Kommunales Wahlrecht für AusländerInnen: Unterschied zwischen den Versionen

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Seit mindestens Mitte der 1970er Jahre setzt sich die SPD Schleswig-Holstein für ein '''Kommunales Wahlrecht für AusländerInnen''' ein. Ausländerinnen und Ausländer, die schon längere Zeit in Schleswig-Holstein leben, sollen sich auch in kommunalen Mandaten beteiligen dürfen. Für EU-Bürgerinnen und -Bürger gilt dieses Recht seit der [[Kommunalwahl 1998]]. Bis dahin konnten nur Deutsche Staatsbürger bei [[Kommunalwahlen]] wählen und für öffentliche Mandate kandidieren.
Für ein '''Kommunales Wahlrecht für AusländerInnen''' setzte sich die [[Landesverband|SPD Schleswig-Holstein]] seit mindestens Mitte der 1970er Jahre ein. Ausländerinnen und Ausländer, die schon längere Zeit in Schleswig-Holstein lebten, sollten sich auch mit einem Mandat an der Kommunalpolitik beteiligen dürfen. Für EU-Bürgerinnen und -Bürger gilt dieses Recht seit der [[Kommunalwahl 1998]]. Bis dahin konnten nur deutsche Staatsbürger bei [[Kommunalwahlen]] wählen und für öffentliche Mandate kandidieren.


Auf dem [[Landesparteitag 1977, Tönning|Landesparteitag 1977]] beschloss die SPD Schleswig-Holstein:
== Ausländerpolitik wird Gesellschaftspolitik ==
: "Ausländern, die aus der Europäischen Gemeinschaft stammen und fünf Jahre in der Bundesrepublik wohnhaft sind, das Kommunalwahlrecht einzuräumen."<ref>Beschlussdatenbank: [http://beschluesse.spd-schleswig-holstein.de/wiki/III:_Kommunalpolitik_(1977) III: Kommunalpolitik (1977)]</ref>
[[Datei:Fotos 31854.jpg|thumb|280px|right|Türkische Gastarbeiter am "Tag des Kindes" in Kiel, 1975]]
Seit [[1955]], verstärkt seit [[1960]] hatte die Bundesrepublik Deutschland vor allem in Mittelmeerländern sogenannte "[https://de.wikipedia.org/wiki/Gastarbeiter Gastarbeiter]" angeworben, Männer und Frauen, die die gut laufende Wirtschaft um zusätzliche Arbeitskräfte ergänzten. Seit der Ölkrise von [[1974]] kam die Konjunktur ins Stocken. Die Anwerbeabkommen für "Gastarbeiter" wurden ausgesetzt, die vorhandenen Zugewanderten wurden aber auf absehbare Zeit gebraucht.


[[Landesparteitag 1981, Harrislee|1981]] bekräftigte die SPD Schleswig-Holstein diesen Beschluss in ihren "Kommunalpolitischen Schwerpunkten" und fordert für den Übergang kommunale Ausländerbeiräte:
Die Frage nach Integration und Teilhabe der neuen Bürgerinnen und Bürger stellte sich erst nach und nach. Bereits der [[Landesparteitag 1977, Tönning|Landesparteitag 1977]] forderte im Rahmen eines umfangreichen Beschlusses zur Kommunalpolitik auch,
: "Solange das von uns angestrebte kommunale Wahlrecht der Ausländer nicht verwirklicht ist, sollen Ausländerbeiräte zur Beratung der kommunalen Vertretungskörperschaften eingerichtet werden."<ref>Beschlussdatenbank: [http://beschluesse.spd-schleswig-holstein.de/wiki/Schwerpunkte_der_Sozialdemokraten_in_Schleswig-Holstein_zur_Kommunalpolitik_(1981) Schwerpunkte der Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein zur Kommunalpolitik (1981)]</ref>
: "... Ausländern, die aus der Europäischen Gemeinschaft stammen und fünf Jahre in der Bundesrepublik wohnhaft sind, das Kommunalwahlrecht einzuräumen."<ref>Beschlussdatenbank: [http://beschluesse.spd-schleswig-holstein.de/wiki/III:_Kommunalpolitik_(1977) III: Kommunalpolitik (1977)]</ref>


Die [[Kreisverband Kiel|Kieler SPD]] zum Beispiel hat so eine Forderung auch in ihrem Programm zur [[Kommunalwahl 1982]] beschlossen:
[[Datei:Bundesarchiv B 145 Bild-F023752-0007, Heinz Kühn.jpg|thumb|180px|left|Heinz Kühn, 1966]]
: "Für ausländische Mitbürger mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis ist das aktive und passive Kommunalwahlrecht einzuführen."<ref>SPD Kiel (Hrgs) "Perspektiven: Kommunalpolitisches Programm der Kieler SPD", beschlossen: Kreisparteitag am 1. November 1981</ref>
[[1978]] richtete die sozial-liberalen Bundesregierung von [[Helmut Schmidt]] das Amt des Ausländerbeauftragten ein. Der erste Amtsinhaber, Nordrhein-Westfalens ehemaliger Ministerpräsident [[Heinz Kühn]], legte ein Memorandum<ref>Kühn, Heinz: ''[http://www.migration-online.de/data/khnmemorandum_1.pdf Stand und Weiterentwicklung der Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien in der Bundesrepublik Deutschland]'', September [[1979]]</ref> vor, nach dem Ausländerpolitik nicht länger reine Arbeitsmarktpolitik, sondern in erster Linie Gesellschaftspolitik sein sollte. Es warf die Frage nach der gesellschaftlichen und politischen Beteiligung der ausländischen Beschäftigten bis hin zum Kommunalwahlrecht auf.


== Wahlrecht bei Gegenseitigkeit ==
[[Landesparteitag 1981, Harrislee|1981]] bekräftigte die [[Landesverband|SPD Schleswig-Holstein]] ihren Beschluss von [[1977]] mit den ''Kommunalpolitischen Schwerpunkten'' und forderte für den Übergang die Schaffung kommunaler Ausländerbeiräte:
Im Wahlprogramm zu den Landtagswahlen [[Landtagswahl 1987|1987]] und [[Landtagswahl 1988|1988]] versprach die SPD:
: "Solange das von uns angestrebte kommunale Wahlrecht der Ausländer nicht verwirklicht ist, sollen Ausländerbeiräte zur Beratung der kommunalen Vertretungskörperschaften eingerichtet werden."<ref>Beschlussdatenbank: [http://beschluesse.spd-schleswig-holstein.de/wiki/Schwerpunkte_der_Sozialdemokraten_in_Schleswig-Holstein_zur_Kommunalpolitik_(1981) ''Schwerpunkte der Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein zur Kommunalpolitik'' (1981)]</ref>


: "Die SPD wird das kommunale Wahlrecht ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in Schleswig-Holstein einführen."<ref>Beschlussdatenbank: [http://beschluesse.spd-schleswig-holstein.de/wiki/Aufbruch_im_Norden._Programm_der_SPD_Schleswig-Holstein_(1987) Aufbruch im Norden. Programm der SPD Schleswig-Holstein (1987)]</ref>
Die [[Kreisverband Kiel|Kieler SPD]] zum Beispiel nahm eine solche Forderung auch in ihr Programm zur [[Kommunalwahl 1982]] auf:
: "Für ausländische Mitbürger mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis ist das aktive und passive Kommunalwahlrecht einzuführen."<ref>SPD Kiel (Hrsg.) ''Perspektiven: Kommunalpolitisches Programm der Kieler SPD'', beschlossen vom [[Kreisverband Kiel - Kreisparteitag|Kreisparteitag]] am [[1. November]] [[1981]]</ref>
Auf dem Kreisparteitag am [[31. März]] [[1984]] zog sie nach und legte ''Kommunalpolitische Perspektiven der Ausländerpolitik in Kiel'' vor.


Und direkt nach der Wahl setzte die Regierung von [[Björn Engholm]] dieses Versprechen um - Schleswig-Holstein sollte das erste Bundesland mit Wahlrecht für hier lebende Ausländer werden: Im Februar [[1989]] beschloss der schleswig-holsteinische Landtag mit den Stimmen der SPD und des SSW das "Gesetz zu Änderung des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes" ([http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/QQD12-194.pdf Drucksache 12/194]). Die Schleswig-Holsteiner aus sechs Staaten sollten das kommunale Wahlrecht erhalten - diejenigen, die ihrerseits Deutschen das Wahlrecht geben. Zu dieser Zeit waren das die Schweiz, Irland, die Niederlande, Norwegen, Schweden und Dänemark. Und sie mussten seit 5 Jahren legal in Deutschland wohnen. 5500 der 80000 in Schleswig-Holstein lebenden Ausländer wären das damals gewesen.<ref>Lindner, Cai-Uwe: Der SPD-Ortsverein Hasseldieksdamm/Mettenhof – Geschichte und politisches Wirken (Kiel 1991)</ref>
[[1982]] gründete die [[Landtagsfraktion]] eine Projektgruppe "Ausländer" unter der Leitung von [[Klaus Klingner]].<ref>''Projektgruppe Ausländer'', in: WIR 1/1982</ref>
 
=== Wahlrecht bei Gegenseitigkeit ===
Im Wahlprogramm zu den Landtagswahlen [[Landtagswahl 1987|1987]] und [[Landtagswahl 1988|1988]] setzte die SPD sich das Ziel:
: "Die SPD wird das kommunale Wahlrecht ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in Schleswig-Holstein einführen."<ref>Beschlussdatenbank: [http://beschluesse.spd-schleswig-holstein.de/wiki/Aufbruch_im_Norden._Programm_der_SPD_Schleswig-Holstein_(1987) ''Aufbruch im Norden. Programm der SPD Schleswig-Holstein'' (1987)]</ref>
 
Direkt nach der Wahl setzte die Regierung von [[Björn Engholm]] dieses Versprechen um - Schleswig-Holstein sollte das erste Bundesland mit Wahlrecht für hier lebende AusländerInnen werden: Im Februar [[1989]] beschloss der Landtag mit den Stimmen von SPD und SSW das ''Gesetz zu Änderung des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes''<ref>{{Drucksache|WP=12|NR=194}}</ref>. Das kommunale Wahlrecht sollten Menschen aus Staaten erhalten, die ihrerseits Deutschen das Wahlrecht gaben.<ref>Zu dieser Zeit waren das die Schweiz, Irland, die Niederlande, Norwegen, Schweden und Dänemark.</ref>  Zudem mussten sie seit 5 Jahren legal in Deutschland wohnen. 5.500 der 80.000 in Schleswig-Holstein lebenden AusländerInnen wären damals wahlberechtigt geworden.<ref>[[Cai-Uwe Lindner]]: ''Der [[Ortsverein Mettenhof/Hasseldieksdamm|SPD-Ortsverein Hasseldieksdamm/Mettenhof]] – Geschichte und politisches Wirken'' (Kiel 1991)</ref>


[[Datei:Cathy_Kietzer.jpg|thumb|180px|right|Cathy Kietzer, 2007]]
[[Datei:Cathy_Kietzer.jpg|thumb|180px|right|Cathy Kietzer, 2007]]
Als eine der ersten bewarb sich die Kielerin [[Cathy Kietzer]] um ein kommunales Mandat bei der [[Kommunalwahl 1990]] - sie lebte da bereits seit 20 Jahren in Deutschland, war seit vier Jahren Vorsitzende der [[Ortsverein Mettenhof/Hasseldieksdamm|SPD Mettenhof/Hasseldieksdamm]].  
Als eine der ersten bewarb sich die Kielerin [[Cathy Kietzer]] um ein Mandat bei der [[Kommunalwahl 1990]] - sie lebte da bereits seit 20 Jahren in Deutschland und war seit vier Jahren Vorsitzende der [[Ortsverein Mettenhof/Hasseldieksdamm|SPD Mettenhof/Hasseldieksdamm]].  
 
Allerdings beantragte die CDU-Bundestagsfraktion die Überprüfung des Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht. Der SPIEGEL fasste die Positionen in der Debatte so zusammen:
: "Das Rechtsproblem, das in Karlsruhe verhandelt wird, läßt sich auf die Interpretation einer einzigen Zeile des Grundgesetzes reduzieren: 'Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.' Nach Ansicht der Konservativen können damit natürlich nur deutsche Volksgenossen gemeint sein. Isensee: 'Ein Wahlrecht für Ausländer wäre demokratiewidrige Fremdbestimmung. Es hinderte das deutsche Volk, in der Wahl seine demokratische Identität zu finden.' Andere Experten, wie der Frankfurter Staatsrechtler Hans Meyer, haben eine weniger bombastische Erklärung: Die schlichte Forderung der Verfassung bedeute nur, daß die Staatsgewalt 'nicht von Gott, einer Dynastie oder einer Partei' ausgehe, sondern eben vom Volk. Nach Ansicht des Frankfurter Rechtsprofessors Manfred Zuleeg, Richter am Europäischen Gerichtshof, ist es 'eine Frage des politischen Willens', wie diese Verfassungsvorschrift interpretiert wird. Zuleeg hält eine nationalistische Definition des Volksbegriffs für falsch. 'Volk' sei die 'Lebens- und Schicksalsgemeinschaft auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland', also inklusive der Ausländer. Laut Grundgesetz hätten die Gemeinden das Recht, meint der Nestor des deutschen Verfassungsrechts, Helmut Simon, 67, 'alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln'. Simon: 'Zur örtlichen Gemeinschaft gehören auch Ausländer. Es ist wichtig, daß diese Menschen über Dinge mitentscheiden können, die auch sie etwas angehen.'"<ref>''[http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13497176.html Bohrung und Durchstich]'', DER SPIEGEL, 9.10.1989</ref>


Allerdings überprüfte das Bundesverfassungsgericht auf Antrag aber der CDU-Bundestagsfraktion das Gesetz und kassierte die Änderung am [[12. Oktober]] [[1989]]: Das "Volk", das in den Ländern, Kreisen und Gemeinden eine gewählte Vertretung haben muss, sei ebenso wie das Volk, von dem nach Art. 20 Abs. 2 GG alle Staatsgewalt ausgeht, die es in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt, nur das deutsche Volk, das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland. Das schließe die Gewährung eines Kommunalwahlrechts an Ausländer aus.<ref>BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990, Az. 2 BvF 2, 6/89; [http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv083037.html BVerfGE 83, 37] - Ausländerwahlrecht I.</ref>  
Das Bundesverfassungsgericht kassierte das kommunale Wahlrecht am [[12. Oktober]] [[1989]]: Das "Volk" sei nur das deutsche Volk, das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland. Das schließe die Gewährung eines Kommunalwahlrechts an Ausländer aus.<ref>BVerfG, Urteil vom 31.10.1990, Az. 2 BvF 2, 6/89; [http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv083037.html BVerfGE 83, 37] - Ausländerwahlrecht I.</ref>  


Damit konnte [[Cathy Kietzer]] nicht mehr antreten. Den Kieler Nachrichten sagte sie: "Ich finde es allerdings unbegreiflich, daß hier in Deutschland ein Gesetz abgeschlagen wird, das in alten Demokratien wie Dänemark, Norwegen oder Schweden schon jahrelang praktiziert wird."<ref>Kieler Nachrichten "Cathy Kietzer nimmt's gelassen" Oktober 1989, Nach: Lindner, Cai-Uwe: Der SPD-Ortsverein Hasseldieksdamm/Mettenhof – Geschichte und politisches Wirken (Kiel 1991)</ref>
Damit konnte [[Cathy Kietzer]] nicht mehr antreten. Der Presse sagte sie: "Ich finde es allerdings unbegreiflich, daß hier in Deutschland ein Gesetz abgeschlagen wird, das in alten Demokratien wie Dänemark, Norwegen oder Schweden schon jahrelang praktiziert wird."<ref>''Cathy Kietzer nimmt's gelassen'', ''Kieler Nachrichten '', Oktober 1989, zit. in: Cai-Uwe Lindner: ''Der SPD-Ortsverein Hasseldieksdamm/Mettenhof – Geschichte und politisches Wirken'' (Kiel 1991)</ref>


== Wahlrecht für EU-BürgerInnen ==
=== Wahlrecht für EU-BürgerInnen ===
Das kommunale Wahlrecht für EU-Bürger kam dann mit dem [https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Maastricht Vertrag von Maastricht]. Dass es dann nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern bundes- und EU-weit eingeführt wurde, war für die SPD Schleswig-Holstein eine späte Genugtuung. Der Vertrag von Maastricht legte fest:  
Das kommunale Wahlrecht für Bürgerinnen und Bürger der EU kam im November [[1993]] mit dem [https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Maastricht Vertrag von Maastricht]. Dass es dann nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern bundes- und EU-weit eingeführt wurde, war für die SPD Schleswig-Holstein eine späte Genugtuung. Der Vertrag von Maastricht legte fest:  
: "Jeder Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, hat in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen, wobei für ihn dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaates."<ref>Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion [http://www.ltsh.de/presseticker/2009-02/20/10-00-03-589a/PI-SZ5xE1ia-spd.pdf Kommunalwahlrecht für Ausländer: Vor 20 Jahren war SH Vorreiter] Nr.: 044/2008</ref>  
: "Jeder Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, hat in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen, wobei für ihn dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaates."<ref>''[http://www.ltsh.de/presseticker/2009-02/20/10-00-03-589a/PI-SZ5xE1ia-spd.pdf Kommunalwahlrecht für Ausländer: Vor 20 Jahren war SH Vorreiter]'', Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Nr. 044/2008, 19.2.2009</ref>  


Um das umzusetzen wurde das Grundgesetz am [[21. Dezember]] [[1992]] Art. 28 Abs. 1 GG um einen Satz 3 ergänzt:  
Um das umzusetzen, wurde Art. 28 Abs. 1 des Grundgesetzes am [[21. Dezember]] [[1992]] um einen Satz 3 ergänzt:  
: "Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar."
: "Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar."


Die SPD Schleswig-Holstein beschloss auf dem [[Landesparteitag 1995, Damp|Landesparteitag 1995]] eine Umsetzung für die [[Kommunalwahl 1998]].
Die SPD Schleswig-Holstein forderte mit einem Beschluss auf dem [[Landesparteitag 1995, Damp|Landesparteitag 1995]] die Umsetzung für die [[Kommunalwahl 1998]]:
: "Die SPD fordert die Übernahme der EU-Richtlinie zur Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts für EU-Ausländer. Durch Landesrecht muß sichergestellt werden, daß diese Richtlinie zur Kommunalwahl 1998 auch in Schleswig-Holstein wirksam wird. Darüber hinaus muß sichergestellt werden, daß Ausländerinnen und Ausländer, die von dieser Richtlinie nicht erfaßt werden und seit längerer Zeit ihren Lebensmittelpunkt in Schleswig-Holstein haben, Rechte erhalten, die ihnen ermöglichen, an kommunalen Entscheidungsprozessen unterhalb der Ebene des Wahlrechts mitzuwirken."<ref>Beschlussdatenbank: [http://beschluesse.spd-schleswig-holstein.de/wiki/A2.1:_III._Stufe_Kommunalverfassungsreform_(1995) A2.1: III. Stufe Kommunalverfassungsreform (1995)]</ref>
: "Die SPD fordert die Übernahme der EU-Richtlinie zur Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts für EU-Ausländer. Durch Landesrecht muß sichergestellt werden, daß diese Richtlinie zur Kommunalwahl 1998 auch in Schleswig-Holstein wirksam wird. Darüber hinaus muß sichergestellt werden, daß Ausländerinnen und Ausländer, die von dieser Richtlinie nicht erfaßt werden und seit längerer Zeit ihren Lebensmittelpunkt in Schleswig-Holstein haben, Rechte erhalten, die ihnen ermöglichen, an kommunalen Entscheidungsprozessen unterhalb der Ebene des Wahlrechts mitzuwirken."<ref>Beschlussdatenbank: [http://beschluesse.spd-schleswig-holstein.de/wiki/A2.1:_III._Stufe_Kommunalverfassungsreform_(1995) A2.1: III. Stufe Kommunalverfassungsreform (1995)]</ref>


[[1995]] beschloss die SPD-geführte Regierung eine Reform des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes - dort war dann auch das Wahlrecht für EU-Bürger vorgesehen.<ref>Landtagsinformationssystem: "[http://lissh.lvn.parlanet.de/cgi-bin/starfinder/0?path=lisshfl.txt&id=FASTLINK&pass=&search=2BEM%3d2021-1+AND+DART%3dG+AND+JG%3d1997+AND+HNR%3D6&format=WEBDOKFL Gesetz- und Verordnungsblatt 1997 Nr 6 S 147-166]"</ref>
Später im Jahr beschloss die SPD-geführte [[Kabinett Simonis I|Landesregierung]] eine Reform des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes, die auch das Wahlrecht für EU-Bürger enthielt.<ref>Landtagsinformationssystem: [http://lissh.lvn.parlanet.de/cgi-bin/starfinder/0?path=lisshfl.txt&id=FASTLINK&pass=&search=2BEM%3d2021-1+AND+DART%3dG+AND+JG%3d1997+AND+HNR%3D6&format=WEBDOKFL Gesetz- und Verordnungsblatt 1997 Nr. 6, S. 147-166]</ref> Zur [[Kommunalwahl 1998]] konnte [[Cathy Kietzer]] also ganz regulär antreten und wurde gewählt. Sie blieb in der [[Kreisverband Kiel - Ratsfraktion|Kieler Ratsversammlung]] bis [[2013]] und wurde sogar zweimal zur Stadtpräsidentin gewählt.


Zur [[Kommunalwahl 1998]] trat dann auch [[Cathy Kietzer]] ganz regulär an und sie wurde gewählt. Sie blieb in der Ratsversammlung bis [[2013]] und wurde sogar zweimal zur Stadtpräsidentin gewählt.
=== Wahlrecht für Nicht-EU-AusländerInnen ===
Die SPD befürwortete weiterhin das kommunale Wahlrecht auch für Menschen aus dem Nicht-EU-Ausland. Im [[Hamburger Programm|Grundsatzprogramm]], das die Partei auf dem Bundesparteitag am [[28. Oktober]] [[2007]] in Hamburg beschloss, heißt es:
: "Denen, die noch nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben, aber schon längere Zeit hier leben, wollen wir das kommunale Wahlrecht geben, auch wenn sie nicht aus EU-Staaten kommen."<ref>SPD: ''[https://www.spd.de/linkableblob/1778/data/hamburger_programm.pdf Hamburger Programm]'', 2007</ref>
Es sei nicht einzusehen, dass Menschen anderer Nationalität, die lange hier lebten, ihre Pflichten z.B. beim Zahlen von Steuern erfüllten und sich an Recht und Gesetz hielten, das Wahlrecht verwehrt werde, schrieb [[Ralf Stegner]] [[2009]] in einer Pressemitteilung. Dieses eröffne, gerade auf kommunaler Ebene, die Chance der Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am Geschehen und an der Gestaltung ihrer Gemeinde."<ref>''[http://www.ltsh.de/presseticker/2009-02/20/10-00-03-589a/PI-SZ5xE1ia-spd.pdf Kommunalwahlrecht für Ausländer: Vor 20 Jahren war SH Vorreiter]'', Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Nr. 044/2008, 19.2.2009</ref>


== Wahlrecht für AusländerInnen ==
[[2013]] gab die [[Küstenkoalition]] mit den Stimmen von Piraten und FDP der Landesregierung folgenden Auftrag:
Die SPD befürwortete das kommunale Wahlrecht auch für Nicht-EU-Ausländer. Im [[Hamburger Programm|Grundsatzprogramm]], das die Partei auf dem Bundesparteitag am [[28. Oktober]] [[2007]] in Hamburg beschlossen hat, heißt es:  
: "Der Schleswig-Holsteinische Landtag fordert die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel zu starten, das bereits bestehende aktive und passive Wahlrecht für Unionsbürger zu Kommunal- und Europawahlen auf den Bereich der Landtagswahlen auszuweiten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu prüfen, ob eine Ausweitung mit dem Grundgesetz vereinbar ist oder ob es möglicherweise grundgesetzlicher Anpassungen bedarf."<ref>{{Drucksache|WP=18|NR=737}}</ref>
: "Denen, die noch nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben, aber schon längere Zeit hier leben, wollen wir das kommunale Wahlrecht geben, auch wenn sie nicht aus EU-Staaten kommen."<ref>SPD: "[https://www.spd.de/linkableblob/1778/data/hamburger_programm.pdf Hamburger Programm]", 2007</ref>
Es sei nicht einzusehen, dass Menschen anderer Nationalität, die lange hier leben und ihre Pflichten z.B. als Steuerzahler erfüllen sowie Recht und Gesetz einhalten, das Wahlrecht verwehrt wird, schreibt der Lanmdtagsfraktionsvorsitzende [[Ralf Stegner]] [[2008]] in einer Pressemitteilung. Dieses eröffne, gerade auf kommunaler Eben, die Chance der Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am Geschehen und an der Gestaltung ihrer Gemeinde."<ref>Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion [http://www.ltsh.de/presseticker/2009-02/20/10-00-03-589a/PI-SZ5xE1ia-spd.pdf Kommunalwahlrecht für Ausländer: Vor 20 Jahren war SH Vorreiter] Nr.: 044/2008</ref>


[[2013]] beschloss die [[Küstenkoalition]] gemeinsam mit Piraten und FDP eine Bundesratsinitiative zu einer Grundgesetzänderung, die auch ein Wahlrecht für Nicht-EU Bürgerinnen und Bürger ermöglichen sollte.
== Links ==
: "Der Schleswig-Holsteinische Landtag fordert die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel zu starten, das bereits bestehende aktive und passive Wahlrecht für Unionsbürger zu Kommunal- und Europawahlen auf den Bereich der Landtagswahlen auszuweiten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu prüfen, ob eine Ausweitung mit dem Grundgesetz vereinbar ist oder ob es möglicherweise grundgesetzlicher Anpassungen bedarf. "<ref>[http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/0700/drucksache-18-0737.pdf Drucksache 18/737 (neu)]</ref>
* Bakojannis, Pavlos: ''[http://www.zeit.de/1972/10/roboter-der-deutschen Roboter der Deutschen - Angst vor Gastarbeitern]'', DIE ZEIT, 10.3.1972
* ''[http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14315119.html Außen vor]'', DER SPIEGEL, 5.1.1981


== Quellen ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


[[Kategorie:Ausländerpolitik]]
[[Kategorie:Gesellschaftspolitik]]
[[Kategorie:Demokratie]]
[[Kategorie:Demokratie]]
[[Kategorie:Wahlrecht]]
[[Kategorie:Wahlrecht]]

Aktuelle Version vom 29. Juli 2023, 22:51 Uhr

Für ein Kommunales Wahlrecht für AusländerInnen setzte sich die SPD Schleswig-Holstein seit mindestens Mitte der 1970er Jahre ein. Ausländerinnen und Ausländer, die schon längere Zeit in Schleswig-Holstein lebten, sollten sich auch mit einem Mandat an der Kommunalpolitik beteiligen dürfen. Für EU-Bürgerinnen und -Bürger gilt dieses Recht seit der Kommunalwahl 1998. Bis dahin konnten nur deutsche Staatsbürger bei Kommunalwahlen wählen und für öffentliche Mandate kandidieren.

Ausländerpolitik wird Gesellschaftspolitik

Türkische Gastarbeiter am "Tag des Kindes" in Kiel, 1975

Seit 1955, verstärkt seit 1960 hatte die Bundesrepublik Deutschland vor allem in Mittelmeerländern sogenannte "Gastarbeiter" angeworben, Männer und Frauen, die die gut laufende Wirtschaft um zusätzliche Arbeitskräfte ergänzten. Seit der Ölkrise von 1974 kam die Konjunktur ins Stocken. Die Anwerbeabkommen für "Gastarbeiter" wurden ausgesetzt, die vorhandenen Zugewanderten wurden aber auf absehbare Zeit gebraucht.

Die Frage nach Integration und Teilhabe der neuen Bürgerinnen und Bürger stellte sich erst nach und nach. Bereits der Landesparteitag 1977 forderte im Rahmen eines umfangreichen Beschlusses zur Kommunalpolitik auch,

"... Ausländern, die aus der Europäischen Gemeinschaft stammen und fünf Jahre in der Bundesrepublik wohnhaft sind, das Kommunalwahlrecht einzuräumen."[1]
Heinz Kühn, 1966

1978 richtete die sozial-liberalen Bundesregierung von Helmut Schmidt das Amt des Ausländerbeauftragten ein. Der erste Amtsinhaber, Nordrhein-Westfalens ehemaliger Ministerpräsident Heinz Kühn, legte ein Memorandum[2] vor, nach dem Ausländerpolitik nicht länger reine Arbeitsmarktpolitik, sondern in erster Linie Gesellschaftspolitik sein sollte. Es warf die Frage nach der gesellschaftlichen und politischen Beteiligung der ausländischen Beschäftigten bis hin zum Kommunalwahlrecht auf.

1981 bekräftigte die SPD Schleswig-Holstein ihren Beschluss von 1977 mit den Kommunalpolitischen Schwerpunkten und forderte für den Übergang die Schaffung kommunaler Ausländerbeiräte:

"Solange das von uns angestrebte kommunale Wahlrecht der Ausländer nicht verwirklicht ist, sollen Ausländerbeiräte zur Beratung der kommunalen Vertretungskörperschaften eingerichtet werden."[3]

Die Kieler SPD zum Beispiel nahm eine solche Forderung auch in ihr Programm zur Kommunalwahl 1982 auf:

"Für ausländische Mitbürger mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis ist das aktive und passive Kommunalwahlrecht einzuführen."[4]

Auf dem Kreisparteitag am 31. März 1984 zog sie nach und legte Kommunalpolitische Perspektiven der Ausländerpolitik in Kiel vor.

1982 gründete die Landtagsfraktion eine Projektgruppe "Ausländer" unter der Leitung von Klaus Klingner.[5]

Wahlrecht bei Gegenseitigkeit

Im Wahlprogramm zu den Landtagswahlen 1987 und 1988 setzte die SPD sich das Ziel:

"Die SPD wird das kommunale Wahlrecht ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in Schleswig-Holstein einführen."[6]

Direkt nach der Wahl setzte die Regierung von Björn Engholm dieses Versprechen um - Schleswig-Holstein sollte das erste Bundesland mit Wahlrecht für hier lebende AusländerInnen werden: Im Februar 1989 beschloss der Landtag mit den Stimmen von SPD und SSW das Gesetz zu Änderung des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes[7]. Das kommunale Wahlrecht sollten Menschen aus Staaten erhalten, die ihrerseits Deutschen das Wahlrecht gaben.[8] Zudem mussten sie seit 5 Jahren legal in Deutschland wohnen. 5.500 der 80.000 in Schleswig-Holstein lebenden AusländerInnen wären damals wahlberechtigt geworden.[9]

Cathy Kietzer, 2007

Als eine der ersten bewarb sich die Kielerin Cathy Kietzer um ein Mandat bei der Kommunalwahl 1990 - sie lebte da bereits seit 20 Jahren in Deutschland und war seit vier Jahren Vorsitzende der SPD Mettenhof/Hasseldieksdamm.

Allerdings beantragte die CDU-Bundestagsfraktion die Überprüfung des Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht. Der SPIEGEL fasste die Positionen in der Debatte so zusammen:

"Das Rechtsproblem, das in Karlsruhe verhandelt wird, läßt sich auf die Interpretation einer einzigen Zeile des Grundgesetzes reduzieren: 'Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.' Nach Ansicht der Konservativen können damit natürlich nur deutsche Volksgenossen gemeint sein. Isensee: 'Ein Wahlrecht für Ausländer wäre demokratiewidrige Fremdbestimmung. Es hinderte das deutsche Volk, in der Wahl seine demokratische Identität zu finden.' Andere Experten, wie der Frankfurter Staatsrechtler Hans Meyer, haben eine weniger bombastische Erklärung: Die schlichte Forderung der Verfassung bedeute nur, daß die Staatsgewalt 'nicht von Gott, einer Dynastie oder einer Partei' ausgehe, sondern eben vom Volk. Nach Ansicht des Frankfurter Rechtsprofessors Manfred Zuleeg, Richter am Europäischen Gerichtshof, ist es 'eine Frage des politischen Willens', wie diese Verfassungsvorschrift interpretiert wird. Zuleeg hält eine nationalistische Definition des Volksbegriffs für falsch. 'Volk' sei die 'Lebens- und Schicksalsgemeinschaft auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland', also inklusive der Ausländer. Laut Grundgesetz hätten die Gemeinden das Recht, meint der Nestor des deutschen Verfassungsrechts, Helmut Simon, 67, 'alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln'. Simon: 'Zur örtlichen Gemeinschaft gehören auch Ausländer. Es ist wichtig, daß diese Menschen über Dinge mitentscheiden können, die auch sie etwas angehen.'"[10]

Das Bundesverfassungsgericht kassierte das kommunale Wahlrecht am 12. Oktober 1989: Das "Volk" sei nur das deutsche Volk, das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland. Das schließe die Gewährung eines Kommunalwahlrechts an Ausländer aus.[11]

Damit konnte Cathy Kietzer nicht mehr antreten. Der Presse sagte sie: "Ich finde es allerdings unbegreiflich, daß hier in Deutschland ein Gesetz abgeschlagen wird, das in alten Demokratien wie Dänemark, Norwegen oder Schweden schon jahrelang praktiziert wird."[12]

Wahlrecht für EU-BürgerInnen

Das kommunale Wahlrecht für Bürgerinnen und Bürger der EU kam im November 1993 mit dem Vertrag von Maastricht. Dass es dann nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern bundes- und EU-weit eingeführt wurde, war für die SPD Schleswig-Holstein eine späte Genugtuung. Der Vertrag von Maastricht legte fest:

"Jeder Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, hat in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen, wobei für ihn dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaates."[13]

Um das umzusetzen, wurde Art. 28 Abs. 1 des Grundgesetzes am 21. Dezember 1992 um einen Satz 3 ergänzt:

"Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar."

Die SPD Schleswig-Holstein forderte mit einem Beschluss auf dem Landesparteitag 1995 die Umsetzung für die Kommunalwahl 1998:

"Die SPD fordert die Übernahme der EU-Richtlinie zur Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts für EU-Ausländer. Durch Landesrecht muß sichergestellt werden, daß diese Richtlinie zur Kommunalwahl 1998 auch in Schleswig-Holstein wirksam wird. Darüber hinaus muß sichergestellt werden, daß Ausländerinnen und Ausländer, die von dieser Richtlinie nicht erfaßt werden und seit längerer Zeit ihren Lebensmittelpunkt in Schleswig-Holstein haben, Rechte erhalten, die ihnen ermöglichen, an kommunalen Entscheidungsprozessen unterhalb der Ebene des Wahlrechts mitzuwirken."[14]

Später im Jahr beschloss die SPD-geführte Landesregierung eine Reform des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes, die auch das Wahlrecht für EU-Bürger enthielt.[15] Zur Kommunalwahl 1998 konnte Cathy Kietzer also ganz regulär antreten und wurde gewählt. Sie blieb in der Kieler Ratsversammlung bis 2013 und wurde sogar zweimal zur Stadtpräsidentin gewählt.

Wahlrecht für Nicht-EU-AusländerInnen

Die SPD befürwortete weiterhin das kommunale Wahlrecht auch für Menschen aus dem Nicht-EU-Ausland. Im Grundsatzprogramm, das die Partei auf dem Bundesparteitag am 28. Oktober 2007 in Hamburg beschloss, heißt es:

"Denen, die noch nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben, aber schon längere Zeit hier leben, wollen wir das kommunale Wahlrecht geben, auch wenn sie nicht aus EU-Staaten kommen."[16]

Es sei nicht einzusehen, dass Menschen anderer Nationalität, die lange hier lebten, ihre Pflichten z.B. beim Zahlen von Steuern erfüllten und sich an Recht und Gesetz hielten, das Wahlrecht verwehrt werde, schrieb Ralf Stegner 2009 in einer Pressemitteilung. Dieses eröffne, gerade auf kommunaler Ebene, die Chance der Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am Geschehen und an der Gestaltung ihrer Gemeinde."[17]

2013 gab die Küstenkoalition mit den Stimmen von Piraten und FDP der Landesregierung folgenden Auftrag:

"Der Schleswig-Holsteinische Landtag fordert die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel zu starten, das bereits bestehende aktive und passive Wahlrecht für Unionsbürger zu Kommunal- und Europawahlen auf den Bereich der Landtagswahlen auszuweiten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu prüfen, ob eine Ausweitung mit dem Grundgesetz vereinbar ist oder ob es möglicherweise grundgesetzlicher Anpassungen bedarf."[18]

Links

Einzelnachweise

  1. Beschlussdatenbank: III: Kommunalpolitik (1977)
  2. Kühn, Heinz: Stand und Weiterentwicklung der Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien in der Bundesrepublik Deutschland, September 1979
  3. Beschlussdatenbank: Schwerpunkte der Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein zur Kommunalpolitik (1981)
  4. SPD Kiel (Hrsg.) Perspektiven: Kommunalpolitisches Programm der Kieler SPD, beschlossen vom Kreisparteitag am 1. November 1981
  5. Projektgruppe Ausländer, in: WIR 1/1982
  6. Beschlussdatenbank: Aufbruch im Norden. Programm der SPD Schleswig-Holstein (1987)
  7. Schleswig-Holsteinischer Landtag, 12. Wahlperiode: Drucksache 12/194
  8. Zu dieser Zeit waren das die Schweiz, Irland, die Niederlande, Norwegen, Schweden und Dänemark.
  9. Cai-Uwe Lindner: Der SPD-Ortsverein Hasseldieksdamm/Mettenhof – Geschichte und politisches Wirken (Kiel 1991)
  10. Bohrung und Durchstich, DER SPIEGEL, 9.10.1989
  11. BVerfG, Urteil vom 31.10.1990, Az. 2 BvF 2, 6/89; BVerfGE 83, 37 - Ausländerwahlrecht I.
  12. Cathy Kietzer nimmt's gelassen, Kieler Nachrichten , Oktober 1989, zit. in: Cai-Uwe Lindner: Der SPD-Ortsverein Hasseldieksdamm/Mettenhof – Geschichte und politisches Wirken (Kiel 1991)
  13. Kommunalwahlrecht für Ausländer: Vor 20 Jahren war SH Vorreiter, Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Nr. 044/2008, 19.2.2009
  14. Beschlussdatenbank: A2.1: III. Stufe Kommunalverfassungsreform (1995)
  15. Landtagsinformationssystem: Gesetz- und Verordnungsblatt 1997 Nr. 6, S. 147-166
  16. SPD: Hamburger Programm, 2007
  17. Kommunalwahlrecht für Ausländer: Vor 20 Jahren war SH Vorreiter, Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Nr. 044/2008, 19.2.2009
  18. Schleswig-Holsteinischer Landtag, 18. Wahlperiode: Drucksache 18/737