Otto Reimer

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Otto Reimer
Otto Reimer
Otto Reimer
Geboren: 26. Mai 1841
Gestorben: 1. März 1892

Otto Reimer (auch Georg Otto Reimers;[1]) * 26. Mai 1841 in Hildesheim; † 1. März 1892 in Hamburg); Zigarrenarbeiter, Gewerkschafter, Reichstagsabgeordneter. Mitglied des ADAV seit 1867.

Leben & Beruf

Otto Reimer lernte nach dem Besuch der Volksschule Zigarrenarbeiter und ging in den 1860er Jahren nach Altona[2]. Dort machte er sich später selbstständig[3], arbeitete ab 1877 als Zeitungsreporter beim Hamburg-Altonaer Volksblatt und bei der Gerichts-Zeitung[2] und wurde schließlich Zigarrenhändler in Hamburg und Altona[3].

Er war verheiratet; seine Frau lernte er bei einer Parteiveranstaltung in Altona kennen.[2] Sie emigrierte mit ihm nach seiner Ausweisung aus Hamburg 1880 in die USA. Die beiden hatten sieben gemeinsame Kinder. In New York wurde er Berichterstatter der New Yorker Volkszeitung; durch einen Unfall verlor er ein Bein und lebte mit einer Prothese.[2]

Die Familie kehrte offenbar noch vor dem Ende des Sozialistengesetzes nach Deutschland zurück und ging zunächst in seine Heimat, 1890 dann wieder nach Altona, wo er bis zu seinem Tod als Mitarbeiter des Hamburger Echo tätig war. Sein ältester Sohn war in den USA geblieben. 1891 starb seine Frau an einer unheilbaren Krankheit; nur wenige Monate später folgte ihr Otto Reimer mit 50 Jahren.[2]

"Sein Leben stellt sich dar gleich dem der Mehrzahl des Proletariats. Er kämpfte mit den Widerwärtigkewiten des Lebens, so lange die Kräfte reichten; jedoch als er fühlte, daß sie versiegen würden, schied er freiwillig aus dem Leben."[2]

Sein Sarg wurde bei der "imposanten Beerdigung" mit der von ihm geretteten Fahne bedeckt.[2]

Partei & Politik

Im Jahr 1867 trat Otto Reimer dem Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein (ADAV) bei. Im selben Jahr wurde er Bevollmächtigter der Zigarrenarbeitergewerkschaft und zwischen 1873 und 1876 auch des ADAV in Hamburg.

"Auf Grund seines aufrichtigen und biederen Charakters genoß er in den Arbeiterkreisen schon damals eine allgemeine Achtung und unbedingtes Zutrauen. Was die deutsche Volksschule an seiner geistigen Ausbildung versäumt hatte, das ersetzte sein praktischer Verstand und seine Lebenserfahrung [...]. [Er] wußte seine Zuhörer durch die Macht der eigenen Überzeugung zu gewinnen. So konnte es nicht ausbleiben, daß er, für die damalige Zeit ein außergewöhnliches Ereigniß, in einem ländlichen, dem neunten holsteinischen Wahlkreise, im Jahre 1874 in den Reichstag gewählt wurde.
Bei den Wahlen im Jahre 1877 erlag er den verbündeten reaktionären Parteien."[2]

Von 1874 bis 1877 vertrat er also als sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter den Wahlkreis 9 (Oldenburg in Holstein, Plön).[4]

Außerdem gehörte er 1875/76 dem zentralen Parteiausschuss der SAP an. Nach der Ausdehnung des Sozialistengesetzes auf Hamburg wurde er 1880 als einer der ersten aus der Stadt ausgewiesen und emigrierte in die USA.

"Als der ausgewiesene Otto Reimer sich nach den USA einschiffte, entfaltete er auf dem abfahrenden Dampfer die 1872 eingeweihte Fahne der Altonaer Partei, nach der Kommissar Engel unermüdlich haussuchte. Er schwang sie mit dem Ruf 'Hoch die Sozialdemokratie!' als Abschiedsgruß zu den am Ufer versammelten Genossen, die darauf die 'Arbeitermarseillaise' anstimmten. Grimmiger Beobachter der Szene war Kommissar Engel.
Zehn Jahre später kehrte Reimer mit der Fahne in die Heimat zurück. Für eine von den New Yorker Sozialisten gestiftete Ehrenschleife daran mußte er aber 8 Mark Zoll bezahlen. Die Parteiversammlung in Altona nahm ihre Fahne unter dem Gesang der 'Arbeitermarseillaise' wieder in Besitz."[5]

Über seine Jahre unter den deutschen Auswanderern in New York, vor allem die politischen Auseinandersetzungen mit Anarchisten, hinterließ er unvollendete Aufzeichnungen, die er Jacob Audorf anvertraute[2]; eine Veröffentlichung ist bisher nicht ermittelt.

Literatur

  • Otto Reimer †. Der wahre Jakob Nr. 148 (1892), S. 1216 (Digitalisat)
  • Schröder, Wilhelm Heinz: Sozialdemokratische Parlamentarier in den deutschen Reichs- und Landtagen 1867–1933. Biographien, Chronik, Wahldokumentation. Ein Handbuch (= Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Band 7, Droste, Düsseldorf 1995), ISBN 3-7700-5192-0

Einzelnachweise

  1. Hirth’s Parlaments-Almanach, Band 10 (Berlin 1874), S. 240
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 2,8 Otto Reimer †, Der wahre Jakob Nr. 148 (1892), S. 1216
  3. 3,0 3,1 Wikipedia: Otto Reimer, ohne Beleg, abgerufen 26.12.2023
  4. Specht, Fritz/Schwabe, Paul: Die Reichstagswahlen von 1867 bis 1903. Eine Statistik der Reichstagswahlen nebst den Programmen der Parteien und einem Verzeichnis der gewählten Abgeordneten (2. Auflage. Verlag Carl Heymann, Berlin 1904), S. 113
  5. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 23