Agrarpolitischer Beirat: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Freigabe der Mark-Kurse im Mai, die bis Mitte letzter Woche zu einer Aufwertung von noch einmal 10,3 Prozent führte, zwang Bonn dann erneut, die deutschen Landwirte vor Verlusten zu schützen. Anders als [[1969]] schufen die obersten westdeutschen Agrarhelfer eigens für die Bauern einen besonderen Dollarkurs: Die EWG-Agrarpreise werden immer noch nach der ehemaligen Parität von einem Dollar gleich 3,66 Mark umgerechnet, so daß Zuckerrüben, Getreide und Malz im Inland noch den gleichen Ertrag wie zur Zeit der festen Wechselkurse einbringen."<ref name=":0">DER SPIEGEL: ''Tod des grünen Dollars?'', 11.10.1971</ref></blockquote>
Die Freigabe der Mark-Kurse im Mai, die bis Mitte letzter Woche zu einer Aufwertung von noch einmal 10,3 Prozent führte, zwang Bonn dann erneut, die deutschen Landwirte vor Verlusten zu schützen. Anders als [[1969]] schufen die obersten westdeutschen Agrarhelfer eigens für die Bauern einen besonderen Dollarkurs: Die EWG-Agrarpreise werden immer noch nach der ehemaligen Parität von einem Dollar gleich 3,66 Mark umgerechnet, so daß Zuckerrüben, Getreide und Malz im Inland noch den gleichen Ertrag wie zur Zeit der festen Wechselkurse einbringen."<ref name=":0">DER SPIEGEL: ''Tod des grünen Dollars?'', 11.10.1971</ref></blockquote>


[[Jochen Steffen]] wies auf die Verantwortung der CDU-Landesregierung hin. Über eine Kundgebung in Kiel berichteten die ''Kieler Nachrichten'': <blockquote>"Mit drastischen Worten kritisierte der schleswig-holsteinische Oppositionsführer und SPD-Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, [[Jochen Steffen|Joachim Steffen]], die Politik der Landesregierung. Unter Hinweis auf das Bestreben der SPD, in Kiel einen Regierungswechsel herbeizuführen, erklärte er: 'Kein Ochse betritt eine völlig ungenutzte Wiese. Es waren immer schon andere drauf. Diese Ochsen, die vorher da waren, haben das Gras bis auf die Stoppeln abgefressen und überall ihren Mist hinterlassen.' Die CDU habe die Probleme während ihrer Regierungszeit nur vor sich hergeschoben. dabei seinen viele Steuermilliarden in diesem land nutzlos verpulvert worden. Das könne man vor allem am Schicksal vieler landwirtschaftlicher Betriebe feststellen. Dieses nämlich sei ein warnendes Beispiel dafür, wohin ein vertrauensselige Einstellung zu christdemokratischen Sprüchen führe."<ref>''Wehner kündigt Reformjahrzehnt an'', ''Kieler Nachrichten'', 22.2.1971</ref></blockquote> Bei einer Veranstaltung in Lütjenburg, die wieder von den protestierenden Bauern überlaufen wurde, bezeichnete [[Jochen Steffen]] sie als "Haustruppe der CDU".<ref>''Tumulte um Steffen: Bauern verließen den Saal'', ''Kieler Nachrichten'', 19.2.1971</ref>
[[Jochen Steffen]] wies auf die Verantwortung der CDU-Landesregierung hin. Über eine Kundgebung in Kiel berichteten die ''Kieler Nachrichten'': <blockquote>"Mit drastischen Worten kritisierte der schleswig-holsteinische Oppositionsführer und SPD-Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, [[Jochen Steffen|Joachim Steffen]], die Politik der Landesregierung. Unter Hinweis auf das Bestreben der SPD, in Kiel einen Regierungswechsel herbeizuführen, erklärte er: 'Kein Ochse betritt eine völlig ungenutzte Wiese. Es waren immer schon andere drauf. Diese Ochsen, die vorher da waren, haben das Gras bis auf die Stoppeln abgefressen und überall ihren Mist hinterlassen.' Die CDU habe die Probleme während ihrer Regierungszeit nur vor sich hergeschoben. dabei seien viele Steuermilliarden in diesem Land nutzlos verpulvert worden. Das könne man vor allem am Schicksal vieler landwirtschaftlicher Betriebe feststellen. Dieses nämlich sei ein warnendes Beispiel dafür, wohin eine vertrauensselige Einstellung zu christdemokratischen Sprüchen führe."<ref>''Wehner kündigt Reformjahrzehnt an'', ''Kieler Nachrichten'', 22.2.1971</ref></blockquote> Bei einer Veranstaltung in Lütjenburg, die wieder von den protestierenden Bauern überlaufen wurde, bezeichnete [[Jochen Steffen]] diese als "Haustruppe der CDU".<ref>''Tumulte um Steffen: Bauern verließen den Saal'', ''Kieler Nachrichten'', 19.2.1971</ref>


Im Oktober [[1971]] kündigte die Bundesregierung eine grundlegende Revision des EWG-Agrarmarktes an.<ref name=":0" />
Im Oktober [[1971]] kündigte die Bundesregierung eine grundlegende Revision des EWG-Agrarmarktes an.<ref name=":0" />
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== Literatur ==
== Literatur ==
 
* SPD-Landesverband Schleswig-Holstein: ''Agrarpolitik: Materialien zur Programmdiskussion in Schleswig-Holstein - Fakten, Hintergründe, Argumente'', in: ''Zur Sache'', Heft 29 (Kiel 1989) ([https://library.fes.de/TouchPoint/singleHit.do?methodToCall=showHit&curPos=1&identifier=2_SOLR_SERVER_877879657 Broschüre im Archiv der sozialen Demokratie])
* ''Agrarpolitik: Materialien zur Programmdiskussion in Schleswig-Holstein - Fakten, Hintergründe, Argumente'', in: "Zur Sache" Heft 29, SPD-Landesverband Schleswig-Holstein,                                                  Kiel (1989) ([https://library.fes.de/opac/id/485859 Archiv der sozialen Demokratie])


==Einzelnachweise==
==Einzelnachweise==

Aktuelle Version vom 17. September 2023, 02:08 Uhr

Der Agrarpolitische Beirat der SPD Schleswig-Holstein wurde 1971 gegründet. Grundlage war ein Beschluss des Landesparteitages 1971 - der Anlass könnten Bauern-Proteste im Landtagswahlkampf gewesen sein.

"Bauernjagd auf Spitzenpolitiker"

Zum Landesparteitag in Flensburg hatten hunderte Jungbauern mit Traktoren die Straßen rund um den Parteitag blockiert und dem Parteitagsgast, Bundeskanzler Willy Brandt, wütend ihre Sorgen vorgetragen. Die Bauern beklagten, dass ihre Kosten immer weiter stiegen, während die Erzeugerpreise stagnierten.

Sie "[…] forderten um 15 Prozent höhere Erzeugerpreise, Gerechtigkeit für die Landwirtschaft, Abschaffung beziehungsweise sofortige Aussetzung des 'grünen Dollars' (Verrechnungseinheit der EWG) und Festsetzung der Agrarpreise nach nationalen Kriterien."[1]

Für ihre Probleme machten sie die Europa-Politik der SPD-Bundesregierung verantwortlich. Im Februar kamen zu Protesten während einer SPD-Veranstaltung mit SPD-Fraktionschef Herbert Wehner in Husum 750 Bauern - es gab sogar eine Bombendrohnung gegen die Veranstaltung. Die Kieler Nachrichten titelten Bauernjagd auf Spitzenpolitiker - 750 Landwirte 'beherrschten' SPD-Veranstaltung in Husum[2]:

"Die Bauernjagd auf Spitzenpolitiker wurde in Husum fortgesetzt: Als die Suche nach einer telefonisch avisierten Bombe erfolglos abgebrochen worden war und die freigewordenen 60 Polizeibeamten hinter der Bühne oder in zivil [sic] im Saal Platz genommen hatten, wurde die Kongreßhalle nach kurzer Zeit wiederum, und zwar diesmal wegen Überfüllung geschlossen. […]"

DER SPIEGEL erklärte das Problem:

"Bislang war der grüne Dollar der Stützpfeiler des EWG-Agrarmarktes: Die EWG garantiert den Bauern zwischen Sizilien und Nordfriesland bei zahlreichen Agrarprodukten, für die sogenannte Marktordnungen vereinbart wurden, einheitliche Mindestpreise. Diese im EWG-Ministerrat ausgehandelten Preise wurden in Dollar ("grüner Dollar") festgesetzt und nach der amtlichen Parität der EWG-Währungen in Landeswährung umgerechnet.

Dieses starre System funktionierte freilich nur, solange sich die Wechselkurse nicht veränderten. Denn wertet ein EWG-Land seine Währung gegenüber dem Dollar ab, so steigen die Agrarpreise in diesem Land, bei einer Aufwertung sinken sie.

Als die Bundesrepublik 1969 den Mark-Kurs an den Devisenbörsen um 8,5 Prozent verteuerte, mußte Bonn daher den lamentierenden Bauern einen Einkommensausgleich gewähren, der den Aufwertungsverlust ausglich. Die Regierung versöhnte die Landwirte mit 1,7 Milliarden zusätzlichen Subventionen.

Die Freigabe der Mark-Kurse im Mai, die bis Mitte letzter Woche zu einer Aufwertung von noch einmal 10,3 Prozent führte, zwang Bonn dann erneut, die deutschen Landwirte vor Verlusten zu schützen. Anders als 1969 schufen die obersten westdeutschen Agrarhelfer eigens für die Bauern einen besonderen Dollarkurs: Die EWG-Agrarpreise werden immer noch nach der ehemaligen Parität von einem Dollar gleich 3,66 Mark umgerechnet, so daß Zuckerrüben, Getreide und Malz im Inland noch den gleichen Ertrag wie zur Zeit der festen Wechselkurse einbringen."[3]

Jochen Steffen wies auf die Verantwortung der CDU-Landesregierung hin. Über eine Kundgebung in Kiel berichteten die Kieler Nachrichten:

"Mit drastischen Worten kritisierte der schleswig-holsteinische Oppositionsführer und SPD-Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, Joachim Steffen, die Politik der Landesregierung. Unter Hinweis auf das Bestreben der SPD, in Kiel einen Regierungswechsel herbeizuführen, erklärte er: 'Kein Ochse betritt eine völlig ungenutzte Wiese. Es waren immer schon andere drauf. Diese Ochsen, die vorher da waren, haben das Gras bis auf die Stoppeln abgefressen und überall ihren Mist hinterlassen.' Die CDU habe die Probleme während ihrer Regierungszeit nur vor sich hergeschoben. dabei seien viele Steuermilliarden in diesem Land nutzlos verpulvert worden. Das könne man vor allem am Schicksal vieler landwirtschaftlicher Betriebe feststellen. Dieses nämlich sei ein warnendes Beispiel dafür, wohin eine vertrauensselige Einstellung zu christdemokratischen Sprüchen führe."[4]

Bei einer Veranstaltung in Lütjenburg, die wieder von den protestierenden Bauern überlaufen wurde, bezeichnete Jochen Steffen diese als "Haustruppe der CDU".[5]

Im Oktober 1971 kündigte die Bundesregierung eine grundlegende Revision des EWG-Agrarmarktes an.[3]

Gründung

Am 31. August 1971 konstituierte sich der Beirat. Vorsitzender wurde der Landwirt Heinrich Alberts aus Witzwort, seine Stellvertreter Heinz Klinke aus Neuheikendorf und Wilhelm Tramsen aus Preetz.

Am 18. Dezember 1972 legte Heinrich Alberts wegen Überlastung durch seine Arbeit im örtlichen Genossenschaftswesen den Vorsitz nieder, blieb aber im Vorstand. Sein Nachfolger wurde der Landwirt Arno von Spreckelsen. Gleichzeitig wurde der Vorstand um Elisabeth Orth und - als beratendes Mitglied - Hans Wiesen erweitert.

In seinen Arbeitssitzungen diskutierte der Beirat unter anderem die Themen "Einzelbetriebliches Förderungsprogramm", "Soziales Ergänzungsprogramm", "Landes-Agrarhaushalt", "Raumordnung - Bodenfonds" und "Reform der landwirtschaftlichen Selbst- und Staatsverwaltung". Zwei Projektgruppen zu "Problemen der Milchmarktordnung" und zur "überbetrieblichen Zusammenarbeit" wurden gegründet.

Der Beirat nahm Kontakt zu seinem Pendant in Niedersachsen auf und lud den niedersächsischen Landwirtschaftsminister Klaus-Peter Bruns zu einer Wahlkampfveranstaltung für Landwirte nach Owschlag ein.[6]

Mit der Zeit schlief die Arbeit offenbar ein, denn 1986 wurde erneut ein Agrarpolitischer Beirat gegründet. Vorsitzender war 1993 Heinrich Terwitte.

Zur Zeit ist dieser Arbeitskreis nicht aktiv.

Literatur

  • SPD-Landesverband Schleswig-Holstein: Agrarpolitik: Materialien zur Programmdiskussion in Schleswig-Holstein - Fakten, Hintergründe, Argumente, in: Zur Sache, Heft 29 (Kiel 1989) (Broschüre im Archiv der sozialen Demokratie)

Einzelnachweise

  1. Bauern-Demonstration gegen Bonner Agrarpolitik, Kieler Nachrichten, 25.1.1971
  2. Bauernjagd auf Spitzenpolitiker, Kieler Nachrichten, 22.2.1971
  3. 3,0 3,1 DER SPIEGEL: Tod des grünen Dollars?, 11.10.1971
  4. Wehner kündigt Reformjahrzehnt an, Kieler Nachrichten, 22.2.1971
  5. Tumulte um Steffen: Bauern verließen den Saal, Kieler Nachrichten, 19.2.1971
  6. Politik und Organisation: Berichte zum Landesparteitag am 24. und 25. Februar 1973 in Eckernförde, S. 99