Kreisverband Flensburg

Aus SPD Geschichtswerkstatt

Der Kreisverband Flensburg umfasst die Stadt Flensburg ohne den Landkreis Schleswig-Flensburg. Er wurde 1868 gegründet.

Geschichte

26. Mai 1872: Eine Versammlung der Lassalleaner in Flensburg wird überraschend aufgelöst. Die Sozialisten gehen in eine Versammlung der Dänen, um dort Reden zu dürfen. Als der Hamburger Heinrich Christian Radenhausen reden will, soll auch diese Versammlung aufgelöst werden. "Als er [der Oberpolizeidiener Lafranz] obendrein einen Hochrufer auf Hasenclever verhaften wollte, rissen ihn erregte Leute nieder und mißhandelten ihn. Es kam zu einem Tumult und einem lauten Umzug durch die Straßen. Darauf wurde Militär eingesetzt und viele Verhaftungen vorgenommen. Vier Arbeiter erhielten wegen Aufruhr 6 Monate Gefängnis, Bach 14 Tage und Schulz 3 Wochen Haft."[1]

Wilhelm Haberlandt
Der bisher früheste namentlich ermittelte Vorsitzende war Wilhelm Haberlandt (* 25. Dezember 1878, † 1941). Er stand von 1905 bis zum Verbot 1933 an der Spitze der Flensburger SPD, war Fraktionsvorsitzender in der Stadtverordnetenvertretung und Stadtrat, bis 1933 Abgeordneter des Provinziallandtages und gleichzeitig Parteisekretär im 1. Unterbezirk Flensburg-Schleswig-Husum-Tondern.[2][3]

Der Kapp-Putsch vom März 1920 wurde in der Grenzregion durch den laufenden Abstimmungskampf und den nationalen Gegensatz zwischen deutsch und dänisch Gesinnten zusätzlich belastet. Die Stadtspitze bildeten zu dieser Zeit nach Anordnung der Internationalen Kommission, der Flensburg während der Abstimmungszeit unterstand,

"als Bürgermeister der Kaufmann Karl Holm und als Polizeichef der ehemalige Sozialdemokrat Waldemar Sörensen, der schon in der Revolutionsperiode diese Position innehatte, sich aber im Frühjahr 1919 von seiner Partei abwandte und für den Anschluß an Dänemark votierte. Zugleich verließen [...] die letzten Reichswehrtruppen die Stadt. Die städtische Verwaltung unterstand somit der Internationalen Kommission, und ihr war zudem auferlegt, sich politisch neutral zu verhalten."[4]

Dies geschah nicht. Dänisch gesinnte Kreise versuchten mit dem Hinweis, dass in Deutschland in Zukunft keine demokratischen Verhältnisse mehr zu erwarten seien, Stimmen für den Anschluss an Dänemark zu gewinnen; der bürgerliche "Deutsche Ausschuss" hingegen begrüßte den Putsch ganz offen. Die SPD beendete die bisherige Zusammenarbeit mit dem "Deutschen Ausschuss"; ihre Stadtvertreter Wilhelm Haberlandt, Ernst Erfurth und Ferdinand Grabein versuchten später, eine Bestrafung von Unterstützern des Putsches in Flensburg zu erreichen, konnten sich jedoch aufgrund der Machtverhältnisse nicht durchsetzen.[5]

Die Auflösung

Das bemerkenswerteste Ereignis in der langen Geschichte der Flensburger SPD dürfte die Anordnung ihrer Auflösung gewesen sein, die der Parteivorsitzende Kurt Schumacher in einer öffentlichen Rede in Husum am 7. Juli 1946 verkündete. Grund waren unvereinbare Positionen in der Frage der Grenze mit Dänemark; es gab in der Flensburger SPD Bestrebungen, den Anschluss der Stadt nach Dänemark zu suchen, während die Parteiführung und auch große Teile der Landespartei sie als zu Deutschland gehörige Stadt sahen.

Am 19. Juni 1946 hatte der Bezirksvorstand beschlossen, an der Grenzziehung zu Dänemark als Ergebnis des Volksentscheids von 1920 festzuhalten. Als der Kreisverband Flensburg seine Aktivitäten aber nicht einstellte, reagierte Kurt Schumacher - soweit man weiß, ohne Vorinformation, möglicherweise auch in Überschreitung seiner Befugnisse. In seiner Husumer Rede machte er klar:

"Wir wollen ein neues Deutschland, nicht einen neuen Nationalismus, sondern einen gleichgeachteten und gleichberechtigten Bestandteil der Vereinigten Staaten von Europa, dann soll in diesem neuen Deutschland auch Südschleswig dabei sein."[6]

Der Kreisverein, der erst am 4. Januar 1946 die Genehmigung der Militärregierung erhalten hatte, sich neu zu gründen[7], löste sich nicht auf. Nicolaus Reiser blieb Vorsitzender der Ausgeschlossenen, die als Sozialdemokratische Partei Flensburgs (SPF) unabhängig von der Mutterpartei weiterarbeiteten, bis sich die beiden Teile auf dem Bezirksparteitag 1954 wiedervereinigten.

Die SPD gründete einen neuen Kreisverein, dessen Vorsitz Hans Riethmüller übernahm. Mitglieder waren zunächst ca. 20 Einheimische und ca. 150 Heimatvertriebene.[8] Damit gab es in den Jahren 1946 bis 1954 parallel zwei SPDen und zwei Vorsitzende. Der - deutlich kleinere - neue Kreisverein arbeitete ebenfalls bis zur Wiederaufnahme der Ausgeschlossenen, erlangte jedoch in Flensburg keine große Bedeutung.

Bei einer gemeinsamen Kundgebung am 9. März 1953 mit dem Nachfolger des verstorbenen Kurt Schumacher, Erich Ollenhauer, in Flensburg erklärte der Vorsitzende der dänischen Sozialdemokraten, Hans Hedtoft, dass eine erneute Verschiebung der 1920 festgelegten Grenze in Dänemark kein ernsthaftes Thema sei. Dadurch öffnete sich eine Tür für die Wiederannäherung von SPD und SPF.[9] Auf dem Bezirksparteitag im Juli 1954 vereinigte sich die SPF endgültig wieder mit der schleswig-holsteinischen SPD. Eine ganze Reihe ihrer Mitglieder wechselten jedoch in den SSW oder traten der SPD nicht wieder bei.

Nach der Wiedervereinigung

Während Hans Riethmüller sein Amt vermutlich 1954 abgab, blieb Nicolaus Reiser noch bis 1956 Vorsitzender der wieder geschlossenen Flensburger SPD. Der Kreisverein ernannte ihn später zum Ehrenvorsitzenden.

In der Kommunalwahl 1970 errang die SPD mit 17 Sitzen (gegenüber CDU 14 und SSW 8) zum ersten Mal die Mehrheit in der Ratsversammlung und konnte mit Artur Thomsen erstmals den Stadtpräsidenten stellen.[10]

Während der Amtszeit des Vorsitzenden Gert Roßberg in den 1970er Jahren wurden die "Stadtgruppen" eingeführt, 1989 in Ortsvereine umgewandelt.[11]

Nach dem plötzlichen Tod des CDU-Oberbürgermeisters 2004 führte Helmut Trost die Geschäfte. In der Wahl konnte er sich aber nicht gegen den Kandidaten der CDU durchsetzen.

In der Oberbürgermeisterwahl 2016 gelang es der SPD, ein Wahlbündnis mit CDU und Grünen zu schmieden und die Landtagsabgeordnete Simone Lange ins Rennen gegen den Amtsinhaber vom SSW zu schicken. Bereits im ersten Wahlgang konnte sie sich mit 51,4 Prozent der Stimmen durchsetzen. Die SPD stellte zum ersten Mal seit 1999 wieder die Oberbürgermeisterin.

Am 14. November 2018 feierte die SPD Flensburg ihr 150jähriges Bestehen mit einem Festakt.

Im Februar 2021 gab Justus Klebe den Kreisvorsitz ab, um Vorsitzender der Ratsfraktion zu werden. Zunächst kommissarisch übernahmen Birgit Jaspersen und Lars Christiansen den Vorsitz als Doppelspitze. Der 23-jährige Justus Klebe übernahm den Fraktionsvorsitz von 67-Jährigen Helmut Trost, der seit 1984 haupt- und ehrenamtlich in der Kommunalpolitik und -verwaltung tätig und seit 2008 Vorsitzender der Ratsfraktion war.[12]

Bei der Kommunalwahl 2023 wurde die SPD in Flensburg mit 13,5 % nur viertstärkste Kraft hinter SSW, Grünen und CDU. Sie verlor 4,7 % gegenüber der Kommunalwahl 2018.[13]

Am 13. Juli 2023 übernahm Kianusch Stender den Kreisvorsitz, nachdem er sich auf einem Kreisparteitag gegen den spontan kandidieren Felix Ferber mit 31 zu 17 Stimmen durchsetzen konnte. Stellvertreter wurde Florian Matz, Schriftführer Arik Schumann und Beisitzer*innen Christian Dahl, Birgit Jaspersen, Lea Schulz und Johanna Selbert.[14]

Beirat

Der Kreisverband Flensburg hat sich einen Beirat gegeben, nach einer Idee von Wolfgang Wodarg. In diesem Gremium treffen sich monatlich ehemalige Funktionsträger und diskutieren die gesellschaftliche und politische Lage. Koordinator war bis Ende 2015 Gert Roßberg.

Literatur

Links

Kreisverband Flensburg
Kreisverband Flensburg
Kreisverband Flensburg
Gegründet: 1868 als Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein
Wiedergegründet: 1946
Vorsitzende/r: Kianusch Stender
Homepage: http://www.spd-flensburg.de/


Überblick

Gremien

Kreisvorstand

Ortsvereine

Adelby-Engelsby | Flensburg-Mürwik | Flensburger Mitte | Flensburg-Nord | Flensburg-Süd

Personen


Einzelnachweise

  1. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 14
  2. Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (Malente 1998), ISBN 3-933862-24-8 , S. 551
  3. Schartl, Matthias: Landräte und Kapp-Putsch 1920 im nördlichen Schleswig-Holstein, S. 202
  4. Schartl, Matthias: Landräte und Kapp-Putsch 1920 im nördlichen Schleswig-Holstein, S. 199
  5. Schartl, Matthias: Landräte und Kapp-Putsch 1920 im nördlichen Schleswig-Holstein, S. 199 ff.
  6. Zitiert nach: Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 124
  7. Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (Malente 1998), ISBN 3-933862-24-8 , S. 79
  8. Christiansen: Meine Geschichte, S. ?
  9. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 136
  10. Kieler Nachrichten, 15.5.1970
  11. Vgl. Simone Lange: Gert Roßberg - ein Leben für Bildung und Politik, Flensburger Tageblatt, 11.1.2016.
  12. SPD Flensburg: Neues Team an der Spitze der SPD-Ratsfraktion: Justus Klebe ist neuer Vorsitzender. „Der Staffelstab ist übergeben, die SPD-Fraktion startet durch!“, 9. März 2021
  13. Kommunalwahl 2023, bei https://wahlen.flensburg.de/
  14. SPD Flensburg, Facebook, 14.7.2023
  15. davon 13. Juli 1946 - 4. Juli 1954 als Vorsitzender der SPF
  16. bis 1954 Sozialdemokratische Partei Flensburgs (SPF)