Ortsverein Husum

Aus SPD Geschichtswerkstatt

Der Ortsverein Husum ist eine Gliederung im Kreisverband Nordfriesland. Er wurde 1869 gegründet. Mehr zur Geschichte der Husumer SPD siehe unten, "Geschichte".

Der Ortsverein gibt die Bürgerzeitung Wir in Husum heraus.

Am 10. August 2019 feierte die Husumer SPD mit vielen Gästen ihr 150-jähriges Bestehen. Auch Landesvorsitzende Serpil Midyatli würdigte den ältesten Ortsverein in Nordfriesland in einem Grußwort.

Mitglieder im Ortsverein sind u.a. Peter Empen und Carsten Zimmermann.

Vorsitz

Weitere Vorstände siehe Ortsverein Husum - Vorstände

Kommunalpolitik

Seit der Kommunalwahl 2023 am 14. Mai 2023 ist die SPD die drittstärkste Kraft in der Stadtvertretung. Mit 17,8 % liegt sie knapp hinter dem SSW, hat aber wie dieser sieben Sitze. Gegenüber der Kommunalwahl 2018 bedeutete dies einen Verlust von 7,7 %; auch in der vorigen Wahlperiode hatte die SPD aber sieben Sitze.[1]

Gleichzeitig mit der Kommunalwahl wurde ein neuer Bürgermeister gewählt. In der Stichwahl am 4. Juni 2023 konnte sich der Kandidat der SPD, Horst Bauer, mit 46,5 % nicht gegen den Mitbewerber durchsetzen.[2]

Horst Bauer wurde am 31. August 1962 in Löwenstedt/NF geboren. Seit 1987 lebt er in Husum, seit 1988 sind er und seine Frau Sybille verheiratet. Sie haben drei Kinder. Nach Zivildienst und Studium der sozialen Arbeit an der Fachhochschule Kiel ist er seit Mai 1993 in der Stadtverwaltung Flensburg tätig - Jugendamt, Migrationsberatung, Drogenberatungsstelle und seit 2004 Leitung der Abteilung Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung mit derzeit 50 Mitarbeiter*innen.

Schon seit 1987 engagiert er sich in der Husumer SPD, von 2013 bis 2023 war er Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Stadtvertretung.[3]

Geschichte

"April 1869 [...] unternahm ein Schneidergeselle namens Hermann Kühn den Versuch, in Husum eine Ortsgruppe des ADAV ins Leben zu rufen. Die Genossen hatten es in Husum nicht leicht. War Husum doch keine Stadt mit Fabriken mit vielen Arbeitern. Der größte Betrieb war damals wohl die Husumer Bierbrauerei, die etwa 20 Menschen beschäftigte. So waren es also in Husum zunächst die freien Handwerker, die versuchten, die lassalleanischen Ideen zu verbreiten. Doch [die] Genossen galten als "vaterlandslose Gesellen" und wurden vom Bürgertum misstrauisch beäugt und verachtet. Auch der königlichen Regierung zu Schleswig war die Bewegung ein Dorn im Auge, Versammlungen waren anzumelden und konnten nur unter polizeilicher Beobachtung durchgeführt werden. Über die Versammlungen war der königlichen Regierung innerhalb von acht Tagen Bericht zu erstatten. In der Amtszeit von Emanuel Gurlitt als Husumer Bürgermeister observierte dieser eine Reihe von Versammlungen in der Husumer Centralhalle höchstpersönlich, unermüdlich auf der Suche nach Gründen, diese Versammlungen aufzulösen, um dann über seine Erfolge diesbezüglich Bericht an die Regierung zu erstatten. Den Aufforderungen, die Versammlungen zu beenden, leisteten die Genossen zwar Folge, nicht ohne aber die Gelegenheit beim Schopfe zu ergreifen, noch einmal lautstark die Arbeitermarseillaise zum Besten zu geben. [...]
Wie schwer das Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie von 1878 es der Arbeiterbewegung auch machte, die Idee als solche war nicht aufzuhalten. Bismarcks Sozialgesetzgebung Ende des ausgehenden 19. Jahrhunderts wäre nicht ohne den Druck der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung denkbar gewesen.[4]

Von einer ungewöhnlichen Veranstaltung zeugt der folgende Bericht:

"Gestern abend fand auf 'Friedrichsberg' eine socialdemokratische Volksversammlung statt, in der die bekannte Frau Apotheker Ihrer aus Pankow sprach. Die Versammlung war von etwa 80 Personen, darunter auch einige Frauen, besucht. Der Vortrag war ein recht fließender, unterschied sich aber in Inhalt und Ausdrucksweise nicht wesentlich von andern Vorträgen dieser Art. Die Rednerin richtete sich besonders an den Mittelstand und suchte nachzuweisen, dass der kleine Handwerker, der untere Beamtenstand und besonders auch der schlecht besoldete Lehrerstand der Socialdemokratie innerlich ergeben sei, wenn auch gerade die Lehrer, als Knechte der bestehenden Gesellschaftsordnung, um nicht ihr Brot zu verlieren, gezwungen wären, den Kindern den Patriotismus beizubringen und sie lediglich im Sinne der herrschenden Classen zu erziehen. Besonders wurde von der Rednerin auch das Recht der Frau, in der Politik mitzureden, betont. Eine Discussion fand nicht statt."[5]

"In der Politik mitzureden" war den Frauen um diese Zeit offiziell noch verboten; dies sollte sich erst 1908 ändern, als der preußische Staat es ihnen endlich erlaubte. Die erste bekannte Husumer Sozialdemokratin, Christine Petersen, war zur Zeit dieser Rede noch ein Kind; die älteste Tochter des Bierkutschers Tüchsen kam 1888 zur Welt. Es ist aber denkbar, dass sie durch ihre Eltern oder andere davon erfuhr, weil der Besuch diskutiert wurde und im Gedächtnis blieb. Ihr Vater starb früh, ihre Mutter musste acht Kinder durchbringen. Nach dem Besuch der Bürgerschule wurde die älteste Tochter Hausmädchen und unterstützte auch die Mutter, die mit der Versorgung von "Kostgängern" Geld verdiente. Christine Tüchsen heiratete den Buchdrucker Hans Petersen, bekam mit ihm drei Kinder und trat kurz nach ihm 1908 in die SPD ein. Sie engagierte sich, wie für Frauen üblich, im sozialen Bereich.[6]

"Die erste sozialdemokratische Repräsentation im Stadtparlament gab es erst im Jahr 1912, als der Schneidermeister Fritz Klußmann überraschend gewählt wurde.
Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs zählte die SPD im Reichstagswahlkreis 4.381 Mitglieder. 83 von ihnen waren Frauen. Die SPD war die einzige Partei, die sich im Reichstag schon 1895 für das Wahlrecht von Frauen eingesetzt hatte. [...] zur Stadtverordnetenwahl im März 1919 [zog] erstmals eine Frau für die SPD in das Stadtparlament in Husum ein. Dies war Christine Petersen.[4]

Im Rahmen der Novemberrevolution sprach Lothar Popp (USPD) vom obersten Kieler Soldatenrat am 5. Januar 1919 in Hensens Garten in Husum, stieß aber bei der Presse auf wenig Gegenliebe: Sie berichtete von "nur einigen 100 Zuhörern. ... Die Ausführungen fanden nur wenigen Beifall." Insgesamt sei Husum "kein Feld" für diese Partei.[7]

Christine Petersen

Auf Platz 8 der "Liste Klußmann" (von 8 SPD-Stadtverordneten) gewählt, arbeitete Christine Petersen in der Armenkommission, der Kommission für Kriegshilfe, dem Ausschuss für die Mädchen-Fortbildungsschule und der Schuldeputation. Für die Armenkommission musste sie Hausbesuche zur Überprüfung der Bedürftigkeit machen; zu ihrem Bezirk gehörte eine Siedlung aus Eisenbahnwaggons, in denen Obdachlose untergebracht waren. Trotz einer Gehbehinderung erledigte sie diese Aufgabe konsequent.[6]

Zur Kommunalwahl 1924 hatte sich die politische Stimmung in Husum gedreht, deutschnationale und rechtsradikale Kräfte waren im Vormarsch. Zwar stand Christine Petersen wieder auf der SPD-Liste, doch sicher nicht viel weiter oben, und die Partei erreichte diesmal nur zwei Sitze.[8]

Über den Arbeiterbauverein konnten sich die Petersens in dieser Zeit ein Haus bauen oder kaufen. 1933 verlor Hans Petersen dann mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten seinen Arbeitsplatz als Krankenkassenangestellter. Die Familie vermietete möblierte Zimmer und kultivierte - wie viele Arbeiterfamilien - den eigenen Kleingarten.[6]

"[...] Vorsitzende des Reichsbanners waren [ab 1924] der Maurer Fritz Carstens und der SAJ-Vorsitzende Walter Lurgenstein, beide Sozialdemokraten. Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold macht mit vielen Veranstaltungen in Husum auf die Gefahr von rechts aufmerksam.
Trotz unermüdlichem Einsatz für den Erhalt der jungen Demokratie endet sie am 30. Januar 1933."</ref>[4]

1983, zwei Jahre nach ihrem Tod, beschloss die Husumer Ratsversammlung, Christine Petersen zusammen mit drei anderen herausragenden Frauen aus der Stadtgeschichte durch die Benennung von Straßen in einem Neubauviertel in Nordhusum zu ehren. Seitdem gibt es dort eine Christine-Petersen-Straße.[9]

1933 kam es in Husum zu einem Akt des Widerstandes gegen das neue Regime der Nazis: Ein Maurer, ein Schlosser, ein Angestellter der Stadtwerke und der Schmied und Eisenbahner Rudolf Schütze holten eines Tages im Morgengrauen die Nazifahne vom Schornstein der Husumer Möbelfabrik und hissten statt dessen die rote Fahne der "Eisernen Front". Die Nazis "korrigierten" dies am nächsten Tag, aber die Männer überlebten ihre Aktion. Rudolf Schütze, Mitglied der SPD seit dem 1. Juli 1922, war 1979 allerdings als einziger noch am Leben.[10]

Unterlagen des Ortsvereins wurden zu Beginn des "Dritten Reichs" beschlagnahmt und befinden sich heute im Bestand des Landesarchivs Abt. 384.1[11]

"Doch wie haben die Husumer Genossen das dunkelste Kapitel in der deutschen Geschichte erlebt? Darüber wissen wir nur wenig, aber [trotz Behinderungen und Presseverbot zur Kommunalwahl im März] gelingt es, drei Mandate in Husum zu erringen. Ihr Mandat ausüben, das können die drei SPD-Vertreter nicht. Nachdem ihnen auf der Sitzung des Stadtparlaments am 11.4.1933 von Seiten der NSDAP-Vertreter offen gedroht wird, legen sie ihre Mandate nieder. Schon am Tag nach Inkrafttreten des Ermächtigungsgesetzes [ 25. März ] waren beim Ortsvereinsvorsitzenden Meinhard Albrecht in der Rosenstraße und bei Walter Lurgenstein Hausdurchsuchungen vorgenommen worden, beide werden anschließend in Schutzhaft genommen.

1944 [am 14. August im Rahmen der Aktion Gewitter ] kommt es zu weiteren Verhaftungen unter den Husumer Genossen. Christine Petersen entkommt dem Transport ins KZ nur weil der Transportzug unter Tieffliegerbeschuss gerät und zurück nach Kiel fährt. Kurz nach dem Attentat des 20. Juli 1944 wird der Fischer Mathias Jacobsen verhaftet und ins KZ Neuengamme gebracht. Sein Sohn wendet sich in einem Brief an Heinrich Himmler persönlich, bittet um die Freilassung des Vaters und lässt sich selbst an die Front versetzen. Daraufhin wird Mathias Jacobsen am 26. September wieder freigelassen. Auch Meinhard Albrecht wird 1944 wieder verhaftet und muss den Gang ins KZ antreten.

Nach dem 2. Weltkrieg setzt die SPD in Husum ihre Arbeit dort fort, wo sie 1933 geendet hatte. [...] Meinhard Albrecht wird zum Ortsvereinsvorsitzenden gewählt, Fritz Carstens wird stellvertretender Ortsvereinsvorsitzender. Im Januar 1946 kommt das von den Briten ernannte Stadtparlament im Thomas Hotel erstmals zusammen. Es sind sieben Sozialdemokraten unter den Stadtverordneten, unter ihnen Meinhard Albrecht, Walter Lurgenstein, Fritz Carstens und Fritz Lorenzen."[4]

Während einer öffentlichen Kundgebung in Husum erklärte am 7. Juli 1946 der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher den Sozialdemokratischen Verein Flensburg für aufgelöst, weil er den Beschluss des Bezirksvorstands zur Südschleswig-Frage nicht akzeptierte. In seiner Rede machte der Parteivorsitzende klar:

"Wir wollen ein neues Deutschland, nicht einen neuen Nationalismus, sondern einen gleichgeachteten und gleichberechtigten Bestandteil der Vereinigten Staaten von Europa, dann soll in diesem neuen Deutschland auch Südschleswig dabei sein."[12]

Damit bewirkte er die Gründung der Sozialdemokratischen Partei Flensburgs; die SPD spielte in der Grenzstadt auf Jahre keine Rolle mehr.

Links

Einzelnachweise

  1. Wikipedia: Husum, abgerufen 28.6.2023
  2. Der Landeswahlleiter: Stadt Husum - Bürgermeisterwahl, abgerufen 28.6.2023
  3. SPD Husum: Ihre Stimme für Horst Bauer, abgerufen 28.6.2023
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 Auszüge aus der Festrede von Susanne Rignanese zur Feier zum 150- jährigen Bestehen des SPD Ortsvereins Husum am 10.8.2019
  5. Husumer Wochenblatt, 16.10.1895, zit. in Carstensen, Siegfried: Emma und Ina Carstensen. Zwei starke Frauen in Nordfriesland (Husum 2021), S. 57
  6. 6,0 6,1 6,2 Husumer Frauengeschichtswerkstatt: Die ersten Politikerinnen. Das erkämpfte Frauenwahlrecht (Husum 2020), S. 22 f.
  7. Verm. Husumer Wochenblatt, zit. in Carstensen, Siegfried: Emma und Ina Carstensen. Zwei starke Frauen in Nordfriesland (Husum 2021), S. 95
  8. Carstensen, Siegfried: Emma und Ina Carstensen. Zwei starke Frauen in Nordfriesland (Husum 2021), S. 113
  9. Carstensen, Siegfried: Emma und Ina Carstensen. Zwei starke Frauen in Nordfriesland (Husum 2021), S. 133 f.
  10. "Soll er sich doch nasse Füße holen", DER SPIEGEL, 27.8.1979
  11. Schreiben 395/2016 des Leitenden Archivdirektors Prof. Dr. Dr. Rainer Hering an den SPD-Landesverband, Ralf Stegner, vom 10.2.2016
  12. zitiert nach: Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 124