Ludwig Preller: Unterschied zwischen den Versionen

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==Literatur & Links==
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*Landtagsinformationssystem: [https://e-lissh.landtag.ltsh.de/portal/browse.tt.html Ludwig Preller]
*Landtagsinformationssystem: [https://e-lissh.landtag.ltsh.de/portal/browse.tt.html?type=generic5&action=link&db=lsh.samt&text=Ludwig%20Preller Ludwig Preller]
*Wikipedia: [https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Preller_%28Politiker%29 Ludwig Preller], abgerufen 24.4.2018
*Wikipedia: [https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Preller_%28Politiker%29 Ludwig Preller], abgerufen 24.4.2018
*Archiv der sozialen Demokratie (AdSD): ''[http://www.fes.de/archiv/adsd_neu/inhalt/nachlass/nachlass_p/preller-lu.htm Ludwig Preller]'', abgerufen 24.4.2018. Auf diesem Artikel beruht im Wesentlichen der vorliegende Eintrag.
*Archiv der sozialen Demokratie (AdSD): ''[http://www.fes.de/archiv/adsd_neu/inhalt/nachlass/nachlass_p/preller-lu.htm Ludwig Preller]'', abgerufen 24.4.2018. Auf diesem Artikel beruht im Wesentlichen der vorliegende Eintrag.

Aktuelle Version vom 26. Februar 2024, 23:31 Uhr

Ludwig Preller
Ludwig Preller
Ludwig Preller
Geboren: 16. Februar 1897
Gestorben: 29. November 1974

Prof. Dr. Oskar Ludwig Preller, * 16. Februar 1897 in Burgstädt b. Chemnitz/Sachsen, † 29. November 1974 in Rossert/Taunus; Nationalökonom, Landtagsabgeordneter und Landesminister. Mitglied der SPD seit 1922.[1]

Werdegang

Den größten Teil seines Lebens und seiner beruflichen Tätigkeit verbrachte Ludwig Preller außerhalb von Schleswig-Holstein. Er war der Sohn des Rechtsanwalts Oscar Preller und seiner Ehefrau. Als der Vater schon 1899 starb, zog die Familie nach Dresden. Ludwig Preller besuchte dort die Bürgerschule und das humanistische Kreuzgymnasium, wo er 1915 das "Notabitur" machte, weil der Kaiser Soldaten brauchte. Nach seiner Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg studierte er ab Februar 1919 an der Universität Leipzig Volkswirtschaft, Statistik und Zeitungskunde und wurde im Juli 1922 mit einer Arbeit über den redaktionellen Zeitungsinhalt zum Dr. phil. promoviert.

Seinen Lebensunterhalt verdiente er in dieser Zeit, da die Familie durch Krieg und Inflation verarmt war, u.a. als Leiter des Fürsorgeausschusses der Universität, als Versicherungs-Korrespondent, Bergpraktikant unter Tage im Steinkohlebergbau[2] und Hilfsbibliothekar. Im Oktober 1922 wurde er Gewerbereferendar im sächsischen Staatsdienst, wo er auch nach der Assessorprüfung im September 1925 blieb. Ab Februar 1926 war er für die Reichsarbeitsverwaltung in Berlin und fürs Reichsarbeitsministerium tätig. Im Januar 1928 kehrte er - mittlerweile Regierungsrat - nach Dresden zurück, um die sächsische Gewerbeaufsicht neu zu organisieren und ihr volkswirtschaftliches Referat zu leiten. Er soll der erste Volkswirt gewesen sein, der als Gewerbeaufsichtsbeamter zugelassen wurde.[2]

Seine beruflichen Erfahrungen verarbeitete er ab 1924 in "sozialpolitisch-wissenschaftlichen Aufsätzen" (Preller), vor allem zu Themen wie Arbeitsschutz, Sozialpsychologie, Arbeitshygiene und Arbeitsrecht, die in Fachzeitschriften erschienen. Im Vordergrund stand für ihn die praktische Umsetzung der Sozialgesetzgebung für die Arbeitnehmer.

"Schon während seiner Assessorenausbildung fiel er bei den zahlreichen Betriebsbesichtigungen, die er durchzuführen hatte, dadurch auf, dass er die Arbeitervertreter drängte, ihre Rechte auch wahrzunehmen und voll auszuschöpfen. So mahnte er u.a. fehlende Betriebsräte und die oft mangelhaften sozialen Zustände im Lehrlingswesen an."[3]

Seit seiner Zeit im Bergbau 1922 war er Mitglied der freien Gewerkschaften und pflegte seine Kontakte dorthin, etwa zu Theodor Leipart, war auch für den ADGB an den Verhandlungen über das Reichsarbeitsschutzgesetz beteiligt, dessen Abschnitt zur Neuorganisation der Arbeitsaufsicht er selbst verfasste. An der Dresdner Volkshochschule hielt er in gewerkschaftlichen Schulungskursen Referate über Arbeitsschutz und Gewerbehygiene; dabei zeigte sich erstmals seine pädagogische Begabung.

Er war zweimal verheiratet, hatte aber keine Kinder. Er bezeichnete sich als konfessionslos. In seiner Zeit in Kiel wohnte er in der Wik, in einem Wohnheim in der Mecklenburger Straße 57.

NS-Herrschaft

Ludwig Prellers sozialpolitisches und gewerkschaftliches Engagement und seine SPD-Mitgliedschaft waren den Nazis ein Dorn im Auge. Mit Wirkung vom 24. April 1933 entließen sie ihn auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums als "politisch unzuverlässig" aus dem Staatsdienst. Drei Jahre der Arbeitslosigkeit folgten, in denen er an seiner Geschichte der deutschen Sozialpolitik in den letzten hundert Jahren arbeitete, die eigentlich als Habilitation geplant gewesen war. Der größte Teil des Manuskripts ging verloren; 1949 konnte lediglich der Teil über die Weimarer Republik veröffentlicht werden.

Außerdem arbeitete er von 1933 bis 1935 als Redakteur an Andreas Gayks Wochenzeitschrift Blick in die Zeit mit.[4]

Im Büro für Sozialpolitik (der ehemaligen Gesellschaft für sozialen Fortschritt) in Berlin fand er 1936 eine Nebenbeschäftigung, arbeitete anonym[2] auch an der dort herausgegebenen sozialpolitisch-wissenschaftlichen Zeitschrift Soziale Praxis mit, bis sie 1943 auf Druck der Nazis eingestellt werden musste. Danach wurde er von der Textilfirma Bleyle in Stuttgart für überbetriebliche sozialwirtschaftliche Aufgaben der Wirtschaftsgruppe Textilindustrie beschäftigt.

Nach der NS-Zeit

Seine wirtschaftspolitische Erfahrung und seine Gegnerschaft zum NS-Regime veranlassten die amerikanische Besatzungsmacht, ihn gleich nach Kriegsende mit der Betreuung der württembergischen Textil- und Bekleidungsindustrie zu beauftragen. Ab März 1946 leitete er die Abteilungen Sozialpolitik und Kulturpolitik (einschl. Hochschulwesen) beim Länderrat des amerikanischen Besatzungsgebietes, 1948 wurde er zum Vertrauensmann für Verhandlungen mit dem "Zwei-Zonen-Wirtschaftsrat" ernannt.

Daneben hatte er einen Lehrauftrag für Sozialpolitik an der Technischen Hochschule in Stuttgart. Er nahm auch aktiv an den Tagungen der German Educational Reconstruction in der Heimvolkshochschule Göhrde (Mai 1948) und - mit Beteiligung der wiedergegründeten Gesellschaft für Sozialen Fortschritt - in London (September 1951 und Januar 1953) teil.

Partei & Politik

Ludwig Preller war der SPD 1922 beigetreten und hatte sich als Sozialwissenschaftler und -politiker einen Namen gemacht.

Minister in Schleswig-Holstein

Im August 1948 berief Ministerpräsident Hermann Lüdemann ihn zum Landesminister für Wirtschaft und Verkehr. Er behielt das Amt - um den Bereich Arbeit erweitert - auch unter Bruno Diekmann. Nach dem Ende der SPD-Regierung im Oktober 1950 legte er auch sein Landtagsmandat nieder, in das er erst im August des Jahres über die Landesliste gekommen war.

"Während seiner Zeit als Landesminister versuchte er, durch ein Arbeitsbeschaffungsprogramm die Wirtschaft des Landes wieder anzukurbeln und dadurch die extrem hohe Arbeitslosigkeit im Flüchtlingsland Schleswig-Holstein zu bekämpfen. Besonders lagen ihm auch die arbeitslosen Jugendlichen am Herzen, denen er durch ein gesondertes Jugendaufbauwerk u.a. Ausbildungsplätze und Unterbringung ermöglichte. Als Bundesratsbevollmächtigter für sein Land tat er sich durch einen Beitrag in der von der SPD initiierten Bundestagsdebatte über die Arbeitslosigkeit im Februar 1950 hervor, indem er den Zusammenhang von Flüchtlingsbelegung und Arbeitslosigkeit nachwies und auf die staatspolitischen Gefahren solcher Anhäufungen in einigen Bundesländern aufmerksam machte. Als Wirtschaftsminister vertrat er den Bundesrat auch im Kapitalverkehrsausschuss des Bundes und war Mitglied des Bundesbahn-Beirates. Seine Lehrtätigkeit setzte er während dieser Zeit an der Universität Kiel fort."[3]

Weiterer Weg

Ab 1951 verlegte Ludwig Preller seinen Lebensmittelpunkt wieder weg von Schleswig-Holstein. Er wurde zum hauptamtlichen Dozenten an der gewerkschaftlichen Akademie der Arbeit der Universität Frankfurt/Main berufen, die er später auch zeitweise leitete und erst 1965 mit seinem Ruhestand verließ. Außerdem bewarb er sich in einer Nachwahl für den Wahlkreis Kassel um einen Sitz im Bundestag. Er gehörte dem 1. und 2. Bundestag an, war Mitglied in den Ausschüssen für Arbeit und Sozialpolitik, als deren Berichterstatter er häufig auftrat, und im Ausschuss gemäß Artikel 15 des Grundgesetzes.

Sein Hauptanliegen war weiterhin die Sozialpolitk:

"Sozialpolitik von heute formt Recht im Arbeitsleben. Sie stößt das Tor auf für eine neue Ordnung der Gesellschaft. Sozialpolitik in der heutigen Gesellschaft muss, will sie wirksam werden, Politik sein, die Gesellschaft formt. Sie muss Sozialreform sein, und Sozialreform ist Gesellschaftsreform."[5]

Schon 1954 setzte er sich auch für vorbeugenden Gesundheitsfürsorge ein. Vorbeugung sollte einen besonderen Rang innerhalb des Systems der sozialen Sicherung erhalten,

"im Sinne der Würde des Menschen, dessen Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihm Selbständigkeit und damit Selbstbestimmung verleihen".[5]

Auch als Rentenfachmann trat er hervor. Der Begriff des "Rentenanspruchs" unabhängig von einer Bedürftigkeitsüberprüfung ist eng mit seinem Namen verbunden.

Für den 3. Bundestag kandidierte Ludwig Preller nicht mehr, weil er jungen Menschen Platz machen und sich endlich wieder intensiv seinen wissenschaftlichen Aufgaben widmen wollte. Damit hatte er außerdem wieder mehr Raum, seinen Interessen für Philosophie und moderne Kunst nachzugehen. Die Liebe zur Kunst teilte er mit seiner zweiten Frau Elisabeth, geb. Fischer-Wernecke, die er im Oktober 1957 geheiratet hatte.[3]

In der Partei blieb er weiterhin aktiv. So legte der Sozialpolitische Ausschuss unter seiner Leitung (1952-1959 mit kurzer Unterbrechung) unter dem Namen Sozialplan für Deutschland[6] die Grundlagen für die soziale Programmatik, die ins Godesberger Programm von 1959 übernommen wurde. In einem Interview erläuterte er:

"Die Gesundheits- und die Arbeitssicherung sind [...] das Kernstück des Planes. Er geht jedoch ebenso intensiv auf die Heilung, auf die Ärzte-, die Krankenhausfragen ein und er entwickelt eine auf Mitwirkung der Betroffenen aufbauende Sozialhilfe. [...] Ziel ist nicht nur eine verbesserte materielle soziale Leistung; Ziel ist vielmehr, dem einzelnen die soziale Chance zu verschaffen, sein Leben möglichst unbehindert durch Notstände, wie Krankheit, Unfall, Invalidität, Arbeitslosigkeit aus eigenen Kräften aufzubauen und damit immer mehr zu sich selbst zu kommen."[6]

Später urteilt der Sozialdemokratische Pressedienst:

"Die Forderung nach einer umfassenden Sozialreform im Sinne einer sozialen Neuordnung hat von hier aus ihren Eingang in das Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit gefunden." Schon damals bedienten sich politische Gegner der Strategie, "die sozialdemokratischen Vorschläge zu übernehmen, ohne jedoch auf ihre Herkunft hinzuweisen".[7]

Lehrtätigkeit

Die Breite seines Wissens und seiner Interessen machte Ludwig Preller zu einem gefragten Referenten für Partei-, Gewerkschafts- und andere soziale Organisationen. Er verfasste Artikel und Aufsätze zu nahezu allen Bereichen des sozialen Lebens. Im August 1963 hielt er auf der Bundesfrauenkonferenz der SPD ein Grundsatzreferat zur Gleichberechtigung der Frau, auf der Internationalen Familienkonferenz im Juli 1964 einen vielbeachteten Vortrag zu den Problemen der Familie in der Gesellschaft.

Er hatte die Lehre früh für sich entdeckt - an der Volkshochschule, an den Universitäten Stuttgart und Kiel und zuletzt an der Akademie der Arbeit, wo er mit Studierenden arbeitete, die bereits über Erfahrungen aus der Arbeitswelt verfügten. Dort fand er die von ihm

"stets gewünschte Gelegenheit, der heranwachsenden Generation das Vermächtnis von einer fortschrittlichen Sozialpolitik zu vermitteln [...]. Zahlreiche seiner Studenten nehmen heute entscheidende Funktionen im gesellschaftpolitischen Bereich, in der Politik und in der gewerkschaftlichen Mitbestimmung wahr. Ein fruchtbares Vermächtnis, was Preller unserem Staat hinterlassen hat!"[8]

Das Interesse an Bildungschancen für junge Menschen aus dem Arbeitermilieu wird auch in seiner Rolle als Gründungsmitglied (1958) und späterer Vorsitzender (bis 1966) der Frankfurter "Walter-Kolb-Stiftung zur Förderung des zweiten Bildungsweges" deutlich.

Daneben engagierte er sich in der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt und der ab Januar 1952 erscheinenden Zeitschrift Sozialer Fortschritt, deren Ziel es war,

"ein Forum zu schaffen, in dem Gewerkschaften und Arbeitgeber-Vereinigungen sowie Vertreter der großen Parteien, der Verwaltung und Wissenschaft gemeinsam sozialpolitische Tages- und Grundsatzfragen erörtern und die Vielfalt der sozialen Erscheinungen in einheitlichem Rahmen behandeln konnten".[3]

Innerhalb der Gewerkschaften wirkte Ludwig Preller als hochangesehener und geschätzter Berater und Sachverständiger. In einem Schreiben von Hermann Beermann zu seinem 65. Geburtstag kommt diese Wertschätzung zum Ausdruck:

"... den brillanten und geistreichen Streiter und den drängenden Mahner Ludwig Preller können wir Praktiker in der täglichen Auseinandersetzung nicht missen."[5]

Ludwig Prellers Nachlass liegt im Archiv der Sozialen Demokratie in Bonn.

Veröffentlichungen

  • Sozialpolitik in der Weimarer Republik (Stuttgart 1949; unveränderter Nachdruck Düsseldorf 1978), ISBN 3-7610-7210-4.
  • Sozialpolitik. Theoretische Ortung
  • Praxis und Probleme der Sozialpolitik (? 1972)

Ehrungen

1969 wurde ihm die Marie-Juchacz-Plakette der Arbeiterwohlfahrt verliehen.

Nach ihm benannte Straßen o. ä. sind nicht bekannt. Zwar gibt es in einigen ostdeutschen Städten (Eisenach, Leipzig, Dresden) eine Prellerstraße, die aber in der Regel dem Altphilologen gleichen Namens oder dem Maler Friedrich Preller gewidmet ist.

Archive

Literatur & Links

Einzelnachweise

  1. Veränderungen im Kabinett Lüdemann, VZ, 7.8.1948
  2. 2,0 2,1 2,2 Professor Ludwig Preller 60 Jahre, Sozialdemokratischer Pressedienst, 12.2.1957, S. 5
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 AdSD: Ludwig Preller
  4. Wikipedia: Ludwig Preller, abgerufen 24.4.2018. In der ausführlichen AdSD-Biografie ist diese Tätigkeit nicht erwähnt.
  5. 5,0 5,1 5,2 Zit. in AdSD: Ludwig Preller
  6. 6,0 6,1 Warum "Sozialplan für Deutschland"? Ein Interview mit Prof. Dr. Ludwig Preller, MdB, Sozialdemokratischer Pressedienst, 26.7.1957, S. 1 f.
  7. Beide Zitate aus Professor Ludwig Preller 60 Jahre, Sozialdemokratischer Pressedienst, 12.2.1957, S. 6
  8. Brück, G. W.: Nachruf auf Ludwig Preller, zit. in AdSD: Ludwig Preller