Carl Legien

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Carl Legien
Carl Legien
Carl Legien
Geboren: 1. Dezember 1861
Gestorben: 26. Dezember 1920

Carl Rudolf Legien * 1. Dezember 1861 in Marienburg/Westpreußen; † 26. Dezember 1920 in Berlin; Drechsler, Gewerkschaftsfunktionär, Reichstagsabgeordneter. Unverheiratet; konfessionslos. 1885 Eintritt in die SPD.

Leben und Beruf

Carl Legien war der Sohn des Steueraufsehers Rudolf Legien und von Maria, deren Nachname nicht bekannt ist und die mit dem Vater nicht verheiratet war.[1] Die Mutter starb früh, der Vater vermutlich 1867; der junge Carl wuchs im Waisenhaus in Thorn auf.

1875 begann er eine Drechslerlehre, die fünf Jahre dauerte, weil er daneben seinen Lebensunterhalt verdienen musste.[2] Nach ihrem Abschluss leistete er ab 1881 seinen dreijährigen Militärdienst ab und arbeitete danach zwei Jahre lang als wandernder Handwerksgeselle in verschiedenen Städten. 1885 trat er in Frankfurt/Main der Sozialistischen Arbeiter-Partei Deutschlands (SAP), der späteren SPD, bei.[3]

Im Oktober 1886 ließ er sich in Hamburg nieder, trat dort gleich in den Fachverein der Drechsler ein und übernahm auch im selben Jahr noch den Vorsitz. Schon hier tat er sich als "begabter, unermüdlicher Organisator und überzeugender Agitator" hervor. 1887 wählte man ihn zum - ehrenamtlichen - Gründungsvorsitzenden der auf sein Betreiben entstandenen Vereinigung der Drechsler Deutschlands. Erst ab 1889 erhielt er eine kleine Aufwandsentschädigung, die aber für den Lebensunterhalt nicht ausreichte.[4]

Gewerkschaftliche Tätigkeit

Die Gewerkschaftsarbeit wurde sein Hauptbetätigungsfeld. Es wird angenommen, dass sie "ihm auch privat einen Ersatz für das Zeit seines Lebens schmerzlich empfundene Fehlen familiärer Geborgenheit" geboten habe.[5] Als 1890 das Sozialistengesetz fiel, wurden übergreifende Zusammenschlüsse möglich. Gegen erhebliche Widerstände setzte Carl Legien auf der Gewerkschaftskonferenz vom 18./19. November die Schaffung eines in Berufsverbänden, nicht in lokalen Zusammenschlüssen organisierten Dachverbandes durch. Ihm schlossen sich auch die wenigen selbstbewussten Großverbände an. Zu seiner Leitung wurde eine siebenköpfige Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands mit Sitz in Hamburg (ab 1903 Berlin) eingesetzt. Carl Legien blieb ihr hauptamtlicher Vorsitzender bis zu seinem Tod 1920 und formte den Dachverband zu einer mächtigen Organisation. Dabei war es immer sein Ziel, die soziale Lage der Arbeiter zu verbessern. So wollte er den Sozialismus auf friedlichem Wege erreichen.

Bei den Arbeitern stieß er auf offene Ohren - die Gewerkschaften hatten einen nie gekannten Zulauf. Andererseits brachte ihn diese Entwicklung in Konflikt sowohl mit der Parteiführung als auch mit dem linken Flügel. Der Parteiführung wurde die erstarkende Gewerkschaftsbewegung zu selbstständig, die Linken sahen in ihrem "reformistischem" Ansatz einen Verrat an den revolutionären Zielen des Sozialismus. Mit der Gewerkschaftsbewegung im Rücken war Carl Legien jedoch kaum angreifbar.

Allerdings scheinen nicht alle, die von seiner Tatkraft profitierten, ihm dies auch gedankt zu haben. Walter Damm berichtet in seinen Erinnerungen, dass es vor dem Ersten Weltkrieg ein geflügeltes Wort gab für Leute, die ihr eigenes kleines Haus hatten und sich dann nicht mehr der Arbeiterbewegung zugehörig fühlten: "Ick heff min Huus, ick heff min Swin, nu atschüß Korl Legien." Nach dem Krieg habe man das nicht mehr gehört.[6] Rosa Wallbaum erinnerte sich an den Spruch in etwas anderer Form: "Wi hebbt uns Huus, wi hebbt uns Swien, lat uns tofreden, Korl Legien!"[7]

1893 wurde Emma Ihrer als einzige Frau in die Generalkommission gewählt. Carl Legien "unterstützte sie gegen den verbreiteten Widerstand männlicher Gewerkschafter, die in Frauenarbeit vornehmlich Konkurrenz sahen". Die beiden wurden ein Paar, obwohl Emma Ihrer verheiratet war, und lebten bis zu ihrem Tod 1911 zusammen, zuletzt in Niederschönhausen bei Berlin.[8]

Den Internationalen Gewerkschaftsbund leitete er zunächst für viele Jahre als Sekretär, dann ab 1913 als sein erster Präsident.

Carl Legien, 1920

1919 wurde er auf dem Gründungskongress des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) in Nürnberg zum Vorsitzenden gewählt.

Politik und Partei

1889 nahm Carl Legien am internationalen Sozialistenkongress in Paris teil, der zur Gründung der Sozialistischen Internationale führte.

Er gehörte dem Reichstag insgesamt mehr als 20 Jahre lang an, im Kaiserreich immer für den Wahlkreis 7 Schleswig-Holstein (Kiel-Rendsburg), ab 1919 für den Wahlkreis 14 (Schleswig-Holstein usw.). Gelebt hat er in Kiel jedoch nie. Er begeisterte die Kieler mit einer Rede zur Maifeier 1893:

"Kaum von Mittelgröße, mit starkem dunklen Haupthaar und dichtem, langem Schnurrbart, temperamentvoll und mit jugendlicher Begeisterung wußte der etwa 30jährige einfache Drechsler bald so mitzureißen, daß allgemein die Stimmung der Festteilnehmer war: 'Dieser und kein anderer wird gewählt!'"[9]

In der Reichstagswahl 1893 wurde er dann auch tatsächlich gewählt.

1898 konnte er sich nicht durchsetzen, wurde aber in der Reichstagswahl 1903 wieder und von da an bis zur Reichstagswahl 1920 immer gewählt.

1914 befürwortete er die Bewilligung der Kriegskredite im Rahmen der Politik des "Burgfriedens". Er sah den Krieg als nationale Aufgabe, für die er jedoch Gegenleistungen des Staates erwartete. Obwohl Gründungsmitglied der II. Internationale, Initiator einer internationalen gewerkschaftlichen Zentralstelle und 1913 Präsident des Internationalen Gewerkschaftsbundes, hielt er es für selbstverständlich, dass im Kriegsfalle die Arbeiter zu ihrem Vaterland stünden.

Er war bereits gegen Ende des Ersten Weltkrieges führend an den Verhandlungen um die Zentralarbeitsgemeinschaft mit Vertretern der Industrie beteiligt. Aufgrund dieser Verhandlungen wurden durch das Stinnes-Legien-Abkommen die Gewerkschaften in Deutschland erstmals von der Unternehmerschaft offiziell als Interessenvertreter der Arbeiter anerkannt und der Achtstundentag eingeführt.

Revolution 1918

Beim Ausbruch der Revolution wandte Carl Legien sich gegen revolutionäre Bestrebungen. Die Novemberrevolution begrüßte er, lehnte aber die Räteherrschaft ab. Mit dem Ziel einer von Arbeitern mitbestimmten Wirtschaftsdemokratie betrieb er die Bildung einer Zentralarbeitsgemeinschaft mit den Unternehmern und setzte u.a. den Achtstundentag durch. Seine Bereitschaft, pragmatisch zu verhandeln, wurde von den Linken scharf kritisiert.

1920 hatte der Aufruf zum Generalstreik des ADGB mit Carl Legiens Unterschrift entscheidenden Anteil am Scheitern des Kapp-Putsches. Danach bot Friedrich Ebert ihm die Regierungsbildung an, was er ablehnte. Drei Monate später übernahm er jedoch den stellvertretenden Vorsitz des Vorläufigen Reichswirtschaftsrates.

Ehrungen

In ganz Deutschland gibt es zahlreiche nach Carl Legien benannte Straßen, in Berlin eine Schule und die "Wohnstadt Carl Legien" sowie ein Denkmal am Legiendamm.

Büste von Carl Legien im Kieler Gewerkschaftshaus

Am 27. März 1923 erhielt die Fährstraße in Kiel, an der das Gewerkschaftshaus steht, zu Ehren von Carl Legien den Namen Legienstraße.[10] Die Nationalsozialisten machten dies am 7. April 1933 rückgängig. Am 17. Dezember 1947 bekam sie ihren heutigen Namen Legienstraße zurück.

Nach Carl Legien bzw. der Legienstraße wird die Gaststätte im Gewerkschaftshaus "Legienhof" genannt. Dieser Name wird häufig für den gesamten Komplex verwendet, in dem bis heute der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und zahlreiche seiner Einzelgewerkschaften ihren Sitz haben.

Im Erdgeschoss des Gewerkschaftshauses gibt es nach einer grundlegenden Umgestaltung seit 2011 für öffentliche Veranstaltungen das Emma-Sorgenfrei-Forum. In ihm ist eine Büste von Carl Legien aufgestellt.

Archive

Literatur & Links

Einzelnachweise

  1. Potthoff: Legien
  2. Potthoff: Legien
  3. Hans-Peter Bartels: Das Wirken von Carl Legien
  4. Potthoff: Legien
  5. Potthoff: Legien
  6. Krohn, Claus-Dieter (Hrsg.): Walter Damm. Arbeiter, Landrat und Flüchtlingsminister in Schleswig-Holstein (Bonn 1978)
  7. Susanne Kalweit (Hrsg.): "Ich hab' mich niemals arm gefühlt!" Die Kielerin Rosa Wallbaum berichtet aus ihrem Leben (Berlin/Hamburg 2010) ISBN 978-3-86850-644-0, S.
  8. Vgl. Homepage des Zentralfriedhofs Friedrichsfelde: Tafel 05 - Die Gräber der Sozialdemokraten Emma Ihrer, Carl Legien, Louise Zietz
  9. K. Radunz, zitiert nach Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 29
  10. Hans G. Hielscher: Kieler Straßenlexikon (fortgef. v. D. Bleihöfer, Kiel 2005), S. 54