Fritz Solmitz

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Fritz Solmitz
Fritz Solmitz
Fritz Solmitz
Geboren: 22. Oktober 1893
Gestorben: 19. September 1933

Dr. Fritz Alexander Solmitz, * 22. Oktober 1893 in Berlin, † 19. September 1933 im KZ Fuhlsbüttel, Hamburg; Jurist, Nationalökonom, Journalist. Mitglied der SPD ab 1919.

Werdegang

Fritz Solmitz stammte aus einer wohlhabenden Berliner Bankiersfamilie jüdischen Glaubens.[1] Nach dem Abitur und einjähriger Tätigkeit in der Landwirtschaft nahm er 1913 in Freiburg ein Studium der Nationalökonomie sowie der Rechts- und Staatswissenschaften auf. Hier begann seine Freundschaft mit dem Mitstudenten Julius Leber. Ab 1915 kämpfte er im 1. Weltkrieg. Sein Studium setzte er ab 1919 in Berlin fort, trat in die SPD ein und aus der jüdischen Gemeinde aus - blieb aber, so erinnerte sich Willy Brandt, ein gläubiger Mensch[2]. Er war kurzzeitig als Richter tätig, wurde 1921 promoviert und arbeitete danach drei Jahre als Dezernent für öffentliche Wohlfahrtspflege in der Berliner Stadtverwaltung.

1924 zog er auf die Bitte von Julius Leber hin[2] nach Lübeck und wechselte in den Journalismus: Er wurde politischer Redakteur des Lübecker Volksboten. Unter anderem traf er hier Herbert Frahm, der als Schüler seine ersten Beiträge für die Zeitung schrieb und unter der Anleitung von Fritz Solmitz lernte, Fremdbeiträge zu redigieren.[2]

"Solmitz war ohne Frage sprachgewaltig, befähigt mit jeweils für angemessen erachteten Stilformen zu agieren und zu argumentieren: Er neigte neben der engagierten, reduzierten, aber klaren Erläuterung komplexer Sachverhalte zur Ironie, zur Satire, zum Pathos und auch zur Polemik."

So beschreibt Uwe Danker den Journalisten.[3]

Fritz Solmitz war verheiratet, vermutlich schon in Berlin. Er und seine Frau Karoline hatten vier Kinder. Nach seinem Tod konnte die Familie 1938 mit Hilfe der Quäker in die USA emigrieren.[2]

Er ist im Familiengrab auf dem jüdischen Friedhof Schönhauser Allee in Berlin begraben.[4]

Partei & Politik

1926 wurde Fritz Solmitz in die Lübecker Bürgerschaft gewählt, der er bis November 1932 angehörte. Er engagierte sich auch bei den Jungsozialisten, vorwiegend in der Organisation der Bildungsarbeit, sowie im Vorstand des Lübecker Arbeiter-Kulturkartells. Seine politische Arbeit war ihm immer Mittel zu Zweck:

„Politik ist für mich nie etwas anderes gewesen als der Weg der Verwirklichung der Gerechtigkeit.“[2]

Sein Leitbild war August Bebels "Vaterland der Liebe und Gerechtigkeit". So schrieb er 1925 anlässlich einer Reichsbannertagung:

„Wir aber wollen ein Vaterland schaffen, das jedem von uns Heimat und ein wirkliches Heim ist. Wir wollen ein Deutschland, das wir lieben können, frei und ohne Scham, nicht nur als Heimat, nicht nur als Volk, sondern auch als das, was beides vereint, als Staat, als Reich. Lieben können wir nur einen Staat, der seine Größe nicht auf Blut und Eisen, auf Reichtum und schimmernde Wehr stützt. Lieben können wir nur einen Staat, der auf Arbeit und Gerechtigkeit gegründet ist, einen Staat den wir frei schaffende Männer und Frauen gestalten können, nach dem Bild, das wir in uns tragen.“[2]

Zeitgenossen erschien Fritz Solmitz - nicht zuletzt im Vergleich mit Julius Leber als persönlich

"weich und empfindsam. Das Menschliche stand bei ihm, der mehr aus ethischen, als aus politischen Erwägungen den Weg zur Arbeiterschaft gefunden hatte, im Vordergrund. Dennoch war er radikal im Parteisinne."[5]

NS-Herrschaft

Er und Julius Leber stellten sich in ihren Artikeln den Nationalsozialisten entgegen.[6] Die Gefahr war ihnen bewusst; schon 1932 dachte das Ehepaar Solmitz darüber nach, Deutschland zu verlassen, entschied sich aber aus Verantwortung gegenüber den vielen Genossinnen und Genossen, die diese Möglichkeit nicht hatten, dagegen.[2]

Als Julius Leber auf der letzten Lübecker Großdemonstration gegen die Nazis am 19. Februar 1933 wegen seiner Kopfverletzung selbst nicht mehr reden konnte, hielt Fritz Solmitz die Ansprache für ihn.[7]

Am 11. März 1933 wurde er verhaftet und gedemütigt. Man hängte ihm ein Schild mit der Aufschrift „Jude“ um den Hals und karrte ihn durch die Stadt.

Zunächst im Gefängnis Lübeck-Lauerhof inhaftiert, wurde er im Mai 1933 ins KZ Fuhlsbüttel verlegt. Seine Frau erwirkte bei der Lübecker Polizei seine Entlassung; doch diese Zusage wurde ihm vorenthalten, die Lagerleitung in Hamburg-Fuhlsbüttel ließ ihn nicht gehen, weil er "sich widerspenstig verhalten" habe.[8] Er wurde in Einzelhaft schwer misshandelt. Nachdem ihm SS-Wachleute weitere Prügel angedroht hatten, fand man ihn am 19. September 1933, drei Tage nach dem angekündigten Entlassungstermin, erhängt in seiner Zelle auf. Die nationalsozialistischen Behörden gingen offiziell von Selbstmord aus. Ob er zum Suizid getrieben oder aber von seinen Bewachern ermordet worden war, ist ungeklärt.

Während seiner letzten Tage in der Einzelhaft im KZ Fuhlsbüttel schrieb Fritz Solmitz winzige Briefe auf Zigarettenpapier, in denen er die ihm zugefügten Misshandlungen schilderte. Die Notizen verbarg er in seiner Taschenuhr, die seiner Ehefrau ausgehändigt wurde. Sein Rechtsanwalt Herbert Ruscheweyh schilderte die Auffindung 1962 in einer Zeugenaussage: "[...] wir haben gemeinschaftlich die Hinterlassenschaft des Dr. Solmitz, die an Frau Solmitz oder an mich ausgehändigt worden war, durchgesehen. Frau Solmitz war der Überzeugung, daß ihr Ehemann ihr noch eine Nachricht hinterlassen hätte, und wir haben deshalb sämtliche Sachen nach irgendwelchen Schriftstücken durchsucht. Die Deckel der Uhr wurden entweder von mir oder von Frau Solmitz geöffnet; ich glaube, es war Frau Solmitz. Nach Öffnen des ersten Deckels wurde nichts gefunden, wie ich meine. Nach Öffnen des zweiten Deckels fanden sich handgeschriebene Zettel, von denen Frau Solmitz sofort erklärte: 'Das ist die Nachricht, die ich suche.' Es handelte sich um eng beschriebene Zettel auf dünnem Papier, deren genaue Anzahl ich heute nicht mehr erinnere, aber es waren mehrere, keinesfalls nur drei."[8]

Diese Nachrichten brachte die sozialdemokratische Widerstandsgruppe um Walter Schmedemann ins Ausland; sie gehören zu den frühesten Dokumenten, die die Zustände in deutschen Konzentrationslagern authentisch darstellen:

"Am 13. Sept. 33 mitt. 2 Uhr erschien an der Schwelle meines Saales Senator Schröder in Begleit. von Präs. Laabs. Nach der letzten Nachricht von Karoline mußte ich annehmen, daß der Besuch meine Freilassung bedeute. Senator Schr. begnügte sich aber damit, mich im Zuchthauskittel spöttisch zu fixieren u. verschwand nach e. ironischen Bemerkg. 5 Min. später kehrte mein Stationswachtm. Robert Etzert (Nachname nicht ganz sicher), Scharführer im Marinesturm, von Beruf Gastwirt, früher Seemann, in den Saal zurück. Er rief: 'Solmitz, Sachen packen!' — Lange Pause, alles Blut strömt mir zum Herzen, das ist die Minute, auf die ich seit 6 Mon. warte. 'Gruppe 3, Einzelhaft' Gr. 3 ist die furchtbare Behandlung die angebl. Widerspenstigen, in Wahrheit alle kommunistischen Führer zu erdulden haben, aber auch Meitmann. Strengste Einzelhaft, kein Licht, keine Zukost, kein Sprechen, keine Freistunde, kein Licht am Abend. Solange hell, Werg zupfen. Es ist lOOOmal schlimmer als Zuchthaus. An die Luft kommt man gar nicht. E., der mich vom 1. Tag an mit antisemitischen Schimpfworten verfolgt hatte, trieb mich mit brutalem Schimpfen in die Einzelzelle, ich hatte kaum Zeit, m. Sachen notdürftig zu packen. Ich wurde in den Keller getrieben, dort in eine Bucht, die wohl früher als Kartoffelkeller gebraucht wurde. Außer E. u. dem etwa 25jährg. Sturmführer waren noch ... Mann dabei ... Kommando: 'Bück dich!' Ich blieb aufrecht stehen, erhielt sofort furchtbare Schläge mit Hundepeitsche u. Ochsenziemer ins Genick. Ich taumelte, fiel. Kurze Pause: 'Das Schwein markiert nur. Hoch. Aufstehen. Bück dich.' 3mal wurde ich so niedergeschlagen. Nach dem 3. Mal hatte ich noch die Kraft zu schreien: 'Ich bück mich nicht.' Ich glaube aber, zu allerletzt in halb bewußlosem Zustand hab ichs doch getan. Wie lange die Tortour dauerte, weiß ich nicht. Im Liegen wurde weiter auf mich eingeschlagen bis die Kopfhaut sprang und das Blut spritzte. Die ersehnte Ohnmacht war noch immer nicht da. Mit Flüchen und Stößen wurde ich hochgetrieben, mußte schwer blutend im Trab in meine Zelle rennen. Dort durfte ich mich waschen. Ein Heilgehilfe kam, mich zu verbinden. Ihm sagten meine Peiniger, die Fensterklappe sei mir auf den Kopf gefallen. 'Der Jude hat eine weiche Birne' (Auch dem Arzt, der am nächsten Tag kam, mußte ich — von meinen Hauptschlägern bedroht — dasselbe vorlügen.) Dann mußte ich meine völlig blutdurchtränkten Sachen u. m. blutbespritzte Zelle reinigen. Eine Stunde später brachte E. mir schwarzes Brot u. Tee. Als ich durstend nach dem Tee griff rief er:„Halt, sofort alles zurück. Du Jude kriegst 3 Tage nicht zu fressen. Befehl vom Kommandanten." Ab u. zu bekomme ich seitdem e. St. Schwarzbrot od. e. Kanne Kaffee. Aber ich esse auch das kaum. Hunger tut mir nicht mehr weh. Abends nahm ich 1 Tabl. Veramon, die vorletzte ('Friß doch all das Zeug, daß du verreckst' hatte E. b. d. Durchsuchung gesagt — leider waren es nur noch 2 Tabletten)...

Das Schreiben ist ungeheuer gefährlich. Jeden Augenblick sieht jemand durch das Guckfenster in der Tür. Wehe, wenn sie's finden. Ich arbeite schon mehr als 1 Tag daran zwischen dem Tauzupfen. Am 14ten wurden 2 andere gepeitscht. Ich weiß die Namen nicht, höre nur die schweren Schläge u. d. Schreien. Ich vermute, daß Meitmann dabei war. Am 15ten wagte ich endl. zu fragen, aus welchem Grund ich mit Gr. III und Hungern bestraft sei, ob auf Grd. m. polit. Vggnht oder hiesg. Führung. E. erwiderte an der Führg. hier sei nicht auszusetzen gewesen, aber man wisse eben erst jetzt, was für ein Schwein ich früher gewesen sei. Als ich darauf mit Bezug auf den schriftl. Bescheid des Senats bat, ob ich nicht den Kommandanten des Lagers sprechen könne, lachte E. dröhnend:'Der dich unten verarscht hat, das war der Kommandant. Der Regierungsrat Ellerhusen? war nur die ersten Tage hier, um alles einzurichten.' Im übrigen kenne er meinen Fall. Aus der Sache würde nichts. Später kam der Sturmführer (ca. 25 J, mittelgroß, weißblond, keine Augenbrauen) noch 2mal, um mich maßlos zu beschimpfen, zu bedauern, daß ich nicht gleich 'verreckt' sei u. mir zu erklären, ich käme 'nie' hier raus. Ich weiß, daß auch dieses 'nie' nicht das letzte Wort ist. Aber ebenso weiß ich, daß ich bis auf Weiteres meinen Folterern wehr- u. rettungslos ausgeliefert bin. Es bleibt mir nur die Wahl bei jedem Schlüsselrasseln vor der Tür ... zu zittern oder zum Strick zu greifen. Ich habe all diese Tage keine Träne vergossen, keine Klage u. keine Bitte ist über meine Lippen gekommen, auch habe ich, so glaube ich, im Keller keinen einzigen Schrei von mir gegeben. Aber ich glaube, das weiter zu ertragen, wäre noch unmännlicher als das Klagen. War denn das Wort: 'Lieber tot als Sklave' nur eine Phrase? Nun wirst Du mich verstehen, geliebte Frau...
18.IX.33
Ks. Geburtstag! Ich lebe noch. Mut oder Feigheit? Vor allem Grauen vor d. Todesart: 'Erhängter Zuchthäusler' u. vor d. Verscharren. Denn m. Leichnam würde jetzt bestimmt nicht freigegeben. Dazu sieht der Rücken grauenhaft aus. Auch meine Hoffng. für Sonnbd. Aus e. Flut v. Schimpfworten konnte ich entnehmen, daß Karoline noch in d. Hoffng. herkam, mich mitzunehmen. Das letzte Wort kann also noch nicht gesprochen sein.
Die letzten Tage ... die seel. Mißhdlg..., aber ich muß immer mehr hungern. Sonntag abend fror ich so. E. geht mit dem warmen Tee an m. Zelle vorbei. Heute keine Mittagskost, dabei sind die 3 Tage längst vorbei.
Montag, 18. Sept. abends.
Heut gab's Tee. Grad, als ich ihn schlürfe, kommt E. mit 5 Leuten von SS u. Marinesturm, um mir nach ein paar höhnisch freundl. Fragen anzukündigen, daß ich morgen wieder Prügel bekomme. 'Die Birne ist ja wieder heil.' Ein ganz langer SS-Mann stellt sich mir auf die Zehen u. brüllt: 'Bei mir bückst du dich! He! Sag ja, du Schwein.' Ein anderer: 'Häng dich doch auf! Dann kriegst du keine Prügel.' Am Ernst der Drohung ist nicht zu zweifeln. Herr Gott! was soll ich tun?
Karoline, Geliebte, das war Dein Geburtstag! Alles, was ich hier schrieb, ist heilig wahr. Möge es dienen, andere zu retten. Flieh weit, weit weg, K., mit den Kindern u. alles, was meinen Namen trägt, gehe bald fort. Nütze diese Zeilen, wenn sie Dich erreichen, gut. Aber sei vorsichtig dabei. Hilf, denen noch zu helfen ist. Hei... sei meinen Kindern ein väterlicher Freund. Sein Weg ist doch der Rechte.

Leb auf ewig wohl!"[9]

Im Prozess gegen Willi Dusenschön, den Führer der Wachmannschaft, lagen diese Aufzeichnungen als Beweismittel vor. Das Landgericht Hamburg sprach ihn 1962 aus "Mangel an Beweisen" vom Vorwurf des Mordes an Fritz Solmitz frei.

Der kommunistische Schriftsteller Willi Bredel verwendet Fritz Solmitz' Schicksal in seinem Roman Die Prüfung, allerdings - wenn die Zusammenfassung bei Wikipedia korrekt ist - in offenbar tendenziöser und Fakten verfälschender Weise, wenn etwa dem Polizeidezernenten Fritz Mehrlein, der schon Tage vor der Verhaftung sein Amt verloren hatte, eine Verantwortung für die Verhaftung seines Genossen Fritz Solmitz zugewiesen wird und auch der Eindruck erweckt wird, Antisemitismus in der SPD habe dabei eine Rolle gespielt.

Ehrungen

Die Taschenuhr von Fritz Solmitz und Kopien der Notizen, die Fritz Solmitz’ Tochter Brigitte Solmitz Alexander bei einem Besuch dort übergab, sind heute in der Gedenkstätte Fuhlsbüttel[10] ausgestellt.

In Lübeck und in Hamburg-Langenhorn sind Straßen nach Fritz Solmitz benannt.

Literatur

Links

Einzelnachweise

  1. Wo nicht anders angegeben, beruht dieser Eintrag auf Wikipedia: Fritz Solmitz, abgerufen 5.5.2025
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 Pollähne, Lothar: Fritz Solmitz: Eines der ersten prominenten SPD-Opfer der Nazis, vorwärts.de, 23.10.2023
  3. Einführung, in Solmitz Alexander: Erinnern, S. 227
  4. Solmitz Alexander: Erinnern, S. 232. Dort auch weitere Erinnerungen der Tochter an den Vater und Informationen über das weitere Schicksal der Familie.
  5. Paul Bromme, zitiert in Klatt, Demokratische Geschichte 7 (1992), S. 48
  6. Julius Leber als Journalist, abgerufen 13.3.2021
  7. Gedenkort - Spurensuche in Lübeck: Der Überfall, abgerufen 13.3.2021
  8. 8,0 8,1 Lernwerkstatt Neuengamme: Rathausausstellung 2003 - Tafel 29: Gefangene in Fuhlsbüttel: Dr. Fritz Solmitz
  9. Der vollständige Text der Notizen, zitiert in Klatt, Demokratische Geschichte 7 (1992), S. 48-50
  10. Gedenkstätte Konzentrationslager und Strafanstalten Fuhlsbüttel