Kinderrepublik Seekamp: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Seekamp.jpg|280px|thumb|right|Sitzung des Lagerparlaments in der Kinderrepublik Seekamp (bei Kiel) mit Kurt Löwenstein, August 1927]]
[[Datei:Schilksee_1927_Kinderrepublik Seekamp.jpg|200px|thumb|right|Kinderrepublik Seekamp 1927. Foto: Schilksee-Archiv Pieper-Wöhlk]]
Im Juli [[1927]] fand die erste Kinderrepublik der [[Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde]] auf dem Gut Seekamp statt - die sogenannte '''Kinderrepublik Seekamp'''.  
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Ziel war es „soziale Demokratie“ und „genossenschaftliche Solidarität“, Freundschaft, Disziplin, Ordnung, Sauberkeit, Körperertüchtigung, Toleranz, Verantwortlichkeit für die Gemeinschaft und Friedenswillen zu lernen. Kurt Löwenstein sagte:
Ziel war es „soziale Demokratie“ und „genossenschaftliche Solidarität“, Freundschaft, Disziplin, Ordnung, Sauberkeit, Körperertüchtigung, Toleranz, Verantwortlichkeit für die Gemeinschaft und Friedenswillen zu lernen. Kurt Löwenstein sagte:
:''"Die große Erziehungsaufgabe unserer Zeit liegt darin, die proletarischen Massen für die soziale Demokratie zu aktivieren..."''<ref>Schulte, Rolf: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay32.pdf Von Kindern und "Kinderrepubliken" Zur 1933 von den Nationalsozialisten verbotenen "Kinderfreundebewegung" in Schleswig-Holstein]'' in: "Demokratische Geschichte" Band: 3, 1988</ref>
:''"Die große Erziehungsaufgabe unserer Zeit liegt darin, die proletarischen Massen für die soziale Demokratie zu aktivieren..."''<ref>Schulte, Rolf: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay32.pdf Von Kindern und "Kinderrepubliken" Zur 1933 von den Nationalsozialisten verbotenen "Kinderfreundebewegung" in Schleswig-Holstein]'' in: "Demokratische Geschichte" Band: 3, 1988</ref>
 
[[Datei:Seekamp.jpg|280px|thumb|right|Sitzung des Lagerparlaments in der Kinderrepublik Seekamp (bei Kiel) mit Kurt Löwenstein, August 1927]]
Die Konzeption zu den Kinderrepubliken stammt von [[Andreas Gayk]], die Idee von Hermann Neddermeyer, der in Braunschweig bereits 1926 ein erstes durch die Kinder selbst verwaltetes Zeltlager durchführte.<ref>Gayk, Neuauflage S. VI (unnummeriert)</ref> Es gab einige weitere, kleinere Kinderrepubliken, etwa 1928 die Kinderrepublik Estetal, an der der fünfzehnjährige Herbert Frahm (später [[Willy Brandt]]) teilnahm.<ref>Kalweit, S. 141 f.</ref>
Die Konzeption zu den Kinderrepubliken stammt von [[Andreas Gayk]], die Idee von Hermann Neddermeyer, der in Braunschweig bereits 1926 ein erstes durch die Kinder selbst verwaltetes Zeltlager durchführte.<ref>Gayk, Neuauflage S. VI (unnummeriert)</ref> Es gab einige weitere, kleinere Kinderrepubliken, etwa 1928 die Kinderrepublik Estetal, an der der fünfzehnjährige Herbert Frahm (später [[Willy Brandt]]) teilnahm.<ref>Kalweit, S. 141 f.</ref>



Version vom 16. Mai 2015, 12:28 Uhr

Kinderrepublik Seekamp 1927. Foto: Schilksee-Archiv Pieper-Wöhlk

Im Juli 1927 fand die erste Kinderrepublik der Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde auf dem Gut Seekamp statt - die sogenannte Kinderrepublik Seekamp.

2.300 Arbeiterkinder aus vielen Teilen des Reiches, aus Dänemark, aus Österreich und aus der Tschechoslowakei nahmen an der vierwöchigen Veranstaltung teil. In dieser Zeit sollten sie nur unter Beratung von Erwachsenen ihr Zusammenleben selbstverantwortlich gestalten.

Ziel war es „soziale Demokratie“ und „genossenschaftliche Solidarität“, Freundschaft, Disziplin, Ordnung, Sauberkeit, Körperertüchtigung, Toleranz, Verantwortlichkeit für die Gemeinschaft und Friedenswillen zu lernen. Kurt Löwenstein sagte:

"Die große Erziehungsaufgabe unserer Zeit liegt darin, die proletarischen Massen für die soziale Demokratie zu aktivieren..."[1]
Sitzung des Lagerparlaments in der Kinderrepublik Seekamp (bei Kiel) mit Kurt Löwenstein, August 1927

Die Konzeption zu den Kinderrepubliken stammt von Andreas Gayk, die Idee von Hermann Neddermeyer, der in Braunschweig bereits 1926 ein erstes durch die Kinder selbst verwaltetes Zeltlager durchführte.[2] Es gab einige weitere, kleinere Kinderrepubliken, etwa 1928 die Kinderrepublik Estetal, an der der fünfzehnjährige Herbert Frahm (später Willy Brandt) teilnahm.[3]

Von Niels Brodersen und Richard Grune stammen die Comic-Geschichten und große Teile der von Andreas Gayk herausgegebenen Dokumentation dieses sozialpolitischen Experiments.

Organisation

Die Republik bestand aus mehreren Dörfern. Jedes Dorf bestand aus 15 Zelten in denen jeweils 16 Kindern mit einem Erwachsenen wohnten.

Organisiert war die Republik in einem parlamentarisches System:

  • Jedes Zelt bestimmt einen Obmann.
  • Die Obmänner bilden mit drei Helfern und einem gewählten Bürgermeister das Dorfparlament.
  • Jedes Dorf entsendet die Bürgermeister und weitere vier gewählte Abgeordnete in das Lagerparlament.
  • Das Lagerparlament hat einem Lagerpräsidenten und einem Lagerobmann.
  • Das Lagerparlament wählt „Minister“ für Ordnung, Ernährung, Transport, Veranstaltung, Post und Material.
  • Einmal in der Woche müssen die Obleute und Vertreter von ihrer "Dorfbevölkerung" neu gewählt werden.

(Die rein männliche Sprache entsprach der damaligen Zeit; Mädchen konnten jedoch auf jeden Posten ebenso wie Jungen gewählt werden.)

Reformpädagogik

Da die SPD ein neues Schulsystem schon zu Beginn der Weimarer Republik gegen die konservativen Kräfte nicht durchsetzen konnte, sahen die "Kinderfreunde" die Kinderrepublik als Möglichkeit zur Verbreitung ihrer Ziele. Die Kinderrepublik, als Konzept der Reformpädagogik, umfasst verschiedene Ansätze von gemeinschaftlichem Leben von Kindern und Erwachsenen. Kinder üben dabei Demokratie, die Funktionsweise von Staaten und gesellschaftliches Zusammenleben praktisch ein. Der Aufbau von Kinderrepubliken sollte außerhalb der Schule Kindern eine Entwicklungsmöglichkeit im demokratisch-sozialistischen Sinne geben und nationalistischen oder kirchlichen Einflüssen entgegenwirken.

Literatur

  • Gayk, Andreas: Die rote Kinderrepublik Seekamp. Dokumentation des ersten sozialistischen Kinderlagers 1927. Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde (Hrsg.), Berlin: Arbeiterjugend-Verlag 1928 / Kiel: Haase 1929 2. Auflg. / Stuttgart: Falkenbuchverlag 1976.
  • Kamp, Johannes-Martin: Kinderrepubliken. Geschichte, Praxis und Theorie radikaler Selbstregierung in Kinder- und Jugendheimen. Opladen: Leske+Budrich 1995 (zugleich Universität Essen: phil. diss. 1994) ISBN 3-8100-1357-9 PDF Download
  • Kalweit, Susanne (Hrsg.): Ich hab mich niemals arm gefühlt. Die Kielerin Rosa Wallbaum berichtet aus ihrem Leben. Berlin/Hamburg 2010, ISBN 978-3-86850-644-0 (darin ein Kapitel mit Erinnerungen an die Kinderrepublik Seekamp, an der sie als Zwölfjährige teilnahm)
  • Schulte, Rolf: Von Kindern und "Kinderrepubliken" Zur 1933 von den Nationalsozialisten verbotenen "Kinderfreundebewegung" in Schleswig-Holstein in: "Demokratische Geschichte" Band: 3, 1988 PDF Download
  • Esser, Herma: Erinnerungen an die Kinderrepublik Seekamp, in: Hamer, Kurt/ Schunck, Karl-Werner/ Schwarz, Rolf (Hrsg.): Vergessen und verdrängt. Arbeiterbewegung und Nationalsozialismus in den Kreisen Rendsburg und Eckernförde.

Quellen

  1. Schulte, Rolf: Von Kindern und "Kinderrepubliken" Zur 1933 von den Nationalsozialisten verbotenen "Kinderfreundebewegung" in Schleswig-Holstein in: "Demokratische Geschichte" Band: 3, 1988
  2. Gayk, Neuauflage S. VI (unnummeriert)
  3. Kalweit, S. 141 f.

Weblinks