Kommunalwahl 1955

Aus SPD Geschichtswerkstatt

Die Kommunalwahlen 1955 in Schleswig-Holstein fanden am 24. April statt. Durch das neue Wahlgesetz vom 29. Januar 1955 kam es zu einigen ungewöhnlichen Effekten. Während fast die Hälfte der Gemeinden auf Grund sogenannter "Friedenslisten" gar nicht wählte, wurden andernorts die Wähler durch konservative "Wahlblöcke" verwirrt.

"Von den 274 SPD-Kreistagsvertretern sind 123 : 45 v. H. neu in den Kreistag gekommen. Von den 274 Vertretern sind 27 : 9,9 v. H. Frauen und 74 : 27 v. H. Heimatvertriebene. Am stärksten sind die Heimatvertriebenen im Kreise Norderdithmarschen in der SPD-Fraktion 10:3 vertreten. Feststellungen über Vertreter, die schon vor 1933 der SPD angehörten, waren nur in 16 Kreisen möglich. In diesen 16 Kreisen wurden 214 Vertreter gewählt, davon waren 118 : 55 v. H. vor 1933 Mitglied der SPD," heißt es im Rechenschaftsbericht des Landesverbands.[1]

Friedenslisten

Das Gemeinde- und Kreiswahlgesetz ermöglichte zur Kommunalwahl 1955 sogenannte "Friedenslisten". § 15, Absatz 1 bestimmte:

"Werden in einem Wahlbezirk ebenso viele unmittelbare Wahlvorschläge aufgestellt und zugelassen, als unmittelbare Vertreter zu wählen sind, so findet keine Wahl statt. Die vorgeschlagenen unmittelbaren Bewerber werden vom Wahlausschuß als gewählt erklärt."

Sprich: Wenn sich die Parteien vorher auf genau so viele Kandidaten einigen, wie Plätze im Gemeinderat vergeben werden, wird in der Gemeinde keine Wahl durchgeführt. Dadurch wurde nur in 696 der insgesamt 1391 Gemeinden des Landes ein neuer Gemeinderat tatsächlich von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt. Es gab Kreise, Flensburg-Land zum Beispiel, in denen mehr als drei Viertel der Gemeinden nicht wählten.[2]

"Die SPD beteiligte sich an Wahlabsprachen ohne Wahl in 148 Gemeinden = 10.7 v. H, und bekam 355 Vertreter (Durchschnitt 2,4)", heißt es im Rechenschaftsbericht des Landesverbands.[3]

Der SPIEGEL schrieb:

"Die Parteifunktionäre setzten sich also vor dem Wahltag in den einzelnen Dörfern an runde Tische und handelten bei Bier, Schnaps und Kaffee aus, wie sie ihre Interessen aufeinander abstimmen und die Sitze des jeweiligen Gemeindeparlaments untereinander verteilen wollten. [...] Parteifunktionäre haben ihre intern ausgehandelten "Friedenslisten" dadurch populär zu machen gesucht, daß sie Gelder, die sie angeblich im ausgefallenen Wahlkampf gespart haben, als milde Spenden stifteten. Die Rundfunkzeitung 'Hören und Sehen' nannte es ein 'großes Beispiel', daß es für viele Wahlberechtigte keinen 'Wahlrummel' gegeben habe."[4]

Den Wahlrummel hat es natürlich trotzdem gegeben. Denn auch dort, wo die Gemeindewahlen ausfielen, mussten natürlich die Kreistage gewählt werden.

Wahlblöcke

Das vorher geltende Wahlrecht hatte die jeweils stärkste Partei bevorzugt. Das war vielerorts die SPD. An die Stelle eines Mischsystems von Persönlichkeits- und Verhältniswahl, das die großen Parteien bevorzugte, hatte es den reinen Proporz gesetzt. Die konservativen Parteien mussten sich im alten System zusammentun, um überhaupt eine Chance gegen die SPD zu haben.[5]

"Bedenklich war auch bei den Wahlen die enorme Zahl an Parteien und Parteigruppen. Ein rundes Tausend, genau 989, traten in den 1391 Gemeinden des Landes an. Nur die Sozialdemokraten, die Kommunisten und der Südschleswigsche Wählerverband der dänischen Minderheit blieben für sich. Es waren die Bürgerlichen, die sich in einer schier unübersehbaren Vielfalt von Kombinationen zu Wahlvereinigungen verbanden. Der Wähler hatte oft Mühe, seine eigene Partei wiederzufinden, und der Verwechslung waren Tür und Tor geöffnet. In Lübeck zum Beispiel ist man überzeugt, der sensationelle Erfolg des rechtsradikalen 'Deutschen Blocks', der 1951 mehr Stimmen erhielt als CDU, FDP und DP zusammen, habe damals zum Teil daher gerührt, daß viele ihn für das gleiche hielten wie den bürgerlichen 'Wahlblock' in der Landeshauptstadt."[6]
"In 68 Gemeinden beteiligte sich die SPD an Parteiengruppen und erhielt dadurch 117 Vertreter (Durchschnitt 1,75)", heißt es im Rechenschaftsbericht des Landesverbands[7].

Ergebnis

Landesergebnis[8] Änderung zu 1951
SPD 363282
Wahlgemeinde 529552
BHE 114486
SSW 41423

Wahlbeteiligung in Schleswig-Holstein: ?

Ergebnisse vor Ort

Quellen

  1. Jahrbuch 1955-1957
  2. Volkmar von Zühlsdorff: Wahlen ohne Wähler: Jede zweite Gemeindevertretung von Parteien ernannt, DIE ZEIT, 5.5.1955
  3. Jahrbuch 1955-1957
  4. Geheimnis der Friedensliste, DER SPIEGEL, 1955
  5. Volkmar von Zühlsdorff: Wahlen ohne Wähler: Jede zweite Gemeindevertretung von Parteien ernannt, DIE ZEIT, 5.5.1955
  6. Volkmar von Zühlsdorff: Wahlen ohne Wähler: Jede zweite Gemeindevertretung von Parteien ernannt, DIE ZEIT, 5.5.1955
  7. Jahrbuch 1955-1957
  8. Jahrbuch 1955-1957