Reichstagswahl 1893

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Karte der Reichstagswahlen 1893
Karte der Reichstagswahlen 1893

Die Reichstagswahl 1893 fand am 15. Juni 1893 statt. Sie war die neunte Reichstagswahl im Deutschen Reich und die erste nach dem Ende des Sozialistengesetzes.

Am 6. Mai 1893 war der Reichstag aufgelöst worden, weil er eine Militärvorlage abgelehnt hatte. Nach dem Ende des Sozialistengesetzes konnten die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten endlich richtig Wahlkampf machen. Sie entwickelten eine beispiellose Versammlungstätigkeit:

"In überfüllten Volksversammlungen sprachen u.a. der Parteivorsitzende August Bebel und die Frauenführerin Emma Ihrer. In der Kieler Bebel-Versammlung mußten Tische und Stühle aus dem Saal getragen werden, damit die zuströmenden Massen Platz fanden. Legien war bis zum physischen Zusammenbruch als Redner unterwegs. Agitationskolonnen trugen jeden Sonntag Wahlflugblätter auf Dörfer und Güter."[1]

Der Gegenwind der "Ordnungsparteien" - des bürgerlichen Lagers - war heftig. Anfang des Jahres gründete sich der "Bund der Landwirte", der sich einerseits gegen die "Dominanz des Kapitalismus (unter anderem vertreten durch die Börse und das Judentum)" wandte, andererseits aber auch gegen die "Sozialdemokraten, seine 'ärgsten Feinde', die jeglichen Besitz in die Hände Aller legen wollen".[2] Im Segeberger Kreis- und Wochenblatt erschien ein anonymer Kommentar unter der Überschrift: "Wählt keinen Sozialdemokraten!"[3]

In den Wahlkreisen wurde nach absolutem Mehrheitswahlrecht ein Abgeordneter gewählt. Wenn kein Kandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreichte, wurde eine Stichwahl zwischen den beiden bestplatzierten Kandidaten durchgeführt.

"Den Berlinern besten Glückwunsch zum glorreichen Sieg,"[4] wünschten die "Genossen in Meldorf" per Vorwärts.

Ergebnisse

Die SPD erhielt in Schleswig-Holstein 23,3 % der Stimmen. Carl Legien konnte mit 150 Stimmen Vorsprung den Wahlkreis 7 (Kiel-Rendsburg) gewinnen. Im Wahlkreis 6 (Elmshorn-Pinneberg) lag zunächst Hermann Molkenbuhr vorn, konnte sich jedoch in der Stichwahl nicht durchsetzen.[5] Die Abstimmung wurde nach einer Wahlbeschwerde der SPD wegen Formfehlern für ungültig erklärt und eine Nachwahl für das folgenden Jahr angeordnet. An Stelle von Hermann Molkenbuhr, der mittlerweile für Hamburg ein Reichstagsmandat hatte, trat Adolph von Elm an und gewann in der Stichwahl[1] am 23. Juni 1894 mit etwa 600 Stimmen Vorsprung[6], nachdem er in der Nachwahl am 13. Juni 1894 die absolute Mehrheit (12.925 Stimmen) nur um 637 Stimmen verfehlt hatte.[7] Die Strategie der "Ordnungsparteien" griff diesmal nicht.

Der Obrigkeit gefiel dieser Erfolg der SPD gar nicht. Sie erhöhte wieder den Druck durch Landräte und Polizei:

"Die alte dänische Sabbatordnung, nach der Versammlungen um 22 Uhr beendet sein mußten und am Sonntag vor 16 Uhr nicht beginnen durften, bot den Behörden eine weitere Möglichkeit, die Sozialdemokraten zu schikanieren. Der Plöner Landrat verstand sich darauf, mit baupolizeilichen Verordnungen unerwünschte Versammlungen zu verhindern. Andere Verordnungen untersagten den Sozialdemokraten bei Versammlungen Eintrittsgeld zu erheben oder Tellersammlungen vorzunehmen. Wie oft holten Gendarme die bereits ausgetragenen Flugblätter, Zeitungen oder Volkskalender aus den Landarbeiterwohnungen wieder heraus; der Gutsbesitzer zugleich der Amtsvorsteher scherte sich dabei um gesetzliche Bestimmungen nicht im geringsten."[8]

Links

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 29
  2. Segeberger Kreis- und Wochenblatt, 25.3.1893, zitiert in der Jahreschronik 1893 der Gemeinde Schmalensee
  3. "Wählt keinen Sozialdemokraten!", Segeberger Kreis- und Wochenblatt, 10.6.1893, zitiert in der Jahreschronik 1893 der Gemeinde Schmalensee.
  4. Vorwärts vom 27.06.1893, Nummer: 148, Jahrgang: 10
  5. Braun, Bernd: Hermann Molkenbuhr (1851-1927). Eine politische Biographie (Düsseldorf 1999) ISBN 3-7700-5220-X, S. 130
  6. Gemeinde Schmalensee: Jahreschronik 1894, 23.06.
  7. Gemeinde Schmalensee: Jahreschronik 1894, 13.06.
  8. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 30