Heinz Salomon: Unterschied zwischen den Versionen

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Markierung: 2017-Quelltext-Bearbeitung
KKeine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 32: Zeile 32:
Heinz Salomon war der Sohn eines Rentiers, d.h. die Familie verfügte über ein Vermögen, von dessen Erträgen sie leben konnte. Er schloss die Oberrealschule ab und schrieb sich am [[5. Mai]] [[1919]] zum Studium der Zahnmedizin an der Universität Rostock ein<ref>Matrikelportal Rostock: [http://purl.uni-rostock.de/matrikel/200014473 Matrikelbuch 1912-1919, SS 1919, Nr. 319]</ref>, exmatrikulierte sich aber schon am [[28. November]] [[1919]] "unter Vorbehalt" und schlug eine kaufmännische Laufbahn ein.  
Heinz Salomon war der Sohn eines Rentiers, d.h. die Familie verfügte über ein Vermögen, von dessen Erträgen sie leben konnte. Er schloss die Oberrealschule ab und schrieb sich am [[5. Mai]] [[1919]] zum Studium der Zahnmedizin an der Universität Rostock ein<ref>Matrikelportal Rostock: [http://purl.uni-rostock.de/matrikel/200014473 Matrikelbuch 1912-1919, SS 1919, Nr. 319]</ref>, exmatrikulierte sich aber schon am [[28. November]] [[1919]] "unter Vorbehalt" und schlug eine kaufmännische Laufbahn ein.  


[[1927]] zogen er und seine Ehefrau nach Kiel, wo er auch in die jüdische Gemeinde eintrat. Der Grund für den Umzug ist bisher nicht ermittelt. Salomons lebten - wie es im Nazijargon hieß - in einer "Mischehe", da die Ehefrau keine Jüdin war. Dadurch behielt er zunächst einen begrenzten Schutz vor der Deportation, aber nicht vor anderen judenfeindlichen Maßnahmen der Nazis.<ref name=":0">Danker/Lehmann-Himmel, S. 227</ref> Zum erstenmal wurde er in der Nacht des [[9. November]] [[1938]] verhaftet, der "Reichspogromnacht", als auch die Kieler Synagoge zerstört wurde. Man brachte ihn ins KZ Sachsenhausen, entließ ihn aber nach einigen Monaten, als seine Frau für ihn einen Weg zur Auswanderung fand. Nach der Entlassung musste er Zwangsarbeit leisten.<ref name=":0" /> Die Auswanderung zerschlug sich, und [[1940]] wurde das Ehepaar in das Haus Feuergang 2 am Kuhberg in Kiels Gängeviertel eingewiesen, auch bekannt als "Kieler Getto".<ref name=":1">Jochims, S. 53</ref> Irgendwann in der Zeit der Verfolgung arbeitete Heinz Salomon in Berlin bei der Umschichtungsstelle der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland.<ref name=":2">Jochims, S. 54</ref> Am [[14. Februar]] [[1945]] wurde er mit dem letzten Transport von Juden aus Schleswig-Holstein<ref>Paul, Gerhard: ''"Betr.: Evakuierung von Juden". Die Gestapo als regionale Zentralinstitution der Judenverfolgung.'' In: Paul, Gerhard / Gillis-Carlebach, Miriam (Hrsg.): ''Menora und Hakenkreuz. Zur Geschichte der Juden in und aus Schleswig-Holstein, Lübeck und Altona (1918–1998)'' (Wachholtz, Neumünster 1998) ISBN 3-529-06149-2, S. 517</ref> ins KZ Theresienstadt "evakuiert"<ref>So der offizielle Vermerk der NS-Behörden in Heinz Salomons Kennkarte, wo auch der zwangsweise ergänzte Vorname "Israel" erkennbar ist. Vgl. Abbildung in Jochims, S. 52</ref> - das Lager, in dem seine Mutter den Hungertod starb.<ref name=":3">Jochims, S. 55</ref>
[[1927]] zogen er und seine Ehefrau nach Kiel, wo er auch in die jüdische Gemeinde eintrat. Der Grund für den Umzug ist bisher nicht ermittelt. Salomons lebten - wie es im Nazijargon hieß - in einer "Mischehe", da die Ehefrau keine Jüdin war. Dadurch behielt er zunächst einen begrenzten Schutz vor der Deportation, aber nicht vor anderen judenfeindlichen Maßnahmen der Nazis.<ref name=":0">Danker/Lehmann-Himmel, S. 227</ref>  
 
Zum ersten mal wurde er in der Nacht des [[9. November]] [[1938]] verhaftet, der "Reichspogromnacht", als auch die Kieler Synagoge zerstört wurde. Man brachte ihn ins KZ Sachsenhausen, entließ ihn aber nach einigen Monaten, als seine Frau für ihn einen Weg zur Auswanderung fand.  
 
Nach der Entlassung musste er Zwangsarbeit leisten.<ref name=":0" /> Die Auswanderung zerschlug sich, und [[1940]] wurde das Ehepaar in das Haus Feuergang 2 am Kuhberg in Kiels Gängeviertel eingewiesen, auch bekannt als "Kieler Getto".<ref name=":1">Jochims, S. 53</ref> Irgendwann in der Zeit der Verfolgung arbeitete Heinz Salomon in Berlin bei der Umschichtungsstelle der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland.<ref name=":2">Jochims, S. 54</ref>  
 
Am [[14. Februar]] [[1945]] wurde er mit dem letzten Transport von Juden aus Schleswig-Holstein<ref>Paul, Gerhard: ''"Betr.: Evakuierung von Juden". Die Gestapo als regionale Zentralinstitution der Judenverfolgung.'' In: Paul, Gerhard / Gillis-Carlebach, Miriam (Hrsg.): ''Menora und Hakenkreuz. Zur Geschichte der Juden in und aus Schleswig-Holstein, Lübeck und Altona (1918–1998)'' (Wachholtz, Neumünster 1998) ISBN 3-529-06149-2, S. 517</ref> ins KZ Theresienstadt "evakuiert"<ref>So der offizielle Vermerk der NS-Behörden in Heinz Salomons Kennkarte, wo auch der zwangsweise ergänzte Vorname "Israel" erkennbar ist. Vgl. Abbildung in Jochims, S. 52</ref> - das Lager, in dem seine Mutter den Hungertod starb.<ref name=":3">Jochims, S. 55</ref>


Schwerkrank überlebte er Theresienstadt und war ab [[20. Juni]] [[1945]] wieder in Kiel gemeldet. Offenbar erhielt er auch sofort eine eigene Wohnung.<ref>Meldeschein mit der Adresse "Kronshagener Weg 88" abgebildet bei Jochims, S. 54</ref>  
Schwerkrank überlebte er Theresienstadt und war ab [[20. Juni]] [[1945]] wieder in Kiel gemeldet. Offenbar erhielt er auch sofort eine eigene Wohnung.<ref>Meldeschein mit der Adresse "Kronshagener Weg 88" abgebildet bei Jochims, S. 54</ref>  

Version vom 6. Dezember 2022, 12:31 Uhr

Heinz Salomon
Heinz Salomon
Heinz Salomon
Geboren: 18. Mai 1900
Gestorben: 18. Oktober 1969

Heinrich 'Heinz' Salomon, * 18. Mai 1900 in Ribnitz/Mecklenburg; † 18. Oktober 1969 in Kiel; selbstständiger Handelsvertreter. Mitglied der SPD.

Werdegang

Heinz Salomon war der Sohn eines Rentiers, d.h. die Familie verfügte über ein Vermögen, von dessen Erträgen sie leben konnte. Er schloss die Oberrealschule ab und schrieb sich am 5. Mai 1919 zum Studium der Zahnmedizin an der Universität Rostock ein[1], exmatrikulierte sich aber schon am 28. November 1919 "unter Vorbehalt" und schlug eine kaufmännische Laufbahn ein.

1927 zogen er und seine Ehefrau nach Kiel, wo er auch in die jüdische Gemeinde eintrat. Der Grund für den Umzug ist bisher nicht ermittelt. Salomons lebten - wie es im Nazijargon hieß - in einer "Mischehe", da die Ehefrau keine Jüdin war. Dadurch behielt er zunächst einen begrenzten Schutz vor der Deportation, aber nicht vor anderen judenfeindlichen Maßnahmen der Nazis.[2]

Zum ersten mal wurde er in der Nacht des 9. November 1938 verhaftet, der "Reichspogromnacht", als auch die Kieler Synagoge zerstört wurde. Man brachte ihn ins KZ Sachsenhausen, entließ ihn aber nach einigen Monaten, als seine Frau für ihn einen Weg zur Auswanderung fand.

Nach der Entlassung musste er Zwangsarbeit leisten.[2] Die Auswanderung zerschlug sich, und 1940 wurde das Ehepaar in das Haus Feuergang 2 am Kuhberg in Kiels Gängeviertel eingewiesen, auch bekannt als "Kieler Getto".[3] Irgendwann in der Zeit der Verfolgung arbeitete Heinz Salomon in Berlin bei der Umschichtungsstelle der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland.[4]

Am 14. Februar 1945 wurde er mit dem letzten Transport von Juden aus Schleswig-Holstein[5] ins KZ Theresienstadt "evakuiert"[6] - das Lager, in dem seine Mutter den Hungertod starb.[7]

Schwerkrank überlebte er Theresienstadt und war ab 20. Juni 1945 wieder in Kiel gemeldet. Offenbar erhielt er auch sofort eine eigene Wohnung.[8]

"Ein Polizist, den er in der zerstörten Stadt antraf, begrüßte ihn mit den Worten: 'Sie sind der erste Jude, der nach Kiel zurückgekehrt ist.'"[3]

Einsatz für jüdische Opfer

Sofort begann er, sich um andere jüdische Überlebende zu kümmern. Seine kleine Wohnung am Kronshagener Weg 88 (wohl 1946 zog er in die Muhliusstraße 101[9]) diente auch als Büro des jüdischen Komitees in Kiel.

Die Militärregierung ernannte ihn zum Leiter der Jüdischen Wohlfahrtspflege Schleswig-Holstein. Seine Hauptaufgabe bestand in der Versorgung der zahlreichen kranken, ausgehungerten und völlig mittellosen Überlebenden aus KZs und Vernichtungslagern, die in der Endphase des Krieges in Todesmärschen nach Schleswig-Holstein getrieben worden waren und jetzt vorwiegend in Lübeck und in einem Lager in Neustadt/Holstein untergebracht waren.[3]

Ab 22. Juli 1947 gehörte er - nach dem Zwischenspiel seines Landtagsmandats - als gewähltes Mitglied dem Zentralkomitee der befreiten Juden in der britischen Zone an, einer Organisation, die Zeit ihres Bestehens ohne Anerkennung der britischen Militärregierung arbeitete.[10] Er führte seine Arbeit vor Ort und überregional fort, half zunächst zahlreichen Ausreisewilligen bei der Einwanderung in andere Länder, unterstützte ab Anfang der 1950er Jahre die meist Alten und Kranken, die in Schleswig-Holstein blieben[3], und setzte sich für Vermögensrückgaben und Entschädigungszahlungen an jüdische Opfer der Nazis ein. 1950 gehörte er zu denen, die bewirkten, dass jüdische Vermögen in der britischen Zone, auf die weder Eigentümer noch Erben Anspruch erhoben, an die Jewish Trust Corporation übertragen wurden.[11].

Der ergänzende Satz von 1997 im Landtagsinformationssystem: "Übernahm in Kiel als Student wahrscheinlich 1950 von einem Rechtsanwalt Hanno Hebberling eine Bruderschaftsleitung." könnte darauf hinweisen, dass er in dieser Zeit auch noch einmal studierte. Wenn ja, hing dies möglicherweise mit seinen fortgesetzten Einsatz für die Interessen seiner GlaubensgenossInnen zusammen.

Weiteres

Grabstein von Heinz Salomon auf dem Jüdischen Friedhof Kiel

Neben seiner sonstigen Arbeit war Heinz Salomon an der Schaffung der Landes-Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände beteiligt und gründete den Dachverband "Interessengemeinschaft der Organisationen ehemals Verfolgter des Naziregimes in Schleswig-Holstein".[4] In Kiel arbeitete er in der "Geschäftsstelle zur Vorbereitung politischer Wiedergutmachung" der Stadtverwaltung mit und beriet zahlreiche dort Hilfe suchende Menschen in Entschädigungsfragen.[4]

Er war Vorstandsmitglied des Verbandes der jüdischen Gemeinden Nordwestdeutschlands und setzte sich für dessen Erhalt ein, als 1956 die Auflösung erwogen wurde.[12] Seit seiner Gründung 1950 gehörte er auch dem Zentralrat der Juden in Deutschland an.[7]

Er starb 1969 in Kiel und ist auf dem Jüdischen Friedhof an der Michelsenstraße beigesetzt.

Partei & Politik

Heinz Salomon war Mitglied der SPD - ob schon vor 1933, ist nicht ermittelt. Auch über Aktivitäten auf Orts- oder Kreisvereinsebene ist bisher nichts bekannt.

Landtag

Als einziger Abgeordneter jüdischen Glaubens[13] wurde Heinz Salomon in den ersten von der britischen Militärregierung ernannten Landtag berufen, der ab 26. Februar 1946 tagte. Er war Mitglied der SPD-Fraktion. Ab April vertrat er sie auch im Volksbildungsausschuss. In vergangenheitspolitischen Debatten meldete er sich - wie andere in gleicher Situation - so gut wie nicht zu Wort.[14] Dazu, weshalb er weder dem zweiten ernannten Landtag noch späteren, gewählten Landtagen angehörte, ist nichts ermittelt.

Die Studie von Danker/Lehmann-Himmel ordnet seine Grundorientierung unter den fünf möglichen Kategorien als "oppositionell/'gemeinschaftsfremd'"[15] und ihn darin als "(nicht politisch) Verfolgten" ein[16]

Ehrungen

Heinz Salomon wurde 1960 vom Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen.[17]

Literatur

Links

Einzelnachweise

  1. Matrikelportal Rostock: Matrikelbuch 1912-1919, SS 1919, Nr. 319
  2. 2,0 2,1 Danker/Lehmann-Himmel, S. 227
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 Jochims, S. 53
  4. 4,0 4,1 4,2 Jochims, S. 54
  5. Paul, Gerhard: "Betr.: Evakuierung von Juden". Die Gestapo als regionale Zentralinstitution der Judenverfolgung. In: Paul, Gerhard / Gillis-Carlebach, Miriam (Hrsg.): Menora und Hakenkreuz. Zur Geschichte der Juden in und aus Schleswig-Holstein, Lübeck und Altona (1918–1998) (Wachholtz, Neumünster 1998) ISBN 3-529-06149-2, S. 517
  6. So der offizielle Vermerk der NS-Behörden in Heinz Salomons Kennkarte, wo auch der zwangsweise ergänzte Vorname "Israel" erkennbar ist. Vgl. Abbildung in Jochims, S. 52
  7. 7,0 7,1 Jochims, S. 55
  8. Meldeschein mit der Adresse "Kronshagener Weg 88" abgebildet bei Jochims, S. 54
  9. So die "letzte bekannte Adresse" im Landtagsinformationssystem, das die Angaben in der Regel nur bis Ende des Mandats aufführt.
  10. Quast, S. 172 u. Anm. 12
  11. Vgl. Quast, S. 356
  12. Vgl. Quast, S. 205, 356
  13. Albers, Vivien: 1946: Ein Parlament für Schleswig-Holstein – die Briten geben den Ton an, Der Landtag 1/2016
  14. Danker/Lehmann-Himmel, S. 229
  15. Vgl. Danker/Lehmann-Himmel, S. 173. Die fünf Kategorien lauten "exponiert nationalsozialistisch", "systemtragend/karrieristisch", "ns-sozialisiert", "angepasst/ambivalent" und "oppositionell/'gemeinschaftsfremd'".
  16. Danker/Lehmann-Himmel, S. 279. Grundlage ihrer Einordnung sind die Arbeit von Sigrun Jochims-Bozic (vgl. "Literatur") sowie eine Akte im Landesarchiv Schleswig-Holstein (LASH) Abt. 460, Nr. 3651.
  17. Kieler Nachrichten, 21.10.1969