Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel – Distrikte

Aus SPD Geschichtswerkstatt

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Nach seiner Gründung zum 1. Oktober 1911 gliederte sich der Sozialdemokratische Verein Groß-Kiel in sieben Distrikte. Der Parteitag des übergeordneten Agitationsbezirks hatte 1904 entschieden, dass es in jedem Ort nur einen sozialdemokratischen Verein geben solle. Folglich schlossen sich die – nach mehreren Eingemeindungen – vier Vereine auf Kieler Stadtgebiet zusammen. Offenbar gab es aber dennoch das Bedürfnis einer darunter liegenden Organisationsebene. 1945 orientierte man sich zunächst an der überlieferten Struktur.

Vorgeschichte

Vermutlich war es auch schon vor 1911 durch die personelle Größe des Kieler Vereins (z.B. 1904: 2121) nötig, eine organisatorische Untergliederung zu bilden. Hinweise darauf liefern a) die Tatsache, dass später die Distrikte auch in Bezirke untergliedert waren, und b) dass belegt ist, dass der Ortsverein Kopperpahl und Umgegend 1906 zunächst als Sozialdemokratischer Ortsverein Kiel, Bezirk Kopperpahl - 1906 - bei den Behörden geführt wurde, sowie c) das „Verschwinden“ des eigenständigen Wiker Vereins zwischen seiner Gründung 1894 und 1904.

Im Verlauf des Vorstandsjahres 1907/08 gab es eine größere organisatorische Veränderung im Verein, denn das Stadtgebiet wurde in Distrikte und Bezirke eingeteilt, um zielgerichteter agitieren zu können. Der Vorsitzende Söhnker stellte in seinem Rechenschaftsbericht fest, dies habe sich bei den Wahlen bewährt: „Je tüchtiger die Bezirksführer, um so größer der Erfolg.“[1]

Ab 1911

Welche Aspekte den Ausschlag für die Einrichtung von Distrikten gaben und nach welchen Gesichtspunkten bzw. entlang welcher Grenzen sie abgegrenzt wurden, lässt sich bisher nicht mehr eindeutig ermitteln. Vermutlich wird aber die große Zahl an Mitgliedern - es waren rund 9000 - , denen die regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen, wahrscheinlich auch möglichst wohnortnah/fußläufig, ermöglicht werden sollte und die monatlich an ihren Wohnungstüren abzukassieren waren, den Ausschlag gegeben haben. Womöglich hatte es auch schon zuvor im Verein „Kiel und Umgegend“ Zahlstellen gegeben, wie sie für Hamburg 1904 belegt sind[2]

Es wurden die folgenden Distrikte eingerichtet:

Die ursprüngliche Einteilung könnte sich, inspiriert von der Einrichtung von Zentralvereinen für die Reichstagswahlkreise, an den 1911 bestehenden fünf Wahlbezirken zur Stadtverordnetenwahl plus einer Berücksichtigung der vorigen Gemeindegrenzen bzw. eigenständigen Vereine sowie der jeweiligen Mitgliederzahlen (Gaarden: 2325; Hassee: 983; Ellerbek: 564 gegenüber „Alt“-Kiel: 5491) und Wählerpotentiale in dem Gebiet orientiert haben.

Der Bezirk I umfasste die Stadtteile Südfriedhof sowie Hassee und Gaarden-Süd. 1911 lebten hier 8030 wahlberechtigte Männer, im Vorjahr waren 52,8% Arbeiter gewesen. Im ersten Bezirk hätten dann die Distrikte Süd und Hassee bestanden. Der Bezirk II schloss sich nördlich daran an und war etwa durch die Linie Fleethörn-Schrevenpark-Eckernförder Str. von Bezirk III getrennt. Hier lebten 5252 Wahlberechtigte, im Vorjahr 43,8% Arbeiter. Der Bezirk III schloss sich daran an und war nach Norden etwa entlang Schwanenweg-Schauenburgerstr.-Gutenbergstr. abgegrenzt. Hier lebten 5176 Wahlberechtigte, im Vorjahr 40,4% Arbeiter. Der zweite und dritte Bezirk wären gemeinsam vom Distrikt West abgedeckt worden. Der Bezirk IV umfasste überwiegend die Stadtteile Wik, Düsternbrook, Blücherplatz und Ravensberg. Hier lebten 5814 Wahlberechtigte, im Vorjahr 44,2%. Für den vierten Bezirk wäre der Distrikt Nord zuständig gewesen. Der Bezirk V umfasste Gaarden(-Ost), Ellerbek und Wellingdorf. Hier lebten 8288 Wahlberechtigte, im Vorjahr 74,7% Arbeiter. Im fünften Bezirk, der fast ausschließlich von Arbeiterfamilien bewohnt war, hätten die Distrikte Ost (Gaarden), Ellerbek und Wellingdorf bestanden.

//Die Darstellung der Wahlbezirke und der Wählerzahlen beruht auf Rainer Paetau: Konfrontation oder Kooperation, S. 533/ Tab. 30, der sich auf die Akten 22010 und 28654 im Kieler Stadtarchiv bezieht.//

Laut Paetau gliederten sich die Distrikte in Parteibezirke (S. 64), seine Quellen dazu sind das „Regulativ für den Kieler Ortsverein“ (Anmerkung 48, zu finden: AdsD LV-SH 4), außerdem das „Handbuch für Ortsvereine“ (1924, verschiedene Auflagen antiquarisch erhältlich und im AdsD).

Ausserdem vermutet er, dass die Bezirke in Wohnblocks oder Straßenzüge aufgeteilt waren, die von Vertrauenspersonen betreut wurden, gibt dazu aber keine nähere Begründung und hat keine Quellen.

Der eher organisatorischen-informatorische Charakter der Distrikte zeigte sich zum Beispiel durch die am 24. Oktober 1912 zeitgleich abgehaltenen Distriktversammlungen, in denen die Stadtverordnetenfraktion als alljährlicher Wahlkampfauftakt Beticht erstattete.[3]

Die Distrikte hatten aber offenbar auch eine gewisse politische Eigenständigkeit, jedenfalls beantragte der Distrikt Süd beim Bezirksparteitag 1913, Flensburg, dass Frauen nicht unter allen Umständen in den Vorständen der Partei vertreten sein müssten, sondern in erster Linie die tüchtigsten Personen.[4]

Entwicklung in der Weimarer Republik

Ende der 1920er Jahre gibt es im OV Groß-Kiel 12 Distrikte:

  • Neumühlen-Dietrichsdorf
  • Wellingdorf
  • Ellerbek
  • Ost (i.e. Gaarden-Ost)
  • Gaarden (i.e. Gaarden-Süd)
  • Hassee
  • Süd
  • Altstadt
  • West
  • Nord
  • Holtenau
  • Friedrichsort

(Nach Auskunft von Jürgen Weber)

Nach 1945

Die Distrikte des entstehenden Kreisvereins Kiel wurden entlang insgesamt anderer Grenzen neu gegründet. Möglicherweise spielten erneut die Wahlkreise für die erste Wahl zur Ratsversammlung 1946 eine Rolle, diese waren: I Altstadt, II Nord, III Wik, IV Nord-West, V West, VI Süd, VII Gaarden-Ost, VIII Gaarden-Süd, IX Hassee, X Ellerbek/Wellingdorf/Neumühlen-Dietrichsdorf, XI Friedrichsort/Holtenau, XII Elmschenhagen.[5]

Dorothea Franke schrieb (Bauvolk S. 226), die SPD Kiel hätte sich zunächst in 14 Distrikte gegliedert. Das würde zu den o.g. Wahlbezirken passen, wenn man X noch in Ellerbek/Wellingdorf und Neumühlen-Dietrichsdorf sowie XI in Holtenau und Friedrichsort teilt, was schon aus geographischen Gründen sinnvolle Abgrenzungen gewesen wären.

1951 sollen es dann, laut Holger Martens,[6] 15 Distrikte gewesen sein. Da es weitere Eingemeindungen erst später gab (zuerst Suchsdorf 1958) und zu diesem Zeitpunkt auch noch keine großen Neubaugebiete entstanden sein dürften, müsste es wohl eine Aufspaltung gegeben haben, die sich aber nicht offensichtlich rekonstruieren lässt. Vielleicht nennt Holger Martens in seinem Buch ja die Namen der Distrikte oder man kann selbst in seine Quelle bzw. eine andere Liste aus der Zeit von Ende der 40er bis Ende der 50er Jahre gucken. Laut der OV-Liste auf der Seite Kreisverband Kiel soll es mal einen OV Friedrichsort (also ohne Pries) gegeben haben, womöglich liegt darin also die Erklärung für einen Anstieg von 14 auf 15. Immerhin gab es dort relativ zu anderen Stadtteilen im Außenbereich ziemlich viele Einwohner (in den 20er allein in Pries fast 4000/Wikipedia) und vermutlich einen hohen Anteil an Arbeitern bedingt durch die großen Industriebetriebe.

Ende der 50er bekam der Kreisverein alle kassierten Beiträge und trug dafür auch die Ausgaben der Distrikte. Lediglich das Geld aus Spenden und Tellersammlungen verwalteten die Distrikte selbst (Protokoll Suchsdorf 3.1.58).

Allerdings müsste es dann zwischenzeitlich auch wieder eine Zusammenlegung von zwei Distrikten gegeben haben (Nord und Nordwest? Deren spätere Teilungsgeschichte 1971/72 ist jedenfalls noch nicht ganz transparent.), denn als der Ortsverein Suchsdorf 1958 zu Kiel kam, wurde er der 15. Distrikt (laut Protokoll der Mitgliederversammlung am 3.1.58).

1959/60 gab es 17 Distrikte (Rechenschaftsbericht Landesparteitag 1960), das wären anknüpfend an die Zahl von Martens dann durch die Eingemeindungen zusätzlich Suchsdorf (1958) und Schilksee (1959). Anknüpfend an das Suchsdorfer Protokoll hätte ich dann in diesen zwei Jahren schon wieder irgendwo eine Aufspaltung gegeben haben müssen.

1964 wurde der OV Mettenhof gegründet (:18 OVs), 1970 wurde Russee eingemeindet (:19 OVs), außerdem 1970 Meimersdorf, Moorsee, Rönne und Wellsee (:20 OVs). Diese Zahl steht aber, s.u., im Widerspruch zum Rechenschaftsbericht 1973. Es verbleibt Nachforschungsbedarf.


Albert Witte schrieb in „Wir sind das Bauvolk“ über die Absichten zum Wiederaufbau der Partei 1945: wie vor 1933 - Bildung des Ortsvereins, gegliedert in wenige große Distrikte, kein Delegiertenprinzip

Dennoch beschloss die Mitgliederversammlung am 21.12.1946 das Delegiertenprinzip: 1 Delegierte pro 25 Mitglieder eines Distrikts (Bauvolk, S. 58). Dies war womöglich der Beginn der Aufwertung der Distrikte zu Ortsvereinen mit eigener (lokal-)politischer Aufgabe.

1971/72 wurden die Ortsvereine in Kiel neu zugeschnitten, sodass es 24 statt zuvor 20 waren (Quelle: Seite Kreisverband Kiel - im Bericht zum Landesparteitag 1973 heißt es hingegen, dass es am 1.7.71 19 OVs, am 31.12.72 dann 24 gegeben hätte) - (wiederum?) unter Berücksichtigung der Kommunalwahlkreise. Berücksichtigt man die Eingemeindungen (Suchsdorf, Russee, Mettenhof, Schilksee, Wellsee), knüpft diese Zahl passend an die Angabe bei Martens an. Falls die Zahl bei Martens falsch sein sollte (s.o.), passen die 14 Distrikte nach Franke und die 5 neuen OVs nach Eingemeindungen so zusammen, dass angenommen werden darf, dass die Distrikte 1945/46 nach den Wahlbezirken abgegrenzt wurden.

Unklar ist bislang, wann die Distrikte zu Ortsvereinen aufgewertet wurden.

Siehe auch

  1. Hamburger Echo 21.7.1908
  2. Lübecker Volksbote 3.9.1904: Tabelle zur Mitgliederentwicklung
  3. Hamburger Echo 26.10.1912
  4. Hamburger Echo 5.8.1913
  5. VZ 14.10.1946
  6. Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998), Bd. 1, S. 190