Rosa Luxemburg

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Rosa Luxemburg
Rosa Luxemburg
Rosa Luxemburg
Geboren: 5. März 1871
Gestorben: 15. Januar 1919

Dr. Rosa Luxemburg, * 5. März 1871[1] in Zamość/Königreich Polen, † 15. Januar 1919 in Berlin, ermordet von Männern der Garde-Kavallerie-Schützen-Division; Politologin (Staatswissenschaftlerin). Unverheiratet. Mitglied der SPD von 1898 bis 1917.

Aufenthalte in Schleswig-Holstein

Kiel

Rosa Luxemburg kam mindestens zweimal, noch als Sozialdemokratin, nach Kiel. Am 18. Januar 1907 sprach sie kurz vor der Reichstagswahl 1907 im "Kaisersaal" an der Werftstraße. Das Interesse war so groß, dass der Saal eine halbe Stunde vor Beginn ihrer Rede überfüllt war und von der Polizei gesperrt wurde. Eine Besucherin (wohl Helene Grünig) berichtete: "Die Menschen sind weiter über den Garten und die Kegelbahn durch die Fenster gestiegen."[2]

In der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung[3] wurde mit einer Anzeige, die sich über die gesamte Seitenbreite erstreckte, auf die Rede hingewiesen (vgl. unten).

Die Volkszeitung referierte die Rede ausführlich[4]:

"Rosa Luxemburg in Gaarden. Die Ankündigung, daß Genossin Luxemburg am Freitagabend im "Kaisersaal" in Gaarden sprechen würde, hatte in der arbeitenden Bevölkerung unserer Stadt und der Umgegend geradezu Sensation gemacht. Schon am Tage nach der ersten Bekanntmachung waren in den meisten Verkaufsstellen die vorhandenen Eintrittskarten vergriffen. Es war denn auch eine förmliche Völkerwanderung, die sich gestern abend aus allen Richtungen nach dem bekannten Versammlungslokal im Gaardener Stadtteil in Bewegung setzte. Lange vor der Eröffnung der Versammlung war der große Saal des Etablissements im wörtlichsten Sinne überfüllt von einer Menge, die, nach Entfernung der Tische und Stühle, Kopf an Kopf in geradezu beängstigender Zusammenpressung auf das Erscheinen der Rednerin mit Spannung, aber in musterhafter Ruhe und Ordnung wartete. Schon vor 1/2 8 Uhr mußte das Lokal polizeilich abgesperrt werden, und die vielen Hunderte, die nach diesem Zeitpunkt noch eintrafen, konnten zu ihrem großen Aerger unverrichteter Sache wieder abziehen. Die Versammlung war auch zahlreich von Frauen besucht. Genossin Luxemburg wurde bei ihrem Eintritt von der Versammlung mit stürmischem Beifall und vielfachen Zurufen der Sympathie begrüßt, eine Kundgebung, die der Leiter der Versammlung, Genosse Grünig, in seiner Eröffnungsansprache mit Recht besonders auf die Stellung der Rednerin als Vorkämpferin und Repräsentantin der russischen Freiheitsbewegung bezog. Auch während ihrer Rede selbst wurde unsere Genossin häufig von spontanen Beifallskundgebungen ihrer Hörerinnen und Hörer unterbrochen.
Anzeige in der Volkszeitung
Rednerin führte etwa folgendes aus: Noch kein Wahlkampf in Deutschland, ja man [kann] sagen in keinem einzigen Lande ist vom Standpunkte der sozialen und geschichtlichen Entwicklung mit so hohem Interesse verfolgt worden, wie der gegenwärtige. Es ist das erstemal, daß der Sozialdemokratie das deutsche Bürgertum wie eine geschlossene Mauer gegenübersteht. Ein und derselbe Kandidat vertritt die verschiedenen Schattierungen der deutschen Bourgeoisie.[5]
[Die Rede ging dann auf die Kolonialpolitik und auf die Russische Revolution von 1905 ein.]
Unsere lieben Freunde von der Reaktion werden ja nicht warten, bis die Sozialdemokratie die Mehrheit der Mandate erreicht hat, um ihre vielfach angekündigten Anschläge wider das demokratische Wahlrecht ins Werk zu setzen. Geben doch in der Tat diese Reichstagswahlerfolge noch lange nicht ein zutreffendes Bild von unserer Stärke. Wo sind die Scharen nicht wahlberechtigter junger Arbeiter, die unzähligen Massen von Frauen, die hinter der roten Fahne der Sozialdemokratie stehen? Nicht einmal unsere Organisationen geben auch nur annähernd einen Begriff von der Macht des revolutionären Heeres, denn es fehlen die Landproletarier, es fehlen die Eisenbahnsklaven, die Postsklaven, die ganz gewiß alle zu uns gehören, und nicht zu der herrschenden Klasse oder zur Regierung. Die Sozialdemokratie ist eben die Führerin der enormen Masse des noch nicht aufgeklärten, noch nicht organisierten Proletariats. In deren Interesse ist es auch ihre Pflicht, die gegenwärtige Wahl so auszunützen, daß sie wie ein Sturmgeläute zur endlichen Befreiung aller Ausgebeuteten, aller Unterdrückten durch die Lande braust. (Enthusiastischer, lang anhaltender Beifall.)
Zur Diskussion meldet sich trotz wiederholter, sich namentlich an etwa anwesende Gegner wendender Aufforderung des Vorsitzenden niemand, worauf die Versammlung nach einem kurzen Appell des Genossen Grünig zur rührigen Beteiligung an den letzten Wahlarbeiten geschlossen wird."

Ein zweites Mal kam sie am 7. April 1910 nach Kiel, um über das den Kampf um das Wahlrecht zu sprechen. Auch hier berichtete die Schleswig-Holsteinische Volkszeitung:

"Die lebhafte, den Kielern von einer Versammlung im 'Kaisersaal' her noch bekannte Vortragsweise der Genossin Luxemburg verfehlte auch gestern ihre Wirkung nicht. Mit gespanntem Interesse verfolgten die Mitglieder ihre Ausführungen, in denen sie mit den herrschenden Parteien scharfe Abrechnung hielt und deren infam-niederträchtiges reaktionäres Verhalten bei der Wahlrechtsreform geißelte. Aber auch mit den übrigen, in dieser Frage mehr nach links stehenden Parteien ging sie scharf ins Gericht. Sie wies u. a. darauf hin, daß das preußische Volk sich schon im Jahre 1848 ein gleiches und direktes Wahlrecht errungen hatte. Anstatt nun die ihm zustehende Aufgabe, Umwandlung des monarchischen in einen demokratischen Staat, zu erfüllen, habe der kapitalistische „Liberalismus“ durch seine Halbheiten das bestehende Wahlrecht wieder beseitigen helfen. Das Dreiklassenwahlrecht sei das Resultat des feigen Verhaltens des preußischen Liberalismus. Aber auch die Freisinnigen, die jetzt wie die Löwen nach der Einführung eines besseren Wahlrechts brüllten, hätten, als sie im Landtag die Majorität hatten, nichts getan, um das Dreiklassenwahlrecht zu beseitigen. Seine wahre Gesinnung habe der Freisinn auch jetzt wieder gezeigt, indem er sich nicht einmal dazu habe entschließen können, gegen die Brutalitäten der Polizei gegen Wahlrechtsdemonstranten zu protestieren. Der Kampf um das Wahlrecht in Preußen werde sich daher zu einem Klassenkampf gestalten, in dem auf der einen Seite das Proletariat, auf der anderen Seite die gesamte reaktionäre Masse steht. Die Reaktion aber sollte aus der Geschichte lernen, welche Macht das Proletariat besitzt, wenn es seinen Willen durchsetzen will. Wenn heute noch nach russischem Muster der Polizeisäbel saust, so sollte man nicht vergessen, daß bei jeder derartigen Machtprobe der Sache des Proletariats ungezählte Scharen neuer, bisher unaufgeklärter Kämpfer zugeführt werden. Eines Tages wird das Volk alsdann in der Lage sein, den Massenstreik, zu dem der Anfang schon gemacht worden ist, mit wuchtigem Erfolg durchzuführen, und zwar nicht auf Grund der Unterstützung der Verbandskassen, sondern des den Massen innewohnenden Idealismus. Obgleich die regierenden Gewalten in dieser Zeit der fortgeschrittenen Entwicklung die Bewegung durch brutale Gewalt zu unterdrücken suchen, wird das Proletariat nicht ruhen, nicht rasten, bis es den Sieg errungen hat. Anhaltender Beifall folgte dem Vortrage."[6]

Flensburg & Süderbrarup

Rosa Luxemburg reiste ständig im Kaiserreich umher, um an allen Orten öffentlich zu reden. Auf einer Reise nach Flensburg gegen Kriegsende machte sie kurz in Süderbrarup Station, um hier zu sprechen. Sie hielt unter freiem Himmel eine Rede, zu der einige Hundert Zuhörer kamen. Leider ist auch dies nur aus mündlicher Überlieferung bekannt. Da aber die Rede in Flensburg geschichtlich feststeht, kann davon ausgegangen werden, dass die Rede in Süderbrarup zumindest plausibel ist.[7]

Links

Einzelnachweise

  1. Zu Unsichberheiten des Geburtsdatums vgl. Wikipedia: Rosa Luxemburg, abgerufen 28.4.2019
  2. Sönnichsen, Nico: Docks für Großkampfschiffe und südliche Feste, in: Lang/Peters/Sönnichsen/Ziefuß (Hrsg.): Kiel zu Fuß. 17 Stadtteilrundgänge durch Geschichte und Gegenwart (Hamburg 1989), S. 187
  3. Schleswig-Holsteinische Volkszeitung, 17.1.1907, 2. Beilage
  4. Schleswig-Holsteinische Volkszeitung, 19.1.1907, 2. Beilage
  5. Die bürgerlichen Parteien hatten sich auf gemeinsame Kandidaten in allen Wahlkreisen verständigt. Im Wahlkreis 7 (Kiel-Neumünster-Rendsburg) kandidierte ein Vertreter der Freisinnigen Partei, d.h. ein Liberaler.
  6. Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Karl Dietz Verlag Berlin, Bd. 7.2, S. 596
  7. Nach: Gäth, Lisa / Küter, Wolfgang / Tikowsky, Hans: Kleine Geschichte der SPD Süderbrarup (Süderbrarup 1988)