Otto Engel: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Otto Engel''', * [[8. April]] [[1906]] in Rogätz b. Magdeburg, † [[28. Mai]] [[1983]] in Kiel; Tischler, Parteisekretär. Verwitwet, zwei Kinder. Mitglied der SPD seit [[1924]].<ref>Traueranzeige der SPD, ''Kieler Nachrichten'', 31.5.1983.</ref>
'''Otto Engel''', * [[8. April]] [[1906]] in Rogätz b. Magdeburg, † [[28. Mai]] [[1983]] in Kiel; Tischler, Parteisekretär. Verwitwet, zwei Kinder. Mitglied der SPD seit [[1922]].<ref>So Martens: ''Geschichte'', S. 550. In der Traueranzeige der SPD, ''Kieler Nachrichten'', 31.5.1983, ist 1924 angegeben.</ref>


== Leben & Beruf ==
== Leben & Beruf ==
Nach der Ausbildung zum Tischler in Magdeburg ging Otto Engel auf Wanderschaft, die ihn durch halb Europa führte. Auf diese Weise kam er [[1928]] nach [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kiel]]. Zunächst arbeitslos, verkaufte er Brot und Margarine und war auch in einem Trio als Straßensänger zu hören. Dann bekam er Arbeit als Tischler im Betrieb eines Genossen.<ref>Handschr. Stichworte Trauerrede</ref> Seine politische Heimat fand er in der [[Sozialistische Arbeiterjugend|Arbeiterjugend]] und in der SPD.<ref>''Kieler Nachrichten'', 7.4.1971</ref> Der Kieler Parteivorstand schickte ihn zur Fortbildung auf die [[Arbeitervolkshochschule Harrisleefeld|Arbeitervolkshochschule]] nach Harrisleefeld. Danach soll er bis [[1933]] als Werbeleiter der ''[[Schleswig-Holsteinische Volkszeitung|Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung (VZ)]]'' gearbeitet haben.<ref>Hier liegt möglicherweise eine Verwechslung mit seinem Bruder [[Willi Engel]] vor, denn diese Tätigkeit wird in den handschriftlichen Stichworten zur Trauerrede eigenartigerweise nicht erwähnt.</ref>  
Nach der Ausbildung zum Tischler in Magdeburg ging Otto Engel auf Wanderschaft, die ihn durch halb Europa führte. Auf diese Weise kam er [[1928]] nach [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kiel]]. Zunächst arbeitslos, verkaufte er Brot und Margarine und war auch in einem Trio als Straßensänger zu hören. Dann bekam er Arbeit als Tischler im Betrieb eines Genossen.<ref>Handschr. Stichworte Trauerrede</ref> Seine politische Heimat fand er in der [[Sozialistische Arbeiterjugend|Arbeiterjugend]] und in der SPD.<ref>''Kieler Nachrichten'', 7.4.1971</ref> Der Kieler Parteivorstand schickte ihn zur Fortbildung auf die [[Arbeitervolkshochschule Harrisleefeld|Arbeitervolkshochschule]] nach Harrisleefeld. Danach war er [[1932]] bis [[1933]] als Werbeleiter der ''[[Schleswig-Holsteinische Volkszeitung|Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung (VZ)]]'' tätig.<ref>Martens: ''Geschichte'', S. 550.</ref>  


Seine Frau Rosa, geb. Schmidt, lernte er [[1928]] in der [[Sozialistische Arbeiterjugend|Arbeiterjugend]] kennen.<ref>Handschr. Stichworte Trauerrede</ref> Das Paar hatte zwei Töchter, Eva und [[Gerda Schilling|Gerda]], die später [[Günter Schilling]] heiratete.<ref>Traueranzeige Otto Engel, ''Kieler Nachrichten'', 31.5.1983</ref> Seine Frau starb weit vor ihm, etwa [[1956]].  
Seine Frau Rosa, geb. Schmidt, lernte er [[1928]] in der [[Sozialistische Arbeiterjugend|Arbeiterjugend]] kennen.<ref>Handschr. Stichworte Trauerrede</ref> Das Paar hatte zwei Töchter, Eva und [[Gerda Schilling|Gerda]], die später [[Günter Schilling]] heiratete.<ref>Traueranzeige Otto Engel, ''Kieler Nachrichten'', 31.5.1983</ref> Seine Frau starb weit vor ihm, etwa [[1956]].  
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=== NS-Herrschaft ===
=== NS-Herrschaft ===
Nach der Machtübernahme der Nazis und Verbot der VZ betrieb er zusammen mit seinem ebenfalls in Kiel lebenden Bruder [[Willi Engel]] im Schlossgarten einen Zeitungspavillon, der Mittelpunkt der verbotenen [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kieler SPD]] wurde. Er verkaufte auch Zeitungen von Haus zu Haus - ein guter Weg, um unauffällig Kontakte zu halten. Dabei führte er neben Schweizer Zeitungen auch solche, die nicht verboten, aber nicht in jedem Laden erhältlich waren, etwa [[Blick in die Zeit]]. "X-mal" sei der Zeitungspavillon von der Polizei geschlossen worden, "x-mal" Otto Engel von der Gestapo verhört worden, aber er sei wie ein "Stehaufmännchen" immer wiedergekommen, bevor der Zeitungsverkauf [[1936]] endgültig verboten wurde. Diese Rolle sei seine "größte Tat", die Jahre '33 bis '36 seine "Glanzzeit" gewesen.<ref>Handschr. Stichworte Trauerrede</ref>
Nach der Machtübernahme der Nazis und Verbot der VZ betrieb er zusammen mit seinem ebenfalls in Kiel lebenden Bruder [[Willi Engel]] am Schlossgarten einen Zeitungspavillon, der Mittelpunkt der verbotenen [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kieler SPD]] wurde. Er verkaufte auch Zeitungen von Haus zu Haus - ein guter Weg, um unauffällig Kontakte zu halten. Dabei führte er neben Schweizer Zeitungen auch solche, die nicht verboten, aber nicht in jedem Laden erhältlich waren, etwa ''[[Blick in die Zeit]]''.<ref>Fischer: ''Jahre'', S. 105</ref> "X-mal" sei der Zeitungspavillon von der Polizei geschlossen worden, "x-mal" Otto Engel von der Gestapo verhört worden, aber er sei wie ein "Stehaufmännchen" immer wiedergekommen, bevor der Zeitungsverkauf [[1936]] endgültig verboten wurde. Diese Rolle sei seine "größte Tat", die Jahre '33 bis '36 seine "Glanzzeit" gewesen.<ref>Handschr. Stichworte Trauerrede</ref>


Weshalb der Dreißigjährige nicht zur Wehrmacht eingezogen wurde, ist nicht ermittelt. Ab [[1938]] verkaufte er Fahrkarten am Schalter des Kieler Hauptbahnhofs und überstand so die restliche NS-Herrschaft. Aus dieser beruflichen Verbindung heraus beteiligte er sich noch [[1945]] an der Gründung der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands.<ref>''Kieler Nachrichten'', 7.4.1971</ref> [[1949]] gehörte er zu den Mitbegründern der (dritten) [[Freie Volksbühne Kiel|Volksbühne Kiel]] und blieb bis [[1975]] ihr 2. Vorsitzender.<ref>Handschr. Stichworte Trauerrede</ref>   
Weshalb der Dreißigjährige nicht zur Wehrmacht eingezogen wurde, ist nicht ermittelt. Ab [[1938]] verkaufte er Fahrkarten am Schalter des Kieler Hauptbahnhofs und überstand so die restliche NS-Herrschaft. Aus dieser beruflichen Verbindung heraus beteiligte er sich noch [[1945]] an der Gründung der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands.<ref>''Kieler Nachrichten'', 7.4.1971</ref> [[1949]] gehörte er zu den Mitbegründern der (dritten) [[Freie Volksbühne Kiel|Volksbühne Kiel]] und blieb bis [[1975]] ihr 2. Vorsitzender.<ref>Handschr. Stichworte Trauerrede</ref>   
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[[Jochen Steffen]] schilderte seine erste Begegnung mit ihm im Februar [[1946]]:
[[Jochen Steffen]] schilderte seine erste Begegnung mit ihm im Februar [[1946]]:
: "Aus dem Nebenzimmer stürzte ein kleiner Mann mit seltsam abstehenden Ohren und Haaren; [...]. Er kaute heftig, hielt in der linken Hand ein Stück Brot, von dem er soviel abgebissen hatte, daß seine Backen so prall abstanden, als hätte er Billardbälle in ihnen verborgen, schüttelte meine Rechte und nuschelte mit leicht sächsischem Akzent: 'Willkommen, Genosse, nu ham wir bald so viele Studenten, daß wir sie organisieren könn!' [...] Er wirkte auf mich zunächst komisch, zumal er auch mit leerem Mund sächselnd nuschelte. Aber ich merkte schnell, daß er "helle", belesen und wendig war. [...] Er fragte sehr präzise nach. Und erklärte mir, daß ich offenbar etliches mehr wisse als er, der Parteisekretär. Daran könne ich sehen, in welchen Verein ich geraten sei. Eigentlich müsse er alles zuerst erfahren [...]. Er fragte mich nach Literatur ab und wie ich sie bewertete. Sein Ergebnis faßte er so zusammen: 'Na, nur Freude werden wir mit dir nicht haben!' Bevor ich mich verabschiedete, wollte ich die Namen der anderen Studenten und SPD-Mitglieder wissen. Er strahlte mich fröhlich an: 'Also, eigentlich bist du der erste Student. Ich wollte dich nur nicht gleich entmutigen.' Er forderte mich auf, immer, wenn es sich so ergäbe, bei ihm hereinzusehen, um über Politik zu diskutieren."<ref>Steffen: ''Personenbeschreibung'', S. 130 f.</ref>  
: "Aus dem Nebenzimmer stürzte ein kleiner Mann mit seltsam abstehenden Ohren und Haaren; [...]. Er kaute heftig, hielt in der linken Hand ein Stück Brot, von dem er soviel abgebissen hatte, daß seine Backen so prall abstanden, als hätte er Billardbälle in ihnen verborgen, schüttelte meine Rechte und nuschelte mit leicht sächsischem Akzent: 'Willkommen, Genosse, nu ham wir bald so viele Studenten, daß wir sie organisieren könn!' [...] Er wirkte auf mich zunächst komisch, zumal er auch mit leerem Mund sächselnd nuschelte. Aber ich merkte schnell, daß er "helle", belesen und wendig war. [...] Er fragte sehr präzise nach. Und erklärte mir, daß ich offenbar etliches mehr wisse als er, der Parteisekretär. Daran könne ich sehen, in welchen Verein ich geraten sei. Eigentlich müsse er alles zuerst erfahren [...]. Er fragte mich nach Literatur ab und wie ich sie bewertete. Sein Ergebnis faßte er so zusammen: 'Na, nur Freude werden wir mit dir nicht haben!' Bevor ich mich verabschiedete, wollte ich die Namen der anderen Studenten und SPD-Mitglieder wissen. Er strahlte mich fröhlich an: 'Also, eigentlich bist du der erste Student. Ich wollte dich nur nicht gleich entmutigen.' Er forderte mich auf, immer, wenn es sich so ergäbe, bei ihm hereinzusehen, um über Politik zu diskutieren."<ref>Steffen: ''Personenbeschreibung'', S. 130 f.</ref>  
Die Voraussage, man werde an Jochen Steffen nicht "nur Freude" haben, bewahrheitete sich offenbar. Es heißt in der Partei, dass es während eines Landesparteitages zwischen den beiden auf Grund politischer Differenzen zu einer nächtlichen Schlägerei gekommen sei; andere Genossen hätten Otto Engel zurückhalten und beruhigen müssen.<ref>So u.a. Mitteilung von [[Rosa Wallbaum]], die aber bei diesem Streit nicht selbst anwesend war.</ref>
Die Voraussage, man werde an Jochen Steffen nicht "nur Freude" haben, bewahrheitete sich offenbar. Es heißt in der Partei, dass es während eines Landesparteitages zwischen den beiden auf Grund politischer Differenzen zu einer nächtlichen Schlägerei gekommen sei; andere Genossen hätten Otto Engel zurückhalten und beruhigen müssen.<ref>So u.a. Mitteilung von [[Rosa Wallbaum]], die aber bei diesem Streit nicht selbst anwesend war, sondern am nächsten Tag davon hörte.</ref>


[[Datei:48659 Willy Brandt in Kiel.jpg|thumb|280px|right|Bundeskanzler [[Willy Brandt]] mit Otto Engel 1971]]Am [[8. April]] [[1971]] verabschiedete ihn der Kreisverband, dessen Geschäfte er 25 Jahre lang geführt hatte, mit einem Empfang im [[Gustav Garbe|Garbesaal]] des [[Gewerkschaftshaus Kiel|Gewerkschaftshauses]] in den Ruhestand.<ref>''Kieler Nachrichten'', 7.4.1971</ref> Sein Nachfolger wurde [[Gert Günther]].
[[Datei:48659 Willy Brandt in Kiel.jpg|thumb|280px|right|Bundeskanzler [[Willy Brandt]] mit Otto Engel 1971]]Am [[8. April]] [[1971]] verabschiedete ihn der Kreisverband, dessen Geschäfte er 25 Jahre lang geführt hatte, mit einem Empfang im [[Gustav Garbe|Garbesaal]] des [[Gewerkschaftshaus Kiel|Gewerkschaftshauses]] in den Ruhestand.<ref>''Kieler Nachrichten'', 7.4.1971</ref> Sein Nachfolger wurde [[Gert Günther]].


=== Kommunalpolitik ===
=== Kommunalpolitik ===
Von der ersten ernannten Ratsversammlung am [[6. Dezember]] [[1945]] an war Otto Engel bis [[1970]] in der [[Kreisverband Kiel - Ratsfraktion|Kieler Selbstverwaltung]] aktiv. Zur [[Kommunalwahl 1970]] trat er nicht wieder an. Von [[1946]] bis [[1948]] war er als ehrenamtlicher Stadtrat zuständig für das Wohnungswesen.  
Von der ersten ernannten Ratsversammlung am [[6. Dezember]] [[1945]] an war Otto Engel bis zur [[Kommunalwahl 1970]] in der [[Kreisverband Kiel - Ratsfraktion|Kieler Selbstverwaltung]] aktiv. Von [[1946]] bis [[1948]] war er als ehrenamtlicher Stadtrat zuständig für das Wohnungswesen.  
 
=== Landesebene ===
[[1945]]/[[1946|46]] gehörte Otto Engel dem vorläufigen [[Landesvorstand|Bezirksvorstand]] an, bis [[1947]] dann auch dem ersten gewählten [[Landesvorstand|Bezirksvorstand]].<ref>Martens: ''Geschichte'', S. 550.</ref>


== Ehrungen ==
== Ehrungen ==
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Am [[18. Juni]] [[1973]] wurde ihm das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.<ref>''Kieler Nachrichten'', 19.6.1973</ref>
Am [[18. Juni]] [[1973]] wurde ihm das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.<ref>''Kieler Nachrichten'', 19.6.1973</ref>


Am [[8. April]] [[1981]] richtete der [[Kreisverband Kiel]] einen Empfang zu seinem 75. Geburtstag (nicht 80., wie die ''KN'' schrieben!) aus und überreichte ihm die Ehrenmedaille der SPD. Eingeladen waren u.a. [[Rolf Renger|Rolf]] und [[Helga Renger]], [[Hermann Sade|Hermann]] und [[Ilse Sade]], [[Walter Gelszeit]], [[Hermann Köster|Alma Köster]], [[Egon Müller]] und [[Herbert Schütt]].
Am [[8. April]] [[1981]] richtete der [[Kreisverband Kiel]] einen Empfang zu seinem 75. Geburtstag (nicht 80., wie die ''KN'' schrieben!) aus und überreichte ihm die [[Schleswig-Holstein-Medaille|Ehrenmedaille der SPD]]. Eingeladen waren u.a. [[Rolf Renger|Rolf]] und [[Helga Renger]], [[Hermann Sade|Hermann]] und [[Ilse Sade]], [[Walter Gelszeit]], [[Hermann Köster|Alma Köster]], [[Egon Müller]] und [[Herbert Schütt]].


Zu seiner Trauerfeier am [[2. Juni]] [[1983]] sandte auch der Parteivorstand in Bonn einen Kranz mit Schleife<ref>Lt. in der Kreisgeschäftsstelle vorliegender Rechnung vom 8.6.1983</ref>, wohl auch, weil er mit [[Willy Brandt]] befreundet gewesen war.
Zu seiner Trauerfeier am [[2. Juni]] [[1983]] sandte auch der Parteivorstand in Bonn einen Kranz mit Schleife<ref>Lt. in der Kreisgeschäftsstelle vorliegender Rechnung vom 8.6.1983</ref>, wohl auch, weil er mit [[Willy Brandt]] befreundet gewesen war.


== Literatur ==
== Literatur ==
*Jochen Steffen (Hrsg. Jens-Peter Steffen): ''Personenbeschreibung. Biographische Skizzen eines streitbaren Sozialisten'' (Kiel 1997)
*[[Rolf Fischer]]: ''Die dunklen Jahre. Kiels Sozialdemokratie im Nationalsozialismus'' (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie, Band 4: 1930-1945, Kiel 2017) ISBN 978-3-86935-329-6
*[[Holger Martens]]: ''Die Geschichte der SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959'' (Malente 1998) ISBN 3-933862-24-8
*[[Jochen Steffen]] (Hrsg. Jens-Peter Steffen): ''Personenbeschreibung. Biographische Skizzen eines streitbaren Sozialisten'' (Kiel 1997)
*''Schleswig-Holsteinische Volkszeitung'', 7.4.1966
*''Schleswig-Holsteinische Volkszeitung'', 7.4.1966
*Ph [Gottfried H. Philipp]: ''Nach 25 Parteisekretärs-Jahren in den wohlverdienten Ruhestand'', ''Kieler Nachrichten'', 7.4.1971
*Ph [Gottfried H. Philipp]: ''Nach 25 Parteisekretärs-Jahren in den wohlverdienten Ruhestand'', ''Kieler Nachrichten'', 7.4.1971
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*Gottfried H. Philipp: ''Von altem Schrot und Korn. Otto Engel (SPD) wird morgen 80 [sic!] Jahre alt'', ''Kieler Nachrichten'', 7.4.1981
*Gottfried H. Philipp: ''Von altem Schrot und Korn. Otto Engel (SPD) wird morgen 80 [sic!] Jahre alt'', ''Kieler Nachrichten'', 7.4.1981
*Ph [Gottfried H. Philipp]: ''Otto Engel †'', ''Kieler Nachrichten'', 30.5.1983
*Ph [Gottfried H. Philipp]: ''Otto Engel †'', ''Kieler Nachrichten'', 30.5.1983
*?: Handschriftliche Stichworte zur Trauerrede für Otto Engel, Akten der Kreisgeschäftsstelle Kiel; gehalten verm. vom Kreisvorsitzenden [[Claus Möller]] zur Trauerfeier am [[2. Juni]] [[1983]]
*?: Handschriftliche Stichworte zur Trauerrede für Otto Engel, Akten der Kreisgeschäftsstelle Kiel<ref>Wer sie angefertigt und wer die Rede gehalten hat, ist nicht ermittelt; verm. jemand von der Landesebene - [[Klaus Rave]]? [[Günther Jansen]]? Jedenfalls nicht Kreisvorsitzender [[Claus Möller]]</ref>


== Quellen ==
== Quellen ==

Version vom 14. Januar 2020, 05:07 Uhr

Otto Engel
Otto Engel
Otto Engel
Geboren: 8. April 1906
Gestorben: 28. Mai 1983

Otto Engel, * 8. April 1906 in Rogätz b. Magdeburg, † 28. Mai 1983 in Kiel; Tischler, Parteisekretär. Verwitwet, zwei Kinder. Mitglied der SPD seit 1922.[1]

Leben & Beruf

Nach der Ausbildung zum Tischler in Magdeburg ging Otto Engel auf Wanderschaft, die ihn durch halb Europa führte. Auf diese Weise kam er 1928 nach Kiel. Zunächst arbeitslos, verkaufte er Brot und Margarine und war auch in einem Trio als Straßensänger zu hören. Dann bekam er Arbeit als Tischler im Betrieb eines Genossen.[2] Seine politische Heimat fand er in der Arbeiterjugend und in der SPD.[3] Der Kieler Parteivorstand schickte ihn zur Fortbildung auf die Arbeitervolkshochschule nach Harrisleefeld. Danach war er 1932 bis 1933 als Werbeleiter der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung (VZ) tätig.[4]

Seine Frau Rosa, geb. Schmidt, lernte er 1928 in der Arbeiterjugend kennen.[5] Das Paar hatte zwei Töchter, Eva und Gerda, die später Günter Schilling heiratete.[6] Seine Frau starb weit vor ihm, etwa 1956.

"Der Tod von 'Rößchen' hat ihn hart getroffen und er hat diesen Schlag nie ganz verwinden können, trotz der Fürsorge seiner Kinder und Enkelkinder."[7]

Zu seinen engsten Freunden wurden Julius Bredenbeck, Rolf Renger, Albert Witte, Hein Wulff, Siegfried Wurbs und über die Kieler Partei hinaus Heinrich Fischer und Heinrich Warstatis gezählt. Darüber hinaus habe er aufgrund seiner Hilfsbereitschaft, seiner "urigen Art mit viel Humor", die aber mit Sensibilität gepaart gewesen sei, viele weitere Freunde gehabt.[8] Er war, wie man heute sagen würde, außerordentlich gut vernetzt.

NS-Herrschaft

Nach der Machtübernahme der Nazis und Verbot der VZ betrieb er zusammen mit seinem ebenfalls in Kiel lebenden Bruder Willi Engel am Schlossgarten einen Zeitungspavillon, der Mittelpunkt der verbotenen Kieler SPD wurde. Er verkaufte auch Zeitungen von Haus zu Haus - ein guter Weg, um unauffällig Kontakte zu halten. Dabei führte er neben Schweizer Zeitungen auch solche, die nicht verboten, aber nicht in jedem Laden erhältlich waren, etwa Blick in die Zeit.[9] "X-mal" sei der Zeitungspavillon von der Polizei geschlossen worden, "x-mal" Otto Engel von der Gestapo verhört worden, aber er sei wie ein "Stehaufmännchen" immer wiedergekommen, bevor der Zeitungsverkauf 1936 endgültig verboten wurde. Diese Rolle sei seine "größte Tat", die Jahre '33 bis '36 seine "Glanzzeit" gewesen.[10]

Weshalb der Dreißigjährige nicht zur Wehrmacht eingezogen wurde, ist nicht ermittelt. Ab 1938 verkaufte er Fahrkarten am Schalter des Kieler Hauptbahnhofs und überstand so die restliche NS-Herrschaft. Aus dieser beruflichen Verbindung heraus beteiligte er sich noch 1945 an der Gründung der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands.[11] 1949 gehörte er zu den Mitbegründern der (dritten) Volksbühne Kiel und blieb bis 1975 ihr 2. Vorsitzender.[12]

Partei & Politik

Als einer der "Menschen der ersten Stunde" wurde Otto Engel schon vor Ende der NS-Herrschaft wieder für die SPD aktiv. "Er organisierte die ersten Parteiversammlungen im Untergrund noch während der Nazizeit."[13] Schon im Januar 1945 bildeten sich erste Stubenzirkel, auch in seiner Wohnung, und bereiteten die Neubildung der SPD als einer zukunftweisenden Kraft nach der absehbaren Niederlage Deutschlands vor.

Von der Wiedergründung in Kiel am 4. Oktober 1945 bis 1971 führte er als hauptamtlicher Sekretär die Geschäfte des Kreisvereins bzw. Kreisverbandes Kiel. Norbert Gansel bezeichnete ihn zu seinem 75. Geburtstag als "Parteisekretär von altem Schrot und Korn" und "einen heimlichen König der Parteiorganisation".[14] Was ihn auszeichnete, seien ein "unbestechlicher Charakter, ungewöhnlich feste Grundauffassung", "politische Zuverlässigkeit", Kontaktfreudigkeit, Organisationsgabe und eine außergewöhnliche Hartnäckigkeit gewesen: "Er hat immer weitergemacht, auch wenn alle anderen schon aufgaben."[15]

Jochen Steffen schilderte seine erste Begegnung mit ihm im Februar 1946:

"Aus dem Nebenzimmer stürzte ein kleiner Mann mit seltsam abstehenden Ohren und Haaren; [...]. Er kaute heftig, hielt in der linken Hand ein Stück Brot, von dem er soviel abgebissen hatte, daß seine Backen so prall abstanden, als hätte er Billardbälle in ihnen verborgen, schüttelte meine Rechte und nuschelte mit leicht sächsischem Akzent: 'Willkommen, Genosse, nu ham wir bald so viele Studenten, daß wir sie organisieren könn!' [...] Er wirkte auf mich zunächst komisch, zumal er auch mit leerem Mund sächselnd nuschelte. Aber ich merkte schnell, daß er "helle", belesen und wendig war. [...] Er fragte sehr präzise nach. Und erklärte mir, daß ich offenbar etliches mehr wisse als er, der Parteisekretär. Daran könne ich sehen, in welchen Verein ich geraten sei. Eigentlich müsse er alles zuerst erfahren [...]. Er fragte mich nach Literatur ab und wie ich sie bewertete. Sein Ergebnis faßte er so zusammen: 'Na, nur Freude werden wir mit dir nicht haben!' Bevor ich mich verabschiedete, wollte ich die Namen der anderen Studenten und SPD-Mitglieder wissen. Er strahlte mich fröhlich an: 'Also, eigentlich bist du der erste Student. Ich wollte dich nur nicht gleich entmutigen.' Er forderte mich auf, immer, wenn es sich so ergäbe, bei ihm hereinzusehen, um über Politik zu diskutieren."[16]

Die Voraussage, man werde an Jochen Steffen nicht "nur Freude" haben, bewahrheitete sich offenbar. Es heißt in der Partei, dass es während eines Landesparteitages zwischen den beiden auf Grund politischer Differenzen zu einer nächtlichen Schlägerei gekommen sei; andere Genossen hätten Otto Engel zurückhalten und beruhigen müssen.[17]

Bundeskanzler Willy Brandt mit Otto Engel 1971

Am 8. April 1971 verabschiedete ihn der Kreisverband, dessen Geschäfte er 25 Jahre lang geführt hatte, mit einem Empfang im Garbesaal des Gewerkschaftshauses in den Ruhestand.[18] Sein Nachfolger wurde Gert Günther.

Kommunalpolitik

Von der ersten ernannten Ratsversammlung am 6. Dezember 1945 an war Otto Engel bis zur Kommunalwahl 1970 in der Kieler Selbstverwaltung aktiv. Von 1946 bis 1948 war er als ehrenamtlicher Stadtrat zuständig für das Wohnungswesen.

Landesebene

1945/46 gehörte Otto Engel dem vorläufigen Bezirksvorstand an, bis 1947 dann auch dem ersten gewählten Bezirksvorstand.[19]

Ehrungen

Bundesverdienstkreuz für Otto Engel (Mitte)

1970 erhielt Otto Engel für seine kommunalpolitischen Verdienste die Freiherr-vom-Stein-Gedenkmedaille des Landes Schleswig-Holstein.[20]

Am 18. Juni 1973 wurde ihm das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.[21]

Am 8. April 1981 richtete der Kreisverband Kiel einen Empfang zu seinem 75. Geburtstag (nicht 80., wie die KN schrieben!) aus und überreichte ihm die Ehrenmedaille der SPD. Eingeladen waren u.a. Rolf und Helga Renger, Hermann und Ilse Sade, Walter Gelszeit, Alma Köster, Egon Müller und Herbert Schütt.

Zu seiner Trauerfeier am 2. Juni 1983 sandte auch der Parteivorstand in Bonn einen Kranz mit Schleife[22], wohl auch, weil er mit Willy Brandt befreundet gewesen war.

Literatur

  • Rolf Fischer: Die dunklen Jahre. Kiels Sozialdemokratie im Nationalsozialismus (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie, Band 4: 1930-1945, Kiel 2017) ISBN 978-3-86935-329-6
  • Holger Martens: Die Geschichte der SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998) ISBN 3-933862-24-8
  • Jochen Steffen (Hrsg. Jens-Peter Steffen): Personenbeschreibung. Biographische Skizzen eines streitbaren Sozialisten (Kiel 1997)
  • Schleswig-Holsteinische Volkszeitung, 7.4.1966
  • Ph [Gottfried H. Philipp]: Nach 25 Parteisekretärs-Jahren in den wohlverdienten Ruhestand, Kieler Nachrichten, 7.4.1971
  • pdl: Bundesverdienstkreuz an zwei Kommunalpolitiker verliehen, Kieler Nachrichten, 19.6.1973
  • Gottfried H. Philipp: Von altem Schrot und Korn. Otto Engel (SPD) wird morgen 80 [sic!] Jahre alt, Kieler Nachrichten, 7.4.1981
  • Ph [Gottfried H. Philipp]: Otto Engel †, Kieler Nachrichten, 30.5.1983
  • ?: Handschriftliche Stichworte zur Trauerrede für Otto Engel, Akten der Kreisgeschäftsstelle Kiel[23]

Quellen

  1. So Martens: Geschichte, S. 550. In der Traueranzeige der SPD, Kieler Nachrichten, 31.5.1983, ist 1924 angegeben.
  2. Handschr. Stichworte Trauerrede
  3. Kieler Nachrichten, 7.4.1971
  4. Martens: Geschichte, S. 550.
  5. Handschr. Stichworte Trauerrede
  6. Traueranzeige Otto Engel, Kieler Nachrichten, 31.5.1983
  7. Handschr. Stichworte Trauerrede
  8. Handschr. Stichworte Trauerrede
  9. Fischer: Jahre, S. 105
  10. Handschr. Stichworte Trauerrede
  11. Kieler Nachrichten, 7.4.1971
  12. Handschr. Stichworte Trauerrede
  13. Handschr. Stichworte Trauerrede
  14. Kieler Nachrichten, 7.4.1981
  15. Handschr. Stichworte Trauerrede
  16. Steffen: Personenbeschreibung, S. 130 f.
  17. So u.a. Mitteilung von Rosa Wallbaum, die aber bei diesem Streit nicht selbst anwesend war, sondern am nächsten Tag davon hörte.
  18. Kieler Nachrichten, 7.4.1971
  19. Martens: Geschichte, S. 550.
  20. Handschr. Stichworte Trauerrede
  21. Kieler Nachrichten, 19.6.1973
  22. Lt. in der Kreisgeschäftsstelle vorliegender Rechnung vom 8.6.1983
  23. Wer sie angefertigt und wer die Rede gehalten hat, ist nicht ermittelt; verm. jemand von der Landesebene - Klaus Rave? Günther Jansen? Jedenfalls nicht Kreisvorsitzender Claus Möller