Möllner Entschließung (1972)

Aus SPD Geschichtswerkstatt

Beschlossen auf dem Landesparteitag 1972, Mölln.

Der außerordentliche Landesparteitag der schleswig-holsteinischen SPD stellt fest, daß die CDU-Landesregierung bisher keinen ernsthaften Beitrag zur Politik des Friedens, der Reformen und der Stabilität geleistet hat.

Die Regierung Stoltenberg hat die Entspannungspolitik mit Moskau und Warschau bis zuletzt bekämpft und verzögert. Sie hat die Schritte der Bundesregierung zur Überwindung der Folgen der deutschen Teilung nicht unterstützt. Wäre es nach Ministerpräsident Stoltenberg, dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU, gegangen, dann gäbe es heute keine aktive Politik zum Abbau der Spannungen in Europa, keine Abkommen, die die Grenzen in und um Berlin und zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR durchlässiger machen, und keine Erleichterungen für die Menschen in Berlin und der DDR.

Es ist die große geschichtliche Leistung und das Verdienst der Regierung Brandt/Scheel, die Politik des Friedens, der Versöhnung und der Entspannung gegen den jahrelangen erbitterten Widerstand der CDU/CSU und der von ihr regierten Länder durchgesetzt zu haben. Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Willy Brandt drückt die Anerkennung der Welt für diese Politik aus.

Die SPD dieses Landes ist im Interesse der Menschen im geteilten Deutschland für den Abschluß eines Grundvertrages zwischen beiden deutschen Staaten. Sie unterstützt deshalb vorbehaltslos alle Bemühungen der Bundesregierung. Die CDU-Landesregierung spricht dagegen der Bundesregierung das Recht ab, einen solchen Vertrag auszuhandeln und abzuschließen. Sie mißachtet damit eine Grundregel der parlamentarischen Demokratie und verharrt in den Positionen des kalten Krieges.

Die CDU-Landesregierung hat bisher bitter wenig zu den notwendigen Reformen in unserer Gesellschaft beigetragen. Sie hat im Gegenteil sozialliberale Reformgesetzen ihre Zustimmung verweigert. Beim Betriebsverfassungsgesetz, der Verstärkung des Mieterschutzes und dem Städtebauförderungsgesetz hat sie massiv die Interessen der Privilegierten vertreten. Sie hat im Bund eine fortschrittliche Bildungsplanung zur Sicherung der Zukunft unserer Kinder torpediert. Ihr Beitrag zur Bildungspolitik im Lande ist die Vorlage des rückschrittlichsten Hochschulgesetzes.

Die Sozialdemokraten bekennen sich voll zum Grundgesetzauftrag der Sozialpflichtigkeit des Eigentums und zum Grundrecht auf menschenwürdiges Wohnen. Das gilt vor allem für das Eigentum an Grund und Boden. Während ungehemmte private Ausnutzung des Bodens die Modernisierung unserer Städte und Gemeinden verhindert und der breiten Streuung von Wohneigentum entgegensteht, spricht sich die Landesregierung weiterhin dafür aus, einigen Wenigen das Privileg der Bodenspekulation auch in Zukunft zu erhalten.

In der Wirtschafts- und Finanzpolitik argumentiert die CDU-Landesregierung mit gespaltener Zunge. Während sie sich mit den Vertretern des Bundes, der Länder und der Gemeinden im Finanzplanungsrat darauf verständigt hat, die Ausweitung der öffentlichen Haushalte auf 10,5 Prozent zu begrenzen, verlangt die CDU in Schleswig-Holstein die Steigerung der Ausgaben der Bundesländer um über 13 Prozent. Gleichzeitig fordern Ministerpräsident Stoltenberg und Wirtschaftsminister Narjes in Bonn die radikale Drosselung der Staatsausgaben und beschwören damit, wie Erhardt und Schmücker mit der Rezession 1966, die Gefahr von Massenarbeitslosigkeit und Kurzarbeit herauf. Diese Politik wäre verhängnisvoll.

Die SPD Schleswig-Holstein bekennt sich zu qualitätsbezogenem Wirtschaftswachstum und stabilen Finanzen. Sie anerkennt die erfolgreichen Bemühungen der Bundesregierung im Rahmen ihrer nationalen Kompetenzen und auf internationaler Ebene, diese Stabilität zu sichern und auf Dauer zu festigen. Die Politk der sozialliberalen Koalition hat die Mitbestimmungsrechte der abhängig Beschäftigten wesentlich erweitert, die Arbeitsplätze gesichert und dadurch die Steigerung ihrer Realeinkommen bewirkt.