Arbeitersport in Elmshorn: Unterschied zwischen den Versionen

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Nicht jeder Arbeiter konnte sich ein Fahrrad leisten, aber der Arbeiter—Radfahrerbund Solidarität war in der Weimarer Zeit mit über 280.000 Mitgliedern der größte Radsportverband der Welt. Gegründet [[1896]], wurden auch die "roten Radfahrer" im Kaiserreich "wie Verbrecher" behandelt und waren bei den Behörden keineswegs gut gelitten.  
Nicht jeder Arbeiter konnte sich ein Fahrrad leisten, aber der Arbeiter—Radfahrerbund Solidarität war in der Weimarer Zeit mit über 280.000 Mitgliedern der größte Radsportverband der Welt. Gegründet [[1896]], wurden auch die "roten Radfahrer" im Kaiserreich "wie Verbrecher" behandelt und waren bei den Behörden keineswegs gut gelitten.  


In Elmshorn gründete sich [[1918]] die Ortsgruppe "Frisch-Auf" der Solidarität.<ref>Vgl. SPD Elmshorn: [https://www.spd-elmshorn.de/wp-content/uploads/sites/434/2019/05/2019-05-01_150_jahre_spd-elmshorn_internet.pdf Sonderausstellung]], Tafel 12</ref> Die Leitung lag beim Schuster [[Heinrich Burmeister]] in der Schillerstraße und beim [[Genosse Möller|Genossen Möller]], der auf dem Gerlingweg wohnte. Kassierer war [[Johann Hahn]], der Vater des Genossen [[Ernst Hahn]] aus der Goethestraße. Die Beiträge waren sehr niedrig. Insbesondere die Familien [[Genosse Rheder|Rheder]], [[Genosse Stade|Stade]] und [[Genosse Rathlau|Rathlau]] waren sehr aktiv. Schnell wuchs die Gruppe auf über 50 Mitglieder und entfaltete ein reges Vereinsleben.
In Elmshorn gründete sich [[1918]] die Ortsgruppe "Frisch-Auf" der Solidarität.<ref>Vgl. SPD Elmshorn: [https://www.spd-elmshorn.de/wp-content/uploads/sites/434/2019/05/2019-05-01_150_jahre_spd-elmshorn_internet.pdf Sonderausstellung]], Tafel 12</ref> Die Leitung lag beim Schuster [[Heinrich Burmeister]] in der Schillerstraße und beim [[Genosse Möller|Genossen Möller]], der auf dem Gerlingweg wohnte. Kassierer war [[Johann Hahn]], der Vater des Genossen [[Ernst Hahn]] aus der Goethestraße. Die Beiträge waren sehr niedrig. Insbesondere die Familien [[Genosse Rehders|Rheder]], [[Genosse Stade|Stade]] und [[Genosse Rathlau|Rathlau]] waren sehr aktiv. Schnell wuchs die Gruppe auf über 50 Mitglieder und entfaltete ein reges Vereinsleben.


Meist standen Radtouren auf dem Programm, während der Wettkampfsport nicht "bitterernst" genommen wurde. "Das war mehr Freude an Spiel und an Zusammensein."<ref>Vgl. SPD Elmshorn: [https://www.spd-elmshorn.de/wp-content/uploads/sites/434/2019/05/2019-05-01_150_jahre_spd-elmshorn_internet.pdf Sonderausstellung]], Tafel 12</ref> Es wurde Radball gespielt, mit Sechser-Mannschaften auf Rasen, und einige Sportler übten sich im Schul- und Kunstreigenfahren. Dem Elmshorner Verein standen hierfür acht eigene Saalräder zur Verfügung. Geübt und gespielt wurde im "Klosterhof", dem jetzigen Stadttheater, damals ein bekanntes Elmshorner Tanzlokal, wo sich viele Kulturvereine der Arbeiterbewegung trafen.
Meist standen Radtouren auf dem Programm, während der Wettkampfsport nicht "bitterernst" genommen wurde. "Das war mehr Freude an Spiel und an Zusammensein."<ref>Vgl. SPD Elmshorn: [https://www.spd-elmshorn.de/wp-content/uploads/sites/434/2019/05/2019-05-01_150_jahre_spd-elmshorn_internet.pdf Sonderausstellung]], Tafel 12</ref> Es wurde Radball gespielt, mit Sechser-Mannschaften auf Rasen, und einige Sportler übten sich im Schul- und Kunstreigenfahren. Dem Elmshorner Verein standen hierfür acht eigene Saalräder zur Verfügung. Geübt und gespielt wurde im "Klosterhof", dem jetzigen Stadttheater, damals ein bekanntes Elmshorner Tanzlokal, wo sich viele Kulturvereine der Arbeiterbewegung trafen.

Version vom 22. März 2020, 12:05 Uhr

Der Arbeitersport in Elmshorn begann 1890 mit der Gründung der "Freien Turnerschaft Elmshorn" durch sportbegeisterte Arbeiter.

FTSV Elmshorn

Bereits im September 1890 wurde im Vereinslokal des Elmshorner Arbeiterbildungsvereins am Flamweg beim SPD-Ortsvorsitzenden Hermann Krause eine Turnabteilung, die "Freie Turnerschaft Elmshorn", ins Leben gerufen.[1]. Das wäre noch in den letzten Tagen der Gültigkeit des Sozialistengesetzes gewesen, das erst am 30. September 1890 auslief. Der Verein dürfte damit einer der ersten in Deutschland gewesen sein.

Die "Freie Turnerschaft" erhielt die Erlaubnis, einmal wöchentlich die Turnhalle Kirchenstraße zu nutzen. Rasch stießen neue Mitglieder dazu. Schon 1895 suchte man ein eigenes Vereinslokal, damit weitere Turnstunden angeboten werden konnten.

Im März 1895 trat die Elmshorner "Freie Turnerschaft" dem "Deutschen Arbeiter Turn- und Sportbund" (ATSB) bei. Damit war der Kontakt zu anderen Arbeitersportlern hergestellt. Die dem ATSB angeschlossenen Vereine grenzten sich entschieden vom "bürgerlichen" Sportbetrieb ab. Sie lehnten dessen Nationalismus, der Sport nicht zuletzt als "Wehrertüchtigung" sah, ebenso ab wie die Betonung der Hochleistungen einzelner und des Konkurrenzgedankens. Dagegen setzten sie den Breitensport, die gemeinsame körperliche Ertüchtigung arbeitender Menschen. Besonders bemühten sie sich um die Jugendlichen. Diese sollten ferngehalten werden von Kneipen und Tanzsälen, sollten ein gesundes Leben ohne Alkohol und Nikotin führen. Körperertüchtigung, Gemeinsamkeit mit Gleichgesinnten, Liebe zur Natur, aber auch die Vermittlung des sozialistischen Gedankenguts bestimmten die Aktivitäten der Arbeitersportvereine. Letzteres war es, das sie den kaiserlichen Behörden verdächtig machte!

Fast jeder Arbeitersportverein hatte einen eigenen Spielmannszug. Das "Trommler- und Pfeifferkorps" der "Freien Turnerschaft" in Elmshorn wurde im Jahre 1900 gegründet. 1906 kam eine Frauenriege dazu, und der Jugendsport wurde verstärkt gefördert.

Einen Rückschlag in der Entwicklung der "Freien Turnerschaft" brachte der 1. Weltkrieg. Viele der aktiven Sportler mussten in den Krieg ziehen. Der Sportbetrieb konnte während der Kriegsjahre nur mühevoll aufrecht erhalten werden.

Doch nach dem Kriegsende trafen sich die Überlebenden erneut. Nach 1919 wurde von fußballbegeisterten Arbeitersportlern in Elmshorn der "Verein für Rasensport" gegründet. Doch der neue Verein war nicht lebensfähig. So schlossen sich nach langwierigen Verhandlungen im April 1923 die "Freie Turnerschaft" und der "Rasensport" zusammen zur FTSV: "Freie Turn- und Sportvereinigung Elmshorn von 1890". Der neue Verein bot Turnen, Fußball, aber auch Leichtathletik, Schlagball und bald auch Handball an.

38 Mitglieder des FTSV nahmen an der 1. Internationalen Arbeiter-Olympiade teil, die vom 24.-26. Juli 1925 in Frankfurt/Main stattfand. Neben diesem Höhepunkt gab es viele Begegnungen und Wettkämpfe zwischen den Arbeitersportvereinen in Schleswig-Holstein und Hamburg. Bei allen sportlichen Erfolgen kam das gesellige Vereinsleben nicht zu kurz. Wanderungen, Familienausflüge und Maskeraden wurden organisiert und fanden begeisterten Zuspruch.

Ein Höhepunkt im Vereinsleben der FTSV war auch das jährliche Stiftungsfest, das 1927 nach dem Bau der eigenen Sportanlage an der Wilhelmstraße erstmals stattfand. 1926 hatte man eine Fahnenweihe noch auf der Traditionsstätte an der Rennbahn feiern können. 1927 wurde der FTSV die Nutzung verweigert.[2]

Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde die FTSV am 28. Februar 1933 zwangsweise aufgelöst und am 21. Juni 1934 von "Amts wegen" aus dem Vereinsregister gelöscht.[3]

"Auf Grund des § 1 des Gesetzes über die Einziehung kommunistischen Vermögens vom 26.5.33 - R.G.Bl.I S.293 - in Verbindung mit dem Gesetze über die Einziehung staats- und volksfeindlichen Vermögens vom 16.7.33 -R.G.Bl.I 3.479 - und der Preuss. Ausführungsverordnung vom 31.5.33 - G.S. S.207 - werden die nachstehend bezeichneten Sachen und Rechte unter Bestätigung der polizeilichen Beschlagnahme zugunsten des Landes Preussen, vertreten durch den Regierungspräsidenten in Schleswig-Holstein eingezogen:
"Kreis Pinneberg: Sportverein Nordstern Barmstedt, Sportverein Freiheit Barmstedt, Freie Turn- und Sportvereinigung Elmshorn, Arb. Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität Elmshorn, Arb.-Athletenklub Einigkeit Elmshorn, Arb. Athleten-Verein Doppeleiche Pinneberg, Freie Turnerschaft Pinneberg, dieselbe in Uetersen, Arb. Sportkartell Wedel, Radfahrerbund Solidarität Wedel, Arb. Turnverein Wedel"[4]

Doch die Zerstörung ging noch weiter. Um jeden Gedanken an die Arbeit und die Leistungen der FTSV in Elmshorn auszulöschen, wurde die Sportanlage an der Wilhelmstraße eingeebnet und das Gelände später als Schrebergartenanlage genutzt. Zwölf Jahre lang gab es keinen Arbeitersportverein in Elmshorn. Aber noch während der Zeit der britischen Besatzung trafen sich am 3. Mai 1946 zahlreiche ehemalige Beteiligte, um die Wiederbelebung der FTSV zu betreiben. Vermögen gab es nicht, Sportanlagen waren nicht vorhanden. Aber die FTSV existierte. Vorsitzender wurde bald nach der Neugründung Willy Fehrs, der später Ehrenvorsitzender wurde.

1949 konnte mit dem Wiederaufbau der Sportanlage an der Wilhelmstraße begonnen werden. Die Spielfelder wurden wieder hergerichtet, als Waschgelegenheit gab es Blechschüsseln in einer Nissenhütte. Die Grundlagen für den Sportbetrieb waren aber gelegt. Natürlich wandelte sich der Verein; er war nicht mehr die klassenbewußte "Freie Turnerschaft" von 1890, denn auch die Zeiten hatten sich gewandelt. Aber auch weiterhin bestanden vielfältige Beziehungen zwischen der FTSV und der Elmshorner SPD. Viele Sozialdemokraten sind Mitglieder ihres "Traditionsvereins".

Arbeiter-Radfahrerbund Solidarität

Nicht jeder Arbeiter konnte sich ein Fahrrad leisten, aber der Arbeiter—Radfahrerbund Solidarität war in der Weimarer Zeit mit über 280.000 Mitgliedern der größte Radsportverband der Welt. Gegründet 1896, wurden auch die "roten Radfahrer" im Kaiserreich "wie Verbrecher" behandelt und waren bei den Behörden keineswegs gut gelitten.

In Elmshorn gründete sich 1918 die Ortsgruppe "Frisch-Auf" der Solidarität.[5] Die Leitung lag beim Schuster Heinrich Burmeister in der Schillerstraße und beim Genossen Möller, der auf dem Gerlingweg wohnte. Kassierer war Johann Hahn, der Vater des Genossen Ernst Hahn aus der Goethestraße. Die Beiträge waren sehr niedrig. Insbesondere die Familien Rheder, Stade und Rathlau waren sehr aktiv. Schnell wuchs die Gruppe auf über 50 Mitglieder und entfaltete ein reges Vereinsleben.

Meist standen Radtouren auf dem Programm, während der Wettkampfsport nicht "bitterernst" genommen wurde. "Das war mehr Freude an Spiel und an Zusammensein."[6] Es wurde Radball gespielt, mit Sechser-Mannschaften auf Rasen, und einige Sportler übten sich im Schul- und Kunstreigenfahren. Dem Elmshorner Verein standen hierfür acht eigene Saalräder zur Verfügung. Geübt und gespielt wurde im "Klosterhof", dem jetzigen Stadttheater, damals ein bekanntes Elmshorner Tanzlokal, wo sich viele Kulturvereine der Arbeiterbewegung trafen.

Der Arbeiter—Radfahrerbund Solidarität war ein fester Bestandteil der sozialdemokratischen Arbeiterkultur, nach genossenschaftlichen Prinzipien organisiert und um eine besondere Ansprache und Förderung der Arbeiter bemüht. Dazu gehörte ein eigenes Fahrradhaus mit der Fahrradfabrik "Frischauf" in Offenbach. Sie arbeitete "unter Ausschaltung privatkapitalistischer Gewinnerzielung" nur im Interesse der Mitglieder. Viele Arbeiter, auch in Elmshorn, konnten sich nur über dieses gemeinwirtschaftliche Unternehmen ein Fahrrad leisten.

Die Elmshorner Arbeiter-Radsportler waren nicht die einzigen im Kreis Pinneberg. Gruppen gab es auch in Wedel, in Hörnerkirchen (Arbeiter—Radfahrverein "Vorwärts") und in Bielenberg an der Elbe - dieser existierte als einziger von allen noch 1983.

Mit Anbruch des Faschismus 1933 wurde der Verein verboten, die Räder und das Vermögen von den Nazis beschlagnahmt und vernichtet. Nach der NS-Herrschaft kam es für einige Jahre zu einer gewissen Wiederbelebung. Die Reigenfahrer und die Kunstfahrergruppe traten noch zu verschiedenen Anlässen auf, z.B. bei Sportfesten der beiden anderen Arbeitersportvereine FTSV und Fortuna Langelohne. Der Schwerpunkt lag aber weiterhin auf geselligen Unternehmungen, zu denen auch befreundete Vereine kamen. 1955 löste sich der Verein auf.[7]

Arbeiterschützenbund in Lieth

Auch die Schützen bildeten eigene Vereine, vor allem in kleineren Gemeinden, die von vielen Arbeitern bewohnt wurden. Bei Elmshorn zählten Klein—Nordende/Lieth, Langelohe und Hainholz zu den Arbeitersiedlungen, wo immer eine Mehrheit SPD und KPD wählte.

Der Arbeiterschützenbund in Lieth gründete sich nach dem 1. Weltkrieg. Die Mitglieder bauten in Eigenarbeit einen Schießstand mit Schützenhalle in Lieth, südlich der Gaststätte "Waldpavillon" der Familie Rasmussen. Besondere Fördermittel und Zuschüsse gab es damals nicht. Dafür waren der Einsatz und das handwerkliche Können der Arbeiterschützen um so größer. Aus dem Vereinsleben ist wenig überliefert, auch wenn sich viele der Genossinnen und Genossen, die damals beteiligt waren, auch später noch gern an die großen Arbeiterschützenfeste in Lieth bei Rasmussen erinnerten.

Die Nationalsozialisten setzten auch diesem eigenständigen Verein ein Ende. Er wurde liquidiert, sein Schießstand, wo auf 50-m- und 100-m-Bahnen mit Kleinkalibergewehren geschossen werden konnte, von den Nazis der Schützenbrüderschaft Weidmannsheil zugewiesen.[8] Einige Mitglieder traten in diesen Verein über, der größere Teil jedoch nicht.[9]

Weitere

Es gab noch weitere Arbeiter-Sportvereine in und um Elmshorn, etwa die oben kurz erwähnten, der Arbeiter-Athletenklub Einigkeit und die Fortuna Langelohe. In der Sonderausstellung von 2013 wird der AC Einigkeit erwähnt, ein 1983 noch bestehender Boxsportverein; es wird allerdings nicht klar, ob er schon vor 1933 gegründet wurde.[10]

Siehe auch

Literatur & Links

Quellen

  1. SPD-Ortsverein Elmshorn: 120 Jahre SPD Elmshorn. Eine Chronik (Elmshorn 1983)
  2. Vgl. SPD Elmshorn: Sonderausstellung], Tafel 12
  3. SPD-Ortsverein Elmshorn: 120 Jahre SPD Elmshorn. Eine Chronik (Elmshorn 1983)
  4. SPD-Ortsverein Elmshorn: 120 Jahre SPD Elmshorn. Eine Chronik (Elmshorn 1983)
  5. Vgl. SPD Elmshorn: Sonderausstellung], Tafel 12
  6. Vgl. SPD Elmshorn: Sonderausstellung], Tafel 12
  7. SPD-Ortsverein Elmshorn: 120 Jahre SPD Elmshorn. Eine Chronik (Elmshorn 1983)
  8. Schützenbrüderschaft Weidmannsheil: Vereinschronik, S. 3
  9. SPD-Ortsverein Elmshorn: 120 Jahre SPD Elmshorn. Eine Chronik (Elmshorn 1983). In der Chronik der Schützenbrüderschaft heißt es, "viele" seien übergetreten.
  10. SPD Elmshorn: Sonderausstellung], Tafel 12