Ralf Stegners Rede zum Antrag auf vorzeitige Beendigung der 16. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtages

Aus SPD Geschichtswerkstatt
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Ralf Stegner, Rede in der Landtagssitzung vom 17. Juli 2009 zum Antrag der Fraktionen von CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 16/2801 (neu): Vorzeitige Beendigung der 16. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtags nach Artikel 13 Abs. 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein

"Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Lassen Sie mich gleich zu Beginn feststellen: Der amtierende Ministerpräsident und die CDU-Landtagsfraktion haben mutwillig den Koalitionsvertrag gebrochen. Es wird über kurz oder lang Neuwahlen in Schleswig-Holstein geben müssen, denn dieses Land braucht eine auf allen Positionen handlungsfähige Landesregierung und Regierungsfraktionen, die nicht ihr Parteiinteresse über das Wohl des Landes stellen.
Diesem Ziel wird sich die SPD-Landtagsfraktion im Landtag in keiner Weise verweigern, und mit uns wird es keine Lähmung in der Landespolitik geben. Im Weg sind wir allerdings ganz anderer Auffassung als Sie.
Ein Antrag, der mit der angeblichen Unzuverlässigkeit der SPD in der Politik der Regierungskoalition begründet wird, kann und wird nicht unsere Zustimmung finden, denn für ein solches parteitaktisches Schauspiel wird sich die SPD in diesem Haus nicht hergeben.
Lassen Sie mich etwas zurückgehen. Erinnern Sie sich noch an die Vorkommnisse im Frühjahr dieses Jahres kurz nach dem famosen Sparkassenschirm für Schleswig-Holstein? Da gab es schon einmal ein inszeniertes Wochenendspektakel, bei dem der Landesvorsitzende der Union behauptete, die SPD würde Neuwahlen wollen, und dem werde sich die CDU nicht verschließen. Da eine einfache telefonische Nachfrage offensichtlich nicht möglich war, brauchte es eine Zeit mit gewissem Medienecho, bis die Frage geklärt war. Dann ruderte der Ministerpräsident zurück und behauptete, natürlich würde er auch er viel lieber zum Wohle Schleswig-Holsteins weiter wirken. Er wolle eigentlich keine vorgezogenen Wahlen. Die Minister würden alle eine gute Arbeit machen, und eine unechte Vertrauensfrage würde er auch nicht stellen; das sei ja Trickserei.
Was ist danach eigentlich geschehen? Inzwischen haben wir den dritten CDU-Wirtschaftsminister und einen neuen Regierungssprecher. Die Wirtschaftskrise hat sich verschärft. Immer mehr Firmen und Beschäftigte werden in den Sog hineingerissen.
Was macht diese Koalition? - Sie einigt sich auf den von Uwe Döring und der SPD im Koalitionsausschuss vorgeschlagenen Pakt für Beschäftigung, Qualifizierung und Wachstum, indem sie unter anderem ihre Förderpolitik auf das Beschäftigungsziel konzentrieren will, weil wir jetzt ganz aktuell etwas für die Menschen in diesem Land, für die Betriebe und für die Beschäftigten tun müssen.
Sie einigt sich, nachdem ein paar Ladenhüter aus alten Anträgen entfernt wurden, auf die Stützung von kleinen und mittleren Unternehmen, weil wir uns jetzt ganz aktuell um diese Unternehmen kümmern müssen. Vor allem aber einigt sie sich auf einschneidende Sparmaßnahmen bei den Personalausgaben, die vorgestern im Nachtrag und in einem gemeinsamen Entschließungsantrag noch einmal bekräftigt werden sollten. Sie einigt sich auch auf die lang erwartete Neuregelung der Kreisordnung.
Wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben den Antrag eingebracht, ihn beraten und ihm zugestimmt. Wir haben den Nachtrag eingebracht und ihm zugestimmt. Wir haben den Antrag zu kleinen und mittleren Unternehmen eingebracht und verabschiedet. Die Kreisordnung hatte ihre erste Lesung. Die SPD-geführten Ressorts bereiten die personellen und organisatorischen Veränderungen vor. Sie haben weitere Vorschläge zu den Förderprogrammen eingereicht. Und, ja, wir haben uns auch bei aller Kritik an einer Schuldenbremse null im Grundgesetz und unzureichenden Hilfen für Schleswig-Holstein ausdrücklich dazu bekannt, dass wir alles dafür tun, diese nun einmal geltende Verfassungsvorgabe einzuhalten. Das sind die Fakten.
Die Arbeit läuft also, und doch: Es scheint nicht zu reichen. Warum ist das so?
Ihre erste Begründung, die offizielle Begründung des amtierenden Ministerpräsidenten und des Fraktionsvorsitzenden Dr. Wadephul, die SPD wolle die Haushaltskonsolidierung nicht mittragen, erledigt sich für jeden neutralen Beobachter aufgrund des eben Gesagten von selbst.
Zweitens. Die halboffizielle Begründung, dass es bei Herrn Carstensen und mir an der rechten Zuneigung fehle, hat weder Neuigkeitswert und ist unabhängig vom Wahrheitsgehalt nicht wirklich von Interesse. Politische Verhandlungen für dieses Land und die Dinge, die wirklich wichtig sind, werden wohl erwartet werden können. Das bedeutet, dass persönliche Befindlichkeiten in den Hintergrund zu treten haben. Hier geht es um Aufgaben, die zu erledigen sind, und um Mindeststandards von Professionalität.
Damit wir uns nicht falsch verstehen. Ich bekenne mich auch ausdrücklich dazu, dass auch ich bei der Arbeit der Regierungskoalition in den vergangenen Jahren selbst Fehler gemacht habe. Die Entscheidung dieser Koalition nach der schmerzlichen Niederlage von Heide Simonis im März 2005 - ich habe noch Ihre Gesichter vor Augen - hat mir wehgetan, und ich habe sicherlich sprachlich nicht immer den richtigen Ton gefunden. Das alles stimmt. Selbstkritik ist übrigens für jeden Menschen und erst recht für Politiker in Führungsverantwortung wichtig und notwendig.
Lieber Herr Kollege Dr. Wadephul, ein Stückchen Selbstkritik hätte ich in Ihrer Rede auch nach vielen Vatikanbesuchen doch erwartet und nicht diese Mischung aus Halbwahrheiten, Verdrehungen und Verleumdungen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ihre politische Generalformel "Alles ist gut, und es gibt auch gute Sozialdemokraten", die Sie dann immer falsch zitieren, aber "Stegner ist an allem schuld", so wie zuletzt heute Morgen im Deutschlandfunk, Herr Ministerpräsident, das mag auf Ihren Parteitagen ankommen und für Geschlossenheit sorgen. Es bleibt aber ein Armutszeugnis ohne Niveau, und es kann mich nicht treffen.
Drittens. Ihre dritte Begründung von der angeblichen Unzuverlässigkeit der SPD in der Regierungskoalition ist falsch. Im Kabinett ist es Uwe Döring, der für jeden Arbeitsplatz in Schleswig-Holstein kämpft, während zur gleichen Zeit der Wirtschaftsminister bei Danfoss in Flensburg wie ein Unternehmenssprecher den Abbau von Arbeitsplätzen rechtfertigt.
Es ist dieser Justizminister, dessen Justizreform gerade von der Union blockiert wird. Es ist Gitta Trauernicht, auf deren strenge Atomaufsicht sich die Menschen trotz aller Vorfälle des Pannenmeilers Krümmel und des notorisch inkompetenten Betreibers Vattenfall verlassen können, während der erklärte Befürworter länger laufender Atomkraftwerke, der amtierende Regierungschef, per Interviews ankündigt, beim nächsten Mal persönlich - quasi über dem Gesetz - für die Stilllegung von Krümmel sorgen zu wollen.
Es ist die Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave, die die Kinderbetreuung und den vereinbarten Schulumbau voranbringt, der immer wieder aus den Reihen der CDU-Landtagsfraktion infrage gestellt wird. Es ist der Innenminister Lothar Hay, der nach erfolgreicher Ämterreform vom Koalitionspartner an einer konsequenten Verwaltungsstrukturreform gehindert wird. Aus Höflichkeitsgründen verzichte ich darauf, auf den Herrn Entbürokratisierungsstaatssekretär hier einzugehen.
Es ist Lothar Hay, der dafür garantiert, Herr Kollege Wadephul, dass verabredete Stellenkürzungen bei der Polizei eben nicht den von Überstunden geplagten Vollzug treffen. Auch wenn solche Absichten vom Koalitionspartner bestritten werden, dienten doch Ihre Vorschläge dazu, genau dies dem Innenminister abzuverlangen und damit in die Schuhe zu schieben.
Es ist dieser Landtag, der das Tariftreuegesetz, das vorbildliche Kinderschutzgesetz und vieles andere beschlossen hat, was unsere Handschrift trägt und das Leben der Menschen hier in Schleswig-Holstein verbessert hat.
Es ist die Landtagsfraktion der SPD, die Initiativen für drei schwierige Anträge zur HSH Nordbank ergriffen und mit der CDU-Fraktion zusammen eingebracht hat, um die Interessen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Schleswig-Holstein zu wahren, während das Krisenmanagement des Finanzministers und seines Hamburger Kollegen in dieser Angelegenheit immer katastrophaler ausfällt.
Der Hamburger CDU-Mittelstand - heute im Abendblatt zu lesen - wirft dem Senat in der HSH-Nordbank-Affäre Unfähigkeit vor. - Nein, von Unzuverlässigkeit der SPD kann nun wirklich keine Rede sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zu den wahren Gründen für diesen mutwillig herbeigeführten Koalitionsbruch kommen, denn sie liegen auf der Hand:
Erstens. Sie wollen schon seit Monaten gemeinsam mit der Bundestagswahl wählen, weil Sie gestützt auf die Hoffnung aus den Umfragewerten auf schwarz-gelbe Mehrheiten hoffen, sich aber offenkundig den Sieg in einer Schleswig-Holstein-Wahl aus eigener Kraft nicht zutrauen. Deshalb wollen Sie kurz nach den Ferien und im Schatten der Kanzlerin mit möglichst wenig Krümmel und HSH wählen in der Hoffnung, dass es dann für ein schwarz-gelbes Bündnis reicht.
Zweitens. Sie wollen davon ablenken, dass Sie bei der skandalösen Millionen-Sonderzahlung an HSH-Chef Nonnenmacher das Parlament wissentlich falsch informiert haben. Wenn der "Panorama"-Bericht von gestern Abend zutrifft, dann soll der Landtag hier sogar weiter an der Nase herumgeführt werden.
Drittens. Sie wollen aus begründeter Furcht vor den Ergebnissen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses diesen vermeiden, nachdem Sie schon mit fragwürdigen Gutachten die Oppositionsrechte im PUA beschneiden wollten. Sie hoffen, dass Ihnen eine vorzeitige Neuwahl dieses lästige Problem vom Hals schafft.
Viertens. Sie wollen davon ablenken, dass in der größten Wirtschafts- und Finanzkrise des Landes der amtierende Ministerpräsident in der schleswig-holsteinischen Wirtschaft drastisch an Ansehen verloren hat. In einer Umfrage des Unternehmensverbandes Nord von Anfang des Monats bewerteten 52 % der Befragten die Arbeit des Regierungschefs als verbesserungsbedürftig und 9 % als nicht gut. Nur noch 34 % der Unternehmensführer gaben ihm eine gute Note, was ein Absturz von den 72 % des letzten Jahres bedeutet.
Fünftens. Sie wollen davon ablenken, dass Sie bei Atom und CO2-Deponierung lediglich kurzfristig zur Beruhigung einer zu Recht aufgebrachten Bevölkerung, gerade auch in Ihrer Heimatregion, Herr Ministerpräsident, Ihr Fähnchen in den Wind halten.
Dabei sind Sie es, die die uneingeschränkte Nutzung der Kohleenergie und die Verlängerung von Laufzeiten bei der Atomenergie - in Ihrem Kreisverband Steinburg sogar den Neubau von Atomkraftwerken - wollen. Und mit der Bürgerbeteiligung bei den CCS-Projekten haben weder die Bundeskanzlerin noch Ihre Partei hier wirklich etwas am Hut.
Was hat sich seit der letzten Sitzung des Koalitionsausschusses eigentlich geändert? - Ich will es Ihnen sagen: Krümmel hat weitere Störfälle, Herrn Nonnenmacher wurden 2,9 Millionen € zugesichert, und die Wirtschaft kritisiert Ihr Krisenmanagement. Das hat sich geändert.
Herr Ministerpräsident, Sie reden in diesen Tagen viel davon, für Sie komme zuerst das Land und dann die Koalition.
Ihre Taten sprechen eine andere Sprache, als diese Worte aus dem schönen nordfriesischen Märchen, Herr Ministerpräsident. Sie dokumentieren mit Ihrem Antrag und dessen fingierter Begründung, dass es Ihnen zuerst um Ihre Parteiinteressen und vermeintliche Wahlchancen geht und nicht um das Land Schleswig-Holstein.
Dabei brauchte unser schönes Schleswig-Holstein gerade in dieser schwierigen Wirtschafts- und Finanzkrise mehr denn je einen kompetenten, einen tatkräftigen und einen durchsetzungsfähigen Regierungschef, der eine Landesregierung führt, die auf allen Positionen stark besetzt ist, einen Regierungschef, dem nicht vom eigenen Fraktionschef öffentlich bescheinigt wird, dass er dem Parlament in Sachen HSH die Unwahrheit gesagt hat.
Nein, wir brauchen einen Neuanfang, und, meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird Neuwahlen geben müssen. Da bin ich mit dem von Ihnen so gern zitierten Kieler Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Bartels übrigens völlig einig. Sie zitieren immer nur an der falschen Stelle - das ist Ihr Problem -, weil Sie keine eigenen Argumente haben.
Und dann versucht man eben, Dinge aus dem Zusammenhang zu reißen. Ich verstehe das. Das ist eine intellektuelle Übung. Wenn man keine eigene Meinung hat, versucht man, Dinge aus dem Zusammenhang zu reißen.
Ich sage aber: Diesen Weg zu Neuwahlen werden Sie nicht mit diesem Antrag erreichen, dem - jedenfalls bezogen auf den Antragsteller CDU – die Glaubwürdigkeit, die Begründung und der Anstand fehlt.
Das schreibt mir der Herr Ministerpräsident einen Brief voller CDU-Parteitagsrhetorik. Ich beantworte diesen Brief, nachdem ich vorher geklärt habe, dass er ihn erreicht, und dann kommt - ohne jedwede Form persönlicher Rückmeldung - einfach in die Trauerfeier der SPD-Fraktion für Heide Moser das Hineinreichen Ihres Beschlusses. Das spricht für sich, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Dass der Antrag dann auch noch trotz der juristischen Koryphäen Kubicki und Wadephul rechtlich so schlampig ausgefallen ist, dass er nicht einmal - wie geplant - heute entschieden werden kann, sondern mit peinlichen Geschäftsordnungsmanövern auf Montag verschoben werden muss, nachdem Ihnen unser Verfassungsminister Hay auf die Sprünge geholfen hat, verrät doch Ihren Mangel an Ernsthaftigkeit und Solidität.
Schämen Sie sich eigentlich nicht, sich mit einem solchen Antrag in der Form, wie Sie ihn hier eingebracht haben, in der Öffentlichkeit so zu blamieren?
Mit all Ihren juristischen Kenntnissen schaffen Sie es nicht einmal, einen Antrag zu formulieren, der der Verfassung entspricht, und müssen die Entscheidung verschieben. Das ist wirklich ein Armutszeugnis; das muss ich schon sagen. Nein, für ein solches parteitaktisches Manöver wird die SPD-Fraktion ihre Hand nicht reichen.
Ich sage Ihnen auch noch etwas anderes: Versuchen Sie erst gar nicht, unsere Reihen zu spalten, wie Sie das in Interviews tun und uns Druck übers Wochenende ankündigen, wobei Sie ganz nebenbei die Medien zu instrumentalisieren versuchen. Das können Sie sich sparen, denn die SPD-Fraktion wird geschlossen abstimmen. Darauf können Sie sich verlassen.
Auch die Behauptung, wir hätten Angst vor Neuwahlen und klebten an unseren Stühlen, existiert doch nur in Ihrer Einbildung. Das Amt des Fraktionschefs der SPD-Landtagsfraktion, lieber Lothar Hay, ist ein wunderschönes, aber ich will Regierungschef hier in Schleswig-Holstein werden. Ich klebe überhaupt nicht an meinem Stuhl.
Die Prognose Sicherheit des Herrn Oppositionsführers haben wir hier schon jahrzehntelang in diesem Haus erlebt. Insofern ist das Zitat "Das wird nichts" wirklich ein Selbstbekenntnis, Herr Kollege Kubicki. Ich freue mich, dass Sie immer wieder noch einmal zur Selbsterkenntnis fähig sind. Diese schleswig-holsteinische SPD und diese SPD-Fraktion sind regierungsfähig und regierungswillig. Neuwahlen brauchen wir nicht zu fürchten.
Wir sind zuversichtlich, dass die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner, die kluge Menschen sind, für faire Bildungschancen ohne Gebühren, für eine Energiewende ohne Atom und für gute Arbeit, von der man leben kann, eintreten.
Wir sind ganz sicher, dass die schwarz-gelbe Anti-Mindestlohn-, die Atom- und die Studiengebührenpolitik von gestern nicht mehrheitsfähig ist.
Wir haben Zukunftskonzepte, die Innovation und Gerechtigkeit verbinden. Und wir trauen uns sogar zu, bei der dringend erforderlichen Haushaltskonsolidierung durchgreifende Verwaltungsreformen zu beschließen, auch wenn das Parteifunktionären nicht gefällt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der bequeme Weg, dass sich der Landtag selbst auflöst, wenn der Ministerpräsident gescheitert ist, gibt es in diesem Haus mit den Sozialdemokraten nicht.
In der aktuellen wirtschaftlichen Situation, in der es Tausende Kurzarbeiter gibt, viele Menschen vor ihrer Entlassung stehen, um ihren Arbeitsplatz fürchten, in der Unternehmen vor dem Aus stehen, in der Steuereinnahmen einbrechen und die Sozialabgaben steigen, darf sich diese Regierung nicht einfach vom Acker machen und aus der Verantwortung stehlen. Sie, Herr Carstensen, Sie, Herr Kollege Wadephul, flüchten aus der Verantwortung.
Seit Björn Engholm und Heide Simonis haben wir Regierungsverantwortung immer anders verstanden und diesem Land und seinen Menschen gedient, und das gilt auch in der erzwungenen Großen Koalition, in der wir mit Schulreform, Pflegereform, kostenfreiem Kita-Jahr und vielem anderen mehr Gutes bewirkt haben. Ja, ich sage auch - das sage ich ausdrücklich trotz der Stimmung heute in diesem Haus -, dass nach Jahrzehnten buchstäblicher Feindschaft zwischen den großen Parteien eine Große Koalition in Schleswig-Holstein durchaus auch ein Beitrag zur parlamentarischen Normalisierung hätte sein können.
Nun aber wollen Sie, Herr Carstensen und Herr Dr. Wadephul, mit diesem Koalitionsbruch vermeiden, dass darüber ernsthaft Bilanz gezogen wird.
Der klarste Weg, Herr Ministerpräsident, wenn Sie nicht mehr können oder wollen, ist Ihr Rücktritt von diesem Amt.
Wenn Sie diesen Weg nicht gehen - ich kann ja verstehen, dass Sie das nicht wollen -, dann sollten Sie sich der anderen Möglichkeiten bedienen, die zur Neuwahl führen, auch wenn dann der schöne Schein ein paar Kratzer mehr bekommt, und das wird so sein.
Ihr Antrag wird am Montag keine Mehrheit finden, und es wird dann in der nächsten Woche rasch zu klären sein, wie der Weg zu vorgezogenen Neuwahlen erfolgen kann. Der Ball ist in Ihrem Spielfeld. Die Sozialdemokraten haben diese Situation nicht herbeigeführt. Neuwahl ja, aber bitte verschonen Sie uns mit solchen Anträgen und unredlichen Begründungen.
Die noch so treuherzige Rhetorik des amtierenden Ministerpräsidenten kann über die parteitaktische und längst kalt vorbereitete Inszenierung von heute nicht hinwegtäuschen.
Ich sage Ihnen: Die SPD-Landtagsfraktion wird am Montag Ihren Antrag geschlossen zurückweisen.

(Zitiert gemäß Plenarprotokoll der 119. Sitzung des Landtages vom Freitag, 17. Juli 2009 unter Weglassung der zahlreichen Vermerke über Zwischenrufe und Wortwechsel sowie der Hervorhebungen im Protokoll.)