Eva Rühmkorf

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Eva Rühmkorf
Eva Rühmkorf
Eva Rühmkorf
Geboren: 6. März 1935
Gestorben: 22. Januar 2013

Eva-Marie 'Eva' Rühmkorf (geb. Titze), * 6. März 1935 in Breslau/Schlesien, † 22. Januar 2013 in Ratzeburg; Diplom-Psychologin. Verheiratet mit dem Schriftsteller Peter Rühmkorf. Mitglied der SPD seit 1957.

Werdegang

Eva-Marie Titze entstammte einer sozialdemokratischen Familie.

"Die Großeltern Schramm waren Sozialdemokraten, der Großvater seit 1905 – und ab 1923 Gewerkschaftssekretär des Zentralverbandes der Angestellten (ZDA). Als sich 1931 die Sozialistische Arbeiter-Partei (SAP) abspaltete, schlossen sie sich ihr an. Ihre Kinder engagierten sich bei den Jungsozialisten, unsere Mutter bei den Naturfreunden, wo sie auch unseren Vater kennenlernte."[1]

Ihre Großmutter Elfriede Schramm - der Mensch, der die junge Eva am stärksten beeindruckt hatte[2] - hatte Rosa Luxemburg und Clara Zetkin gekannt, beide Großeltern mit Paul Löbe zusammengearbeitet. Während der Nazizeit war Großvater Schramm einige Wochen im KZ Groß-Rosen interniert gewesen, jedoch nach Bemühungen seines ältesten Sohnes wieder freigelassen worden.[3]

Eva Titzes Vater, ein technischer Zeichner, starb 1944 als Soldat im 2. Weltkrieg, die Mutter 1947 an Brustkrebs. Die zwölfjährige Eva und ihre jüngere Schwester Rosemarie erlebten als Vollwaisen mit den Großeltern die Vertreibung aus Schlesien. Ihren Schulbesuch setzte sie auf einem hessischen Internat fort, wo sie 1955 das Abitur machte. Für sie war es immer eine selbstverständliche Vorstellung, dass sie einen Beruf ausüben würde.[4]

Sie studierte Psychologie, Theologie und Germanistik und erwarb 1961 einen Abschluß als Diplom-Psychologin. Sie zog nach Hamburg und arbeitete bis 1969 als Markt- und Motivforscherin bei internationalen Werbeagenturen. Schon 1959 hatte sie den linken Schriftsteller und Lyriker Peter Rühmkorf kennengelernt und für ihn das Archiv der Studentenzeitschhrift konkret eingerichtet. 1964 heirateten die beiden; was sie verband, waren Eva Rühmkorf zufolge Interesse an Kultur und Politik sowie die Übereinstimmung in der Einschätzung gesellschaftlicher Themen.[5]

Die Arbeit im Marketing entsprach nicht ihren Werten und Idealen. 1968 wechselte sie zum Hamburger Staat und wurde Grundsatzreferentin im Strafvollzug - als erste und lange einzige Frau im höheren Dienst. Dort leitete sie grundlegende Reformen ein und bewies früh einen Blick für die Benachteiligung von Frauen im Arbeitsleben:

"Erstmals stellte sie zum Beispiel Frauen aus der 'Allgemeinen Verwaltung' als Sachbearbeiterinnen ein [und] forderte Gleitzeit im Öffentlichen Dienst."[6]

Auch als Direktorin der Jugendstrafanstalt Vierlande in Hamburg-Bergedorf ab 1973 war sie wieder die erste Frau in einem solchen Amt, wo sie "wie eine Missionarin" (ein früher Berufswunsch von ihr) für die Humanisierung des Strafvollzugs warb.[7]

Mittlerweile war die Unzufriedenheit mit der im Grundgesetz versprochenen, aber auch von SPD-Regierungen nicht umgesetzten Gleichberechtigung von Männern und Frauen weiter gewachsen. Die ASF forderte Maßnahmen für eine neue Frauenpolitik, nicht zuletzt

"die organisatorische Verankerung der Frauenförderung in der öffentlichen Verwaltung: in den Kommunen, in den Ministerien und auch in der Bundesregierung"[8].

Das Land Hamburg tat den entscheidenden Schritt: Am 1. Januar 1979 übernahm Eva Rühmkorf die Aufgabe, als Leiterin Hamburgs neu geschaffene "Leitstelle Gleichstellung der Frau" aufzubauen. Damit war sie die erste hauptamtliche Frauenbeauftragte in Deutschland, ab 1983 im Rang einer Staatsrätin. Danach gab es

"keine SPD-geführte Landesregierung ohne eine Frauenministerin [mehr]. Ein bisheriges Randthema rückte gegen beachtliche Widerstände ins politische Zentrum vor."[9]

Ihre Arbeit war - nicht nur, weil es noch keine anderen Vorbilder gab - Vorbild nicht zuletzt für die Frauen- und Gleichstellungspolitik in Schleswig-Holstein.

Von 1988 bis 1992 gehörte sie dann als Landesministerin der schleswig-holsteinischen Landesregierung an.

Nach ihrer Zeit als Ministerin wurde sie eine gefragte Referentin, übernahm 1999 für zwei Jahre den Bundesvorsitz von pro familia e.V. und hatte zeitweise eine Gastprofessur am Dartmouth College in New Hampshire, USA, inne.

Darüber hinaus kümmerte sie sich um den schwerkranken Peter Rühmkorf, nach seinem Tod 2008 um seinen Nachlass. Das Ehepaar lebte seit den frühen 1970er Jahren in Hamburg-Övelgönne, später auch in Roseburg, Kreis Hzm. Lauenburg, wo beide auch starben. Beigesetzt sind sie auf dem Hauptfriedhof Hamburg-Altona.

Partei & Politik

1956 trat Eva Titze dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) bei, 1957 auch der SPD. Im SDS engagierte sie sich gegen die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik. Als fast 20 Jahre später Helmut Schmidt Bundeskanzler wurde, legte sie ihre Ämter in der Hamburger SPD nieder und dachte darüber nach, die Partei zu verlassen. Für sie gefährdeten seine Position zur Kernenergie, die er etwa bei den Auseinandersetzungen um den Bau des Kernkraftwerks Brokdorf deutlich gemacht hatte, und seine an den USA orientierte Außenpolitik den Frieden.[10]

Landesregierung

Am 31. Mai 1988 berief Ministerpräsident Björn Engholm Eva Rühmkorf als Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur in sein erstes Kabinett. Während ihrer Amtszeit ließ sie unter anderem ein Hochschulgesetz erarbeiten, das gezielt Frauen im akademischen Betrieb fördern sollte[11], und etablierte die Gesamtschule als Regelschule.

In einer Kabinettsumbildung am 1. Juni 1990 tauschte sie Ämter mit Marianne Tidick und übernahm deren Funktion als Ministerin für Bundesangelegenheiten (zugleich Bevollmächtigte beim Bund); gleichzeitig wurde sie stellvertretende Ministerpräsidentin.

Nach der Landtagswahl 1992 am 5. Mai 1992 schied sie aus der Landesregierung aus.

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Frauen bleiben im Schatten. In: Lutherische Monatshefte, Achtzehnter Jahrgang, 6 - Juni 1979
  • Vogelkunde. Hans-Jochen Vogel zum 60. Geburtstag (gesammelt von Eva Rühmkorf, Hrsg. Vorstand der SPD, o.O. 1986)
  • Schulpolitik in Schleswig-Holstein. Dokumentation (Hrsg. Die Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, Kiel 1989)
  • Kulturpolitische Zukunftsperspektiven für Schleswig-Holstein : Rede in der Evangelischen Akademie Nordelbien am 23. Juni 1989 / Eva Rühmkorf. Die Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur des Landes Schleswig-Holstein
  • Hinter Mauern und Fassaden. Erinnerungen einer engagierten Frau (Stuttgart 1996) (Autobiografie) ISBN 3421050430
  • Beitrag in: Was Frauen bewegt und was sie bewegen. Sechsundzwanzig Originalessays (Hrsg. von Ingeborg Mues, Frankfurt/Main 1998)
  • "Wir sind die Besseren". Starke Frauen und Politik (mit Ute Vogt, Stuttgart 2002) ISBN 9783421056061
  • Frauen sind nicht zweite Klasse. Frauenpolitik für Gleichstellung (hrsg. mit Marita Haibach, Mechthild Immenkötter u. a., Hamburg 1986) ISBN 9783421050434

Ehrungen

  • 1985 wurde sie vom Deutschen Staatsbürgerinnen-Verband e.V. zur "Frau des Jahres" ausgerufen.
  • 2016 benannte Hamburg in einem Neubaugebiet in Altona eine Straße nach ihr.

Literatur & Links

Quellen

  1. Rühmkorf: Mauern, S. 19
  2. Rühmkorf: Mauern, S. 7
  3. Rühmkorf: Mauern, S. 20
  4. Rühmkorf: Mauern, S. 14
  5. Göksu, Cornelia: Eva-Rühmkorf-Straße, S. 2
  6. Göksu, Cornelia: Eva-Rühmkorf-Straße, S. 2
  7. Rühmkorf: Mauern, S. 79
  8. Wettig-Danielmeyer: Vor 40 Jahren
  9. Wettig-Danielmeyer: Vor 40 Jahren
  10. Vgl. Rühmkorf/Vogt, S. 71 f.
  11. Viola Roggenkamp: Kabinettskultur: Im Haifischbecken, DIE ZEIT, 14.7.1989