Naturfreunde

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Das historische Emblem der NaturFreunde

Vor allem der Kampf gegen die politische Ausgrenzung und die soziale Verelendung prägten den Beginn der organisierten Arbeiterbewegung, der Parteien und Gewerkschaften. Wer aber unter elenden Bedingungen - sehr lange Arbeitszeiten, niedrige Löhne, menschenunwürdige Wohn- und Lebensverhältnisse litt - hatte in seiner knappen Freizeit Erholung besonders nötig. Als eine von vielen Organisationen der Arbeiterbewegung entstand der Touristenverein Die NaturFreunde.

1895 gründeten der Schmied Alois Rohrauer, der Jurastudent Karl Renner (später Bundespräsident Österreichs) und der Lehrer Georg Schmiedl in Wien den Touristenverein Die NaturFreunde mit dem Ruf "Berg frei!", der bis heute gilt. Die Wiener boten Bergwandern und klettern an. Nie ging es den Naturfreunden aber nur um Tourismus mit Natur und Erholung, sondern immer auch um Verstehen von Zusammenhängen zwischen Natur und Mensch. Mehr noch: das große Ziel dieser Bewegung war und ist die Überwindung einer Gesellschaftsordnung, die auf Ungerechtigkeit und Not basiert. Stattdessen wurde der Aufbau eines neuen Gemeinwesens, das als Grundgedanke die soziale Gemeinschaft aller schaffenden Menschen hat, angestrebt.

Schon vor dem 1. Weltkrieg ging aus dem Wiener Verein eine mitgliederstarke internationale Organisation hervor. Auch in Deutschland wurde in den Mittelgebirgen und an den Küsten gewandert. 1905 gab es in München den ersten Naturfreundeverein in Deutschland. Am 14. Februar 1910 erfolgte die Vereinsgründung in Kiel und am 1. April in Hamburg als Landesverband Nordmark.

Naturfreunde aus Wanderschaft

Für die Wanderungen in der Natur unter Gleichgesinnten zeigte sich ein Bedürfnis unter Mitgliedern, die sich aus allen Berufen und Altersklassen der arbeitenden Bevölkerung zusammensetzten.

In der Vereinszeitschrift Der Naturfreund wird 1913 vermerkt: "KIEL Am 31. Januar fand die dritte Jahreshauptversammlung statt. Im Berichtsjahr hat die Zahl der Mitglieder sich auf 51 erhöht. Es wurden 91 Ausflüge mit einer Teilnehmerzahl von 754 Personen durchgeführt".

Die Ortsgruppe Flensburg beschloss 1915, "das diejenigen Mitglieder, die im Felde stehen Der Naturfreund für die Dauer des Krieges gratis zugestellt wird und die Kosten aus der Ortsgruppenkasse bestritten werden." Dies galt für viele Ortsgruppen.

Der Naturfreund 1916: KIEL "Das Vereinsleben ist auch während des Krieges ein reges geblieben. Die Mitgliederzahl stieg auf 137, die bis jetzt gebotenen Lichtbildvorträge hatten sich eines überaus starken Besuches zu erfreuen."

1920 zählt die Ortsgruppe Kiel 200 Mitglieder, im Inflationsjahr 1923 sogar 248.

In dieser Zeit sah der Verein den "Hüttenbau" als seine wichtigste Aufgabe, aber die absurde Geldentwertung machte zunächst alle Pläne zunichte. Aber dann entstand unter heute kaum noch vorstellbaren Einsatz der Kieler Naturfreunde das Naturfreundehaus in Schönberg/Kalifornien, am Ausgang der Kieler Förde.

Das Naturfreundehaus in Kalifornien am Schönberger Strand 1930

Im 5. Heft Der Naturfreund von 1926 heißt es: "Ein Naturfreundehaus an der Ostsee. Unser Gau Nordmark hat unter beträchtlichen Opfern am Schönberger Strand an der offenen Ostsee ein großes Naturfreundehaus errichtet und somit an den Gestaden des Meeres unsere Bewegung verankert. Das zweistöckige Haus wird in den Schlafsälen 60 bis 70 Betten zählen. Im Dachraum können ebenso viele Personen untergebracht werden. Gut eingerichtete Nebenräume ergänzen das prächtige Haus, das sich auch für Ferienaufenthalte vorzüglich eignet." In den Dokumenten über die Errichtung des Naturfreundehauses der Ortsgruppe Kiel wird ihr Selbstverständnis deutlich: Das Vorhaben konnte nur mit Idealismus, Opferbereitschaft und Gemeinsinn gelingen. Da viele Arbeiten von den Kieler Naturfreunden aus Geldnot selbst ausgeführt werden musste, galt für sie eine lange, bis zu drei Stunden dauernder Anreise, bis zum erreichen der "Arbeitsstelle". Dazu ein Zeitungsartikel von 1930, der Gästen beschreibt, wie sie zum attraktiven Naturfreundehaus kommen können: "Man erreicht das Heim von Kiel aus mit der Kleinbahn zum Schönberger Strand und dann 45 Minuten Gehzeit. Oder vom Städtchen Schönberg aus in 75 Minuten. Oder von Kiel aus mit dem Dampfer bis Laboe und über das alte Fischerdorf Stein in drei Stunden."[1]

Nach der Machtübernahme 1933 durch die Nazis wurden die Gliederungen der Naturfreunde aufgelöst oder verboten. Das Vereinsvermögen wurde Nazi-Organisationen oder staatlichen Stellen zugeschlagen. Das Naturfreundehaus der Ortsgruppe Kiel in Kalifornien wurde unter dem Schutz der Behörden von der Hitlerjugend in Besitz genommen.

Nach der Kapitulation des Deutschen Reiches 1945 fanden die Mitglieder der Naturfreunde, so sie den Krieg überlebt hatten, nach wenigen Monaten wieder zusammen und begannen erneut mit dem Vereinsleben. So fanden bereits im Mai 1926 in Kiel wieder Wanderungen der Naturfreunde statt.[2]

Das Naturfreundehaus Karl-Volkert-Heim etwa in den 1960igern in Kalifornien/Schönberger Strand
Der durch Feuer beschädigte Registrierungsausweis der Kieler Naturfreunde von 1946
Das Mandolinenorchester der Kieler NaturFreunde
die Mitgliedskarte von Franz Pieper von 1958

Der Touristenverein Die Naturfreunde wurde von der englischen Besatzungsmacht 1946 registriert und zugelassen.

Das Naturfreundehaus am Schönberger Strand gelangte erste nach zähen Verhandlungen 1951 wieder in den Besitz der Kieler Naturfreunde.

Das 1929 gegründete Mandolinenorchester der Kieler Naturfreunde entstand ebenfalls wieder. Ein Neubeginn gab es anläßlich eines Geburtstags von Ilse Zilz, der langjährigen Vorsitzenden, vermutlich 1947, als 27 Leute mit ihren Instrumenten zum gratulieren kamen.

"Kerngeschäft" der Kieler NaturFreunde neben dem Betrieb des Naturfreundehauses in Kalifornien war es, gemeinsam zu wandern. Rolf Rabusch war viele Jahre Wanderleiter der Kieler Ortsgruppe.

Heute hat der kleine Verein seinen Schwerpunkt im Umweltschutz.

Zu den Mitgliedern der Naturfreunde zählten und zählen über die gesamte Zeit prominente Sozialdemokraten wie z.B. Paul Löbe, Willy Brandt und Saskia Esken.

80-Jahr Feier der Ortsgruppe Kiel im Naturfreundehaus Kalifornien








Literatur

  • Franz Walter/Viola Denecke/Cornelia Regin Sozialistische Gesundheits- und Lebensreform- Verbände, hier: Viola Denecke S. 241 ff. Der Touristenverein Die Naturfreunde, J.H.W. Dietz Nachf. GmbH Bonn, 1991, ISBN 3-8012-4010-X
  • Jochen Zimmer (Hrsg.) Mit uns zieht die neue Zeit, Die Naturfreunde. Zur Geschichte eines alternativen Verbandes in der Arbeiterkulturbewegung. Pahl-Rugenstein Verlag GmbH Köln, 1984, ISBN 3-7609-0927-2

Links

Quellen

  1. Ursa Dörfer, Kronshagen, unveröffentlichtes Manuskript 2020
  2. Kieler Nachrichten vom 1.5.1946