Ortsverein Wesselburen

Aus SPD Geschichtswerkstatt
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Der Ortsverein Wesselburen ist eine Gliederung im Kreisverband Dithmarschen.

Im Dezember 2022 konnte er seinen ehemaligen Vorsitzenden und Kommunalpolitiker Reimer Erdmann für 50 Jahre und die ehemalige Stadtverordnete Lotti Nissen für 70 Jahre Zugehörigkeit zur SPD ehren.

"Auf die Frage wie sie es geschafft hat, der SPD solange die Treue zu halten, antwortete sie trocken: 'Man muss sehr alt werden.' Einen weiteren Grund hat sie dann aber auch noch parat: 'Nicht bei jeder Unstimmigkeit gleich das Lager wechseln.'"[1]

Um 1992 gab er die Bürgerzeitung Der Weitblick heraus.[2]

Vorstand

Im Dezember 2022 wurde Gunther Gust als Vorsitzender, Bernd Nommensen als zweiter Vorsitzender, Bernd Starke als Kassenwart und Christina Voigt als Beisitzerin wiedergewählt. Neu gewählt wurde - vermutlich als Beisitzerin - Kerrin Kühl. Schriftführer Lothar Kalkreuter steht 2023 wieder zur Wahl.[1]

Kommunalpolitik

In der Kommunalwahl 2023 wurde die SPD mit 28,0 % und 5 von 17 Sitzen zweitstärkste Kraft in der Stadtvertretung.[3]

Bis 2010 war die Stadt amtsfrei und hatte hauptamtliche Bürgermeister. Da weder Partei noch Vornamen angegeben sind, lässt sich nicht feststellen, ob Sozialdemokraten darunter waren.[4]

Geschichte

In Wesselburen kamen zwei Elemente zusammen, die zur Entwicklung der Sozialdemokratie führten: Zum einen gab es die freiheitliche Tradition der Bauernrepublik, die auf der Marsch besonders ausgeprägt war und dazu führte, dass viele Landarbeiter nicht einmal längere Arbeitsverträge eingehen wollten, um ihre Freiheit nicht einmal temporär zu verlieren.[5] Zum anderen war Wesselburen mitten in der Marsch ein Zentrum der Landarbeit. Bereits in den 1830er Jahren kam es immer wieder zu Tumulten und Aufständen der Arbeiter, bei denen die Polizei einschreiten musste.[6]

1869 wurde die Zuckerfabrik "Charles de Vos" (heute: "Kohlosseum") errichtet. Sie war auch der Grund, warum Wesselburen schon 1878 einen Gleisanschluss und einen Bahnhof bekam.[7] Auf dem Firmengelände gab es eine "Kaserne" für 200 Arbeiter. An der Heider Chaussee stand das "Familienhaus" für verheiratete Arbeiter. Auch in Neuenkirchen und Osterhof, Wesselburenerkoog und Karolinenkoog gab es Unterkünfte für die Arbeiter.

Da es die einheimischen Arbeiter in die Städte und teilweise sogar ins Ausland - nach Amerika und Australien - zog, warb die Fabrik Arbeitsmigranten aus den preußischen Ostprovinzen, die sogenannten "Sachsengänger", vor allem als Saisonarbeiter für die Ernte an. Ab den 1890er Jahren wurden auch Polen angeworben.

"Die vielen ostpreußischen Arbeiter geben dem Orte ein eigenthümliches Gepräge. Der oder die eine oder andere bleibt hier 'sitzen', verheirathet sich wohl gar und die Namens-Endungen auf 'ki' und 'son' sind hier schon häufiger, denn auch die Schweden stellten hier vor Jahren ein nicht unbedeutendes Kontingent."[8]

Kaiserzeit

In Heide rivalisierten 1871 die zwei Parteien der Arbeiterbewegung: Die "Lassalleaner" vom ADAV und die "Eisenacher" von der SDAP. Doch zur Reichstagswahl 1871 war den Anhängern beider Strömungen klar, dass sie einen gemeinsamen Kandidaten für den Wahlkreis aufstellen und gemeinsam werben mussten. Sie einigten sich auf Georg Winter vom ADAV, der als bekannter sozialistischer Agitator nicht anschlussfähig für bürgerliche Kreise war und doch ein Drittel der Stimmen auf sich versammeln konnte. Im Wahlkampf trat er auch in Lunden, Wesselburen und Tönning auf. Das legte den Grundstein für die spätere Gründung des Ortsvereins.[9]

Im Zuge der Altonaer Agitationen im Jahr 1872 gründete sich dann in Wesselburen eine SDAP-Gemeinde, die von Peter R. Cismer geleitet wurde.[5] In den Anfängen der Arbeiterbewegung war Wesselburen einer der wenigen Orte in Schleswig-Holstein (neben Kiel und Schleswig), in denen die "Eisenacher" Fuß fassen konnten.[10]

1874 berichtete der Neue Social-Demokrat, die Landvogtei in Wesselburen habe die alte dänische Sabbatordnung "aus der Rumpelkammer" geholt, um die Arbeiter von Versammlungen an ihrem freien Tag abzuhalten. Schleswig-Holstein war zu dieser Zeit bereits seit zehn Jahren preußisch und die Arbeiter beklagten sich, dass diese dänische Regelung hier Anwendung finden sollte - und nur auf Arbeiter angewandt wurde.[11]

Im Juni 1891 kam es u. a. in Wesselburen zu sozialdemokratischen Protestversammlungen gegen die "Kornzölle".[12]

Im Februar 1893 fanden in Wesselburen und Westerdeichstrich weitere Protestversammlungen statt, dieses Mal gegen die "Militärvorlage". Im März sprach der Schneidermeister Hinsche aus Lägerdorf in beiden Orten in öffentlichen Versammlungen über Die Arbeitslosigkeit, deren Folgen und Abhülfe.[13]

Auf der Homepage der SPD Wesselburen hieß es:

"Ein stetiges Ärgernis waren die Umtriebe der Socialdemokraten, die in jedem Bericht Erwähnung fanden, besonders aber im Frühjahr/Sommer 1898. Im Zuge der Reichstagswahlen stellten sich mehrere Agitatoren (als Redner wurden nur die Anhänger der königstreuen Parteien bezeichnet) der Socialdemokraten in Wesselburen und sorgten für allerhand Erwähnenswertes: Am 22. Juni fand im Saal des Gastwirtes Friedrich Reimers, der auch das Stammlokal der Socialdemokraten beherbergte, 'hierselbst von 8 Uhr nachmittags bis 11 Uhr nachts' eine Versammlung statt. Es erschienen 56 Personen, davon immerhin 12 Frauen. Überhaupt waren die Frauen sehr rührig im Parteileben, so erschien im Frühjahr unter anderem als 'Agitatorin' Frau Kähler aus Hamburg um vor den Wesselburenern zu reden.

Nicht immer verliefen die Versammlungen friedlich. So weiß Herr Ottens von einer Versammlung von 200 bis 300 Personen zu berichten, die nach heftigen verbalen Auseinandersetzungen in einer Schlägerei endete.

Ein Ereignis beschäftigte den Amtsvorsteher so sehr, daß er der Sache einen ganzen Brief widmete: 'Von dem Gendarmen Muntau und dem Polizeidiener Laß von hier, die am letzten Sonntage die "öffentliche Volksversammlung" in dem Locale des Wirths Hinrich Meister hierselbst überwacht haben, ist mir beschwerend darüber Mittheilung gemacht worden, daß das Versammlungslocal ungenügend geheizt worden und sich höchstens nur 5 Grad Reaumur Wärme in demselben befunden hätten, so daß sie bei einem mehrstündigen Aufenthalt in diesem Locale von Kälte zu leiden gehabt hätten. Es ist von denselben auch die Bemerkung gemacht worden, daß namentlich die dort anwesenden Frauen der ärmeren Bevölkerungsklassen, die durchweg einen warmen Winteranzug nicht haben, Kälte augenscheinlich hätten ausstehen müssen. Der längere Aufenthalt in einem ungenügend erwärmten Zimmer ist bekanntlich in manchen Fällen als ein Krankheitserreger anzusehen und dürfte es aus Gesundheitsrücksichten zur Frage stehen, ob in einem ungenügend erwärmten Locale überhaupt öffentliche Volksversammlungen abzuhalten sein werden....' Postwendend erhielt der Amtsvorsteher den Bericht mit einer Bemerkung des Königlichen Kreisphysicus Dohrn zurück: '....Wem es friert, mag nach Hause gehen...'"[14]

Weimarer Republik und NS-Herrschaft

Nach seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg gründete Christian Heuck den SPD-Ortsverein in Wesselburen erneut, wechselte aber schon 1920 zur KPD und wurde einer der führenden Kommunisten in Dithmarschen.

In der Endzeit der Weimarer Republik war Wesselburen mehrfach Schauplatz gewalttätiger Zusammenstöße zwischen Formationen des Reichsbanners und den nationalsozialistischen SA- und SS-Verbänden.

"Das Elmshorner Reichsbanner [...] beteiligte sich an zahlreichen Demonstrationen hin bis nach Dithmarschen, das damals schon ein 'brauner Bereich' in Schleswig-Holstein war, in dem die Nazis große Erfolge feierten. Alte Reichsbanner-Leute erinnern sich noch an die großen Auseinandersetzungen in Wesselburen und anderen Orten auf der anderen Seite des Kanals."[15]

In der Reichstagswahl vom 5. März 1933 stimmten im Kirchspiel Wesselburen 78,8 % für die NSDAP, 6,9 % für die DNVP, 6,5 % für die SPD und 6,8 % für die KPD bei einer Wahlbeteiligung von 88,5 %.[3]

Literatur

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Jahrzehntelange Treue, Dithmarscher Landeszeitung, 23.12.2022, abgerufen 5.12.2023
  2. Vorwärts, Juni 1992
  3. 3,0 3,1 Wikipedia: Wesselburen, abgerufen 5.12.2023
  4. Stadt Wesselburen: Geschichte, abgerufen 5.12.2023
  5. 5,0 5,1 Hirt, Gunter: Soziale Probleme und Sozialismus in Dithmarschen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Dithmarschen - Zeitschrift für Landeskunde und Heimatpflege, Heft 4 (Boyens & Co., Heide, Dezember 1971), S. ?
  6. Regling, Heinz Volkmar: Die Anfänge des Sozialismus in Schleswig-Holstein, Wachholz Verlag (Neumünster 1965), S. 45
  7. Möller, Rüdiger: "Und mancher Slawe machte sich im Kirchspiel sesshaft." Die Arbeiterschaft der Zuckerfabrik "Charles des Vos" in Wesselburen, in: Demokratische Geschichte, Band 13 (2000), S. 62
  8. Dithmarscher Bote, 23.9.1885, zitiert nach: Möller, Rüdiger: "Und mancher Slawe machte sich im Kirchspiel sesshaft." Die Arbeiterschaft der Zuckerfabrik "Charles des Vos" in Wesselburen, in: Demokratische Geschichte, Band 13 (2000), S. 69
  9. Der Volksstaat, Ausgabe 32, Jahrgang 3, 19.4.1871
  10. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), S. 11
  11. Neuer Social-Demokrat, Nummer 39, Jahrgang 4, 3.4.1874
  12. Sozialdemokratische Versammlungen, Hamburger Echo, 21.7.1891, Seite 1
  13. Aus Schleswig-Holstein, Hamburger Echo, 11.3.1893, Seite 3
  14. Auszug aus Erdmann, Reimer: Kleine Geschichte der Stadt Wesselburen (Selbstverlag, Wesselburen 1998) (am 5.12.2023 nicht mehr abrufbar)
  15. SPD-Ortsverein Elmshorn: 120 Jahre SPD Elmshorn. Eine Chronik (Elmshorn 1983)
Ortsverein Wesselburen
Ortsverein Wesselburen
Ortsverein Wesselburen
Gegründet: 1872
Wiedergegründet: 1945
Vorsitzende/r: Gunther Gust
Homepage: http://www.spd-wesselburen.de/


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