Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel - Stadtverordnete: Unterschied zwischen den Versionen

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Sie zogen sich verstärkt von der Gesellschaft, die sie politisch ausgrenzte, zurück und isolierten sich in einer Art Parallelgesellschaft. Um die Jahrhundertwende änderte sich diese Haltung jedoch:
Sie zogen sich verstärkt von der Gesellschaft, die sie politisch ausgrenzte, zurück und isolierten sich in einer Art Parallelgesellschaft. Um die Jahrhundertwende änderte sich diese Haltung jedoch:
:"[Die SPD hat sich] als eine reformorientierte Massenbewegung etabliert. Sie ist keine revolutionäre Partei und ihre Führer sind keine Umstürzler, sondern Realpolitiker. Der politischen Arbeit in den Parlamenten und Ratsversammlungen wächst deshalb eine hohe Bedeutung zu, denn nur wer mitmacht, kann verändern. [[1902]] beschließt der '[[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel#Vorgeschichte|Sozialdemokratische Verein]]' nach lebhaften Diskussionen, sich wieder an den Kommunalwahlen zu beteiligen."<ref>Fischer, ''Zeit'', S. 53 f.</ref>
:"[Die SPD hat sich] als eine reformorientierte Massenbewegung etabliert. Sie ist keine revolutionäre Partei und ihre Führer sind keine Umstürzler, sondern Realpolitiker. Der politischen Arbeit in den Parlamenten und Ratsversammlungen wächst deshalb eine hohe Bedeutung zu, denn nur wer mitmacht, kann verändern. [[1902]] beschließt der '[[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel#Vorgeschichte|Sozialdemokratische Verein]]' nach lebhaften Diskussionen, sich wieder an den Kommunalwahlen zu beteiligen."<ref>Fischer, ''Zeit'', S. 53 f.</ref>
Ab [[1906]] gehörte [[Daniel Rindfleisch]] der Stadtverordnetenversammlung an.<ref>Todesanzeige der Stadt Kiel für Daniel Rindfleisch, ''VZ'', 15.5.1918</ref>


Zur [[Kommunalwahl 1907]] kandidierten für die SPD [[Ernst Cappel]], [[Rudolf Grünig]], [[H. Mähl]], [[G. Niendorf]], [[Wilhelm Poller]], [[Fr. Christophersen]] und [[Daniel Rindfleisch]].  
Bisher konnten als Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung in der Kaiserzeit ermittelt werden:
*[[1904]] bis [[1919]] - [[Eduard Adler]], zeitweise Fraktionsvorsitzender und stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher.
*[[1906]] bis [[1916]] - [[Daniel Rindfleisch]], am [[7. Januar]] [[1913]] zum stellvertretenden Stadtverordnetenvorsteher gewählt.<ref>Todesanzeige der Stadt Kiel für Daniel Rindfleisch, ''VZ'', 15.5.1918</ref>
*Zur [[Kommunalwahl 1907]] kandidierten für die SPD [[Ernst Cappel]], [[Rudolf Grünig]], [[H. Mähl]], [[G. Niendorf]], [[Wilhelm Poller]], [[Fr. Christophersen]] und [[Daniel Rindfleisch]]. In diesem Jahr gelangten [[Rudolf Grünig]] (bis [[1914]]) und [[Ernst Cappel]] ins Stadtparlament (bis zu seinem Tod am [[11. August]] [[1915]]).
*[[1908]] hatte die SPD 11 Sitze<ref>Fischer, ''Zeit'', S. 79</ref>.
*[[1909]] wurde über die Einführung der Bezirkswahlen erneut versucht, die "rote Flut" einzudämmen; die bürgerlichen Parteien gewannen vier Bezirke zurück, nur in [[Ortsverein Gaarden|Gaarden]] wurde [[Wilhelm Poller]] für die SPD gewählt.
*[[1910]] zogen neben [[Eduard Adler]] auch [[Hermann Adam]] und der [[Genosse Buttmann]] ins Stadtparlament ein, dazu für [[Ortsverein Kiel-Süd|Kiel-Süd]] bis [[11. Juni]] [[1918]] [[Wilhelm Brecour]].
*[[1911]] der [[Genosse Ribbe]] sowie [[Wilhelm Spiegel]] (bis [[1933]], unterbrochen durch Kriegsdienst vor 1918).<ref>Fischer, ''Zeit'', S. 80</ref>
*Bei den [[Kommunalwahl 1914|Kommunalwahlen]] im November [[1914]] errang die SPD 24 Mandate - ebenso viele wie die bürgerlichen Parteien.
*Bei Nachwahlen im September [[1915]] wurden [[Hermann Adam]], [[Wilhelm Poller]] sowie die Genossen [[Genosse Lange|Lange]], [[Genosse Reichert|Reichert]] und [[Genosse Wolke|Wolke]] gewählt.<ref>Fischer, ''Zeit'', S. 113</ref> Es wird außerdem ein Stadtverordneter [[Genosse Hahn|Hahn]] genannt.<ref>Fischer, ''Zeit'', S. 103 f.</ref>


[[1908]] hatte die SPD 11 Sitze<ref>Fischer, ''Zeit'', S. 79</ref>. [[1909]] wurde über die Einführung der Bezirkswahlen erneut versucht, die "rote Flut" einzudämmen; die bürgerlichen Parteien gewannen vier Bezirke zurück, nur in [[Ortsverein Gaarden|Gaarden]] wurde [[Wilhelm Poller]] für die SPD gewählt. [[1910]] zogen [[Eduard Adler]] und [[Hermann Adam]], für [[Ortsverein Süd|Kiel-Süd]] [[Wilhelm Brecour]] und der [[Genosse Buttmann]] ins Stadtparlament ein. [[1911]] waren es der [[Genosse Ribbe]] und [[Wilhelm Spiegel]].<ref>Fischer, ''Zeit'', S. 80</ref>
=== Magistrat ===
Das Zensuswahlrecht verschloss der SPD bis [[1914]] die Mitgliedschaft im Magistrat, dem höchsten Gremium der Stadtverwaltung. Er bestand aus dem Oberbürgermeister und den haupt- und ehrenamtlichen Stadträten; alle Mitglieder waren gleichberechtigt und für ihr Ressort allein verantwortlich. In Kiel galt die Magistratsverfassung bis [[1997]].  


Am [[7. Januar]] [[1913]] wurde [[Daniel Rindfleisch]] zum stellvertretenden Stadtverordnetenvorsteher gewählt.
Nach Kriegsbeginn hielt man es auf Grund des vereinbarten "Burgfriedens" zwischen den deutschen Parteien wohl für sinnvoll, sich nicht länger gegen die Mitverantwortung von SPD-Politikern zu sperren. [[1916]] wurde als erster der Stadtverordnete [[Daniel Rindfleisch]] als unbesoldeter (ehrenamtlicher) Stadtrat in den Magistrat gewählt<ref>Todesanzeige der Stadt Kiel für Daniel Rindfleisch, ''VZ'', 15.5.1918</ref>. Am [[11. Juni]] [[1918]] kam [[Wilhelm Brecour]] hinzu (bis Dezember [[1929]]), am [[3. Dezember]] des Jahres folgte [[Wilhelm Poller]] (bis [[3. November]] [[1924]]) auf den verstorbenen [[Daniel Rindfleisch]].


Bei den Kommunalwahlen im November [[1914]] errang die SPD 24 Mandate - ebenso viele wie die bürgerlichen Parteien.
== 1919 - 1933 ==
In der ersten Kommunalwahl nach dem Ende des Kaiserreiches, am [[2. März]] [[1919]], holte die SPD 33 Sitze (44,8 %), die [[USPD]] 7 Sitze.  


Bei Nachwahlen im September [[1915]] wurden [[Hermann Adam]], [[Wilhelm Poller]] sowie die Genossen [[Genosse Lange|Lange]], [[Genosse Reichert|Reichert]] und [[Genosse Wolke|Wolke]] gewählt.<ref>Fischer, ''Zeit'', S. 113</ref> Es wird außerdem ein Stadtverordneter [[Genosse Hahn|Hahn]] genannt.<ref>Fischer, ''Zeit'', S. 103 f.</ref>
Neben dem bereits im Kaiserreich gewählten [[Wilhelm Spiegel]] ([[1911]] bis zu seiner Ermordung am [[12. März|12.3.]][[1933]]) kamen jetzt in die Stadtverordnetenversammlung (bisher ermittelt):
*[[1918]]-? [[Luise Andratschke]], [[Anna Jordan]]<ref>Fischer, ''Zeit'', S. 177 f.</ref>
*[[1919]]-[[1921]] [[Toni Jensen]]
*[[1919]]-[[1924]] [[Otto Eggerstedt]], [[Gustav Garbe]]
*[[1924]]-[[1927]] [[Willy Verdieck]]
*[[1924]]-[[1933]]<ref>"1933" heißt, soweit nicht anders angegeben, bis zum Verbot der Parteien durch die Nazis am [[22. Juni]] des Jahres.</ref> [[Nanny Kurfürst]]
*[[1925]]-[[1933]] [[Richard Hansen]]
*[[1928]]-[[1933]] [[Karl Ratz]], [[Gertrud Völcker]], [[Theodor Werner]]
*[[1929]]-[[1933]] [[Bruno Diekmann]]
*[[17. November|17.11.]][[1929]]-[[1933]] [[Andreas Gayk]]


=== Magistrat ===
=== Magistrat ===
Das Zensuswahlrecht verschloss der SPD bis [[1914]] die Mitgliedschaft im Magistrat. Dies lockerte sich nach Kriegsbeginn auf Grund des vereinbarten "Burgfriedens" zwischen den deutschen Parteien. [[1916]] wurde [[Daniel Rindfleisch]] zum Mitglied des Magistrats gewählt.<ref>Todesanzeige der Stadt Kiel für Daniel Rindfleisch, ''VZ'', 15.5.1918</ref>, [[1917]] kam [[Wilhelm Brecour]] hinzu, [[1918]] folgte [[Wilhelm Poller]] auf den verstorbenen [[Daniel Rindfleisch]].
*[[1918]]-Dezember [[1929]] [[Wilhelm Brecour]]  
*[[3. Dezember|3.12.]][[1918]]-[[3. November|3.11.]][[1924]] [[Wilhelm Poller]]
*[[11. November|11.11.]][[1919]]-[[1929]] [[Hermann Adam]]
*[[1927]]-[[1933]] [[Willy Verdieck]] (für Wohnungsbau)


== 1919 - 1932 ==
[[1919]] wählte die Stadtverordnetenversammlung [[Paul Gress]] zum ersten besoldeten (=hauptamtlichen) Magistratsmitglied. Seine Amtseinführung wurde Ursache für den Rücktritt des konservativen Oberbürgermeisters Lindemann.
In der ersten Kommunalwahl nach dem Ende des Kaiserreiches, am [[2. März]] [[1919]], holte die SPD 33 Sitze (44,8 %), die [[USPD]] 7 Sitze.


=== Stadtverordnetenvorsteher ===
=== Stadtverordnetenvorsteher ===
Ab [[1919]] konnte die SPD auf Grund ihrer Mehrheiten auch die Stadtverordnetenvorsteher bestimmen. Dies waren:
Ab [[1919]] konnte die SPD auf Grund ihrer Mehrheiten auch die Stadtverordnetenvorsteher bestimmen. Dies waren:
* [[1919]]-[[1924]]: [[Wilhelm Spiegel]]
* [[1924]]-[[1926]]: [[Heinrich Jacobs]]
* [[1926]]-[[1933]]: [[Christian Haß]]
* [[1926]]-[[1933]]: [[Christian Haß]]
* [[1924]]-1926: [[Heinrich Jacobs]]
* 1919-1924: [[Wilhelm Spiegel]]
Die Angaben zu den Stadtverordneten bis 1933 sind noch unvollständig; sie werden so bald wie möglich ergänzt.


== 1933 - 1945 ==
== 1933 - 1945 ==
In der letzten, schon durch Einschüchterung und Repression der Nazis beeinflussten Kommunalwahl vom [[12. März]] [[1933]] errangen die Sozialdemokraten noch einmal 20 Mandate. Unter den Gewählten war [[Andreas Gayk]].
In der letzten, schon durch Einschüchterung und Repression der Nazis beeinflussten Kommunalwahl vom [[12. März]] [[1933]] errangen die Sozialdemokraten noch einmal 20 Mandate.<ref>''Kieler Zeitung'', 13.3.1933</ref> Unter den Gewählten war [[Andreas Gayk]]. Sie wurde überschattet von der Ermordung von [[Wilhelm Spiegel]] durch SA-Leute in der Nacht vor der Wahl.


Danach gab es bis zum Ende der Nazizeit keine Stadtvertretung im demokratischen Sinne mehr. Der [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Sozialdemokratische Verein Groß-Kiel]] war, wie die gesamte SPD und alle Parteien, seit dem [[22. Juni]] [[1933]] verboten. Die Stadtverordneten der Linksparteien wurden ausgeschlossen, verfolgt und ermordet wie z. B. [[Wilhelm Spiegel]] oder [[Willy Verdieck]]. Eine offene politische Arbeit war nicht möglich.
Danach gab es bis zum Ende der NS-Herrschaft keine Stadtvertretung im demokratischen Sinne mehr. Der [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Sozialdemokratische Verein Groß-Kiel]] war, wie die gesamte SPD und alle Parteien, seit dem [[22. Juni]] [[1933]] verboten. Die Stadtverordneten der Linksparteien wurden ausgeschlossen, verfolgt und ermordet wie z. B. [[Wilhelm Spiegel]] oder [[Willy Verdieck]]. Eine offene politische Arbeit war nicht mehr möglich.


== Literatur ==
== Literatur ==
*[[Wilhelm Brecour]]: ''Die [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Sozialdemokratische Partei in Kiel]]. Ihre geschichtliche Entwicklung'' (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in ''Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung'', Kiel 1983)
*[[Wilhelm Brecour]]: ''Die [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Sozialdemokratische Partei in Kiel]]. Ihre geschichtliche Entwicklung'' (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in ''Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung'', Kiel 1983)
*[[Rolf Fischer]]: ''"Der Bahn, der kühnen, folgen wir …" Stephan Heinzel und der Aufstieg der Kieler SPD'' (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie, Band I: 1863–1900) (Malente 2010)
*[[Rolf Fischer]]: ''"Der Bahn, der kühnen, folgen wir …" Stephan Heinzel und der Aufstieg der Kieler SPD'' (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie, Band I: 1863–1900) (Malente 2010)
*Rolf Fischer: ''"Mit uns die neue Zeit!" [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kiels Sozialdemokratie]] im Kaiserreich und in der [[Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand|Revolution]]'' (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2: 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4  
*[[Rolf Fischer]]: ''"Mit uns die neue Zeit!" [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kiels Sozialdemokratie]] im Kaiserreich und in der [[Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand|Revolution]]'' (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2: 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4  
*[[Rolf Fischer]]: ''Die dunklen Jahre. [[Kreisverband Kiel|Kiels Sozialdemokratie]] im Nationalsozialismus'' (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 4: 1930 - 1945)(Kiel 2017) ISBN 978-3-86935-329-6


== Quellen ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


[[Kategorie:Kreisverband Kiel]]
[[Kategorie:Kreisverband Kiel]]
[[Kategorie:Kommunalpolitik]]
[[Kategorie:Kommunalpolitik]]

Version vom 1. Oktober 2020, 10:02 Uhr

Stadtverordnete der SPD gibt es in der Kieler Stadtvertretung - mit Unterbrechungen - seit 1891. Zwischen 1919 und 1932 war der Sozialdemokratische Verein Groß-Kiel - wie nach 1945 der Kreisverband Kiel der SPD - die dominierende kommunalpolitische Kraft.

1890 - 1918

Als erste sozialdemokratische Stadtverordnete wurden in der Kommunalwahl vom 4. November 1890 Stephan Heinzel und Friedrich Brodthuhn überraschend in die Stadtverordnetenversammlung gewählt. Ursache war wohl die geringe Wahlbeteiligung der bürgerlichen Wähler, wodurch die Stimmen der wahlberechtigten Arbeiter entscheidendes Gewicht erhielten.[1] Am 16. Januar 1891 wurden die beiden Sozialdemokraten als Stadtverordnete verpflichtet. Nach den Initiativen, die sich aus den Protokollen entnehmen lassen, arbeiteten beide engagiert mit und trugen die Sichtweise des "kleinen Mannes" in das Gremium.[2]

Das "Problem" eines weiteren SPD-Wahlerfolgs wurde durch eine willkürliche Erhöhung des Zensus gelöst. Neben ca. 5000 anderen Kielern verlor dadurch auch Friedrich Brodthuhn das Bürgerrecht und damit das aktive und passive Wahlrecht. Gemäß einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts musste er am 10. Februar 1892 aus dem Stadtverordneten-Kollegium ausscheiden. Als Konsequenz verzichteten die Sozialdemokraten in der Folgezeit auf die Beteiligung an Kommunalwahlen, da sie ihre Erfolgschancen als gering einschätzten.

Sie zogen sich verstärkt von der Gesellschaft, die sie politisch ausgrenzte, zurück und isolierten sich in einer Art Parallelgesellschaft. Um die Jahrhundertwende änderte sich diese Haltung jedoch:

"[Die SPD hat sich] als eine reformorientierte Massenbewegung etabliert. Sie ist keine revolutionäre Partei und ihre Führer sind keine Umstürzler, sondern Realpolitiker. Der politischen Arbeit in den Parlamenten und Ratsversammlungen wächst deshalb eine hohe Bedeutung zu, denn nur wer mitmacht, kann verändern. 1902 beschließt der 'Sozialdemokratische Verein' nach lebhaften Diskussionen, sich wieder an den Kommunalwahlen zu beteiligen."[3]

Bisher konnten als Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung in der Kaiserzeit ermittelt werden:

Magistrat

Das Zensuswahlrecht verschloss der SPD bis 1914 die Mitgliedschaft im Magistrat, dem höchsten Gremium der Stadtverwaltung. Er bestand aus dem Oberbürgermeister und den haupt- und ehrenamtlichen Stadträten; alle Mitglieder waren gleichberechtigt und für ihr Ressort allein verantwortlich. In Kiel galt die Magistratsverfassung bis 1997.

Nach Kriegsbeginn hielt man es auf Grund des vereinbarten "Burgfriedens" zwischen den deutschen Parteien wohl für sinnvoll, sich nicht länger gegen die Mitverantwortung von SPD-Politikern zu sperren. 1916 wurde als erster der Stadtverordnete Daniel Rindfleisch als unbesoldeter (ehrenamtlicher) Stadtrat in den Magistrat gewählt[9]. Am 11. Juni 1918 kam Wilhelm Brecour hinzu (bis Dezember 1929), am 3. Dezember des Jahres folgte Wilhelm Poller (bis 3. November 1924) auf den verstorbenen Daniel Rindfleisch.

1919 - 1933

In der ersten Kommunalwahl nach dem Ende des Kaiserreiches, am 2. März 1919, holte die SPD 33 Sitze (44,8 %), die USPD 7 Sitze.

Neben dem bereits im Kaiserreich gewählten Wilhelm Spiegel (1911 bis zu seiner Ermordung am 12.3.1933) kamen jetzt in die Stadtverordnetenversammlung (bisher ermittelt):

Magistrat

1919 wählte die Stadtverordnetenversammlung Paul Gress zum ersten besoldeten (=hauptamtlichen) Magistratsmitglied. Seine Amtseinführung wurde Ursache für den Rücktritt des konservativen Oberbürgermeisters Lindemann.

Stadtverordnetenvorsteher

Ab 1919 konnte die SPD auf Grund ihrer Mehrheiten auch die Stadtverordnetenvorsteher bestimmen. Dies waren:

1933 - 1945

In der letzten, schon durch Einschüchterung und Repression der Nazis beeinflussten Kommunalwahl vom 12. März 1933 errangen die Sozialdemokraten noch einmal 20 Mandate.[12] Unter den Gewählten war Andreas Gayk. Sie wurde überschattet von der Ermordung von Wilhelm Spiegel durch SA-Leute in der Nacht vor der Wahl.

Danach gab es bis zum Ende der NS-Herrschaft keine Stadtvertretung im demokratischen Sinne mehr. Der Sozialdemokratische Verein Groß-Kiel war, wie die gesamte SPD und alle Parteien, seit dem 22. Juni 1933 verboten. Die Stadtverordneten der Linksparteien wurden ausgeschlossen, verfolgt und ermordet wie z. B. Wilhelm Spiegel oder Willy Verdieck. Eine offene politische Arbeit war nicht mehr möglich.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Fischer, Bahn, S. 76 f., 87
  2. Fischer, Bahn, S. 89
  3. Fischer, Zeit, S. 53 f.
  4. Todesanzeige der Stadt Kiel für Daniel Rindfleisch, VZ, 15.5.1918
  5. Fischer, Zeit, S. 79
  6. Fischer, Zeit, S. 80
  7. Fischer, Zeit, S. 113
  8. Fischer, Zeit, S. 103 f.
  9. Todesanzeige der Stadt Kiel für Daniel Rindfleisch, VZ, 15.5.1918
  10. Fischer, Zeit, S. 177 f.
  11. "1933" heißt, soweit nicht anders angegeben, bis zum Verbot der Parteien durch die Nazis am 22. Juni des Jahres.
  12. Kieler Zeitung, 13.3.1933