Naturfreunde

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Das historische Emblem der NaturFreunde

Die NaturFreunde sind die Organisation der Arbeiterbewegung, die sich um Freizeit, Urlaub, Erholung und den Schutz der Natur kümmert. Zu ihren Mitgliedern zählten und zählen prominente SPD-Mitglieder wie z.B. Paul Löbe, Willy Brandt und Saskia Esken.

Ziele

Willy Brandt, vorne links knieend im Matrosenanzug, bei den Lübecker Naturfreunden auf dem Priwall 1926

Vor allem der Kampf gegen politische Ausgrenzung und soziale Verelendung - sehr lange Arbeitszeiten, niedrige Löhne, menschenunwürdige Wohn- und Lebensverhältnisse - prägten den Beginn der organisierten Arbeiterbewegung. Menschen, die unter solchen elenden Bedingungen litten, hatten in ihrer knappen Freizeit Erholung besonders nötig. Als eine von vielen Organisationen der Arbeiterbewegung entstand der Touristenverein Die NaturFreunde.

Näheres zur Entstehung in Wikipedia: Naturfreunde.

Gau Nordmark

Naturfreunde auf Wanderschaft, 1920er Jahre

Am 14. Februar 1910 gründete sich in Kiel, am 1. April in Hamburg der Landesverband Nordmark der Naturfreunde. Bei den Mitgliedern, die sich aus allen Berufen und Altersklassen der arbeitenden Bevölkerung zusammensetzten, bestand ein Bedürfnis nach Wanderungen in der Natur unter Gleichgesinnten. In der Vereinszeitschrift Der Naturfreund wird 1913 vermerkt:

"KIEL Am 31. Januar fand die dritte Jahreshauptversammlung statt. Im Berichtsjahr hat die Zahl der Mitglieder sich auf 51 erhöht. Es wurden 91 Ausflüge mit einer Teilnehmerzahl von 754 Personen durchgeführt".

Die Ortsgruppe Flensburg beschloss 1915,

"dass denjenigen Mitgliedern, die im Felde stehen, Der Naturfreund für die Dauer des Krieges gratis zugestellt wird und die Kosten aus der Ortsgruppenkasse bestritten werden."

Dies galt für viele Ortsgruppen. Der Naturfreund 1916:

"KIEL Das Vereinsleben ist auch während des Krieges ein reges geblieben. Die Mitgliederzahl stieg auf 137, die bis jetzt gebotenen Lichtbildvorträge hatten sich eines überaus starken Besuches zu erfreuen."

Zwischen den Weltkriegen

1920 zählte die Ortsgruppe Kiel 200 Mitglieder, im Inflationsjahr 1923 sogar 248. Unter ihrem Dach konnten sich auch musische Interessen entfalten: 1929 fand sich ein Mandolinenorchester zusammen, in dem eine Zeitlang wohl auch Rosa Obloch mitspielte.

Naturfreundehaus Kalifornien

In dieser Zeit sah der Verein den "Hüttenbau" als seine wichtigste Aufgabe, aber die absurde Geldentwertung machte zunächst alle Pläne zunichte. Aber dann entstand unter heute kaum noch vorstellbarem Einsatz der Kieler Ortsgruppe das Naturfreundehaus in Kalifornien/Schönberg, am Ausgang der Kieler Förde. Es konnte 1927 eröffnet werden und erhielt den Namen Karl-Volkert-Heim, nach einem österreichischen Sozialdemokraten, der sich u.a. in der Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde und bei den Naturfreunden engagierte.

Das Naturfreundehaus in Kalifornien am Schönberger Strand 1930

Im 5. Heft Der Naturfreund von 1926 heißt es:

"Ein Naturfreundehaus an der Ostsee. Unser Gau Nordmark hat unter beträchtlichen Opfern am Schönberger Strand an der offenen Ostsee ein großes Naturfreundehaus errichtet und somit an den Gestaden des Meeres unsere Bewegung verankert. Das zweistöckige Haus wird in den Schlafsälen 60 bis 70 Betten zählen. Im Dachraum können ebenso viele Personen untergebracht werden. Gut eingerichtete Nebenräume ergänzen das prächtige Haus, das sich auch für Ferienaufenthalte vorzüglich eignet."

In den Dokumenten dazu wird das Selbstverständnis der Ortsgruppe Kiel deutlich: Das Vorhaben konnte nur mit Idealismus, Opferbereitschaft und Gemeinsinn gelingen. Viele Arbeiten mussten von den Kielern aus Geldnot selbst ausgeführt werden. Davor stand jeweils eine bis zu drei Stunden dauernde Anreise zur "Arbeitsstelle".

Ein Zeitungsartikel von 1930 beschreibt, wie Gäste zu dem attraktiven Haus kamen:

"Man erreicht das Heim von Kiel aus mit der Kleinbahn zum Schönberger Strand und dann 45 Minuten Gehzeit. Oder vom Städtchen Schönberg aus in 75 Minuten. Oder von Kiel aus mit dem Dampfer bis Laboe und über das alte Fischerdorf Stein in drei Stunden."[1]

Nach der Machtübernahme durch die Nazis wurden 1933 die Gliederungen der Naturfreunde aufgelöst oder verboten. Das Vereinsvermögen wurde Nazi-Organisationen oder staatlichen Stellen zugeschlagen. Das Naturfreundehaus in Kalifornien nahm unter dem Schutz der Behörden die Hitlerjugend in Besitz.

Neugründung nach 1945

Der durch Feuer beschädigte Registrierungs-Ausweis der Kieler Naturfreunde von 1946

Nur wenige Monate nach Ende der NS-Herrschaft kamen 1945 Mitglieder der Naturfreunde, so sie den 2. Weltkrieg überlebt hatten, wieder zusammen und begannen erneut mit dem Vereinsleben. Der Landesverband Schleswig-Holstein der NaturFreunde entstand als parteinahe Organisation. Bereits im Mai 1946 fanden in Kiel wieder Wanderungen der Naturfreunde statt.[2] Der Verein wurde am 2. Dezember 1946 von der englischen Besatzungsmacht registriert und offiziell zugelassen.

Das Naturfreundehaus am Schönberger Strand gelangte erst nach zähen Verhandlungen 1951 wieder in den Besitz der Kieler Ortsgruppe. Der Landesverband der Naturfreunde verfügt auf dem Priwall in Lübeck über ein weiteres Gästehaus.

Das Mandolinenorchester der Kieler NaturFreunde

Das Mandolinenorchester der Kieler Naturfreunde entstand ebenfalls wieder. Einen Neubeginn gab es anläßlich eines Geburtstags von Ilse Zilz, der langjährigen Vorsitzenden, vermutlich 1947, als 27 Leute mit ihren Instrumenten zum Gratulieren kamen.

"Kerngeschäft" der Kieler NaturFreunde neben dem Betrieb des Naturfreundehauses in Kalifornien waren gemeinsame Wanderungen. Wanderleiter der Kieler Ortsgruppe war ab 1985 viele Jahre lang Rolf Rabusch.

Gegenwart

Der Landesverband der NaturFreunde ist über eine Geschäftsstelle am Lorentzendamm in Kiel zu erreichen. Zu Landesvorsitzenden wurden am 7. März 2020 Jürgen Klose, Hans-Jörg Lüth und Katharina Uhlig gewählt. Der langjährige Vorsitzende Dieter Neumann wurde mit dem Ehrenvorsitz ausgezeichnet.

Die Amtszeit des Vorstandes beträgt drei Jahre. Am 1. April 2023 wurden Sina Esselborn-Große und Gerd Segatz neben Hans-Jörg Lüth zu neuen Landesvorsitzenden gewählt.[3]

Den Schwerpunkt seiner Arbeit sieht der kleine Verein heute im Umweltschutz. Daneben gehört ihm weiterhin das Naturfreundehaus in Kalifornien/Schönberg und das Gästehaus auf dem Priwall in Lübeck-Travemünde.

Naturfreundehaus Kalifornien heute

Naturfreundehaus im Mai 2020

Das Haus in Kalifornien, seit 1951 wieder im Besitz der NaturFreunde, geriet durch die Einschränkungen während der Covid-Pandemie und den daraus erwachsenden Personalmangel ab 2020 in finanzielle Schieflage. Miteigentümer ist heute Hans-Jörg Lüth, bewirtschaftet wird es durch einen eigenen Verein Naturfreundehaus Kalifornien, ehrenamtliche Hausleiterin ist Andrea Kleinreesink. Neue Ideen sollen helfen, die traditionsreiche Einrichtung langfristig zu erhalten. Auch Schönbergs Bürgermeister Peter A. Kokocinski hat seine Unterstützung zugesagt.

"Wir als Gemeinde sind sehr daran interessiert, das Naturfreundehaus zu unterstützen. Vor allem für Vereine ist das Haus, das nicht in Konkurrenz zu privat geführten Hotels oder Pensionen zu sehen ist, eine wichtige Einrichtung". Die Gemeinde plant, es in Zukunft auch für eigene Veranstaltungen zu nutzen.[4]

96 Betten in etwa 30 Zimmern kann das Haus heute anbieten, daneben große Gemeinschaftsräume und eine volle Bewirtschaftung. Neben Gruppen können dort auch Familien und selbst Einzelreisende preiswerte Ferientage gleich hinterm Deich verbringen - man muss nicht Mitglied im Verein sein. Wegen des Personalmangels wurde eine Selbstversorger-Küche eingerichtet, die allerdings nur für kleinere Gruppen oder Familien ausreicht; daher können immer noch nicht alle Buchungswünsche erfüllt werden.

"So ist es keine Seltenheit, dass [die Hausleiterin] selbst in der Küche einspringt und die Gäste versorgt. Im vergangenen Jahr habe es viele Besucher gegeben, die selbst mit angepackt haben, nur um überhaupt die Unterkunft nutzen zu können. 'Da muss dann mal an einem Tag gegrillt werden' [...]."[4]

Zudem besteht bei der 1927 eröffneten Einrichtung ein erheblicher Renovierungs- und Sanierungsstau. Zwar wurde das damals mit sehr viel Eigenleistung gebaute Haus in verschiedenen Abschnitten modernisiert; es stehen aber neue Arbeiten an. Dafür werden Spenden und Sponsoren gesucht. Eine Aktion ist bereits angelaufen unter "gofundme.de - Umweltbildung und Ferien am Meer für alle".[4]

Die wirtschaftlichen Probleme sind also nicht überwunden. Neue Ideen sind gefragt, etwa die Schaffung von inklusiven Arbeitsplätzen.

"'Wir bieten hier die idealen Arbeitsplätze in Garten, Reinigung und Küche. Die sind für inklusive Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr gut anleitbar', erklärt Kleinreesink. Sie bringen bereits Erfahrung in dem Bereich mit, denn hauptberuflich leitet sie in Hamburg drei Projekte an, die 'sehr gut laufen', unter anderem Inklusionscafés."[4]

Am 24. August 2024 will das Naturfreundehaus Kalifornien, das auf sein 100-jähriges Bestehen zusteuert, mit einem Tag der offenen Tür seine heutigen Angebote allen Interessierten vorstellen.

Bilder

Literatur

  • Denecke,Viola: Der Touristenverein Die Naturfreunde. In: Walter, Franz/Denecke, Viola/Regin, Corneli: Sozialistische Gesundheits- und Lebensreform-Verbände (Bonn 1991) ISBN 3-8012-4010-X, S. 241 ff.
  • Zimmer, Jochen (Hrsg.): Mit uns zieht die neue Zeit. Die Naturfreunde. Zur Geschichte eines alternativen Verbandes in der Arbeiterkulturbewegung (Köln 1984) ISBN 3-7609-0927-2

Links

Einzelnachweise

  1. In: Dörfer, Ursa (Kronshagen): Unveröffentlichtes Manuskript (2020)
  2. Kieler Nachrichten, 1.5.1946
  3. NaturFreunde: Landesvorstand, abgerufen 10.12.2023
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 Schmidt, Astrid: Naturfreundehaus geht neue Wege, Kieler Nachrichten, Regionalausgabe Ostholstein, 18.4.2024; dort auch alle Zitate.