Cathy Kietzer: Abschiedsrede für Norbert Gansel als Oberbürgermeister von Kiel

Aus SPD Geschichtswerkstatt

gehalten von Cathy Kietzer im Rahmen der Sitzung der Kieler Ratsversammlung am 12. Juni 2003:

"Es ist nicht leicht, Norbert Gansel zu charakterisieren und seine Leistungen für Kiel kurz zu beschreiben:

notorischer Pfeifenraucher, grübelnder Moralist, eigenbrötlerisch, un-durchschaubar, von preußischem Pflichtbewusstsein, hohe Ansprüche stellend, volksnah, Vertrauen erweckend, ehrlich, mutig und fleißig und, und, und.

Sozusagen auf den Knien hatten Kieler Genossen ihn 1997 aus Berlin abgeworben. Die neue Kommunalverfassung machte es möglich, dass er der erste direkt gewählte OB werden konnte mit einem Traumergebnis von rund 61 % der Stimmen im ersten Wahlgang!

Heute, in der letzten RV vor der Sommerpause, ist es seine letzte RV. Ich möchte für die SPD-Fraktion, aber auch ganz persönlich DANKE sagen. Danke für sechs sehr erfolgreiche Arbeitsjahre für die Stadt Kiel und persönlich für fünf Jahre als Partner im Gute-Laune-Team.

Ein gewisser Journalist des Flensburger Tageblatts schrieb einmal: „Norbert l., Prinzipal von Kiel, versteht das Regieren!" Und wie Sie das verstanden haben, Herr Gansel, lieber Norbert.

Ich erspare mir an dieser Stelle die Aufzählung weiterer Spitznamen, die Sie erhalten haben, sondern beschränke mich lieber auf die Nennung wesentlicher Teile Ihres erfolgreichen Wirkens:

Sie haben in kürzester Zeit die Kieler Bürger und Öffentlichkeit, die Mitarbeiter im Rathaus, Parteifreunde und auch Mitglieder anderer Parteien davon überzeugen können, dass Kiel eine lebens- und liebenswerte Stadt ist. Das Erscheinungsbild der Stadt hat sich durch Sie ganz erheblich gebessert. Ihr Fan-Club ist parteiübergreifend gemäß Ihrem Grundsatz: Sie seien kein SPD-OB, sondern der OB für alle Kieler. Und mag Ihre Popularität in den Parteien vielleicht etwas nachgelassen haben, in der Kieler Bevölkerung genießen Sie ungeschmälertes Ansehen und Ihre Arbeit genießt zurecht hohe Anerkennung. Sie sind ein sehr populärer OB.

Ihnen eilte bald der Ruf voraus, unbequem zu sein, sowohl gegenüber der Verwaltung als auch der RV. Ich glaube aber, dass in der heutigen Zeit nur ein unbequemer OB auch ein erfolgreicher OB sein kann. Denn sparsamste Haushaltsführung ist das Gebot der Stunde und wird es noch für viele Jahre bleiben. Dabei darf Sparsamkeit nicht mit Geiz verwechselt werden, wie Sie es zutreffend beschrieben haben. Geiz kann zum Kaputtsparen führen.

Ich bin sicher, dass wir alle darüber einig sind, dass Sie mit einer eindeutigen Erfolgsbilanz aus dem Amt scheiden. Im Laufe Ihrer Amtszeit haben Sie Ungewöhnliches in und für Kiel bewegt:

Als Ihre größte Leistung gilt für mich die Haushaltssanierung. Sie haben - gemeinsam mit der Ratsversammlung - fünf Jahre hintereinander einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt. Dazu beigetragen haben zweifellos, ebenfalls im Zusammenwirken mit der Ratsversammlung, die Verkäufe der Ostseehalle, KWG und der Anteilsverkauf der Stadtwerke.

Darüber hinaus haben Sie innerhalb kurzer Zeit wichtige Entscheidungen getroffen:

Zur Beendigung der Dauerposse um die Klappbrücke ordneten Sie kurzerhand den Bau einer Ersatz- bzw. Nebenbrücke an und ermöglichten so die gelungene Einweihung des Norwegen-Terminals in Gegenwart der norwegischen Königin Sonja. Und gleichzeitig stärkten Sie damit das Vertrauen in den Kieler Hafen.

Damit den Kielern ein Licht aufging, sorgten Sie für die Beleuchtung des Rathausturms, und alle fragten sich, warum war das niemand zuvor eingefallen! Es kostet wenig und hat einen immensen Effekt.

Sie absolvierten einen erfolgreichen Tauchgang durch das Germania-Becken, wodurch Sie nicht nur eine Wette einlösten, sondern der Kieler Tafel zu weiterem Ansehen und Mitteln verhalfen.

Im Verlaufe Ihrer Amtszeit führten Sie die Landeshauptstadt Kiel als Partner der wichtigsten Organisationen des Landes Schleswig-Holstein zusammen bzw. noch enger zusammen. Ich nenne nur die Kieler Hochschulen, die Bundeswehr, Kirchen, Vereine und Verbände. Wir richteten Empfänge aus und sorgten dafür, dass der 1. Januar zu einem erfolgreichen Bürgerempfang wurde.

Sie nutzten gemäß Mao „die kreative Kraft der Masse" im positiven Sinne. Dieses alles trug zu einem Wir-Bewusstsein bei.

Dank Ihrer persönlichen und nahezu weltweiten politischen Beziehungen trugen Sie wesentlich dazu bei, dass bedeutende Persönlichkeiten Gast in Kiel waren. Sie können Helmut Schmidt und Berthold Beitz ebenso zu Ihren Freunden zählen wie den früheren amerikanischen Botschafter Kornblum oder den französischen Bauern aus der Normandie, den Sie im vorigen Sommer nach 40 Jahren wieder trafen.

Sie sorgten in kürzester Zeit dafür, dass das angeschlagene Verhältnis zwischen Kiel und der Bundeswehr - insbesondere der Marine - nicht nur verbessert, sondern als kaum verbesserungsfähig angesehen wird und dass es zwischen der Landeshauptstadt und den Hochschulen nach einem Nichtverhältnis zu einem sehr guten Verhältnis gekommen ist.

Vor unpopulären Maßnahmen und Vorschlägen sind Sie nie zurückgeschreckt. So haben Sie wiederholt und frühzeitig auf die Grenzen des Sozialstaats hingewiesen.

Besonders am Herzen lag Ihnen die Kieler Woche als das wichtigste Ereignis des Jahres. Aufgrund Ihrer guten Verbindungen besuchte mit Roman Herzog 1998 nach langer Zeit wieder ein Bundespräsident die Kieler Woche, und auch Johannes Rau konnten wir wiederholt hier begrüßen.

Unter Ihrer Federführung wurde der jährliche Brainstorming als neuer Ideengeber der jeweils nächsten Kieler Woche eingeführt.

Ihre Erfolgsbilanz hat sich kontinuierlich entwickelt und fortgesetzt: Ob es sich um die (leider nicht zum Ziel geführte) Olympia-Bewerbung 2012, das um so erfolgreichere Volvo-Ocean-Race mit Zielhafen Kiel oder einfach nur um einen Auftritt bei „Wetten, dass ..." ging. Ihr Einsatz für Kiel war unermüdlich. Die schon fast abonnierten deutschen Handball-Meisterschaften waren zwar nicht Ihr Verdienst, aber Sie haben immer der siegreichen Mannschaft und ihrer großen Fangemeinde einen angemessenen Rahmen verschafft und mit ihnen zusammen gefeiert.

Dass Sparsamkeit auch zu Ihren Tugenden zählt, dürfte bekannt sein, und Ihrem eisernen Sparwillen ist es zu verdanken, dass Kiel die Spitzenstellung der bundesdeutschen Großstädte bei der Rückführung der Schulden einnimmt. Demgegenüber ist der Privatmann Norbert Gansel weitgehend, auch den Kielern, ein Unbekannter geblieben. Er hat es geschafft, seine Amtstätigkeit vom Privatleben zu trennen.

Bekannt ist lediglich, dass seine kluge Frau Lesley Engländerin ist und über einen entsprechenden Humor verfügt. Die über 30 Jahre glücklich Verheirateten haben die Tochter Anna. Nur enge Freunde versichern glaubhaft, dass Norbert ein sehr familiärer Mensch ist.

Neben Familie, Haus, Garten, Marine heißt sein Hobby KIEL.

Im Nachhinein stellt sich die Frage, wie Sie das alles in nur sechs Jahren bewältigen konnten. Zweifellos waren Ihre 25 Lehrjahre in Bonn und Berlin die beste Grundlage dafür.

Maßgeblichen Anteil hatten Sie etwa

  • beim Umzug der Stadtgalerie
  • bei der Sanierung des Opernhauses
  • bei der Suche nach einem strategischen Partner für die K.V.G.
  • bei der Gründung des Multimedia-Campus
  • bei der Erweiterung des Ostufer-Hafens
  • bei der Planung zum Ausbau des Flughafens
  • zur Schaffung der Voraussetzungen zum Bau eines Hotels an der Ostseehalle
  • sowie den im vollen Gang befindlichen Bau des Bootshafens.

Die Liste Ihrer Erfolge für Kiel könnte noch lange fortgeführt werden.

Ich bin sicher, dass die meisten erst in etlichen Jahren Ihr erfolgreiches Wirken für Kiel begreifen werden und Sie in einem Zuge mit Andreas Gayk nennen werden.

Als symbolisches Geschenk möchte ich Dir diesen Helm der HDW überreichen, dass Metall in Kiel immer wichtig war und hoffentlich auch weiter bleibt. Gleichzeitig soll der Helm Dich schützen bei Baumsägearbeiten im Garten und bei Arbeiten an Deinem denkmalgeschützten Haus.

Alles Gute Norbert!"