Lübecker Volksbote

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Titel des Lübecker Volksboten, 1925

Der Lübecker Volksbote - Tageszeitung für das arbeitende Volk erschien von 1894 bis 1942. Sein bekanntester Chefredakteur war Julius Leber, und Willy Brandt schrieb als Schüler für ihn. Im Mai 1933 wurde der Volksbote von den Nazis gleichgeschaltet und war damit keine Zeitung der Arbeiterbewegung mehr.

Gründung 1894

Am 18.[1] und 25. Januar 1894[2] erschienen zwei Probeausgaben des Lübecker Volksboten. In der zweiten Ausgabe wurde den Inserenten der Hinweis gegeben, dass die nächste Ausgabe anstehe und man rechtzeitig buchen solle, um hineinzukommen. Ab dem 1. April erschien der Volksbote dann werktäglich:

"Vom heutigen Tage wird der 'Lübecker Volksbote' regelmäßig erscheinen. Wer daher ein Abonnement auf unser Blatt noch nicht aufgegeben hat, hole das Versäumte sofort nach. Der mächtige Anklang, welchen wir mit unseren beiden Probenummern gefunden haben, ist für uns der beste Beweis, daß das Erscheinen des 'Lübecker Volksboten' ein nothwendiges Bedürfniß für unsere Stadt ist. Wir haben einen Erfolg zu verzeichnen, der zu den kühnsten Erwartungen berechtigt. [..]"[3]

Der leitende Redakteur war bis 1904 Otto Friedrich, Geschäftsführer von Juni 1895 bis 1919 Theodor Schwartz.

Weimarer Republik

Von 1919 bis 1921 wurde noch einmal Otto Friedrich Chefredakteur des Blattes; sein Nachfolger war Julius Leber, der die Redaktion bis März 1933 leitete.

"Ein Abonnement des Volksboten galt, genauso wie der Sport im Arbeiterturnverein und die Einkäufe beim Konsumverein, unter den Lübecker Arbeitern, und zwar nicht nur für die Parteimitglieder unter ihnen, als Ehrensache; beim Volksboten zu arbeiten, bedeute nicht Warten auf den Feierabend, sondern häufig noch stundenlange Diskussionen nach Redaktionsschluss im Druckhaus, das für viele mehr Lebenszentrum als einfach nur Arbeitsstelle war. Jeder Arbeiter beim Volksboten trug engagiert seinen Anteil dazu bei, die Freie Stadt Lübeck zu einer Republik in der Republik zu machen – mit durchweg besseren Wahlergebnissen für die Sozialdemokratie als im Reich."[4]

Nationalsozialismus

Nach der Machtübergabe an die Nazis 1933 übten die Redakteure Julius Leber und Fritz Solmitz weiter offen und polemisch Kritik an den neuen nationalsozialistischen Ministern. Beispielsweise titelte der Lübecker Volksbote am 8. Februar: "Der Skandal im Ueberwachungsausschuß - So ein Gesindel will uns regieren!"[5]

Einen auf Drängen lokaler Nationalsozialisten gestellten Verbotsantrag des Reichsinnenministers Frick lehnte der Lübecker Senat am 14. Februar noch mutig als unzulässig ab. Ein 14-tägiges Verbot auf Grundlage der Reichstagsbrandverordnung aber verhinderte er Ende des Monats nicht mehr.[6] Ab dem 2. März war der Lübecker Volksbote "wegen ständiger Verhetzung" verboten.[7] Ab dem 20. März erschien er wieder, am 1. April war das Blatt sogar eine von nur noch sechs sozialdemokratischen Zeitungen im Reich.[6] Am 31. Mai 1933 meldete er eine "gütliche Einigung" mit dem Niederdeutschen Beobachter - dem Kampfblatt der NSDAP Mecklenburg. Damit war der Volksbote gleichgeschaltet:

Titel nach der Gleichschaltung ab dem 26. Juni 1933

"Mit dem heutige Tage werden die Leser des Niederdeutschen bzw. Lübecker Beobachters auf den Lübecker Volksboten übernommen. Diese Regelung ist nach einer gütlichen Einigung zwischen Verlag und Herausgeber des Beobachters und uns erfolgt. Der Beobachter hat damit aufgehört, für das Lübecker Staatsgebiet das parteiamtliche Organ der NSDAP zu sein. Die Interessen unserer Bewegung werden künftig vom Lübecker Volksboten übernommen, dessen politische Aktualität ständig gesteigert wird. Ein sorgsam organisierter Nachrichtendienst in Verbindung mit einer ausgewählten Bildberichterstattung beweist die Leistungsfähigkeit unserer Presse. Den Anhängern unserer Bewegung ebenso wie der alten Leserschaft des Volksboten wird der Fortschritt der Zeitung ein überzeugender Beweis dafür sein, daß die Zeitung nur ein Ziel verfolgt: Die Presse im Dienste des Volkes!"[8]

Anders gesagt: Der alten Leserschaft sollten über das gewohnte Blatt die neuen Inhalte schmackhaft gemacht werden.

Danach wechselte der Titel mehrfach. Zunächst verschwand die Grafik mit dem LV vor dem Holstentor, wurde dann durch eine Hansekogge ersetzt, die schließlich vor einem Hakenkreuz abgebildet wurde. Im Untertitel hieß es statt Tageszeitung für das arbeitende Volk nun Tageszeitung für das schaffende Volk.

1942 wurde der Lübecker Volksbote von den Nazis mit dem Lübecker General-Anzeiger zur Lübecker Zeitung zwangsfusioniert. Die letzte Ausgabe der Lübecker Zeitung erschien am 2. Mai 1945.

Nach 1945

Nach dem Ende der Nazi-Herrschaft bekam die SPD in Lübeck eine Zeitungslizenz, mit der sie die Lübecker Freie Presse gründete.

Archive

  • Neues Senatsarchiv Lübeck: Einziehung der Geschäftsanteile des Wullenwever-Druckverlags (Verlag des Lübecker Volksboten) und Übertragung des Verlags auf die NSDAP 1933. Signatur: NSA IV 1 B, 5/22

Weblinks

Literatur

  • Göhring, Mario: Von Zeitungsverboten, Gleichschaltung und dem "Kampf um die Leserschaft". Methoden der "Nazifizierung" der Presse zwischen 1930 und 1934 am Beispiel ausgewählter Zeitungen aus Kiel, Lübeck und Flensburg (Magister-Arbeit Kiel 1994) 
  • Haese, Ute: Die Lübecker Freie Presse, in: Zeitschrift des Vereins für lübeckische Geschichte und Altertumskunde 72 (1992), S. 241-264
  • Oddey, Markus: Ein Stück sozialdemokratische Lebenskultur. Der "Lübecker Volksbote" zwischen Weimarer Republik und "Drittem Reich", in: Demokratische Geschichte 16(2004), S. 109-120
  • Pelc, Ortwin: Die Anfänge der sozialdemokratischen Presse in Lübeck. In: Paetau, Rainer / Rüdel, Holger (Hrsg.): Arbeiter und Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein im 19. und 20. Jahrhundert (Neumünster 1987) ISBN 3-529-02913-0

Einzelnachweise