Arbeiterwohlfahrt

Aus SPD Geschichtswerkstatt

Die Arbeiterwohlfahrt (kurz: AWO, früher: AW) ist eine traditionell der SPD nahe stehende Wohlfahrtsorganisation, gegründet 1919, als im Gefolge des 1. Weltkrieges bittere Not in vielen Arbeiterfamilien herrschte.

Gründung

Die AWO wurde am 13. Dezember 1919 auf Initiative von Marie Juchacz gegründet, die auch bis 1933 Reichsvorsitzende war. Damals war sie eine innerparteiliche Selbsthilfeorganisation, der sich alle sozialdemokratischen Männer und (vor allem) Frauen, die in der Wohlfahrtspflege tätig waren, anschlossen. Die Arbeiterwohlfahrt, "das Kind der Partei", wie sie damals von den Genossinnen und Genossen genannt wurde, wuchs schnell zu einer großen Organisation heran.

Die Unterstützung Not leidender Arbeiterfamilien durch die Frauen im Geist der Arbeitersolidarität hatte in der SPD Tradition. Genossinnen und Genossen sollten nicht auf bürgerlich-kirchliche Wohltätigkeit angewiesen sein, die in der Regel an degradierende Kontrolle geknüpft war. Die bürgerlichen Damen und Herren, die sich bisher "um das Wohl der Armen sorgten", taten wenig gegen die Ursachen der Armut. Und es vertrug sich auch nicht mit dem wachsenden Selbstbewußtsein der Arbeiterschaft und ihrer neuen gestaltenden Rolle im Staat, die eigenen Kräfte brach liegen zu lassen.[1]

Die Auffassung war vielmehr, wie es beispielhaft im Gründungsaufruf der Hamburger AWO heißt:

"Durch die Gesetzgebung allein ist dem großen sozialen Notstand nicht abzuhelfen. Viele Hände und Köpfe müssen zusammenarbeiten, um Hunger und Krankheit, körperliche und geistige und moralische Not zu lindern. Von dieser Arbeit dürfen wir Sozialdemokraten, die wir mit unserem Wirken schon von jeher den Beweis sozialen Denkens und Fühlens erbracht haben, uns nicht ausschließen."

Louise Schroeder, 1919

Eine maßgebliche Rolle bei der Gründung der AWO spielte Louise Schroeder aus dem damals noch schleswig-holsteinischen Altona, die auch Gründungsvorsitzende in Schleswig-Holstein war[2] und 11 Jahre lang blieb.[3]

Die AWO finanzierte ihre Arbeit allein durch Spenden[1] und leistete sie weitgehend ehrenamtlich. Im Vordergrund standen zunächst Kinderschutz, Jugendwohlfahrt, Gesundheitsvorsorge und die materielle Versorgung der Familien, später durch die Zusammenarbeit mit der sozialistischen Jugendbewegung auch verstärkt pädagogische Arbeit.

Der Bezirksverband Schleswig-Holstein (ohne Lübeck) der AWO gründete sich mit etwas Verzögerung 1923; 1925 waren bereits 45 AWO-Ortsvereine aktiv, die Nähstuben, Mittagstische, Werkstätten und Beratungsstellen unterhielten.[4] 1930 gab es 11 Kreisverbände und 89 Ortsausschüsse mit 2061 weiblichen und 1437 männlichen Mitgliedern, die 42 Beratungsstellen und 46 Nähstuben betrieben.[3] 1932 hatte der Bezirksverband 2183 weibliche und 1532 männliche Mitglieder.[5]

NS-Herrschaft

Die AWO war der einzige Wohlfahrtsverband, der vom NS-Regime verboten und aufgelöst wurde.

Ab Mai 1945

Gertrud Völcker, 1950

Sofort nach dem Ende der Nazizeit gründete sich die AWO neu, diesmal allerdings als eigenständige, parteinahe Organisation, weil die britische Militärregierung staatliche Unterstützung für Wohlfahrtsorganisationen, die einer Partei angehörten, untersagte. Ansprechpartnerin war Gertrud Völcker.[6] Vor allem in den zerstörten Städten Kiel und Lübeck, wo zudem große Mengen an mittellosen Flüchtlingen die Bevölkerung vermehrten, beteiligte sich die AWO an der Bewältigung der Existenzkrise, verteilte Essen und Kleidung an ankommende Flüchtlinge, half bei der täglichen Schulspeisung und kümmerte sich auch sonst um in Not Geratene.[7]

Lotte Lemke berichtete auf dem Parteitag in Hannover:

"In der Provinz Schleswig-Holstein ist das Fluechtlingselend ganz besonders gross; ich hatte Pfingsten ein kleines Fuersorgerinnentreffen in Luebeck und habe erschreckende Berichte ueber die Not der Fluechtlinge in Schleswig-Holstein erhalten ... es fehlt am Noetigsten, vor allen Dingen aber an Naehgarn, Stopfgarn, Naeh- und Stopfnadeln, an Stoff zum Flicken und selbstverstaendlich an jeder Art von Bekleidungsstuecken fuer Kinder, aber auch - und das ist ein ganz ernstes Problem - fuer zurueckgekommene Maenner. [...] auf den Strassen, den Bahnhoefen und in den Lokalen sieht man in erschreckendem Umfang Maenner, die in Fetzen und Lumpen stecken ..."[8]

Mit dem fortschreitenden Wiederaufbau und der Gründung des deutschen Sozialstaates waren viele der früheren Aufgaben bald nicht mehr erforderlich. Heute ist die AWO eine allgemein anerkannte Wohlfahrtsorganisation, die vor allem Kindertagesheime, Bürgertreffs, Altenpflegeeinrichtungen und Pflegedienste auf professioneller Basis betreibt. Die Mitgliedschaft und Mitwirkung in der AWO ist für viele SPD-Mitglieder aber weiterhin eine Selbstverständlichkeit.

Marie-Juchacz-Plakette

Zum 50. Jahrestag ihres Bestehens 1969 stiftete die AWO die Marie-Juchacz-Plakette, die auch schon mehreren Mitgliedern aus Schleswig-Holstein verliehen wurde, unter anderen fünf Mitgliedern des AWO-Kreisverbandes Kiel.

Der Bereich AWO Pflege Schleswig-Holstein gibt zweimal jährlich die Zeitschrift Herz - das Magazin der AWO Pflege heraus.

Im Juli 2023 gründeten die AWO Schleswig-Holstein und die Förde Sparkasse die Hannelore-Fojut-Stiftung zur Unterstützung sozialer Projekte im Sinne des Lebenswerks der Namensgeberin.[9]

Landesvorstand und Präsidium

Es ist nicht ermittelt, wann die Struktur geändert wurde, aber mindestens seit 2020 wird der Landesverband von einem Vorstand unter dem Vorsitzenden Michael Selck geführt.[10]

Die "strategische Ausrichtung des AWO Landesverbandes Schleswig-Holstein" legt ein neu geschaffenes Präsidium unter dem Präsidenten Wolfgang Baasch fest. Seine Stellvertretung hatten 2022 Gesa Langfeldt und Kai Bellstedt inne.[10]

Bezirks- und Landesvorsitz

Der Bezirksverband wurde 1961 zum Landesverband umbenannt.[11]

Ehrenvorsitzende

Nachdem sie das Amt der Landesvorsitzenden 1995 abgegeben hatte, wurde Hannelore Fojut zur Ehrenvorsitzenden ernannt.[12]

Landesgeschäftsführung

AWO-Kreisverbände

Kreisverbände gibt es in allen Kreisen Schleswig-Holsteins.

Siehe auch die Einträge

Literatur & Links

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 SPD-Ortsverein Elmshorn: 120 Jahre SPD Elmshorn. Eine Chronik (Elmshorn 1983)
  2. Döll-Krämer, Inge / Krämer, Gerd / Vesper, Ingrid: Sozialdemokratische Frauens- und Vertrauenspersonen in Altona vor 1914. Ein Beitrag zur Geschichte der Frauenbewegung in Schleswig-Holstein, in: Demokratische Geschichte 7(1992), S. 121-150
  3. 3,0 3,1 Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 82
  4. Backheuer, Kristiane: 100 Jahre Solidarität, Kieler Nachrichten, 14.3.2019
  5. Lübecker Volksbote, 4.4.1932
  6. In den Sozialistischen Mitteilungen vom Juli 1946 wird eine Frau Voelker, Kiel, Bergstr. 11, als Ansprechpartnerin genannt. Dabei muss es sich um Gertrud Völcker handeln.
  7. Fischer/Hansen: Einblick, S. 17
  8. Sozialistische Mitteilungen, Juli 1946
  9. Hannelore-Fojut-Stiftung der AWO, abgerufen 1.10.2023
  10. 10,0 10,1 AWO-Landesverband: Über uns, abgerufen 11.11.2022
  11. 11,0 11,1 AWO-Landesverband Schleswig-Holstein (Hrsg.): 100 Jahre Arbeiterwohlfahrt, Veranstaltungen im Jubiläumsjahr in Schleswig-Holstein und Einblicke in die 100-jährige Geschichte. (2019), S. 10
  12. AWO Landesverband Schleswig-Holstein (Hrsg.): Echt AWO seit 1919 (2019), S. 7