Ortsverein Süderbrarup

Aus SPD Geschichtswerkstatt

Der Ortsverein Süderbrarup ist eine Gliederung im Kreisverband Schleswig-Flensburg.

Die Anfänge im Kaiserreich

Nachdem das Sozialistengesetz im Jahre 1890 vom preußischen Landtag nicht verlängert wurde, begannen auch in unserem Bereich die Aktivitäten von Sozialdemokraten. Der Seifenverkäufer Peter Hinrichsen ("Peter Seep") war eines der ersten Mitglieder. Die SPD hatte immer noch unter den Nachwirkungen des Sozialistengesetzes zu leiden, vielfach schlugen Vorurteile und Feindschaft den Genossinnen und Genossen zu dieser Zeit entgegen. Als Überbleibsel aus der Zeit der Illegalität gab es vielerorts sozialdemokratische Tarnorganisationen. Auch in Süderbrarup gab es mit der "Freien Turnerschaft" eine solche. Man traf sich zweimal pro Woche in der späteren "Börse" zum Sport. Auf dem heutigen Saal befanden sich damals die Sportgeräte. Es fand auch Jugendarbeit statt. Zu politischen Versammlungen kam man in dieser Zeit unter der Leitung von Peter Hinrichsen unter freiem Himmel zusammen. Öffentliche Veranstaltungen waren in der heute bekannten Weise nicht denkbar. Zu groß waren Vorurteile und Ablehnung gegenüber unserer Partei und ihren Zielen gerade auch in unserem Raum. Wie die Beispiele der Tarnorganisationen oder Versammlungen unter freiem Himmel zeigen, waren aber die alten Genossinnen und Genossen ziemlich einfallsreich, wenn es darum ging, Wege der politischen Betätigung trotz bestehender Restriktionen zu finden.

Aus der Zeit des 1. Weltkrieges ist leider praktisch nichts bekannt. Wir müssen allerdings annehmen, dass der Ortsverein in dieser Zeit auseinanderfiel.

Ein aus unserer Sicht außerordentlich bemerkenswertes Ereignis sei aber noch angeführt:

Gegen Kriegsende hielt Rosa Luxemburg in Süderbrarup unter freiem Himmel eine Rede, zu der einige Hundert Zuhörer kamen. Sie reiste ja ständig im Kaiserreich umher, um an allen Orten öffentlich zu reden. Auf einer Reise nach Flensburg machte sie kurz in Süderbrarup Station, um hier zu sprechen. Leider ist auch dies nur aus mündlicher Überlieferung bekannt. Da aber die Rede in Flensburg geschichtlich feststeht, kann davon ausgegangen werden, dass die Rede in Süderbrarup zumindest plausibel ist.

Weitere Namen von Aktivisten neben Peter Hinrichsen sind leider auch nicht bekannt geworden. Die Größe des später wiedergegründeten Ortsvereines und die Strukturen, die zu dieser aus heutiger Sicht erstaunlichen Größe führten, lassen aber darauf schließen, dass auch der erste Ortsverein nicht gar zu klein gewesen sein wird.

Die Zeit der Weimarer Republik

Im November 1918 war der Krieg zu Ende. Es fand so etwas wie eine Revolution statt, der Kaiser dankte ab. Arbeiter- und Soldatenräte übernahmen die Herrschaft für kurze Zeit. In Berlin rief Philipp Scheidemann aus dem Reichstag heraus die Republik aus.

Einen Arbeiter- und Soldatenrat gab es auch in Süderbrarup. Dies ist in alten Ausgaben der Schleswiger Nachrichten nachzulesen. Im Zusammenhang mit dem Arbeiter- und Soldatenrat tauchte dort ein Name auf, der 7 Jahre später bei der offiziellen Wiedergründung eines Ortsvereins eine Rolle spielen sollte. Ein Herr Bornholt war damals Mitglied im Arbeiter- und Soldatenrat.

In der Zeit der Aufbauphase der Weimarer Republik gab es keinen Ortsverein. Bis 1925 blieben die Aktivitäten auf regelmäßige Treffen im privaten Kreis beschränkt.

Im Jahr 1925 wurde dann ein Ortsverein offiziell wiedergegründet. Joachim Brake wurde erster Vorsitzender. Die Familie des oben erwähnten Herrn Bornholt gehörte zu den Aktivisten. Die Mitgliederzahl erreichte etwa einhundert. Süderbrarup war damals ein Ort der Produktion. In der Möbelfabrik Bendixen waren etwa 50 Arbeiter beschäftigt, die zum großen Teil in der SPD organisiert waren. Das gleiche galt für die Arbeiter in der Druckerei des Angelner und Schwansener Heimatblattes, das als Vorläufer des heutigen Schlei-Boten in Süderbrarup gedruckt wurde. Anders als heute war die SPD damals eine reine Arbeiterpartei, sodass die hohe Mitgliederzahl zu dieser Zeit erklärbar ist.

Der Vorsitzende Joachim Brake war ein persönlicher Freund von Reichspräsident Friedrich Ebert und auch die Hauptquelle der Informationen dieser Zusammenstellung. Otto Jessen war Mitglied dieses Ortsvereins. Aktivisten zu dieser Zeit waren: Karl Weiss sen. (Fischräucherer und -händler), Asmus Jessen (Tischler, selbstständig), Johannes Landsberg (Fischhändler).

Der Ortsverein stellte 4 Mitglieder des Gemeinderates. Diese waren: J. Landsberg, G. Bornholt, (Vorname unbekannt) Lorenzen und noch ein Genosse, dessen Namen wir nicht ermitteln konnten.

Die Situation gegenüber dem Kaiserreich hatte sich für die Aktivitäten der SPD deutlich verbessert. Regelmäßige Treffen wurden in der Gaststätte "Stadt Schleswig", dem heutigen Altersheim, veranstaltet. Der Zeitzeuge Otto Jessen berichtete von einem begeisterten und aktiven Ortsverein. Gerade in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner war man in dieser Zeit nicht zimperlich. Veranstaltungen der Gegner wurden mitunter durch unsere Altgenossen gesprengt, indem sie laut singend den Saal, in dem die Veranstaltung stattfand, besetzten und so jede Form von politischer Diskussion verhinderten. Diese Form des Wahlkampfes erfreute sich in diesem Ortsverein einiger Beliebtheit, war man doch zahlenmäßig recht stark, was solcher Form der Auseinandersetzung sicherlich eher förderlich war. Solche Störaktionen waren lt. Jessen nicht auf Süderbrarup beschränkt, der Ortsverein verlagerte diese Aktivitäten auch in die Umgebend, wenn es galt, dort gegen "die Reaktionäre" aufzutreten. Inwieweit die Nationalsozialisten vor 1933 aktiv waren, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Es kann allerdings vermutet werden, dass die Heftigkeit der politischen Auseinandersetzung umso stärker zunahm, je näher das Jahr 1933 rückte. Neben dem SPD-Ortsverein gab es auch eine lokale Gruppe des Reichsbanners.

Die Zeit nationalsozialistischer Herrschaft

Nach dem 30. Januar 1933 setzte nationalsozialistische Gleichschaltungspolitik auch in Süderbrarup ein. Auf dem Marktplatz wurden öffentlich Bücher verbrannt.

Einige führende Genossen wurden in dieser Zeit verhaftet, u. a. Karl Weiss und Joachim Brake. Geringe Untergrundaktivitäten von unseren Altgenossen gab es während dieser Zeit. Es wäre wohl unangemessen, von einem organisierten Widerstand zu sprechen. Heinrich Gäth bewahrte die schwarz-rot-goldene Fahne der Weimarer Republik in einem Schuhkarton versteckt im Kleiderschrank auf. Bei Hausdurchsuchungen wurde sie nicht gefunden, andernfalls wäre er sicherlich verhaftet worden. Während des 2. Weltkrieges fanden praktisch keine Aktivitäten statt, weil fast alle Männer eingezogen waren.

Der Neubeginn

Im Januar 1946 gab es wieder einen SPD-Ortsverein. Das Gründungsdatum ist der 1. Januar 1946. Dieses wird belegt durch eine Eintragung in einem alten Kassenbuch, das den Zeitraum Januar 1946 bis zum 1. Quartal 1953 abdeckt. Dieses alte Kassenbuch ist eines der wenigen Dokumente, die uns bei unserer Arbeit als Quellenmaterial zur Verfügung standen. Die ersten zwei Seiten zeigen, dass ein Betrag von 10 Reichsmark (RM) Saalmiete durch Spenden aufgebracht wurde, um die Gründungsversammlung abhalten zu können. Damals wie heute waren Spenden also ein wichtiger Beitrag zur Parteienfinanzierung. Der erste Vorstand bestand aus Hermann Windel (Vorsitzender), Waldemar Horst (2. Vorsitzender), Johannes Wolarski (Kassierer) und ??? Möckel (Schriftführer). Da nach Kriegsende sehr viele Flüchtlinge nach Schleswig-Holstein und damit auch nach Süderbrarup gekommen waren, gab es das Problem der Versorgung und Eingliederung dieser Menschen. Die SPD arbeitete eng mit der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zusammen, um konkret zu helfen. Viele Flüchtlinge waren Mitglied in der SPD, sodass der Ortsverein wieder mit etwa einhundert Mitgliedern recht groß war. Zu den regelmäßigen monatlichen Versammlungen des Ortsvereins im "Wintergarten" kamen jeweils etwa fünfzig Genossinnen und Genossen.

Zur ersten Kommunalwahl im Jahre 1948 kandidierte die SPD und erreichte 5 Mandate in der Gemeindevertretung. Die Mitglieder der Fraktion waren H. Windel, W. Horst, J. Wolarski, A. Korlach und Hans Tikowsky. Heinrich Gäth rückte im Verlauf der Wahlperiode für H. Windel nach, weil dieser wegzog. Windel war ein Mann, der auch in der Gemeindevertretung oft sehr deutliche Worte sprach. So mussten Beschlüsse, nachdem sie gefasst waren, vom Protokollführer sofort verlesen werden. Als der Protokollführer Harksen dies einmal nicht gleich konnte, wurde er von Windel als "für diese Aufgabe ungeeignet" bezeichnet, und Harksen verließ die Sitzung.

Der Ortsverein veranstaltete jedes Jahr eine Maifeier, zu der am 1. Mai ein Maibaum aufgestellt wurde. Dieser Maibaum wurde neben "Wendt's Tivoli" aufgestellt, dem heutigen Bürgerhaus. Neben der Maifeier fand jährlich eine Kundgebung an diesem Tag statt. Viele der oben erwähnten Flüchtlinge, die zum Großteil in Baracken und Behelfsunterkünften im Gebiet des heutigen Flensburger Damms wohnten, zogen Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre aus Süderbrarup weg etwa in das Ruhrgebiet, das wirtschaftlich bessere Möglichkeiten bot. Die Mitgliederzahl sank auf etwa 35 bis 40 ab. Dieses Sinken der Mitgliederzahl war zum Teil auch einem Ausspruch des damaligen Landesvorsitzenden[1] Wilhelm Käber geschuldet, der mit seinem Ausspruch über die "Speckdänen" manchen Genossen verprellte. Der SSW profitierte in seiner Mitgliedschaft von dieser Äußerung Käbers. So ist es nicht erstaunlich, dass in Süderbrarup viele Mitglieder der SPD vor 1933 in dem Ortsverein nach 1945 nicht auftauchten, sondern beim SSW politisch arbeiteten.

1948 wurde Waldemar Horst Vorsitzender des Ortsvereins, da H. Windel nach Lemgo umzog. Er hatte dieses Amt aber nicht lange inne. Schon im Jahre 1949 wurde Helmut Driese Ortsvereinsvorsitzender, Heinrich Gäth übernahm das Amt des Kassierers. Beide gehörten dem Ortsverein lange Jahre hindurch an. Die Schriftführer wechselten in dieser Zeit häufig. Nach der zweiten Kommunalwahl 1951 wurde Helmut Driese 2. stellvertretender Bürgermeister. In der Gemeindevertretung gab es eine Initiative der SPD zum Bau von Wohnungen für die nicht weggezogenen Flüchtlinge. Die Häuser am Berliner Ring waren das Ergebnis dieser Initiative.

Mitte der fünfziger Jahre war in Süderbrarup wie auch bundesweit die Wiederbewaffnung das große politische Thema der SPD. Genossen aus Süderbrarup nahmen an Großveranstaltungen und Demonstrationen zu diesem Thema teil.

Das 1959 verabschiedete Godesberger Programm, mit dem die SPD unter Herbert Wehner die Wandlung von einer reinen Arbeiterpartei zur Volkspartei vollzog und sich so neuen Schichten öffnete, wenn sich diese zu den Grundwerten des demokratischen Sozialismus, Freiheit, Gleichheit, Solidarität bekannten, war auch im Ortsverein Süderbrarup Gegenstand der Diskussion. Das Versammlungslokal wechselte in dieser Zeit, da der "Wintergarten" seine Tore schloss. Die Versammlungen fanden jetzt in der "Börse" statt.

Der Vorsitzende des Ortsvereins H. Driese kandidierte 1958 im Wahlkreis 8 ohne Erfolg für den Landtag. Er war Mitglied des Kreistages.

1961 kam Willy Brandt als Kanzlerkandidat nach Süderbrarup und hielt auf dem Marktplatz eine Rede.

In dieser Zeit gab es im Ortsverein den Genossen Wilhelm Meier. Dieser gab jahrelang zu allerlei Unstimmigkeiten Anlass mit der immer von ihm vorgetragenen Behauptung, er sei Kommunist. Wie aus einigen Protokollen dieser Periode hervorgeht, gab es fast auf jeder Sitzung wegen Meiers Äußerungen Streitereien. Der Fall Meier wurde 1968 sogar schriftlich dem Unterbezirk mitgeteilt. In dem Schreiben an den Unterbezirk wurde Bezug genommen auf Entscheidungen der Kontrollkommission, sodass mit einer gewissen Berechtigung vermutet werden kann, dass die Bezeichnung "Querulant" für Meier, die in dem Schreiben auftaucht, nicht ganz ohne Grund so gewählt wurde.

Helmut Driese blieb Vorsitzender des Ortsvereins bis 1972. Sein Nachfolger wurde Uwe Jessen, der dieses Amt mindestens bis 1988 inne hatte. Die weiteren Vorstandsposten unter Uwe Jessen wechselten häufiger. Auf eine detaillierte Aufstellung in der Geschichtswerkstatt verzichtete der Ortsverein aus Datenschutzgründen.

In Süderbrarup gab es in der Zeit von 1946 bis 1968 ebenfalls recht breite Aktivitäten der Gewerkschaften. Es gab einen DGB-Ortsverband, dessen Vorsitzender H. Wolarski war. An der Arbeit der Gewerkschaften beteiligten sich etwa 60 bis 70 Personen. Folgende Einzelgewerkschaften waren vertreten: NGG, IG BSE, HBV, ÖTV, GGLF. Vor allem die in der GGLF organisierten Melker waren in Versammlungen auch bei uns sehr aktiv. Auch Jugendarbeit wurde von Gewerkschaften betrieben. Leider schliefen diese Aktivitäten etwa Mitte der 1990er Jahre ein.

Anmerkungen

  1. Käber war Oppositionsführer, nicht Landesvorsitzender