als Bürgermeisterin. Am 2. Juli trat sie ihr Amt an. Im März 2014 machte sie eine Krebserkrankung öffentlich, jedoch mit guten Heilungschancen, die eine berufliche Pause erforderte. Im März 2015 konnte sie ihre Amtsgeschäfte wieder aufnehmen.

Partei

Hatice Kara war zeitweise aktiv bei den Jusos und im Arbeitskreis Migration in Rendsburg. 2008 bewarb sie sich um einen Sitz als Beisitzerin im Kreisvorstand Rendsburg-Eckernförde. "Mit Migrationshintergrund möchte ich in der künftigen Tätigkeit des Kreisvorstandes insbesondere zum Thema "Integration und Migration" meine eigene Erfahrung aus verschiedenen Vereinstätigkeiten einbringen und den Blickwinkel erweitern."[1]

Bürgermeisterin

2012 bewarb sich Hatice Kara erfolgreich als Bürgermeisterin im Ostseebad Timmendorfer Strand. Im 1. Wahlgang lag sie leicht hinter ihrem CDU-Mitbewerber; im 2. Wahlgang am 20. Mai 2012 erhielt sie überraschend fast 62 Prozent der abgegebenen Stimmen und wurde die erste SPD-Verwaltungschefin der Gemeinde seit 1945[2], die zudem für ihr Amt vergleichsweise jung ist. Beides trat in der Berichterstattung zurück gegenüber der Tatsache, dass sie Schleswig-Holsteins erste Bürgermeisterin muslimischen Glaubens ist.[3]

Nach ihrer Vereidigung im Juni trat sie ihr Amt am 2. Juli 2012 an. Ihr Auftritt als Gastgeberin vor der in Timmendorfer Strand tagenden Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands[4] und ihre erste Trauung nach ihrer Bestellung zur Standesbeamtin[5] wurden in der Lokalpresse ausführlich berichtet. Zusammen mit ihrer Kollegin Tordis Batscheider aus Neustadt wurde sie auch zu ihren Erfahrungen als Frau in einem solchen Amt befragt.[6]

Nach der Kommunalwahl 2013 setzten sich auch in der örtlichen Selbstverwaltung Frauen an die Spitze, die einen neuen Politikstil in die Arbeit bringen wollen.[7]

Glaube

Hatice Kara fand es ärgerlich, dass bei Bewerbung und Wahl ihre Zugehörigkeit zum muslimischen Glauben vor allem anderen betont wurde. Sie sah sich dadurch "'auf meine Religionszugehörigkeit reduziert' [...] Sie sei nicht sonderlich religiös, ihre Verbindung zum Islam sei ähnlich intensiv wie die vieler Christen zu ihrer Religion."[8] Drei Jahre später bilanzierte sie: "Es war für mich ein Lernprozess zu verstehen, dass ich vielleicht tatsächlich eine Vorbildfunktion habe und anderen Mut machen kann zu mehr Teilhabe. [...] Eine muslimische Bürgermeisterin ist da doch mal etwas Positives."[9]

Erkrankung

Dass die Bürgermeisterin als Mensch und als Verwaltungschefin im Ort mittlerweile voll anerkannt ist, machten die Reaktionen auf die Nachricht von ihrer Krebserkrankung deutlich, mit der sie "offensiv und positiv" umging.[10][11] Nach erfolgreicher Behandlung, während der sie von der stellvertretenden Bürgermeisterin Gudula Bauer (CDU) vertreten wurde, nahm sie ab März 2015 schrittweise die Amtsgeschäfte wieder auf.[12] Zu ihrem Vorgehen erklärte sie: "Das passte zu meinen Vorstellungen von Transparenz und Bürgernähe. [...] die Leute hätten sich gefragt, wo ich geblieben bin. Sie hatten ein Recht, es zu erfahren". Ihre Erkrankung führte sie nicht zuletzt darauf zurück, dass sie ausschließlich an ihre Arbeit und nicht an sich gedacht habe.[13]

Politik

Die von Hatice Kara erwähnte Vorbildfunktion wurde unter anderem deutlich durch den Besuch eines Kongresses in Gaziantep/Türkei im Vorfeld der türkischen Parlamentswahlen, wo sie über ihren Weg in der deutschen Politik berichtete.[14]

Sie setzt sich für die Aufnahme eines Gottesbezugs in die schleswig-holsteinische Verfassung ein[15], in Form einer "Demutsformel, die darauf hinweist, wo wir alle letztlich herkommen." Daraus dürfe sich aber "kein politisches Mitspracherecht für religiöse Gruppen legitimieren oder herleiten lassen. Die Trennung von Staat und Religion steht für mich außer Frage. [...] Die Werte, die Eingang in unsere Verfassung gefunden haben, ergeben sich für die einen aus der säkulären, für die anderen aus der religiösen Sphäre."[16]

Als Bürgermeisterin ist für sie die gleichzeitige Fertigstellung der festen Fehmarnbelt-Querung und der Hinterlandanbindung auf deutscher Seite vorrangig. Sie befürchtet sonst eine nachhaltige Schädigung der über Jahre aufgebauten Tourismuswirtschaft durch den Güterverkehr der Bahn, der dann noch auf einige Zeit durch die Ostseebäder geführt werden müsse und die Touristen möglicherweise dauerhaft verjagen werde.[17]

Sonstiges

Einige Jahre lang war Hatice Kara Aufsichtsratsvorsitzende im Türkischen Arbeitgeber-Bund Kiel e.V..[18]

Sie sieht sich selbst als Schleswig-Holsteinerin mit türkischen Wurzeln.[19]

Links

Quellen

  1. Bewerbung
  2. Rummel um Bürgermeisterin Hatice Kara, KNonline, 29.6.2012
  3. Hatice Kara gewinnt Stichwahl in Timmendorfer Strand, LNonline, 20.5.2012
  4. Muslima spricht zur Eröffnung der EKD-Synode, LNonline, 4.11.2012
  5. Erste Trauung für Bürgermeisterin Hatice Kara, LNonline, 12.10.2013
  6. Männer und ihre Probleme mit dem Wort "Bürgermeisterin", LNonline, 30.5.2013
  7. Frauen an der Macht: Bekommt Timmendorf einen neuen Politikstil?, LNonline, 21.6.2013
  8. Rummel um Bürgermeisterin Hatice Kara, KNonline, 29.6.2012
  9. Sabine Spatzek: "Wer definiert, was religiös ist?" Interview mit Hatice Kara, Kieler Nachrichten, 16. Mai 2015
  10. Bürgermeisterin Hatice Kara schwer erkrankt, LNonline, 17.3.2014
  11. Hatice Kara kehrt zurück an ihren Schreibtisch, LNonline, 11.12.2014
  12. Rückkehr an den Schreibtisch, LNonline, 9.3.2015
  13. Sabine Spatzek: "Wer definiert, was religiös ist?" Interview mit Hatice Kara, Kieler Nachrichten, 16. Mai 2015
  14. Timmendorfs Bürgermeisterin ermutigt Frauen in der Türkei, LNonline, 30.5.2013
  15. Muslimische Bürgermeisterin kämpft für Gottesbezug, sh.z, 15.3.2015
  16. Sabine Spatzek: "Wer definiert, was religiös ist?" Interview mit Hatice Kara, Kieler Nachrichten, 16. Mai 2015
  17. Sabine Spatzek: "Wer definiert, was religiös ist?" Interview mit Hatice Kara, Kieler Nachrichten, 16. Mai 2015
  18. Bewerbung
  19. Sabine Spatzek: "Wer definiert, was religiös ist?" Interview mit Hatice Kara, Kieler Nachrichten, 16. Mai 2015