Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands
Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) entstand auf dem "Einigungsparteitag" in Gotha vom 22. bis 27. Mai 1875 durch den Zusammenschluss von ADAV und SDAP.
1890, nach dem Ende des Sozialistengesetzes, nahm sie den Namen "Sozialdemokratische Partei Deutschlands" (SPD) an.
Vereinigung
Die beiden Parteien hatten sich schon längst nur in einigen Detailfragen unterschieden, etwa in ihrer Einstellung zu Genossenschaften oder in der Gewichtung von Gewerkschaften. Entscheidend war die nationale Frage: Während der ADAV kleindeutsch-preußisch dachte, war die SDAP großdeutsch gesinnt; sie misstraute Preußen. Dieser Gegensatz war mit der Reichsgründung von 1870/71 bedeutungslos geworden. Statt dessen zeigten sich in der täglichen Politik vor allem im Reichstag mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede.
Bereits in den vergangenen Jahren hatte es beim ADAV immer wieder Anträge auf Zusammenschluss gegeben, die immer abgelehnt wurden. Jetzt war es soweit. Der ADAV hatte zu diesem Zeitpunkt 15.322 Mitglieder und stellte 74 Delegierte, die SDAP hatte 9.121 Mitglieder und stellte 56 Delegierte. Sie beschlossen den neuen Namen "Sozialistische Arbeiterpartei (SAP)", außerdem das Gothaer Programm.
Auf dem Einigungsparteitag "waren 22 schleswig-holsteinische Ortsvereine u.a. durch Heinzel, Reimer, Hörig, Brückmann und Walter vertreten."[1]
Wilhelm Hasenclever, der Präsident des ADAV, und Georg Wilhelm Hartmann von der SDAP wurden zu gleichberechtigten Vorsitzenden gewählt. Der Sitz des Parteivorstandes war Hamburg. Seit der Zeit der Vereinigung wird in der Sozialdemokratie die Anrede Genosse / Genossin verwendet.

Name
Die Kommission beider Vorgängerparteien hatte am 14. und 15. Februar des Jahres einen Programmentwurf und einen Organisationsentwurf erarbeitet. In diesem war der Name ‚Deutsche Arbeiterpartei‘ vorgeschlagen worden. Auf dem Vereinigungskongress wurde dann auf Antrag von Wilhelm Liebknecht stattdessen Arbeiterpartei Deutschlands beschlossen, denn „so unscheinbar diese Änderung aussieht, so ist sie doch von großer Tragweite, denn es wird dadurch der internationale Charakter der Arbeiterbewegung ganz entschieden gewahrt, zugleich aber gesagt: […] Hier ist Deutschland, hier haben wir zunächst den Kampf zu führen!“[2]
Programm
Das beschlossene Programm wurde am 28. Mai 1875 in Der Volksstaat veröffentlicht: Zum Programm Es passte in eine Zeitungsspalte – zum Vergleich: Das aktuelle Grundsatzprogramm hat 64 Seiten, zu denen regelmäßig umfangreiche Wahlprogramme dazukommen.
Organisation
Zur Vermeidung eines Verbots wegen überörtlicher Verbindung politischer Vereine wurden die lokalen Parteiführer formal als „Agenten des Vorstands“ ernannt.[3] Allerdings wurden diese „Agenten“ vorher in örtlichen Mitgliederversammlungen gewählt.[4] Zusätzlich gab es oft noch örtliche Wahlvereine, die formal völlig unabhängig waren, jedoch natürlich meist den selben Mitgliederkreis hatten.
Das beschlossene Organisationsstatut der Partei kann nachgelesen werden in der Ausgabe vom 2. Juni 1875 von Der Volksstaat (ab der unteren Hälfte der mittleren Spalte der ersten Seite).
August Bebel schrieb über 30 Jahre später in seinen Erinnerungen (Aus meinem Leben. Zweiter Teil)[5] über die Behandlung der Organisationsfrage auf dem allgemeinen deutschen Sozialistenkongress 1877:
Über die Organisationsfrage berichtete Tölcke, der im Namen der gewählten Organisationskommission beantragte, folgender Resolution die Zustimmung zu geben:
„Mit Rücksicht auf die von preußischen Behörden mit unerhörter Dreistigkeit förmlich proklamierte völlige Rechtlosigkeit sozialistischer Vereine in Preußen nimmt der Kongreß von der Herstellung einer Organisation der Partei Abstand, auf welche die in Deutschland, besonders in Preußen bestehenden Vereinsgesetze angewendet werden können; der Kongreß überläßt es den Parteigenossen in den einzelnen Orten, sich je nach den örtlichen Verhältnissen und Bedürfnissen zu organisieren.“
Diese Resolution wurde ohne Diskussion einstimmig angenommen.
Verbot
Bereits im Frühjahr 1876 war die Partei in Preußen vorläufig verboten worden, wodurch „den Parteigenossen die Gelegenheit genommen [wurde], direkt Mitglieder der Partei zu sein.“ Auch sieben Monate später war es noch nicht zu einer Gerichtsverhandlung darüber gekommen. Dennoch soll die Bewegung dadurch insgesamt nicht geschädigt worden sein, nur in wenigen Orten sollen Genossen aus Angst vor politisch motivierten Entlassungen in einer wirtschaftlich schlechten Zeit die Parteiarbeit eingestellt haben.[6] Die Parteiführung versuchte, den Anhängern durch den Vertrieb der Zeitungen „Wähler“ und später „Rundschau“ die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung ihrer Agitationsarbeit zu geben, in welche die Erlöse direkt fließen sollten. Das scheint aber nicht flächendeckend wie gewünscht geklappt zu haben.[7] Die ‚Filial-Expedition‘ übernahmen vermutlich oft die Genossen, die schon vorher örtliche Parteiführer gewesen waren. Die Übersicht, in welchen Orten ein Vertrieb der Zeitung stattfand, bietet einen guten Eindruck von der regionalen Verteilung der Parteimitglieder in der preußischen Provinz Schleswig-Holstein.
Auch einige örtliche Wahlvereine wurden in dem Jahr verboten.
Die Partei versuchte, mit losen Strukturen weiterzuarbeiten, zum Beispiel erstens durch örtliche Wahl-Komitees (zeitgenössisch oft Comité) im Vorfeld anstehender Wahlen, insbesondere der Reichstagswahlen, sowie mit einem fünfköpfigen Zentralwahlkomitee anstelle des aufgelösten Parteivorstands, zweitens durch öffentliche Volksversammlungen statt Mitgliederversammlungen und einen Allgemeinen Sozialistencongress statt eines offiziellen reichsweiten Parteitags sowie drittens durch Fonds (z.B. Agitationsfonds, Unterstützungsfonds, Wahlfonds)[8], die von Einzelpersonen verwaltet wurden.
Am 21.10.1878 veröffentlichte der Kassierer der Partei, August Geib im Vorwärts eine Abschlussquittung und schrieb: „Geldsendungen wolle man [ihm] nicht mehr zugehen lassen, da das Centralwahlcomité und damit die Parteiorganisation am heutigen Tage in Folge einmüthigen Beschlusses des Ventral-Wahlcomités aufgelöst worden ist.“[9]
1878 verbot das Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie (Sozialistengesetz) der SAP die komplette politische Arbeit.
Einzelne Menschen konnten jedoch nicht verboten werden, durch das Vertrauensleutesystem konnte weiter eine sozialdemokratische Arbeit passieren.
Nachfolge
Nachdem das Verbot 1890 aufgehoben wurde, benannte sich die SAP in SPD um.
Zur Diskussion über die Umbenennung siehe SPD-Parteitag 1890, Halle/Saale.
Siehe auch
Links
- Wikipedia: Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands
- Homepage GOTHAER TIVOLI e.V.
- Bericht über den Einigungsparteitag (Hamburgischer Correspondet 3.6.1875, S. 1-2)
Einzelnachweise
- ↑ Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 16
- ↑ Der Volkstaat 30.5.1875
- ↑ Vergleiche bspw.: Der Volksstaat 25.8. 1875
- ↑ Vgl. bspw. Neuer Social-Demokrat 1.12.1875 sowie Vorwärts 11.10.1876
- ↑ Hier abgerufen online unter https://www.marxists.org/deutsch/archiv/bebel/1911/leben2/kap8-09.html
- ↑ Vorwärts 8.11.1876
- ↑ Vgl. bspw. Vorwärts 8.11.1876 und 12.9.1877
- ↑ Vgl. Vorwärts 2.9.1877, S. 4
- ↑ Vorwärts 21.10.1878