Arbeitsgemeinschaft der SPD für Akzeptanz und Gleichstellung

Aus SPD Geschichtswerkstatt

Die Arbeitsgemeinschaft der SPD für Akzeptanz und Gleichstellung (SPDqueer) ist seit 2011 eine Arbeitsgemeinschaft der SPD auf Bundesebene. Bis 2016 hieß sie Arbeitsgemeinschaft Lesben und Schwule in der SPD (Schwusos).

Aufgaben

Aufgaben der SPDqueer sind:

  • Dafür zu arbeiten, dass die Akzeptanz zwischen hetero- und nicht heteronormativen Menschen zur gesellschaftlichen Normalität und Selbstverständlichkeit wird.
  • Dafür zu arbeiten, dass Vorurteile, Diskreditierungen und Diskriminierungen gegenüber queeren Menschen überwunden werden.
  • Darauf hinzuwirken, dass den Interessen der queeren Menschen im Prozess der Willensbildung politisch und personell Rechnung getragen wird.
  • Für den Dialog mit gesellschaftlichen Verbänden und der deutschen, europäischen und internationalen Gleichstellungsbewegung zu sorgen.
  • Die Repräsentanz der SPD in zivilgesellschaftlichen Interessensvertretungen der queeren Community zu fördern.

Vorsitz

Am 12. August 2012 wurde Gerrit Politz, später Gerrit Köhler, (Neumünster) zum Landesvorsitzenden gewählt.

Seit 16. Januar 2016 ist Maik Grill Landesvorsitzender.

Weitere Vorstände siehe Arbeitsgemeinschaft der SPD für Akzeptanz und Gleichstellung - Vorstände.

CSD Kampagnen

  • 2023 Safety Queer: Unsere Vielfalt schützen!
  • 2022 STADT-LAND-BUNT - RESPEKT FÜR DEINE VIELFALT
  • 2021 Zeit für ein Update
  • 2020 MEHR COMMUNITY WAGEN.

Entwicklung

Gründung der "Schwusos"

Für den 1978 hauptsächlich von schwulen Jusos gegründeten Arbeitskreis gegen die Diskriminierung Homosexueller bürgerte sich schnell die Kurzform "Schwusos" ein. Sie waren vermutlich auch in Schleswig-Holstein aktiv; bisher liegen dazu jedoch keine Informationen vor. In den Jahren vor 2011 gab es sie in Schleswig-Holstein jedenfalls nicht mehr.

2011 wurde der AK vom Parteivorstand offiziell als Arbeitsgemeinschaft Lesben und Schwule in der SPD (Schwusos) anerkannt und erhielt damit stärkeres Gewicht als zuvor.

Seit Mai 2011 existierte ein Lübecker Schwuso-Arbeitskreis, von dem der Impuls zur Wiedergründung auf Landesebene ausging. Am 26. August 2011 luden sie zu einem ersten landesweiten Treffen nach Lübeck ein. Dort übernahm eine fünfköpfige Orga-Gruppe die Vorbereitung des nächsten Treffens am 22. Oktober 2011 in Neumünster. Uli Poppe wurde zum Sprecher gewählt, René Reincke zum Stellvertreter. Am 12. August 2012 konstituierte sich die Landesarbeitsgemeinschaft auf der Gründungsversammlung in Neumünster.

Umbenennung in SPDqueer

Die Schwuso-Bundeskonferenz stimmte am 15. Oktober 2016 dafür, die Arbeitsgemeinschaft in SPDqueer - Arbeitsgemeinschaft der SPD für Akzeptanz und Gleichstellung umzubenennen.[1] Der Parteivorstand beschloss diese Umbenennung am 12. Dezember 2016.[2]

Die Gründe für die Umbenennung erläuterte Bundesvorsitzende Petra Nowacki:

"Heute sind etwa 25 % der Mitglieder in der AG Frauen sowie trans* und intergeschlechtliche Menschen oder Personen, die sich noch ganz anders bezüglich ihrer sexuellen Orientierung und/oder geschlechtlichen Identität definieren und gar nicht in irgendein Raster von schwul, lesbisch, bi, trans* oder inter einsortiert werden wollen. Im Vorstand ist die Arbeitsgemeinschaft quotiert. [...]
Die SPD ist die Partei der sozialen Inklusion. Da ist es klar, dass es nicht tragbar ist, einen exklusiven Namen zu führen, der viele Menschen ausschließt. Der Begriff Queer hat sich inzwischen im deutschsprachigen Raum als "Dachbegriff" in der Community etabliert. Wir verstehen ihn so, dass damit jede*r mit der jeweiligen ganz persönlichen Identität wahrgenommen wird und einbezogen ist, egal, ob er*sie sich selbst individuell als lesbisch, bi, trans, schwul, queer oder noch anders definiert."[2]

Die Landesarbeitsgemeinschaft nennt sich laut ihrer Website Arbeitsgemeinschaft der SPD für Akzeptanz und Gleichstellung (SPDqueer), Landesverband Schleswig-Holstein.

Vorgeschichte

Kaiserreich

Seit 1872 verbot der § 175 des Reichsstrafgesetzbuchs sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts und ermöglichte somit die Verfolgung Homosexueller. Gleichzeitig gab es aber auch immer Stimmen, die sich gegen das Verbot wandten; bspw. das "Wissenschaftlich-humanitäre Komitee".

In den frühen Jahren der Sozialdemokratie spielte Homosexualität in der Politik keine Rolle. Einen ersten Aufschlag machte Eduard Bernstein 1895 in Die Neue Zeit mit einem Artikel unter der Überschrift Die Beurtheilung des widernormalen Geschlechtsverkehrs[3]. Er argumentierte, dass es falsch sei, wenn aus reiner Lust ausgeübter heterosexueller Sex anders bewertet werde als der zwischen Männern. Allerdings unterschied er zwischen homosexuellem Sex in einer innigen Beziehung und "wilder Unzucht". Er vertrat damit eine Meinung, die in der Sozialdemokratie zur der Zeit nicht selten gewesen sein dürfte.[4]

1897 gelang es dem Vorsitzenden des Wissenschaftlich-humanitären Komitees, Magnus Hirschfeld, mit einer Petition zur Streichung des § 175, 6.000 Unterschriften hinter sich zu versammeln. Ein Jahr später brachte sie der SPD-Vorsitzende August Bebel in den Reichstag ein - erfolglos. Pläne der konservativen Regierung, den § 175 auch auf Frauen auszuweiten, wurden vom Ersten Weltkrieg und der Novemberrevolution gestoppt.

Die SPD setzte sich für die Abschaffung des § 175 ein, skandalisierte aber auch immer wieder Homosexualität, wenn es um reiche Menschen ging:

"Einerseits soll der § 175 abgeschafft werden, andererseits wird Homosexualität als 'widernatürliches Laster' stigmatisiert und als typisch für die höheren Klassen bezeichnet. Diese Widersprüchlichkeit könnte dadurch erklärt werden, dass die SPD Homosexualität in Kombination mit Kapital, was automatisch zur Korruption führe, verurteilt, aber im allgemeinen auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft ist und Homosexualität als natürlich ansieht. Im Allgemeinen sehe die Sozialdemokratie homosexuellen Verkehr nicht als Indikator einer dekadenten Gesellschaft im Zerfallsprozess, was seit der Antike ein geläufiges Bild war, sondern weise darauf hin, dass Homosexualität in allen Gesellschaften zu finden sei."[4]

Bundesrepublik Deutschland

Auch nach den Erfahrungen der NS-Herrschaft, als Homosexuelle wie Richard Grune auf der Grundlage eines verschärften § 175 in Konzentrationslager gesperrt oder ermordet wurden, änderte die Bundesrepublik Deutschland 34 Jahre lang nichts an ihrer Kriminalisierung. Im Gegensatz zur DDR, die immerhin zum Vor-NS-Wortlaut des Paragraphen zurückkehrte, wurden Homosexuelle weiterhin nach dem NS-Gesetz bestraft. Erst die Reformen von 1969 und 1973 erlaubten Erwachsenen, ihre Neigung ohne Angst vor dem Gesetz zu leben. Maßgeblichen Anteil an der Reform 1969 hatte Justizminister und der spätere Bundespräsident Gustav Heinemann.[5] Er setzte die Neufassung trotz heftigster Attacken von Seiten der katholischen Kirche durch.[6]

Nach der Wiedervereinigung 1994 wurde der § 175 ganz aufgehoben.[7]

2016 sorgte Justizminister Heiko Maas[8] dafür, dass die strafgerichtlichen Urteile und Unterbringungsanordnungen, die auf Basis des §175 ergangen waren, aufgehoben wurden und die Verurteilten eine Entschädigung erhielten.[9]

Erstmals am 27. Januar 2023 wurde in der Gedenkstunde des Deutschen Bundestages auch der Verfolgung sexueller Minderheiten durch die Nationalsozialisten gedacht.[6]

Links

Einzelnachweise

  1. Beschlussbuch Bundeskonferenz 2016, S. 3
  2. 2,0 2,1 Willkommen SPDqueer - Respekt für die Ära Schwusos, Presseinformation, 12.12.2016
  3. Bernstein, Eduard: Die Beurtheilung des widernormalen Geschlechtsverkehrs, Die Neue Zeit, 13.2.1895, S. 228-233
  4. 4,0 4,1 Bergers, Hendrik: Der Fall Krupp. Ein Skandal der Homosexualität, 2013
  5. Steinke, Ron: "Ein Mann, der mit einem anderen Mann...", in: Forum Recht, Heft 2/2005, Seite 60-63
  6. 6,0 6,1 Die Verfolgung von Homosexuellen ging in der BRD weiter
  7. Wikipedia: § 175, abgerufen 5.1.2024
  8. Deutschlandfunk: Verurteilte Homosexuelle sollen rehabilitiert werden, 11.05.2016
  9. Bundesjustizministerium: Rehabilitierung und Entschädigung wegen homosexueller Handlungen verfolgter Personen, 27. Juli 2023