Datei:Die scheußliche Politik - August 1946.pdf

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Beschreibung

Flugblatt Die scheußliche Politik vom August 1946

Text:

Nach dem Lesen bitte weitergeben!

Die scheußliche Politik

Die Politik

hat zu allen Zeiten viel absprechende Urteile einstecken müssen. "Politik verdirbt den Charakter", ist ein viel zitiertes Wort, und der Reichskanzler Bülow warnte vor der "Drecklinie der Politik". Andere haben geantwortet, nicht die Politik verdirbt den Charakter, sondern schlechte Charaktere verderben die Politik.
Was ist die Wahrheit?
Warum soll sich jeder erwachsene Mann, jede erwachsene Frau für politische Fragen interessieren? Warum sollen sich Mann und Frau mit ihnen beschäftigen?

Was heißt überhaupt Politik?

Das Wort wurzelt in "Polis" - so hieß im alten Griechenland eine Stadt. Die alten, die klugen, die erfahrenen, aber auch die strebsamen jungen Bürger beschäftigten sich mit den Angelegenheiten der Stadt: Bau der Straßen, Bau der Bäder, Bau der Gymnasien, Bau der Theater, Einsetzung und Ordnung der Märkte, Erziehung der Jugend, Abgaben der Bürger, vielleicht auch Bau der Schiffe und ihrer Bemannung, Bestimmung ihrer Handelswege, Aufführung körperlicher Spiele und geistiger Schauspiele‚ Pflichten der Einwohner. Da viele von diesen Städten zu Stadtstaaten anwuchsen, kamen auch größere Fragen vor die Versammlung der Bürger: das Verhältnis zu anderen Gemeinwesen, der Austausch von Gütern, die Austragung von Streitigkeiten.
An all diesen Einrichtungen und Vorkommnissen war die gesamte Bürgerschaft interessiert. Sie wurde von ihrem Blühen und Verderben mitbetroffen, mußte sich also darum bekümmern.
Wer das besonders eifrig oder gar führend tat, der sammelte eine Menge Erfahrung, er wurde ein Weiser der Stadtverwaltung, ein "Politiker", ein Mann der Staatskunst. Und da viele, vielleicht alle ein lebendiges Interesse an der Entwicklung ihres Gemeinwesens bekundeten, waren auch viele, vielleicht alle geübt in den Fragen der Politik.
Aus den Städten und Stadtstaaten sind im Verlaufe der Jahrhunderte Länder, Staaten, Reiche geworden. Auch ihre Angelegenheiten müssen geordnet, geführt werden. Wollen sich die Staatsbürger nicht von einzelnen, von "Auserwählten" , "Gottbegnadeten", von Fürsten, Tyrannen, oder Demagogen führen und verführen und schließlich ins Unheil stürzen lassen,

dann müssen sie sich selbst um diese Angelegenheiten kümmern,

müssen "Politik" lernen und ausüben! Und zwar auf dem Boden der Demokratie, der Gleichberechtigung aller. Nur so kann das Gemeinwesen gedeihen und jedem das Seine geben.
Wer zu bequem, zu beschränkt, zu uninteressiert ist, um sich um Politik zu kümmern, der überläßt die Ordnung seiner Angelegenheiten anderen, die für ihn die Politik machen, da sie nun einmal gemacht werden muß. Er überläßt sie vielleicht einem Diktator, einem "Führer", der für ihn entscheidet, ohne ihn zu fragen, und der ihn auf den Mund schlägt, wenn er sich beschwert. So hat es das deutsche Volk in den Jahren von 1933 bis 1945 gehalten und hat das Ergebnis schmerzlich genug gespürt.

Wer seine Politik nicht selbst macht,
dem machen sie andere.

Erledigt werden müssen die Angelegenheiten jedes Gemeinwesens, ohne sie kann der einzelne in den modernen Staaten und Städten nicht mehr leben.

Wo aber das Volk seine Angelegenheiten selbst in die Hand nimmt, da entstehen Parteien.

"Konservative" Parteien, die das Alte erhalten, vielleicht Mittelalterliches wieder zurückholen wollen, "liberale" Parteien, die möglichst wenig Staatszwang, möglichst viel Feiheit für den einzelnen fordern, "fortsch1ittliche" Parteien, die ihr Ziel im Namen tragen, "demokratische" Parteien, die für die Gleichberechtigung aller Staatsbürger eintreten, "soziale" und "sozialistische" oder "kommunistische" Parteien, die den Einzelmenschen schützen und fördern wollen vor den wirtschaftlichen Vorrechten und der Ausbeutung durch andere. In manchen Ländern gibt es auch konfessionelle Parteien, die sich nach den Wünschen und Forderungen kirchlicher und religiöser Gemeinschaften orientieren.
Manche Parteien verbinden mehrere solcher Bestrebungen, es gibt heute "Liberal-demokratische" und "Sozialdemokratische" und "Christlich-Soziale" Parteien.
Im Wettbewerb dieser geistigen Strömungen auf dem Gebiete der Staatskunst bildet sich dann das Prinzip, nach welchem Städte, Länder und Staaten eingerichtet und geführt werden. Je mehr tüchtige und erfahrene und opferwillige Bürger sich in den Dienst der Parteien und der Staatskunst stellen, um so besser, um so gediegener, werden die Einrichtungen des Staates sein.
Eine Entartung dieser Entwicklung war das nationalsozialistische System, das nur eine Partei kannte und zuließ und alle anderen unterdrückte, ohne daß die Mehrheit des Volkes hinter ihr stand. Deshalb endigte sie in Korruption, Großmannssucht und Mißbrauch der Staatsgewalt bis zur Zerschlagung des Staates selbst.
Nur im geistigen Wettbewerb der politischen Ideen, in der gegenseitigen Kontrolle, unter Umständen auch in der zeitlichen Ablösung derselben liegt der Sinn des Parteiwesens, wenn es sich rein und frei entfaltet. In dieser Entfaltung, in diesem geistigen Kampf wird die Partei zur Schule der Staatskunst‚ und keiner hat sie schöner verteidigt als Georg Herwegh in seinem Gedicht

"Die Partei"

Partei! Partei! Wer sollte sie nicht nehmen,

Die noch die Mutter aller Siege war?
Wie mag ein Dichter solch ein Wort verfemen,
Ein Wort, das alles Herrliche gebar?
Nur offen wie ein Mann: Für oder Wider?
Und die Parole: Sklave oder frei?
Selbst Götter stiegen vom Olymp hernieder

Und kämpften auf der Zinne der Partei!

Deshalb tritt auch Du, Leser und Leserin, ein in die Politik, in die Partei, die Du frei wählen kannst, damit Du mithilfst am Bau eines gerechten Staats, eines leistungsfähigen Gemeinwésens, einer besseren Zukunft.

Wir rufen Dich!
Hilf uns!

Wirke an unserer Seite in der

S.P.D.

Sozialdemokratische Partei Deutschlands.

Herausgegeben vom Bezirksvorstand der SPD, Bezirk Schleswig-Holstein, Kiel, Bergstraße 11 — Mit Genehmigung der Militärregierung

Kieler Druckerei, Kiel, DF 81 - 3546 30 000 Aug. 46 KJ. C

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aktuell13:49, 1. Aug. 20160 × 0 (7,96 MB)Kaffeeringe (Diskussion | Beiträge)Flugblatt "Die scheußliche Politik" vom August 1946 Text: ''Nach (lem Lesen bitte weitergeben!'' == Die Scheußliche Politik == '''Die Politik''' hat zu allen Zeiten viel absprechende Urteile einstecken müssen. "Politik verdirbt den Charakter"…

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