Agitationskommission

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Heinrich Lienau, Vorsitzender der Agitationskommission 1891-1904

Die Agitationskommission war der Vorläufer des Landesvorstands der SPD in Schleswig-Holstein.

Sie war zuständig für die Sozialdemokratie in der preußischen Provinz Schleswig-Holstein, im Herzogtum Lauenburg, im Fürstentum Lübeck und in der Freien Hansestadt Hamburg.

Lex Hohenlohe im Reichsgesetzblatt, 1899

Bis 1899 galt im Deutschen Reich ein Verbindungsverbot für Vereine. Sie durften sich nicht überörtlich zusammenschließen. Die "Lex Hohenlohe", das Gesetz, dass dieses Verbot beendete ging auf den Reichskanzler Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst zurück und hieß eigentlich Gesetz betreffend das Vereinswesen. Es trat am 11. Dezember 1899 (RGBl. S. 699) in Kraft und enthielt nur einen einzigen Artikel:

"Inländische Vereine jeder Art dürfen miteinander in Verbindung treten. Entgegenstehende landesgesetzliche Bestimmungen sind aufgehoben."

Bis dahin musste die Sozialdemokratie sich anders behelfen: Seit Ende 1878 galt das Sozialistengesetz die Vereine der Sozialdemokratie wurden verboten. Die Genossen trafen sich dennoch Ostern 1879 in der Umgebung von Neumünster und wählte eine fünfköpfige Agitationskommission. Franz Schneider als Vorsitzender, Schriftwart Heinrich Lienau, Friedrich Butenschön als Schatzmeister. Die beiden anderen Namen nennt aber Heinrich Lienau in seinen Erinnerungen nicht.[1] Diese Agitationskommission war bis zur Aufhebung des Sozialistengesetzes 1890 tätig.

Als das Verbindungsverbot 1899 aufgehoben wurde, dauerte es einige Jahre, bis die SPD ihre Organisation änderte, einen richtigen Bezirk gründete, einen Bezirksvorstand wählte und einen ersten Parteisekretär einstellte. Am 1. Juli 1905 gründet sich der Bezirksverband für Schleswig-Holstein, das Herzogtum Lauenburg und das Fürstentum Lübeck. Die SPD in der Freien Hansestadt Hamburg gründete ihre eigene Landesorganisation.

Sitz der Agitationskommission

Alle Mitglieder der Agitationskommission wohnten in Neumünster. Das lag am Verbindungsverbot: Selbst wenn die Sozialdemokratie gerade nicht verboten gewesen wäre, hätte sie keine überregionale Organisation gründen dürfen. Die Agitationskommission als Organisation hatte ihren Sitz in Neumünster; alle Mitglieder dieses "Vereins" mussten aus Neumünster kommen.

Nach Auslaufen des Sozialistengesetzes, als wieder legale Provinzialparteitage stattfinden durften, wurde deswegen vom Parteitag nur der Sitz der Agitationskommission abgestimmt. Wenn der Parteitag dann beschloss, Neumünster solle der Sitz der Agitationskommission sein, dann durften die SPD-Mitglieder aus Neumünster die Mitglieder der Agitationskommission wählen.

Aus diesem Grund wurde immer wieder auf Parteitagen über den Sitz der Agitationskommission diskutiert - im Spiel waren auch bspw. Kiel und Altona. Denn mit dem Wechsel des Sitzes hätte auch der Vorsitzende und die anderen Mitglieder wechseln müssen. Das Gleiche galt übrigens für die Preßkommission, die die Arbeit der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung kontrollierte.

Tatsächlich war die Aufgabe, nur aus den Mitgliedern eines Ortes eine kompetente Agitationskommission zusammenzustellen, wohl ziemlich herausfordernd. 1892 beantragte Neumünster auf dem Parteitag, für das nächste Jahr einen anderen Ort zu wählen, aber alle lehnten ab, auch der Kieler Verein, für den Wilhelm Brecour meinte, dass auch er „keineswegs in der Lage ist, die geeigneten Genossen für die Agitationskommission zu stellen.“[2]

Mitglieder der Agitationskommission

Bisher sind erst einige Namen recherchiert. Alle Männer müssen aus Neumünster gewesen sein, da der Sitz der Agitationskommission immer wieder diskutiert, aber nie verlegt wurde.

Die Mitglieder der Agitationskommission waren bekannte Sozialdemokraten, die nicht nur in der Zeit des Verfolgung unter dem Sozialistengesetz immer wieder unter polizeilicher Repression zu leiden hatten.

Organisation

Die Agitationskommission koordinierte die Arbeit der Mitglieder in den Reichstagswahlkreisen und vor Ort. Auch in den Wahlkreisen wählten die Genossen[3] Wahlkreiskomittees, die mit dem gleichen Trick als überörtliche Zusammenschlüsse funktionierten wie die Agitationskommission.

Die Ortsvereine und die Wahlkreiskomitees berichteten an die Agitationskommission - dafür verschickte die Agitationskommission auch immer wieder Fragebögen. Und die lokalen Organisationen gaben Geld an die Agitationskommission ab, damit die zentrale Werbemittel für die Wahlkämpfe herstellen, externe Rednerinnen und Redner bezahlen und sich selbst finanzieren konnte.

Beispielsweise ließ die Agitationskommission jährlich den Volkskalender als Werbemittel produzieren und verteilen.

Die Agitationskommission wurde auch bei örtlichen Streits eingeschaltet und hielt Kontakt zum SPD-Parteivorstand.

Über die eigene Tätigkeit legte die Agitationskommission auf den Provinzialparteitagen Rechenschaft ab. Auf dem Provinzialparteitag 1900 beschloss die Partei, dass die Agitationskommission fortan einen schriftlichen Geschäftsbericht vorlegen sollte. Die Finanzen der Agitationskommission wurden von einer Revisionskommission geprüft und die Agitationskommission dann auf dem Provinzialparteitag entlastet.

Entschädigung

Die Mitglieder der Agitationskommission bekamen ab einem unbekannten Zeitpunkt ein wenig Geld für ihre Arbeit. Der Provinzialparteitag 1901 beschloss eine Erhöhung der Entschädigung der Mitglieder der Agitationskommission von 180 Mark auf 300 Mark im Jahr plus Reisekosten dritter Klasse.[4]

Mit der Organisationsreform 1905 gründete sich nicht nur der SPD Bezirk Schleswig-Holstein und trennte sich von Hamburg, Heinrich Lienau trat auch nicht wieder als Vorsitzender an und die SPD suchte zum ersten Mal einen hauptamtlichen Vorsitzenden - seinen ersten Parteisekretär. Der Bezirksvorstand behielt zumindest noch einige Zeit den Namen Agitationskommission und es wurde auch weiterhin ihr Sitz gewählt. Ab 1912/13 nannte sich die Agitationskommission Bezirksvorstand.

Einzelnachweise

  1. Unter dem Schandgesetz in Schleswig-Holstein, Hamburger Echo, Sonntag, den 21. Oktober 1928
  2. Hamburger Echo, 14.12.1892, S. 7
  3. Vor 1908 war es Frauen verboten, Mitglied in Parteien zu werden. Sie haben heimlich mitgemacht.
  4. Sozialdemokratischer Parteitag, Hamburger Echo, Dienstag, den 15. Oktober 1901, Seite 5