Julius Zehr

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Julius Zehr
Julius Zehr
Julius Zehr
Geboren: 12. April 1911
Gestorben: 26. Februar 1933

Julius Zehr, * 12. April 1911 in Kiel[1], † 25. Februar 1933 in Harrisleefeld; Maurer. Mitglied der SPD.

Julius Zehr wurde als ältester von drei Brüdern in eine Kieler Arbeiterfamilie geboren. Von Beruf war er Maurer und lebte mit seiner Mutter in einer kleinen Arbeiterwohnung. Im Januar 1933 verlor er, wie viele seiner jugendlichen Zeitgenossen, seine Arbeit. Da die Erwerbslosenunterstützung nur für wenige Tage gewährt wurde, zog er zusammen mit einem seiner Brüder nach Flensburg, um Arbeit zu suchen und an einem vom Reichsbanner organisierten Freiwilligen Arbeitsdienst für gemeinnützige Arbeiten teilzunehmen. Dort wurden beide sofort in einer Gruppe junger Arbeitersportler und Mitglieder des Jungbanners aktiv, der Jugendorganisation des Reichsbanners „Schwarz-Rot-Gold“. Eingebunden in den Kampf gegen die nationalsozialistischen Terrorgruppen fanden sie Unterkunft im Reichsbannerlager der Arbeitervolkshochschule Harrisleefeld, von wo aus sie beinahe täglich nach Flensburg pendelten.[2]

Ermordung

Am 25. Februar 1933 wurde Julius Zehr von einem Nationalsozialisten in Harrisleefeld bei Flensburg erschossen. Zum Zeitpunkt seines Todes war er 21 Jahre alt. Der Vorfall ereignete sich auf dem Weg zu einer SPD-Veranstaltung zur Reichstagswahl im Flensburger Gewerkschaftshaus, bei der er und und die Reichsbanner-Mitglieder Friedrich Maasch und Detlef Bock mit einem SA-Mann aneinandergerieten. Gerhard Moltzen, der SA-Mann, zog eine Pistole und schoss auf Julius Zehr, der dabei getötet wurde. Gerhard Moltzen behauptete, in Notwehr gehandelt zu haben.[3][4]

Beisetzung

Am 1. März 1933 wurde der Leichnam von Julius Zehr nach Kiel überführt. Der Sarg wurde von einer großen Menschenmenge, hauptsächlich Sozialdemokraten, aber auch Kommunisten, demonstrativ aus Flensburg hinausbegleitet. Auf dem Rückweg kam es in der Schleswiger Straße zu Handgreiflichkeiten zwischen einigen aufgebrachten Demonstranten und den den Trauerzug begleitenden Polizeibeamten.

In den Wohnungen zweier in der Straße wohnender Nationalsozialisten gingen Fensterscheiben zu Bruch, und eine Hakenkreuzfahne wurde entwendet. Weitere Ausschreitungen konnten nur von der Polizei und vom "besonnenen Publikum" verhindert werden, wie die Flensburger Nachrichten berichteten. Flensburgs Polizeipräsident Fulda nahm diese Tumulte zum Anlass, eine von der SPD ordnungsgemäß angemeldete Kundgebung unter freiem Himmel zur Reichstagswahl am 5. März zu verbieten. Wegen des Verdachts, an den Auseinandersetzungen beteiligt gewesen zu sein, wurden bis zum 8. März 1933 sieben Personen, die in den Flensburger Nachrichten als "Kommunisten" bezeichnet wurden, verhaftet.

Die Beisetzung fand unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Kiel statt. Die Trauerrede hielt Emil Fuchs, Theologe und Mitglied des Reichsbanners.

Prozess 1933

Die offizielle Version der Ereignisse wurde schnell von der Presse verbreitet, bevor die Ermittlungen abgeschlossen waren. Es gab wichtige Zeugenaussagen und Beweise, die nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Die Ermittlungen wurden schnell abgeschlossen, und das Verfahren wurde eingestellt, basierend auf der Notwehrbehauptung des SA-Mannes. Gerhard Moltzen wurde nur wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Geldstrafe verurteilt, die jedoch durch eine NS-Amnestie aufgehoben wurde.[3][4]

Wiederaufnahme 1948

Nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes im Jahr 1945 begann die deutsche Justiz, sich mit den Verbrechen des „Dritten Reiches“ auseinanderzusetzen. Gegen Gerhard Moltzen, der nach Kriegsende in Bergedorf lebte, wurde erneut ermittelt. Gerhard Moltzen gab freimütig alles zu und behauptete, im Verfahren von 1933 sei ihm Notwehr zugestanden worden. Er präsentierte eine neue Version der Ereignisse und behauptete, den Schuss unabsichtlich abgegeben zu haben.

Die Hamburger Kriminalpolizei veranlasste eine erneute Befragung der noch lebenden Tatzeugen, darunter Friedrich Maasch und Detlef Bock, die ihre Aussagen bestätigten. Am 3. Juni 1948 stellte die Flensburger Oberstaatsanwaltschaft die Ermittlungen ein und schloss sich der Argumentation des Untersuchungsrichters von 1933 an. Der schleswig-holsteinische Justizminister Rudolf Katz war mit dieser Einstellung nicht einverstanden und forderte eine erneute Überprüfung des Falls. Trotz mehrfacher Überprüfung wurde der Fall jedoch nicht anders bewertet.

Steffen Initiative 1957

1957 versuchte Jochen Steffen mit einem Artikel in der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung, den Fall erneut aufzurollen. Die Flensburger Staatsanwaltschaft revidierte ihre Haltung jedoch nicht. Die Staatsanwaltschaft veröffentlichte eine abschließende Presseerklärung, in der sie darauf hinwies, dass es weder tatsächlich einen Anlass noch rechtlich die Möglichkeit gab, erneut Ermittlungen aufzunehmen. Jochen Steffen kritisierte offenkundige Fehler und Versäumnisse im Verfahren und fragte sich, wer im Februar 1933 den Mut gehabt hätte, einen Zeugen vor der Rache der Gesinnungsgenossen zu schützen. Der Fall wurde Ende Oktober 1957 endgültig "zu den Akten gelegt".

Archive

  • Gemeindearchiv Harrislee: Julius Zehr. Ärztliche Krankheitsbescheinigung über Verstorbene. Beglaubigte Abschrift. Datiert: Flensburg, den 26.II.1933. Aus: Standesamt Harrislee. Akte Todesbescheinigungen für die Jahre 1926 - 1942. Fundstellenübersicht (Stand: 2020)
  • In der VZ vom 3.10.1957 gab es ein Foto von Julius Zehr.

Literatur

Einzelnachweise

  1. https://www.reichsbanner-geschichte.de/personen/person/zehr-julius
  2. Große Anfrage der SPD-Fraktion im Landtag, Datum nicht ermittelt, verm. 1985
  3. 3,0 3,1 Schartl, Matthias: „Nach alledem hat der Beschuldigte in Notwehr gehandelt.“ Der Tod des Julius Zehr am 25. Februar 1933 in Harrisleefeld, in: Grenzfriedenshefte 1 (1997), S. 31. Schartl konnte für seine Arbeit die entsprechende Akte im Landesarchiv einsehen, seine Angabe dürfte also zuverlässig sein.
  4. 4,0 4,1 Den 26.2. als Todestag nennt in einer reinen Aufzählung: Nissen, Hans Christian: 1933–1945: Widerstand, Verfolgung, Emigration, Anpassung. In: Demokratische Geschichte, Band 3(1988), S. 493