Wilhelm Poller: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Parteisekretär ===
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[[1905]] reorganisierte sich der [[Landesverband]]. Die alte, lose Struktur stammte noch aus Zeit vor dem [[Sozialistengesetz]] und entsprach nicht mehr den Anforderungen an eine Partei mit wesentlich mehr Mitglieder. Es entstand der bekannte [[Organisationsaufbau der SPD]] von [[Ortsverein]] über den [[Kreisverband]] zum [[Bezirk]]. Der [[Sozialdemokratische Zentralverein]] bestand nun aus den Ortsvereinen [[Kreisverband Kiel|Kiel]], [[Kreisverband Neumünster|Neumünster]], [[Ortsverein Hassee|Hassee-Winterbek]], [[Ortsverein Neumühlen-Dietrichsdorf|Dietrichsdorf]], [[Ortsverein Rendsburg|Rendsburg]], [[Ortsverein Preetz|Preetz]], [[Ortsverein Nortorf|Nortorf]], [[Ortsverein Hohenwestedt|Hohenwestedt]] und [[Ortsverein Heikendorf|Heikendorf]].<ref name=":0" /> Als Parteisekretär kümmerte sich Wilhelm Poller um die Organisation; ab [[1907]] hatte er sein Büro im neu eröffneten [[Gewerkschaftshaus Kiel|Gewerkschaftshaus]].
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[[Datei:1907 SPD-Werbung Stadtverordnetenwahl.png|mini|Werbung Stadtverordnetenwahl, 1907]]
[[1907]] kandidierte Wilhelm Poller erstmals zu einer [[Kommunalwahl 1907|Kommunalwahl]] - allerdings erfolglos. In der [[Kommunalwahl 1909]] gelang es ihm, über den Wahlbezirk im "[[Ortsverein Gaarden|Roten Gaarden]]" in die Stadtverordnetenversammlung einzuziehen. Die Kieler SPD hatte hier offenbar ihren besten Mann aufgestellt. Die bürgerliche Seite reagierte immer wieder mit Eingriffen ins Wahlrecht, das die Arbeiterschaft - die Wähler der SPD - benachteiligte. Die Kieler SPD schloss sich daraufhin mit den Ortsvereinen [[Ortsverein Gaarden|Gaarden]], [[Ortsverein Hassee|Hassee-Winterbek]] und [[Ortsverein Ellerbek|Ellerbek]]-[[Ortsverein Wellingdorf|Wellingdorf]] zum [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Sozialdemokratischen Verein Groß-Kiel]] mit 9000 Mitgliedern zusammen. Wilhelm Poller blieb [[Parteisekretär]].
[[1907]] kandidierte Wilhelm Poller erstmals zu einer [[Kommunalwahl 1907|Kommunalwahl]] - allerdings erfolglos. In der [[Kommunalwahl 1909]] gelang es ihm, über den Wahlbezirk im "[[Ortsverein Gaarden|Roten Gaarden]]" in die Stadtverordnetenversammlung einzuziehen. Die Kieler SPD hatte hier offenbar ihren besten Mann aufgestellt. Die bürgerliche Seite reagierte immer wieder mit Eingriffen ins Wahlrecht, das die Arbeiterschaft - die Wähler der SPD - benachteiligte. Die Kieler SPD schloss sich daraufhin mit den Ortsvereinen [[Ortsverein Gaarden|Gaarden]], [[Ortsverein Hassee|Hassee-Winterbek]] und [[Ortsverein Ellerbek|Ellerbek]]-[[Ortsverein Wellingdorf|Wellingdorf]] zum [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Sozialdemokratischen Verein Groß-Kiel]] mit 9000 Mitgliedern zusammen. Wilhelm Poller blieb [[Parteisekretär]].



Version vom 19. Dezember 2021, 18:13 Uhr

Wilhelm Poller
Wilhelm Poller
Wilhelm Poller
Geboren: 6. Juni 1860
Gestorben: 15. März 1935

Julius Wilhelm Poller, * 6. Juni 1860 in Kleinschirna/Sachsen, † 15. März 1935 in Mühlheim/Main; Metallformer, Polizeipräsident von Kiel. Mitglied der SPD.

Leben & Beruf

Wilhelm Poller wurde 1860 als erster Sohn des Metallformers Karl Heinrich Poller und dessen Frau Ida Friederike Poller (geborene Epperlein) in der sächsischen Gemeinde Kleinschirma geboren. Er wuchs mit drei Schwestern und einem Bruder auf.

Ostern 1874 begann Wilhelm Poller mit 14 Jahren eine Lehre als Metallformer in dem Betrieb, in dem sein Vater als Meister arbeitete. Nach der Lehre leistete er seinen Militärdienst in Altenburg ab. Dann kehrte er zu seinem Ausbildungsbetrieb Balduin Bechstein in Altenburg zurück. 1881 starb seine Mutter mit nur 40 Jahren. 1882 ging Wilhelm Poller auf Wanderschaft - wie es damals für Gesellen üblich war. Acht Jahre war er auf der "Walz". Am Ende der Reise machte er sich auf nach Kiel. Er traf dort 1890 ein - dem Jahr, in dem das Sozialistengesetz auslief. Er wohnte im Papenkamp 21 in einem typischen Arbeiterviertel und arbeitete in seinem Beruf als Former in verschiedenen Betrieben.

Der Historiker Rolf Fischer vermutet, dass er sich schnell einen Namen machte. 1891 bereits soll er Vorsitzender des Unterstützungsvereins der Former geworden sein.[1]

Am 19. Mai 1891 heiratete Wilhelm Poller "Marie" Clara Maria Martha Köhler (* 26. Mai 1867 in Dresden, † 3. März 1905 in Kiel), die er schon in Dresden kennengelernt haben könnte.[1] Sie bekamen vier Kinder: Maria, Oskar, Walter und Karl, der allerdings nur ein Jahr alt wurde. Sie wohnten in dieser Zeit in der Weißenburgstraße 15. Dort befindet sich heute ein "Rewe"-Markt.

Wegen seiner politischen Aktivitäten kündigte ihm sein Arbeitgeber 1894. Ohne Einkommen litt die junge Familie Not. Sozialdemokraten halfen ihm aus und er wurde Redakteur bei der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung (VZ). Von 1907 bis 1919 war er Parteisekretär der Kieler SPD.

1905 starb Marie Poller mit nur 37 Jahren. Auch sie war eine wichtige Sozialdemokratin in Kiel.

Nach dem Ende seiner dienstlichen und politischen Karriere 1924 lebte Wilhelm Poller im Kronshagener Weg 1b. Er schrieb Artikel, Gedichte und ein Theaterstück. Er reiste durch Europa.

Als die Nazis 1933 die Macht an sich rissen, wurde die Lage auch für den bekannten Sozialdemokraten Wilhelm Poller bedrohlich. Durch das NS-"Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" verlor er seine Pension. Etwa 1934 zog er nach Mühlheim/Main zu seinem Sohn Oskar Poller und starb dort bereits am 15. März 1935 mit 74 Jahren. Bestattet wurde er allerdings in Kiel.

Partei & Politik

Mit dem Ende des Sozialistengesetzes und seiner Ankunft in Kiel begann auch die politische Aktivität von Wilhelm Poller. Er machte sich dort einen Namen, was ihm auch seine Stelle bei der VZ verschaffte. 1894 nahm er als Delegierter am SPD-Parteitag in Frankfurt/Main teil.

Wegen "Majestätsbeleidigung" steckte ihn das Kaiserreich 1896 für neun Monate ins Zuchthaus in Glückstadt.

1900 wurde er Vertrauensmann für den 7. Wahlkreis Kiel-Neumünster und engagierte sich intensiv in der Parteiarbeit. Er organisierte Wahlkämpfe, verfasste Broschüren und politische Berichte und organisierte Redner. Zusammen mit dem Kieler Reichstagsabgeordneten Carl Legien gehörte Wilhelm Poller zu den Reformern in der SPD, die den Alltag für die Menschen der Arbeiterklasse Schritt für Schritt verbessern wollten - am Fernziel der sozialistischen Gesellschaft aber weiterhin festhielten.

1902 reiste Wilhelm Poller als Delegierter zum SPD-Parteitag nach München, wo er erstmals im Protokoll mit einem Redebeitrag auftauchte.

Parteisekretär

1905 reorganisierte sich der Landesverband. Die alte, lose Struktur stammte noch aus Zeit vor dem Sozialistengesetz und entsprach nicht mehr den Anforderungen an eine Partei mit wesentlich mehr Mitglieder. Es entstand der bekannte Organisationsaufbau der SPD von Ortsverein über den Kreisverband zum Bezirk. Der Sozialdemokratische Zentralverein bestand nun aus den Ortsvereinen Kiel, Neumünster, Hassee-Winterbek, Dietrichsdorf, Rendsburg, Preetz, Nortorf, Hohenwestedt und Heikendorf.[1] Als Parteisekretär kümmerte sich Wilhelm Poller um die Organisation; ab 1907 hatte er sein Büro im neu eröffneten Gewerkschaftshaus.

Werbung Stadtverordnetenwahl, 1907

1907 kandidierte Wilhelm Poller erstmals zu einer Kommunalwahl - allerdings erfolglos. In der Kommunalwahl 1909 gelang es ihm, über den Wahlbezirk im "Roten Gaarden" in die Stadtverordnetenversammlung einzuziehen. Die Kieler SPD hatte hier offenbar ihren besten Mann aufgestellt. Die bürgerliche Seite reagierte immer wieder mit Eingriffen ins Wahlrecht, das die Arbeiterschaft - die Wähler der SPD - benachteiligte. Die Kieler SPD schloss sich daraufhin mit den Ortsvereinen Gaarden, Hassee-Winterbek und Ellerbek-Wellingdorf zum Sozialdemokratischen Verein Groß-Kiel mit 9000 Mitgliedern zusammen. Wilhelm Poller blieb Parteisekretär.

In der Kommunalwahl 1915 gewann er den Bezirk III (Süd) und blieb Ratsherr. Während des 1. Weltkriegs setzte er sich für die Einheit der SPD ein. Auch in Kiel spaltete sich die USPD ab, bekam aber - abgesehen von einigen Ortsvereinen - keinen großen Zulauf. Wilhelm Poller blieb der Linie der MSPD treu, auch auf den Parteitagen. Doch als sich die Lage im Reich und in Kiel immer mehr verschlechterte, wurde auch die SPD immer kritischer. Bei den Demonstrationen und Streiks Anfang 1918 ahnte Wilhelm Poller das Ende offenbar schon voraus: "Wenn aber derartige Warnung […] bei den herrschenden Klassen absolut nichts fruchten sollten, nun, so trifft nicht die Arbeiterklasse die Schuld, wenn die Dinge schließlich einen verhängnisvollen Lauf nahmen."[2]

Novemberrevolution

Gastausweis für die Nationalversammlung
Gastausweis für die Nationalversammlung

Am 30. Oktober 1918 wurde Wilhelm Poller als Nachfolger des verstorbenen Daniel Rindfleisch zum ehrenamtlichen Magistratsmitglied gewählt und saß damit als Stadtrat und Parteisekretär während der Novemberrevolution mitten drin. Er führte wichtige Verhandlungen mit dem Gouverneur von Kiel und war dabei, als der Oberpräsident praktisch abgesetzt wurde. Er reiste im Land umher uns setzte Beschlüsse der provisorischen Landesregierung um.

Wilhelm Poller setzte sich in der Folge für Demokratie und Republik ein und wetterte gegen die Spartakisten, die USPD und die KPD, die ein Rätesystem nach russischem Vorbild wollten. Als Gast "im Dienste der Reichsregierung" nahm er an einigen Sitzungen der Nationalversammlung teil.

Polizeipräsident in Kiel

Am 15. April 1919 ernannte der preußische Innenminister Wolfgang Heine Wilhelm Poller zum kommissarischen Kieler Polizeipräsidenten. Am 15. Juli löste er dann endgültig den konservativ-nationalen Heinrich von Schröter ab. Republik und Stadt standen von links und rechts unter Druck. Immer wieder kam es zu gewalttätigen Aufständen. Das Militär, mit dem Kiel voll war, verhielt sich oft illoyal gegenüber der demokratischen Regierung. Während des Kapp-Lüttwitz-Putschs im März 1920 wurde Wilhelm Poller vom obersten militärischen Befehlshaber in Kiel, Konteradmiral Magnus von Levetzow, abgesetzt und unter Arrest gestellt, allerdings aus gesundheitlichen Gründen zu Hause. So konnte er telefonisch weiter agieren.

Als der Putsch nach wenigen Tagen zusammenbrach, kam er am 17. März wieder frei. In den Kieler Straßen tobten Gefechte zwischen Freikorps und Kieler Arbeitern und Soldaten. Allein 53 Zivilisten starben an diesem Tag in Kiel.

1924 schied Wilhelm Poller mit fast 65 Jahren aus dem Dienst aus und beendete auch seine politische Karriere.

Literatur

Fischer, Rolf: Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze In: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 90, Heft 3, Seite 128ff (2021)

Links

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Fischer, Rolf: Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 90, Heft 3, Seite 128ff (2021)
  2. Zitiert nach: Fischer, Rolf: Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 90, Heft 3, Seite 128ff (2021)