Arbeiterverein

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Fahne Arbeiterbildungsverein Heide von 1861

Arbeitervereine waren demokratische Vereine, in denen Arbeiter sich politisch und allgemein fortbildeten oder die als Hilfskassen dienten, um die Mitglieder in Notfällen zu unterstützen. Gründungen sind etwa seit der Schleswig-Holsteinischen Erhebung in Schleswig-Holstein dokumentiert. Aus ihnen entwickelte sich die Arbeiterbewegung, die dann den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) gründete, den Vorgänger der SPD.

In Altona gab es 1848 schon zwei Vereine: Den Feierabendverein mit 100 Mitgliedern und den Vaterländischen Verein mit 400 Mitgliedern. 1850 hatte der Vaterlandsverein in Neumünster bereits 500 Mitglieder; der Arbeiterverein in der Wik aber beispielsweise auch schon 60 und der in Bredstedt ca. 50 Mitglieder.[1] Die Bildung dieser Vereine zeigt auch, dass sich Arbeiterschaft und bürgerliche Gesellschaft zunehmend voneinander entfernten. Gleichzeitig standen sie nach dem Ende der Erhebung unter polizeilichem Druck. Der politische Anspruch rückte auch deswegen in den Hintergrund.[2]

Anfang 1850 - noch während der Schleswig-Holsteinischen Erhebung wurde mit dem Schleswig-Holsteinischen Arbeitergesamtverein in Kiel ein Zentralkomitee der schleswig-holsteinischen Arbeitervereine gegründet, dem ausschließlich prominente Demokraten wie Theodor Olshausen, die Kieler Rechtsanwälte Fritz Hedde und Hans-Reimer Claussen oder der Gutsbesitzer Richard von Neergaard angehörten.[3]

Sofort schlossen sich die Arbeitervereine in Bredstedt, Dänischenhagen, Döhnsdorf, Fehmarn, Glückstadt, Neumünster, Rendsburg, Schönkirchen, Wattenbek und Wik an. Der Gesamtverein gab eine Zeitung heraus mit dem Titel Zeitung für Arbeiter und für Arbeiterfreunde mit besonderer Berücksichtigung des Gewerbewesens - an ihr arbeitete u.a. Claus Riepen als Vorsitzender des größten Arbeitervereins in Neumünster mit.[4]

Vor allem der Tischlergeselle G. A. Hirschhoff warb für den Verein. Am 4. Mai 1850 hielt das Komitee in Neumünster eine erste Generalversammlung ab. 35 Demokraten- und Arbeitervereine entsandten Vertreter - mit dabei u.a. der Tischler Johann Heinrich Gümpel und der Agitator Karl von Bruhn aus Altona. Auf der Tagung wurde das "Gesetz des schleswig-holsteinischen Arbeiter-Gesamt-Vereins"[5] beraten und diskutiert, dass man sich dem Leipziger Zentralkomitee der Arbeiterverbrüderung anschließen solle.[3]

Claus Riepen

Claus Riepen gelang es, in seinem Verein Arbeiterschaft und Bürgertum zusammenzuhalten, indem er gemeinsame gesellschaftliche Probleme praktisch löste. Der Vaterlandsverein bot eine Kranken- und Hilfskasse und wurde 1861 zu einem Konsumverein.

Auch die anderen Arbeitervereine waren im Wesentlichen keine politischen Vereine, auch wenn dort Kommunisten aktiv gewesen sind. Die Vereine begannen sich zunehmend als "sozialistisch" zu bezeichnen - allerdings eher aus der damals noch unklaren Abgrenzung zwischen "sozial" und "sozialistisch" heraus. Immerhin galt vielerlei gesellschaftlicher Veränderungswille als kommunistisch.[6]

Auch nach dem Ende der Schleswig-Holsteinischen Erhebung und der Auflösung der überregionalen Arbeitervereinigungen blieben die Arbeiter in ihren örtlichen demokratischen Vereinen aktiv. Diese gaben ihnen praktische Hilfe und eine Gemeinschaft. Die Werke von Karl Marx spielten zu dieser Zeit keine Rolle.

Die Obrigkeit ging in Schleswig-Holstein vor allem gegen die Köpfe der Arbeiterbewegung vor, namentlich G. A. Hirschhoff, Johann Heinrich Gümpel und Karl von Bruhn.[7] Johann Heinrich Gümpel setzte sich nach England ab, Theodor Olshausen und Fritz Hedde emigrierten in die USA.[8] Karl von Bruhn wurde auf Grund seiner Tätigkeit festgenommen, sechs Wochen in Haft gehalten und 1851 freigesprochen.[9] Er blieb in Schleswig-Holstein und wurde ab 1863 zur treibenden Kraft bei der Ausbreitung des ADAV - er gründete erste Ortsvereine in der Umgebung von Altona, die nach ihm "Bruhnsche Gemeinden" genannt wurden.

1853 versuchte die Obrigkeit, sich einen Überblick über die sozialistischen oder kommunistischen Vereine zu verschaffen, und legte die Überwachung folgender Vereine fest. Vollständig und aktuell scheint diese Liste aber nicht gewesen zu sein:[10]

Diese Arbeitervereine waren zwar Keimzellen einer sich entwickelnden Arbeiterbewegung - hier lernten sie demokratischen Umgang, praktizierten Solidarität miteinander, bildeten sich und feierten. Ihr Potenzial wurde aber von der Obrigkeit stark überschätzt; die sozialistischen Tendenzen waren oft untergeschoben. So erbrachte eine Durchsuchung der Arbeiterbibliothek des Rendsburger Arbeitervereins unter 171 Büchern kaum politische und dann eher bürgerlich-radikale Schriften; natürlich könnte es sein, dass die sozialistischen Werke besser versteckt wurden.[11]

Literatur

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Regling, Heinz Volkmar: Die Anfänge des Sozialismus in Schleswig-Holstein, Wachholz Verlag (Neumünster 1965), Seite 84
  2. Regling, Heinz Volkmar: Die Anfänge des Sozialismus in Schleswig-Holstein, Wachholz Verlag (Neumünster 1965), Seite 88
  3. 3,0 3,1 Pelger, Hans: Zur demokratischen und sozialen Bewegung in Norddeutschland im Anschluß an die Revolution von 1848, in: Archiv für Sozialgeschichte, Band 8 (1968), Seite 170
  4. Regling, Heinz Volkmar: Die Anfänge des Sozialismus in Schleswig-Holstein, Wachholz Verlag (Neumünster 1965), Seite 85ff
  5. Siehe: Pelger, Hans: Zur demokratischen und sozialen Bewegung in Norddeutschland im Anschluß an die Revolution von 1848, in Archiv für Sozialgeschichte, Band 8 (1968), Seite 208-211
  6. Regling, Heinz Volkmar: Die Anfänge des Sozialismus in Schleswig-Holstein, Wachholz Verlag (Neumünster 1965), Seite 91
  7. Pelger, Hans: Zur demokratischen und sozialen Bewegung in Norddeutschland im Anschluß an die Revolution von 1848, in: Archiv für Sozialgeschichte, Band 8 (1968), Seite 204
  8. Pelger, Hans: Zur demokratischen und sozialen Bewegung in Norddeutschland im Anschluß an die Revolution von 1848, in: Archiv für Sozialgeschichte, Band 8 (1968), Seite 206 f.
  9. Karl Marx / Friedrich Engels: Briefwechsel, Januar 1849 bis Dezember 1850 Berlin, 1981 S. 1371
  10. Regling, Heinz Volkmar: Die Anfänge des Sozialismus in Schleswig-Holstein, Wachholz Verlag (Neumünster 1965), Seite 92
  11. Regling, Heinz Volkmar: Die Anfänge des Sozialismus in Schleswig-Holstein, Wachholz Verlag (Neumünster 1965), Seite 93