Karl Oesterle

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Karl Oesterle
Geboren: 13. September 1894
Gestorben: 11. Dezember 1965

Karl Oesterle, * 13. September 1894 in Groß-Umstadt; † 11. Dezember 1965 in Stuttgart; Gärtner, Gewerkschafter; Mitglied der SPD seit 1919[1].

Ausbildung & Beruf

Karl Osterle besuchte von 1900 bis 1908 die Volksschule im südhessischen Groß-Umstadt und absolvierte von 1909 bis 1912 eine Gärtnerlehre in seiner Heimatgemeinde.

Kurz vor Kriegsbeginn zog der junge Gärtner nach Ahrensburg ins Hamburger Umland, das tausenden von Gärtnern Arbeit bot. Mit 21 Jahren wurde er 1915 zum Kriegsdienst eingezogen, machte den Krieg bis zum Ende mit und wurde erst 1919 entlassen. Er kehrte zurück nach Ahrensburg.

Er fand am 20. Februar 1919 Anstellung beim städtischen Gartenamt in Hamburg und nahm mit seiner Familie im Mai 1919 in der Hansestadt eine Wohnung.

Gewerkschaftskarriere

1919 wurde Karl Oesterle zunächst Mitglied im "Verband der Gärtner und Gärtnereiarbeiter", ein Jahr später Übertritt in den "Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter". Im gleichen Jahr wurde er Mitglied der SPD. Am 26. Januar 1925 in den Hamburgischen Staatsverband aufgenommen. Von 1923 bis 1926 in den Betriebsrat des Gartenamts der Stadt Hamburg gewählt - seit 1924 als dessen Vorsitzender.

Am 1. Dezember 1926 wurde der 26-Jährige Karl Oesterle von der Hamburger Lokalorganisation des "Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter" hauptamtlich angestellt. Er betreute die Betriebsräteabteilung und den im September 1926 aus der Taufe gehobenen "Reichsbund der Beamten und Angestellten in den öffentlichen Betrieben und Verwaltungen", der als Unterorganisation des Gemeindearbeiterverbandes firmierte.

1929 wurde Karl Osterle in die Bezirksverwaltung des "Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter" gewählt.

Zur eigenen Weiterbildung absolvierte der junge Funktionär einige Semester an der Hamburger Volkshochschule und besuchte die Verbandsschule in Buckow. Den Schwerpunkt seiner Weiterbildung legte er auf die Fächer Arbeits- und Tarifrecht, Volks- und Betriebswirtschaftslehre, Sozialrecht und Prozeßrecht.

Als Delegierter auf der Gründungstagung des "Gesamtverbandes der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs" vom 7. bis 10. Oktober 1929 stimmte er für den Zusammenschluss der bislang getrennt operierenden Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, der Gärtner und des Transport- und Verkehrsgewerbes.

Karl Osterle Mitglied der neu konstituierten Bezirksverwaltung Groß-Hamburg, die am 24. April 1930 in der Stärke von 57 Mitgliedern ihre Arbeit aufnahm.

Bei den Neuwahlen der Beisitzer zu den Landesarbeitsgerichten in Hamburg schlug der Gesamtverband unter anderem Karl Oesterle, das spätere Gesamtverbandsvorstandsmitglied Franz Glöckl und den späteren ÖTV-Vorsitzenden Adolph Kummernuss vor, die alle gewählt und bestätigt wurden.

NS-Herrschaft & Widerstand

1933 entliessen ihn die Nationalsozialisten und zog im Dezember 1933 nach Oststeinbeck (außerhalb der östlichen Stadtgrenze Hamburgs) über, um Verfolgungen zu entgehen.

Bis 1935 blieb Karl Oesterle arbeitslos. Er fand dann von April 1935 bis August 1939 Arbeit in der Dachpappenfabrik "Ruberoidwerke". Von August 1939 bis März 1940 wurde er zum Militär eingezogen. Von April 1940 bis Juni 1945 wieder in seiner alten Dachpappenfabrik tätig.

Karl Oesterle wurde mehrfach von der Gestapo verhaftet.

Neubeginn

Am 15. Dezember 1945 wurde Karl Oesterle von der britischen Besatzungsmacht zum Bürgermeister in seiner schleswig-holsteinischen Wohngemeinde Oststeinbeck ernannt, trat am 23. Dezember 1946 wegen Arbeitsüberlastung vom Amt des Bürgermeisters zurück - blieb aber bis zu seiner Übersiedlung nach Stuttgart Mitglied des Gemeinderates.

Von 1946 bis 1948 war Karl Oesterle Kreistagsmitglied des Kreises Stormarn.

Karl Oesterle wurde als SPD-Abgeordneter in den 2. ernannten Landtag berufen und war dort Mitglied des Ausschusses für Entnazifizierung, die er als Verfolgter und Gewerkschafter energisch betrieb.

Gewerkschaftsarbeit

Nach Ende der Nazi-Herrschaft stellte sich der 50-jährige Karl Oesterle sofort dem in Aufbau befindlichen "Gesamtverband der Verkehrs- und Gemeindearbeiter" zur Verfügung. Er gehörte dem engeren Kreis Weimarer Funktionäre an, die am 21. Juni 1945 zusammentrafen und den Antrag auf Zulassung des Gesamtverbandes in Hamburg bei der Militärbehörde vorbereiteten.

Auf der zweiten Sitzung am 19. Juli 1945 im Hochbahnhaus in den vorläufigen Vorstand gewählt. Ab Juli 1945 von der Gewerkschaft hauptamtlich angestellt.

Zunächst brachte er seine gewerkschaftlichen Organisationserfahrungen als Geschäftsführer des Gesamtverbandes ein. Am 24. September 1945 fasste der erweiterte Vorstand den Beschluss, Karl Oesterle zum 2. Bezirksvorsitzenden zu ernennen. Anfang Mai 1946 bestätigten 350 Delegierte, die 32.000 Mitglieder repräsentierten, Karl Oesterle als 2. Bezirksvorsitzenden. Gleichzeitig stellten die Delegierten der ersten Generalversammlung den Antrag auf Aufnahme in die "Internationale Transportarbeiter-Föderation".

Am 2. Dezember 1946 wurde Karl Oesterle in den Beamtenausschuss (Behördenvertreter) von Gewerkschaftsseite delegiert.

Er wurde nach dem Ende der Nazi-Herrschaft als erstes Mitglied des Aufsichtsrates der Hamburger Gaswerke und des Verwaltungsrats beim Landesarbeitsamt Hamburg berufen. Hatte beide Ämter bis zu seinem Wegzug nach Stuttgart inne.

Auf der Bezirkstagung am 21. Juni 1947 wurde er einstimmig als 2. Bezirksleiter wiedergewählt. Im Hamburger Gesamtverband war er für die Tarifarbeit in der Hansestadt zuständig.

Ging es ihm 1946 noch darum, die politisch motivierte entschädigungslose Entlassung von Beamten, Arbeitern und Angestellten aus dem öffentlichen Dienst "wiedergutzumachen", standen spätestens im Frühjahr 1947 mühselige Versuche im Vordergrund, in Verhandlungen mit dem Hamburger Senat Verbesserungen der "Allgemeinen Tarifordnung für Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst" und Verbesserungen der "Tarifordnung B für Arbeiter im öffentlichen Dienst" zu erlangen, wobei alliiertes Recht die grössten Hindernisse bildeten.

Mit 10 Betriebsvereinbarungen konnte Karl Oesterle bis Mai 1948 die starre Tarifordnung unterlaufen, wobei es 1947 zum ersten Hamburger Streik zur Durchsetzung einer Betriebsvereinbarung kam. Seit Herbst 1948 standen tarifliche Anpassungen an die Währungsreform im Mittelpunkt seiner Arbeit. Trotz - oder gerade wegen - der Geldreform redete Karl Osterle ordnungspolitisch einer "Kontrolle der laufenden Produktion und Verteilung sowie der Bildung paritätischer Wirtschaftskammern" das Wort.

Eng blieb der ehemalige Hamburger Staatsarbeiter den Kollegen aus den Gemeindebetrieben und Verwaltungen verbunden. 1947 und 1948 jeweils einstimmig zum Bezirksfachabteilungsleiter der Fachabteilung IV (Gemeindebetriebe und Verwaltungen) gewählt. Sein besonderes Augenmerk galt dem Aufbau der Fachgruppe Gesundheitswesen in Hamburg. ("Ziel unserer Arbeit soll heute wie ehedem sein: den Kranken und Hilfsbedürftigen ein Helfer zu werden.")

1946 schufen politisch verfolgte Schwestern unter der Obhut Oesterles einen "Bund der freien Schwestern" im Gesamtverband; eine in Deutschland einzigartige Organisation, die 1947 bereits 1.700 Mitglieder zählte. Gesundheitspolitische Interessen vertrat er später auf internationalem gewerkschaftlichen Parkett und als Mitglied einer speziellen Tarifkommission.

Gründung der ÖTV

Karl Oesterle spielte im Konzentrationsprozess der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, des Transport- und Verkehrswesens eine zentrale Rolle, warb für die Interessen der Industriegewerkschaften und gegen eine organisatorische Sonderbehandlung der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG). Auf einer Tagung am 11. Juli 1947 in Stuttgart konnte Oesterle mit seinem Antrag durchkommen, daß die Form der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr für die britische Besatzungszone das erstrebenswerte Ziel einer zukünftigen deutschen Verbandsbildung sei.

Auf dem "Vereinigungsparteitag der Gewerkschaften Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr der britischen Zone" vom 9. bis 12. September 1947 in Krefeld als Sekretär in den Hauptvorstand gewählt.

Weg mit der faschistischen Tarifordnung

Im Februar 1950 wurde Karl Osterle in den Verwaltungsrat der Unterstützungsvereinigung des DGB delegiert. Als zuständigem Tarifsekretär ging es Oesterle zunächst darum, die faschistischen Tarifordnungen der Jahre 1933 bis 1945 außer Kraft zu setzen, die sogenannten Lohnstoppverordnungen der Besatzungsmächte auszuhebeln und Reste der Brüningschen Notverordnung aus der Welt zu schaffen. 1949 schlossen sich auch öffentliche und private Arbeitgeber zu tariffähigen Gemeinschaften zusammen.

Im Mai 1949 konnte mit der Tarifgemeinschaft der Länder der erste richtungsweisende Lohntarif ("Königsteiner Abkommen") abgeschlossen werden. Im Oktober 1950 leitete die Gewerkschaft ÖTV den ersten grossen Nachkriegsstreik im Wasserbau ein, um ihren Lohnforderungen entsprechenden Nachdruck zu verleihen.

Seine Tarifpolitik, die sich deutlich an den unteren Lohn- und Gehaltsgruppen orientierte, war nicht unumstritten. Vor allem aus Nordrhein-Westfalen kamen Stimmen, zentrale Lohntarifverträge durch bezirkliche Lohntarife abzulösen, um mehr "herauszuholen". Das Instrument dezentraler Lohnverhandlungen lehnte Karl Oesterle ab.

40-Stunden-Woche

Seit Februar 1953 war er Mitglied des Lohnpolitischen Ausschusses des DGB. Auf dem 2. ordentlichen Gewerkschaftstag der ÖTV vom 3. bis 7. Mai 1955 in Frankfurt am Main setzte Karl Oesterle tarifpolitisch die Reduzierung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich und die Einführung der 40-Stunden-Woche auf die Tagesordnung.

Wiederwahl in den Vorstand auf dem 1. Gewerkschaftstag vom 18. bis 22. Februar 1952 in Hamburg und dem 2. Gewerkschaftstag im Mai 1955 in Frankfurt am Main.

Mitbestimmung

Nach dem Hamburger Gewerkschaftstag wurde die Betriebsräteabteilung - gemäß einem Beschluss des geschäftsführenden Hauptvorstands - dem Aufgabenbereich von Karl Oesterle zugeschlagen. Mit den errungenen Mitbestimmungsrechten verband er die Hoffnung auf weitgehende wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen, und die Vorstellung, die "Unternehmer-Wirtschaft" politisch zu kontrollieren. In seinen Aussagen zu kommenden Mitbestimmungsrechten mischten sich seine Lebenserfahrungen als Arbeiter und Gewerkschafter. ("Jahrzehntelange Erfahrungen haben uns aber auch gelehrt, dass die formale, politische Demokratie nicht ausreichend ist, um die Lebensbedingungen der breiten Schichten der Völker erträglich zu gestalten.") Seine zentrale Forderung war der Ruf nach Ausdehnung der Mitbestimmungsrechte auf alle Verwaltungen, Körperschaften und Kammern.

Der 2. ordentliche Gewerkschaftstag vom 3. bis 7. Mai 1955 in Frankfurt am Main wählte Karl Oesterle bei 3 Gegenstimmen und 13 Enthaltungen zum 2. Vorsitzenden der Gewerkschaft ÖTV. Am 6. Mai 1957 gab er als 2. Vorsitzender das Tarifsekretariat ab.

Entschädigung der Gewerkschaften

Als einer der beiden Geschäftsführer der Vermögensverwaltung verwaltete er mit 12 anderen Gewerkschaftern treuhänderisch das Vermögen der Gewerkschaft ÖTV sowie die Betriebe sämtlicher den Zwecken der Gewerkschaft dienenden Geschäfte. Als 2. Vorsitzender wickelte er die komplizierten Entschädigungsvorgänge nach dem Bundesrückerstattungsgesetz ab.

Aufsichtsrat der Berliner Kraft- und Licht

Seit dem 13. Dezember 1955 wurde Karl Osterle einer von 10 Gesellschaftern der wiedererstandenen "Verlagsanstalt Courier GmbH". Nach der Verkündung des Betriebsverfassungsgesetzes am 30. Januar 1953 wurde er als erster Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat der Berliner Kraft- und Licht (Bewag)- Aktiengesellschaft gewählt. Gleichzeitig wurde er Mitglied im Präsidium als einer der stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden. Setzte sich im Berliner Unternehmen für eine Neuordnung der öffentlichen Wirtschaft ein. Am 27. Januar 1965 nach Erreichung der Altersgrenze aus der Bewag ausgeschieden.

International

Im September 1955 wurde Karl Oesterle Geschäftsführer der "Erholungsheim GmbH" der Gewerkschaft ÖTV.

Tarifpolitischen Einfluss behielt der er als Vorsitzender der Grossen Tarifkommission. 1955 wurde er in den Bundesausschuss des DGB gewählt. Auf internationaler Bühne spielte Oesterle als Repräsentant der ÖTV in der "Internationalen Föderation der Gewerkschaften des Personals öffentlicher Dienste" (IÖD) weiterhin eine wichtige Rolle.

Seit 1948 wurde er auf allen Konferenzen in den Generalrat des internationalen Berufssekretariats wiedergewählt. Im Oktober 1950 vom Generalrat einstimmig als stellvertretendes Mitglied in das Exekutiv-Komitee der IÖD gewählt.

Auf der Sitzung des Generalrates der IÖD im November 1956 in Berlin als Nachfolger Adolph Kummernuss' in das Exekutiv-Komitee der IÖD gewählt. Wiederwahl als 2. Vorsitzender der Gewerkschaft ÖTV auf dem 3. Gewerkschaftstag vom 1. bis 6. Juni 1958 in München gegen 5 Delegiertenstimmen.

Abschied

Auf dem 4. Gewerkschaftstag vom 25. Juni bis 1. Juli 1961 in Berlin gab Karl Oesterle Rechenschaft über die Wiedergutmachung geraubten Gewerkschaftsvermögens, gleichzeitig verabschiedete die ÖTV angemessen ihren "2. Mann".

Mit Karl Oesterle schied ein "Allround-Mann" des öffentlichen Dienstes aus, der maßgeblichen Anteil am langwierigen und schwierigen Selbstfindungsprozeß seiner Einheitsgewerkschaft hatte. Der gelernte Gärtner stand nie im großen Rampenlicht, die Massenmedien nahmen von ihm - zu Unrecht - nur wenig Notiz.

Karl Oesterle starb am 11. Dezember 1969 in Stuttgart.

Anmerkung: Die Basis dieser Biografie stammt aus der Digitale Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung: Oesterle, Karl

Links

Quellen

  1. Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (Malente 1998), ISBN 3-933862-24-8Seite 558