Bei den Bundestagswahlen konnte die Kieler SPD in der Regel sehr gute Ergebnisse erzielen und bei jeder Wahl seit 1961 bis einschließlich 2021 das Direktmandat im Wahlkreis 005 (seit 1976, vorher 006) gewinnen.
Bei den Bundestagswahlen 1949 und 1953 umfasste der Wahlkreis Kiel das Gebiet der Stadt Kiel ohne die Stimmbezirke 23 und 26 bis 42 bzw. bei den Wahlen 1957 und 1961 ohne die Stadtteile Wik und Ravensberg, die an den Wahlkreis Rendsburg abgegeben wurden.
Von 1976 bis 1998 schließlich entsprach der Wahlkreis Kiel auch dem gesamten (heutigen) Kieler Stadtgebiet.
Seit der Bundestagswahl 2002 gehören zum Wahlkreis außerdem noch die zum Kreis Rendsburg-Eckernförde gehörigen Gemeinden Altenholz und Kronshagen.[1]
Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Stadtteile Suchsdorf (1958), Schilksee (1959), Mettenhof (1963), Meimersdorf, Moorsee, Wellsee, Rönne, Schlüsbek und Russee (alle 1970) bis zu ihrer jeweiligen Eingemeindung zu anderen Wahlkreisen gehörten.
Für die Wahlen vor 1976 liegen die Ergebnisse für die Stadtgebiete, die nicht zum Wahlkreis Kiel gehörten, noch nicht vor. Daher kann für diese Jahre vorerst nur das Ergebnis für den Wahlkreis Kiel angegeben werden.
Erstmal seit 1961 konnte die Kandidatin der SPD nicht das Direktmandat gewinnen, das im vierten Anlauf an die grüne Abgeordnete Luise Amtsberg ging. Christina Schubert erhielt sowohl im gesamten Wahlkreis als auch in Kiel 22,1% der Stimmen und landete damit auf dem zweiten Platz. Da Christina Schubert auch nicht über die Landesliste einzog, hat die Kieler SPD nun erstmals keine/n eigene/n Bundestagsabgeordnete/n (von den Übergangszeiten nach den Mandatsniederlegungen von Norbert Gansel und Hans-Peter Bartels abgesehen).
Im Wahlkreis und ebenfalls in Kiel erhielt die SPD 19,3% der Zweitstimmen, was in Kiel den zweiten (hinter den Grünen) und im Wahlkreis den dritten Platz (auch hinter der CDU) bedeutete. In Gaarden konnte die Linke den ersten Platz erobern. Gerade in den Stadtteilen, die traditionell als rote Hochburgen gelten, konnte die AfD starke Ergebnisse erzielen.
Themenplakat von Christina Schubert in Kiel. Sie wurde für die Plakate an mehreren Orten von Fabian Winkler fotografiert, die Gestaltung der Plakate übernahm Torsten Meyer-Bogya.
Neben den klassischen Kopfplakaten der Kandidatin gab es in einer zweiten Welle auch eigene Themenplakate mit ihr drauf, alle im Format A 1, zudem wurden in den gleichen Motiven Werbeflächen an Bushaltestellen und auch Großflächenplakate gebucht. Themenplakate aus der Werbelinie des Parteivorstandes und Kanzlerplakate gab es kaum.
Christina Schubert klingelte nach eigenen Angaben an 10.000 Haustüren, der scheidende Abgeordnete Mathias Stein an 3000.
Ein Versand an alle Haushalte fand nicht statt.
Kandidatenaufstellung
Am 22. September 2024 fand die Mitgliederversammlung im Studio-Kino statt. 177 Parteimitglieder gaben einen gültigen Stimmzettel ab, davon wählten 116 Christina Schubert, die sich somit im ersten Wahlgang durchsetzen konnte, 40 Canan Canli und 19 Sahar Alias. Zuvor hatten im Stadtgebiet mehrere Vorstellungstermine stattgefunden.
2021
Ergebnis
Mathias Stein setzte sich mit 29,5% im Wahlkreis gegen die zweitplatzierte grüne Kandidatin durch, bei einem Vorsprung von rund 2200 Stimmen. In Kiel betrug der Abstand nur ca. 1300 Stimmen bzw. 0,9 Prozentpunkte. Während er deutlich mehr persönliche Stimmen gewinnen konnte, verlor sie gegenüber den Parteistimmen etwas.
Bei den Zweitstimmen landete die SPD mit 26% zum zweiten Mal in Folge nur auf dem zweiten Platz, diesmal hinter den Grünen.
Wahlkampf
Auf vorbereitungsintensive Promi-Besuche wurde wieder weitgehend verzichtet, Ausnahme waren eine sehr gut besuchte Open-Air-Veranstaltung mit Hubertus Heil Ende August am Bootshafen sowie der vom Landesverband organisierte Besuch des Kanzlerkandidaten Anfang August. Bei beiden Terminen standen die Themen Arbeit und soziale Sicherheit im Mittelpunkt. Damit wurde aufgegriffen, dass zu der Zeit die Schließung eines Industriebetriebs in Friedrichsort mit Arbeitsplatzabbau im Raum stand. Etwa eine Woche vor der Wahl fand dazu eine von der IG Metall organisierte Demonstration statt, auf der Mathias Stein sprechen konnte.
Eine Großkundgebung gab es nicht.
Ein wesentliches Element des Wahlkampfs war der intensive Vorwahlkampf bereits ab Mitte Juni: In jedem Stadtteil hingen durchgängig Veranstaltungsplakate mit unterschiedlichen Foto-Motiven Abgeordneten - eins auch zusammen mit dem Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer auf einem Tandem - , die regelmäßig mit neuen Terminen beklebt wurden. Besondere Aufmerksamkeit, auch im Internet, erzielte darüber hinaus die von Oliver Vongehr erdachte Aktion, fast sämtliche Laternenpfähle auf der noch relativ neuen Veloroute 10 mit Veranstaltungsplakaten zu versehen, auf denen Stein teilweise zielgruppenangepasst als Fahrradabgeordneter betitelt war.
Plakataktion im Juli als Vorwahlkampf zur Bundestagswahl 2021 auf der Veloroute 10 in Kiel: Über Monate wurde fast jeder Laternenpfahl mit Veranstaltungsplakaten der SPD belegt. Etwa alle 14 Tage wurde ein neuer Veranstaltungshinweis aufgeklebt.
Kandidatenaufstellung
2017
Ergebnis
Mathias Stein gewann den Wahlkreis bei seiner ersten Wahl knapp mit 31% und 431 Stimmen Vorsprung vor dem CDU-Kandidaten. Erst als die letzten Altenholzer Wahlbezirke spät in der Nacht veröffentlicht wurden, konnte gejubelt werden. In Kiel allein war der Abstand mit 31,4% und rund 3000 Stimmen Vorsprung deutlicher.
Bei den Zweitstimmen erhielt die SPD in Kiel 24,1% und landete damit erstmals nach Jahrzehnten nur auf dem zweiten Platz hinter der CDU.
Wahlkampf
Dies war der erste Wahlkampf ohne ZIS, einen zentralen Infostand in der Innenstadt, der Mo-Sa nachmittags durchgängig besetzt war. Nachdem die Betreuung des Standes durch Mitglieder schon im unmittelbar vorangegangen Landtagswahlkampf nur mit größter Mühe und viel Murren gelungen war, entschied sich die Wahlkampfleitung, die Kräfte diesmal anders einzusetzen.
Frisch gekleisterte und nun zum Trocknen abgelegte Plakatträger mit Themenplakaten vor dem damaligen Materiallager der Kieler SPD in der Töpfergrube
In A1 und A0 wurden Kopfplakate von Mathias Stein und Kanzlerkandidat Martin Schulz als Sandwich gehängt, diese waren erstmals bei einer Bundestagswahl komplett Hohlkammerplakate. Die Themenplakate der Bundeskampagne (weiße Schrift auf rotem Block auf weißem Plakat) stießen im Norden nicht auf Gegenliebe, weshalb der Landesverband eigene Themenplakate mit Bildmotiven entwickelt hatte. Diese wurden in A 1 noch traditionell auf Plakatträger gekleistert. In der Endphase des Wahlkampfs gab es noch ein Plakat zum Thema „Investieren in Straßen, Schienen und Kanal“, das Mathias Stein mit Bau-Helm zeigte.
Wahlplakat von Mathias Stein im Kleinen Kuhberg
An alle Haushalte mit Tagespost wurde der Kandidatenflyer geschickt.
Die Wahlkampfkosten blieben rund 20% unter dem zur Verfügung stehenden Budget.
Kandidatenaufstellung
Am 7. Oktober2016 nominierte die Mitgliederversammlung im Legienhof Mathias Stein als Kandidaten der SPD im Bundestagswahlkreis 5 (Kiel, Kronshagen, Altenholz) für die Bundestagswahl 2017. Im ersten Wahlgang lag er unter 7 Mitbewerber*innen mit 79 von 398 Stimmen knapp vorn, im zweiten Wahlgang setzte er sich mit 166 Stimmen und deutlichem Vorsprung gegen die vier verbliebenen Mitbewerber*innen durch.
Hunderte Mitglieder im Legiensaal zur Nominierungsversammlung
Die Auszählung des ersten Wahlgangs dauerte rund eine Stunde, sodass der Sieger erst zu einer sehr späten Stunde feststand, da die Veranstaltung am Freitagabend bereits verspätet begonnen hatte, weil weit mehr Mitglieder als erwartet erschienen waren und deshalb noch umgebaut werden musste.
2013
Ergebnis
Hans-Peter Bartels gewann den Wahlkreis klar mit 43%, obwohl der Wahlkampf von Vorwürfen der Rathaus-Opposition an seine Ehefrau Susanne Gaschke und innerparteiliche Auseinandersetzungen mit großem medialen Widerhall überschattet worden war.
Wahlkampf
Das Werner-Plakat an der SPD-Dialog-Box
Eine Besonderheit stellte ein von Brösel gestaltetes Werner-Wahlplakat dar, mit dem zur Wahl der SPD, für Grünen-Anhänger zumindest mit der Erststimme, aufgerufen wurde: „Faabe bekennen, die Welt is schwaaz genuch…“
Bartels beschrieb den Wahlkampf in seinem Rechenschaftsbericht 2013/14 an den Kieler Kreisparteitag[2] so:
Angesichts des schlechten Vorergebnisses der Wahl 2009 und der trostlosen Umfragen 2013 haben wir nach meiner Nominierung am 6. März 2013 wieder einen sehr Kiel-orientierten Wahlkampf konzipiert, mit Erfolg.
Das Erststimmenergebnis im Wahlkreis 5 war mit 43 Prozent am 22. September das beste im Norden (SH/HH); der Zugewinn lag weit über dem Bundestrend; der Abstand zum CDU-Bewerber wurde nicht kleiner, sondern größer (2009: 8,2 Prozentpunkte, 2013: 9,9).
Die bewährten Elemente einer eigenen Wahlzeitung, des Kandidatenflyers und einer inhaltlichen Kandidatenkarte, eines Jungwählerflyers und eines speziellen Zusatzplakats zur allgemeinen Bundeslinie (diesmal – bundesweit vertrieben – der Kieler Cartoonist Brösel mit einem rot-grünen Werner-Plakat: „Die Welt is schwaaz genuch“) kamen gut an. Neu diesmal: eine Facebook-Seite.
Auswärtigen Promi-Besuch im Wahlkreis hatten wir von Florian Pronold (auf der Schleuse), Klaus Wiesehügel (mit Betriebsräten), Peer Steinbrück(tolle Kundgebung), Gesche Joost (Muthesius und Kronshagen), Christiane Krajewski (Betriebsbesuch) und Frank-Walter Steinmeier (Marine und Arsenal).
Jusos und Junges Team, AfA, AsF (super Frauenfrühstück), 60plus und Kulturforum haben prima Veranstaltungen beigesteuert. Es gab zwei Bootsfahrten (OV Ellerbek/Wellingdorf u. a.), zwei Wählerwanderungen (OV Holtenau, OV Gaarden/Ellerbek), acht Wohnzimmergespräche, ein wunderbares großes Sommerfest auf Gut Seekamp (OV Schilk-see/Kulturforum) und weitere Feste in den Ortsvereinen, eine Matinee bei Helbigs in Suchsdorf, Podiumsdiskussionen mit den Mitbewerbern aller Parteien beim Kolping-Verband in Elmschenhagen, beim Verein zur Förderung politischen Handelns im Landeshaus, beim Thor-Heyerdahl-Gymnasium in Mettenhof, beim RBZ Technik in Gaarden, bei der AWO in der Räucherei, bei Amnesty International, beim Frauenbündnis im Neuen Rathaus und beim DGB im Gewerkschaftshaus.
OV-Infostände und Zentraler Infostand waren flächendeckend und doppelt so lange präsent wie die anderen. Dank an das überzeugende „Junge Team“!
Dem Versuch der Konkurrenz, einen Gewerbesteuerfall aus dem Rathaus ins Negative zu drehen und in den Wahlkampf zu ziehen, haben Ortsvereine, AGs und die Arbeitnehmer-Wählerinitiative konsequent entgegengewirkt.
Andreas Arend (mit seiner ersten Kampagne als Wahlkampfleiter) und der Wahlkampfkommission bin ich für die erstklassige Zusammenarbeit dankbar.
Die Ausgaben für unseren lokalen Wahlkampf lagen im Budgetrahmen.
Kandidatenaufstellung
Als einer der bundesweit letzten SPD-Direktkandidaten wurde Bartels am 6. März 2013 durch die Mitgliederversammlung von Kiel, Altenholz und Kronshagen ohne Gegenkandidatur bei großer Zustimmung wieder nominiert.
2009
Ergebnis
Bei der Wahl, bei der die SPD bundesweit ihr bis dato mit Abstand schlechtestes Ergebnis bekam, holte Hans-Peter Bartels den Wahlkreis mit 38,3%. Bei der Veröffentlichung der Ergebnisse kam es im Rathaus zunächst zu einer Verwechslung, sodass kurzzeitig die CDU-Kandidatin dachte, gewonnen zu haben.
Wahlkampf
Über den Wahlkampf schrieb Bartels ein Jahr später in seinem Rechenschaftsbericht:
In Erwartung eines schwierigen Hochburg-Wahlkampfes (nach gewonnenen Kommunal- und OB-Wahlen) hat unsere sehr souveräne Wahlkampfkommision für die Doppelkampagne Bund/Land stark auf lokale Personalisierung und Kiel-Kompetenz gesetzt: mit dem plakativen Slogan „Erststimme ist Kiel-Stimme“, „4 für Kiel“, „Arbeit für unsere maritime Industrie“ und „Keine Privatisierung des UKSH“. Diese Kieler Linie war neben den Bundes- und Landes-Themen und -Köpfen ziemlich gut erkennbar.
Es gab zur Bundestagswahl drei Postwurfsendungen: die Zeitung „Wahlzeit für Kiel“, den MdB-Kandidatenbrief und den „Vier-für-Kiel“-Flyer. Dazu einzelne Stadtteilmailings und Verteilungen, inklusive OV-Bürgerzeitungen. Weitere Verteil-Materialien aus eigener Werkstatt waren die „Kleine Wahlhilfe“ für Jungwähler, ein Kiel-Postkarten-Leporello, ein „4-für-Kiel“-Kaffee-Stick, und
ein besonderer Senioren-Flyer.
Große Verdienste um die Verteil-Aktionen (Schulen, Betriebe, Taxen, Kneipen) und die Präsenz am Zentralen Infostand erwarben sich wieder die Jusos, die AG 60plus und die AfA; mit ihren dezentralen Ständen die Kieler OVs und die Genossinnen und Genossen in Altenholz und Kronshagen. Ein besonderer Aktivposten auf der aktuellen Wahlkampf-Homepage war die Bookcrossing-Aktion, gestartet vor Wahlkampfbeginn mit einem „Kick-off“ im Literaturhaus.
Wie üblich waren unsere politischen Veranstaltungen unterschiedlich gut besucht, aber ein unbedingt notwendiges Informationsangebot an interessierte Wählerinnen und Wähler: die beiden Steinmeier-Termine im Legienhof (Bildungskonferenz) und auf dem Rathausplatz (Kundgebung), die Piraterie-Diskussion mit Dieter Wiefelspütz und „Sex and the City“ in der Seeburg,
„Bartels trifft … Ulf Daude“ im Bürgerhaus Kronshagen, Patientenverfügung beim SV Friedrichsort, Trauernicht/Voigt zum Atomausstieg in der Uni und Olaf Scholz im Legienhof.
Dazu: SPD-Sommerfeste in der Lutherstraße, in Ellerbek, Suchsdorf, Mettenhof, Schilksee und im Schrevenpark, Schinkenbrotessen beim OV Russee, ein Stadtteilrundgang in Schilksee, eine Fahrradtour mit dem OV Süd-West, eine Bootstour mit Jugendvertretern und OB Albig, eine Telefonaktion in die Partei hinein, Rosen- und Brotdosen-Verteilen zu Beginn des Kindergartenjahres, ein Aktionstag der IG Metall bei Lindenau, Fastenbrechen bei der AWO in Mettenhof und im Mega Sarai in Gaarden, ein Flohmarktstand vom Jungen Team (zugunsten des Vereins Kieler
Jugenderholung), das TV-Duell in der Sportsbar, Einladungen zu den verdi-Senioren und dem Verein Lebensfreude.
Diesmal gab es relativ wenige Podiumsdiskussionen mit Kandidaten aller Parteien: Ich war beim Kolpingwerk (Brigitte-Thomas-Kirche in Mettenhof), bei Amnesty (Uni), bei einer städtischen frauenpolitischen Diskussion (Nikolaikirche), bei verdi (Legienhof), beim Landesjugendring (Berufsschule
Gaarden) und bei der Bekanntgabe der „Jugendwahl“-Ergebnisse in Mettenhof.
Am Ende hat sich der Einsatz für Kiel gelohnt. Wir haben mit kämpferischer Stimmung meist relativ unverdrossen dem Zeitgeist getrotzt. Viele haben mitgeholfen, von der Plakatierung, über Beiträge für Zeitungen, Flyer und Internet, bis hin zu Infoständen und Veranstaltungen. Es lief –
und wenn nicht rund, dann manchmal eckig. Und wenn die Umfragen uns nicht motivierten, mussten wir es eben gegenseitig tun, so etwa bei den wöchentlichen Wahlkampfstammtischen in der Forstbaumschule. Dank an alle, die dabei waren. Aber das alles wirkt von heute aus so, als sei es schon wieder sehr lange her, so viel ist inzwischen passiert.[3]
Kandidatenaufstellung
2005
Ergebnis
Zum letzten Mal holte Hans-Peter Bartels mit 50,7% die absolute Mehrheit der Erststimmen.
Wir haben uns in Kiel nicht lange mit Lamentieren aufgehalten und – obwohl das nach dem anstrengenden Landtagswahlkampf durchaus schwer fiel – sofort mit der Vorbereitung des vorgezogenen Bundestagswahlkampfes begonnen. Wenn der Kanzler verkündet, wir wollten uns nun am eigenen Schopf aus der – Tinte ziehen: Was hülfe da noch interner Zwist? Über Zorn und Zweifel und Trotz fanden wir erstaunlich schnell zu Kampfgeist und druckvoller Attacke. So einfach wird diese Partei nicht untergehen! Das war die Stimmung, jedenfalls meine.
Am 5. Juni tagte zum ersten Mal unsere Wahlkampfkommission unter dem souveränen Vorsitz von Veronika Dicke.
Die Wahlkreiskonferenz nominierte mich am 21. Juni (Manfred Berke aus Hammer hatte vor der Wahl seine Kandidatur zurückgezogen) mit 94 Prozent Zustimmung erneut zum sozialdemokratischen Direktkandidaten für Kiel, Kronshagen und Altenholz. In derselben Woche überraschten wir schon die Konkurrenz durch einen Kieler-Woche-Bummel des Jungen Teams mit den neuen Wahlkampf-T-Shirts.
Bevor die heiße Phase nach den Schulferien (und der Auflösungsentscheidung des Bundespräsidenten) beginnen konnte, gab es politische Kiel-Besuche von Verteidigungsminister Peter Struck und von dem maritimen Koordinator der Bundesregierung, Adamowitsch.
Unsere Hauptredner in den Wahlveranstaltungen waren Henning Scherf (Legienhof), Sigmar Gabriel (Haus des Sports), Prof. Franz Walter (Audimax), Prof. Ernst-Ulrich von Weizsäcker (Alte Mensa), Claus Möller, Gitta Trauernicht (Altenholz) und Ute Erdsiek-Rave (Kronshagen).
Der Parteivorsitzende Franz Müntefering sprach in Kiel auf dem Landesparteitag im Stadtwerke-Casino und auf einer nachmittäglichen Betriebs- und Personalrätekonferenz der Wählerinitiative Arbeitswelt im Legienhof. Eine Kanzler-Kundgebung hatten wir diesmal nicht; wir haben dann für Neumünster mobilisiert.
Neue Formate waren die sehr gute „Sex-and-the-City“-Veranstaltung der Wählerinitiative Frauen für Hans-Peter Bartels in der Seeburg und das gemeinsame TV-Duell-Schauen in der Uni-nahen Campus-Suite.
Als Kandidat zu Gast war ich beim DGB und bei den DGB-Senioren (die eine Initiative Senioren für Schröder starteten), bei ver.di, im Bildungszentrum Mettenhof und in der IGS Friedrichsort, beim Friedrichsorter Gesprächskreis und bei einer Lehrlingsdiskussion der Telekom.
Viele Ortsvereine luden intern oder öffentlich zu sozialdemokratischen Grill- und Sommerfesten ein: Suchsdorf, Wik, Mettenhof, Wellingdorf (Schwentinebootsfahrt), Süd, Südwest, Mitte, Schilksee, West und auch die Jusos. Ich glaube, es lohnt sich wirklich, den Oldies unter den Familienfestevents nachzueifern: Schrevenpark, Lutherstraße, Hardenbergstraße …
Präsenz im ganzen Wahlkreis sicherten auch die Infostände der Ortsvereine in den Stadtteilen und Wahlkreisgemeinden und der zentrale Infostand in der Holstenstraße. Das macht im Sommer natürlich alles mehr Spaß als in der frostigen Jahreszeit. Dank an alle Dauer- und Gelegenheitsstandbesetzer! Schön war auch die Flohmarkt-Aktion am ZIS.
Aus Kiel und Hamburg wurde in der Hochburg Kiel per Telefon zum Wählengehen gebeten.
Für die großen zentralen Materialverteilungen haben wir diesmal neue Wege ausprobiert: Postvertrieb. Zu vertretbaren Kosten konnten so die „Wahlzeit für Kiel“ und der Kandidatenbrief ziemlich flächendeckend innerhalb weniger Tage restlos zugestellt werden. Einige Ortsvereine haben durch Selbstverteilung Geld sparen geholfen. Die Resonanz auf die „Wahlzeit“ war wieder durchweg positiv. Sehr hilfreich sind zudem immer die Sonderausgaben der OV-Bürgerzeitungen. Für Jungwähler hatten wir wie 2002 ein eigenes Material: „Kleine Wahlhilfe“, verteilt vor allem durch das Junge Team vor den Schulen.
Betriebsverteilungen (manchmal mit Hindernissen) gab es in der letzten Woche vor
Elac/Sachau, Thales/VST, HDW, Raytheon, Lindenau und Rheinmetall/Voßloh.
Am Freitagabend vor dem Wahlsonntag zogen vom Club 68 aus noch einmal drei fröhliche rote Wahlkämpfergruppen durch Kiels Kneipen (mit Material). Am Samstagmorgen: Brötchen für Nachtschichtarbeiter. Samstagvormittag: Rosen! Nachmittag: sozialdemokratische Gummibären für Holstein-Fans … Mehr geht nicht.
Die Plakatierung: Flächendeckend und mit Masse waren wir wieder die Ersten. Es ist schon ein gutes Gefühl, wenn sich an einem Freitagabend gegen 23 Uhr vierzig entschlossene Genossen in Räuberzivil an einer abgelegenen Lagerhalle am Kanal treffen, die Autos voll laden und um exakt null Uhr in die Nacht starten! Die Plakatierung war – Dieter Heß und dem ganzen Team sei Dank! – ein Pluspunkt in diesem Wahlkampf (wenn auch die eine
oder andere „Bartelsallee“ vielleicht noch den einen oder anderen Schröder oder eine Themenabwechslung vertragen hätte …).
Die Ausgaben lagen insgesamt leicht unter Plan, unter 40.000 Euro.
Kandidatenaufstellung
Die Wahlkreiskonferenz nominierte Habs-Peter Bartels am 21. Juni (Manfred Berke aus Hammer hatte vor der Wahl seine Kandidatur zurückgezogen) mit 94 Prozent Zustimmung erneut zum sozialdemokratischen Direktkandidaten für Kiel, Kronshagen und Altenholz.
Unser Wahlkampf war 2002 ähnlich angelegt wie 1998: Präsenz, Optimismus, Information ohne Schnickschnack, Diskussionsangebote. Auch diesmal haben wir uns nicht von der (zunächst schwer erkennbaren) Bundeslinie distanziert, sondern nur offensichtlichen Pfusch (Themenplakate) weggelassen. Die Wahlkampfkommission begann im Februar 2002 mit der Arbeit, Wahlkampfleiter: Dieter Heß.
Unsere öffentlichen Veranstaltungen waren insbesondere am Anfang gut für Selbstbewußtsein und Mobilisierung (Wolfgang Thierse auf Gut Seekamp, Renate Schmidt in der Räucherei). Den Höhepunkt bei schönem Wetter bildete die Open-Air-Schröderveranstaltung auf dem Ostseekai mit 8000 Besuchern. Daß die beiden Anke-Fuchs-Termine wegen einer Sondersitzung des Bundestages und die Simonis-Teilnahme an einer Jungwählerveranstaltung (wegen Flutmanagement) ausfallen mußten, war schade, aber nicht weiter schädlich.
Schwach besucht (und vielleicht zu viel – aber wir wollten zu jedem wichtigen Bundesthema eine Diskussionsveranstaltung anbieten) waren die Termine zu Osteuropa (mit Christoph Zöpel) und zur Bildungspolitik (mit Prof. Gesine Schwan). Rundum gelungen dagegen der Globalisierungs-Vortrag von Hermann Scheer in der Universität und der Jazz- Frühschoppen mit Klaus Buß in der Räucherei. Dank für besondere Unterstützung bei den Kieler SPD-Veranstaltungen geht an das Junge Team, die Juso-Hochschulgruppe, den OV Gaarden, Rolf Fischer, Jürgen Weber, Jürgen Fenske und die Wählerinitiative Arbeitswelt. In Kronshagen gab es eine Diskussion mit Ute Erdsiek-Rave zum Thema „Dienstpflicht“. Außerdem: mehrere Sommerfeste und Fahrradtouren der Kieler Ortsvereine. Eine schöne Gelegenheit, engagierte Jugendliche zum Gespräch einzuladen: unsere Förde-Tour mit der „MS Stadt Kiel“. Die Podiumsdiskussionen der fünf Direktkandidaten habe ich überwiegend als „Heimspiele“ erlebt (DGB-Senioren, Berufsschule Gaarden, Bildungszentrum Mettenhof, Friedrichsorter Gesprächskreis, Zivildienstschule, Feministische Initiativen, Verband Politischer Jugend).
Unsere Verteil-Materialien – Wahlzeitung (60.000), Kandidatenbrief (70.000), Postkarten- Leporello (20.000) – waren professionell gestaltet und wurden gut angenommen. Speziell an junge Leute richtete sich ein Erstwählerfaltblatt (10.000 Stück), das in freundlicher Weise Demokratie und Wahl erklärt und inzwischen auch schon anderswo in der SPD verwendet wird. Weitere Materialien: OV-Bürgerzeitungen, Anzeigen in Termin Magazinen, Internet, Kinospots. Vorbildlich: Siggi Schmidts persönliche Wahlempfehlung an alle Hammeranerinnen und Hammeraner. Die zentralen Materialien waren unterschiedlich hilfreich; das Wahlprogramm sollte es künftig auch in einer lesefreundlichen Kurzfassung geben. Bei „Give-aways“ waren wir relativ zurückhaltend. Prima kamen in der Schlußphase die roten Indianerfedern und wie immer, als alles gesagt war, die Rosen an.
Hilfreich war in den letzten Wochen die Telefonaktion vom Kleinen Kuhberg aus; daß das geklappt hat, dafür gebührt vor allem Heino Scharunge großer Dank. Sehr bewährt hat sich die erstmalige Aufstellung eines „Jungen Teams“. Dessen Einsatz hat sich durchaus im Gesamteindruck des Wahlkampfes (jung, unverdrossen, freundlich) niedergeschlagen.
Gut und unverzichtbar war die enge Zusammenarbeit mit Kreisvorstand, AG 60plus und Jusos sowie mit der Wählerinitiative Arbeitswelt und den OVs Altenholz (Wolfgang Weiß) und Kronshagen (Malte Hübner-Berger). Der zentrale Infostand hat nach den üblichen Anlaufschwierigkeiten wieder gut funktioniert (danke, Lars und Frank!), ebenso die dezentrale Stand-Präsenz. Gut: die Schul- und Betriebsverteilungen. Sehr zeitig (zwei Wochen vor der zitternden CDU) und flächendeckend war unsere Plakatierung mit recht ordentlichen Plakaten (die unordentlichen haben wir weggelassen) und einem geheimnisvollen Eigenwerk ganz in Rot (www.Einsatz-für-Kiel.de).
Finanziell wurde der gesetzte Rahmen, insbesondere durch größeren zentralen Materialbedarf bei der Schröderveranstaltung sowie in der Schlußphase, überschritten. Das Spendenaufkommen überstieg den Planansatz, lag aber unter dem 98er Niveau.
In seinem ersten Rechenschaftsbericht an den Kreisparteitag schrieb Bartels über den Wahlkampf:
Unser Kieler Bundestagswahlkampf: Selbstbewußt und optimistisch
1. Aller Anfang …
Die Wahlkampfplanung begann relativ früh, noch vor der gewonnenen Kommunalwahl am 25. März 1998. Insbesondere wenn ein neuer, jüngerer Kandidat vorgestellt werden soll, ist eine längere Vorlaufzeit nützlich.
Der Vorwahlkampf fing für mich tatsächlich noch zeitiger an, recht bald nach der Nominierung am 8. November 1997. Bis zum Sommer habe ich eine ganze Serie von Kennenlern-Besuchen im Wahlkreis gemacht. Eindeutiger Schwerpunkt war der von sozialdemokratischer Seite traditionell etwas vernachlässigte Hochschulbereich (3 Hochschulen, 10.000 Beschäftigte, 30.000 Studierende); dort hatte ich, zum Teil mit dem Nachbarabgeordneten
Michael Bürsch, 22 Gesprächsrunden von der Weltwirtschaft über das Ökozentrum, die FH und die Technische Fakultät bis zur Soziologie. Dazu: Zivildienstschule, Marinefliegergeschwader, Flughafen, Campus-Reha-Klinik, Drogenhilfe-Cafe Claro, Marinestützpunkt, Kinderschutzzentrum, MaK Motoren, Alibaba, Wasser- und Schiffahrtsamt, AWO-Servicehaus Vaasastraße, Siedlerbund Hammer, ELAC Nautik, HDW, Datenzentrale, Marinearsenal.
Bei den Ortsvereinen, Arbeitsgemeinschaften und Arbeitskreisen der Kieler SPD bekam ich erfreulicherweise reichlich Gelegenheit, auf Mitgliederversammlungen, Grünkohl-, Spargel-, Labskaus- und Schinkenbrotessen mit den Genossinnen und Genossen zu diskutieren und als (doch in der Regel) alter Bekannter in neuer Funktion gute Ratschläge entgegenzunehmen.
Auch mit den Gewerkschaften gab es kontinuierliche Kontakte und Diskussionsveranstaltungen (besonderer Dank an Horst Herchenröder und Holger Malterer).
Zu den Ereignissen des Vorwahlkampfes gehörten auch die öffentlichen Podiumsveranstaltungen „Rot-Grün – paßt das?“ mit dem Grünen Direktbewerber Müller und „Die Kraft der Neuen“ mit dem damaligen Vorsitzenden der jungen Gruppe in der SPD-Bundestagsfraktion Christoph Matschie und der ehemaligen Bundesjugendring-Vorsitzenden Karin Kortmann.
Der sozialdemokratische Kommunalwahlkampf konnte mich (und ich ihn) unterstützen, indem ich dabei vor allem einige Wahl-Talkshows moderierte (Ostufer, Holtenau, Altstadt, Suchsdorf); dazu eine AfA-Veranstaltung mit Ottmar Schreiner.
2. Kommission und Konzept
Am 9. März 1998 konstituierte sich die Wahlkampfkommission, in der mitwirkten: Heino Scharunge, Kerstin Ohms, Rainer Wolff, Achim Heinrichs, Veronika Dicke, Carsten Rau, Bert Giencke, Sven Zylla, Andreas Paust und Dieter Hess. Die Wahlkampfleitung übernahm Andy Mitterer. Als Agentur engagierten wir das schon in drei Kampagnen (BTW 94, OB 96, KoWa 97) bewährte, kreative Büro Bogya-Meyer-Bogya.
Um Spenden kümmerten sich mit persönlichem Engagement Eckart Finger, Günther Bantzer und Jürgen Fenske.
Die schleswig-holsteinische „Wählerinitiative Arbeitswelt“ (Hochburg Kiel) wurde wieder in der ihm eigenen Eleganz von Peter Mertineit gemanagt.
Das Kreisbüro bekam Verstärkung durch den Praktikanten Matthias Lindner. Die Zusammenarbeit mit Kreisvorstand und Kreisausschuß war, zum Teil durch Personenidentität in der Wahlkampfkommission, ganz unproblematisch.
Unser Wahlkampfkonzept sah vor, die bundesweite positive Grundstimmung für die SPD in Kiel nach Kräften zu unterstützen – eine Profilierung in Abgrenzung zu Kurs, Stimmung oder Personal der Bundespartei wie in früheren Bundestagswahlkämpfen gelegentlich notwendig, schien uns für diese Wahl nicht angezeigt. Schröder, seine Neue-Mitte-Konzeption, das Wahlprogramm, die professionelle Kampa-Kommunikation und die Geschlossenheit der SPD waren gute Voraussetzungen für unseren lokalen Wahlkampf. Hinzu kam, daß die SPD in Kiel durch die grandiose Wahl Norbert Gansels zum Oberbürgermeister 1997 (60,3 %) und die erfolgreiche Kommunalwahl 1998 mit den Spitzenkandidaten Cathy Kietzer und Jürgen Fenske (47,8 %) wieder in der Position der absoluten Mehrheitspartei war und mit dieser Vertrauensposition einstweilen pfleglich umging. Die personellen Querelen und Verunsicherungen der vergangenen Jahre waren überwunden.
Unsere Umsetzungslinie für die Schrödersche Erneuerungskampagne(„Innovation und Gerechtigkeit“) sollte selbstbewußt und optimistisch sein.
3. Wahlkampfführung: Tops und Flops
Die heiße Wahlkampfphase begann für uns nach den Sommerferien mit der Eröffnung des Zentralen Infostandes auf dem Asmus-Bremer-Platz am 22. August. Die außerordentlich geräumige Bude erwies sich bei dem wechselhaften Wahlkampfwetter als durchaus vorteilhaft. Nach zunächst durchwachsener Beteiligung der Ortsvereine und Arbeitsgemeinschaften an der Besetzung hatten wir in den letzten Wochen dann durchgehend geöffnet. Allein am Zentralen Stand wurden rund zweitausend Wahlprogramme ausgegeben.
Auch die vorwahl-samstäglichen OV-Stände in den Stadtteilen blieben ein wichtiges Mittel unserer Präsenzwerbung: Die SPD hat Gesichter, ist ansprechbar und flächendeckend vertreten.
Die Mühe lohnt.
Zu dieser Präsenzwerbung (die kaum jemanden umstimmt, aber stabilisiert und mobilisiert) kam dieses Mal sehr früh die stadtweite zentrale und dezentrale Plakatierung, zunächst mit Schwerpunkt Kandidatenplakat und Veranstaltungswerbung, später immer mehr Themenmotive und Schröder. Zur Anmutung des Kandidatenplakats habe ich viele kluge Analysen gehört („Außerirdischer“, „Wasserleiche“, „unscharf“, „wer ist das?“, „zu kurze Haare“, „na ja“), es hat mir auch nicht so gefallen – aber am Ende behielt die vom PV teuer bezahlte, für alle Kandidatenfotos verantwortliche Weltagentur KNSK/BBDO recht: Auf das Kanzlerbild kommt’s an!
Postkarte aus dem Bundestagswahlkampf 1998
Der Werbung durch sympathische Präsenz dienten schließlich auch die konkurrenzlosen traditionellen sozialdemokratischen Sommerfeste im Schrevenpark (Ortsvereine West/Hasseldieksdamm, Stinkviddel-Ravensberg, Brunswik, Altstadt), in der Hardenbergstraße (Nord) und in der Lutherstraße (Süd), sowie die erstmals veranstalteten Sommerfeste in Holtenau, Friedrichsort und Ellerbek; dazu das schon fest etablierte Fußballturnier des OV Russee (Sieger 98: das örtliche CDU-Team).
Auf den beiden Wahlkampf-„Ratschlägen“ mit den Vorsitzenden und Wahlkampfleitern der Ortsvereine und Arbeitsgemeinschaften einigten wir uns auf Art und Menge der Materialien für Stände, Veranstaltungen und (maximal) drei Hausverteilungen, darunter 50.000 Exemplare unserer Einmal-Zeitung „Wahlzeit für Kiel“, zweimal 10.000 Postkartenleporellos, 50.000 Kandidaten-Faltblätter, 50.000 „Garantiekarten“ und reichlich weitere Drucksachen von der Kampa. All dies wurde gut, zum Teil restlos abgesetzt. Ebenso die Vorwahl-Ausgaben unserer OV-Bürgerzeitungen. Zuviel bestellt hatten wir von den (extrem günstigen) Kampa-Plakaten.
Die Neuanschaffung von 500 standfesten, relativ leichten Plakatträgernwar hilfreich. Der Vandalismus gegenüber SPD-Plakaten hielt sich in Grenzen, war aber da, wo er geballt auftrat (z.B. Kleiner Kiel) schon sehr unerfreulich.
Zu Sondermobilisierungen (Erstwählerbrief, Aktionen in Nichtwähler-Hochburgen, Betriebsverteilungen, Hausbesuche, Telefoncanvassing, Aussiedleraktionen) gab es keine Initiative.
Wir waren nett im Internet präsent und haben Anzeigen in den vier Kieler Terminmagazinen sowie im „Hempels“ geschaltet, die Arbeitswelt-Wählerinitiative im Kieler Express, der Parteivorstand in den Kieler Nachrichten. In den drei Wochen vor der Wahl liefen SPD-Spots in allen Kieler Kinos.
Am meisten Resonanz gab es auf unsere Wahlzeitung, an deren Gelingen viele beteiligt waren. Die Postkarten wurden sehr gern (auch von Touristen, die anderswo SPD wählen wollten) genommen. Die „Garantiekarte“ war oft ein Anknüpfungspunkt für Gespräche; die Kampa-Zeitungen („Aufbuch“) sahen eher langweilig aus, lustlos gemacht; das Schröder- Buch war inhaltlich prima, wurde aber bestenfalls als Dreingabe zum Wahlprogramm mitgenommen.
Unser Verzicht auf Gimmicks, Schnickschnack zum Verschenken (CDU: Apfelsinen, Jojos, Kohlköpfe – im Ernst! –, Kugelschreiber usw.) war richtig. Deko ja, aber ansonsten nur Argumente verteilen. Große und immer wieder schöne Ausnahme, wenn alles gesagt ist: die Rosenverteilung am Samstag vor der Wahl.
Illusionen machen wir uns gelegentlich über die Reichweite von Veranstaltungen. Das öffentliche Angebot zur direkten Information durch Fachpolitiker und Kandidaten und zur authentischen Diskussion mit den Wahlbewerbern ist durch nichts zu ersetzen – aber wir merken, daß am meisten äußere Aufmerksamkeit noch die Plakate, Flugzettel und die Anzeigen für Veranstaltungen auf sich ziehen. Zu Rede und Antwort am Abend trifft sich dann in größerer oder kleinerer Runde die Partei – was ja auch nichts Schlechtes ist.
So war es bei unseren gut besuchten halb-politischen, halb-bunten Auftakt- und Abschlußveranstaltungen am 22. August in der wunderschön dekorierten Räucherei (mit Heide Simonis, Norbert Gansel, Prof. Henner Völkel, Marianne Stavesand, Heino Scharunge und den üblichen Dietrichdorfer Verdächtigen als Kabarett) bzw. am 21. September in der Traumfabrik (mit Hans-Ulrich Klose, Cathy Kietzer, Holger Henze, Rolf Fischer und den Dietrichsdorfer Chören „Fizzy of fun“ und „Vokalmatadore“). Ebenfalls gute Bekannte, wenn auch nicht so viele, trafen sich bei unseren vier Zielgruppenveranstaltungen zur Gesundheitspolitik am 26. August (mit Wolfgang Wodarg, Frauke Walhorn und Michael Krahwinkel), zur ökologischen Steuerreform am 7. September (mit Prof. Udo-Ernst Simonis), zur sozialen Sicherheit im Alter am 16. September (mit Rudi Walter) und zur Wirtschaftspolitik am 18. September (mit Peer Steinbrück, Klaus-Dieter Müller u.a.).
Etwas unbefriedigend blieben ein Nachmittagstermin einer Einzelgewerkschaft (elf Zuhörer) und einige klassische frontale Podiumsdiskussionen mit allen vier oder fünf Kieler Direktbewerbern der Bundestagsparteien in Schulen bzw. Stadtteil-Gesprächskreisen. In unserer immer mehr von Fernsehstandards bestimmten politischen Kultur wird man nicht umhin kommen, auch andere Formen der politischen Information und Diskussion auszuprobieren;
die Original-Sprüche, mit denen Parteien einander in Wahlkämpfen zu bekämpfen pflegen, klingen jedenfalls im Fernsehen noch am vollsten; im kleinen Live- und Vor-Ort-Gespräch tönen sie hohl (und ich will nicht ausschließen, mich daran beteiligt zu haben).
Ein phantastischer Erfolg war die zentrale Kundgebung mit Gerhard Schröder in der Ostseehalle.
7000 Besucher, davon etwa die Hälfte junges Volk und längst nicht alle SPD-Stammwähler, stellen für die letzten zehn, fünfzehn Jahre, die ich überblicken kann, einen einsamen Rekord dar (zu diesem einen Ereignis kamen zehnmal so viele Menschen wie zu all unseren anderen Saalveranstaltungen zusammen). Norbert Gansels witzig-förmliche „Amtsübergabe“ dort hat mir (wie manch anderer Beistand des Vorgängers) gut geholfen.
Die Wahlkampfberichterstattung in unserer Kieler Heimatpresse war meist knapp, aber fair. Wesentliche Störungen einer ordnungsgemäßen Wahlkampfführung von innen oder außen oder gar durch Überraschungen der politischen Konkurrenz gab es nicht. Die Grünen empfahlen Stimmensplitting, wir rieten davon ab.
4. Attraktiv & preiswert: die Finanzen
In der Wahlkampfkommission hatten wir uns, Kreiskassierer Achim Heinrichs vorweg, vorgenommen, kostenmäßig unter dem Etat des 94er Bundestagswahlkampfs zu bleiben. Dieser hatte mit rund 76.000 DM abgeschlossen. Wir kalkulierten die Kosten auf 67.800 DM;
der Kreisvorstand hatte Wahlkampfmittel aus dem Kreisverbandshaushalt in Höhe von maximal 40.000 DM beschlossen. Da die tatsächlichen Kosten mit 68.574 DM nur unwesentlich über der Kalkulation lagen, der Zuschuß vom Parteivorstand mit 26.000 DM (zusätzliche Mittel aus einem Sondertopf für jüngere Kandidaten) und vor allem das Spendenaufkommen mit 22.000 DM deutlich die Erwartungen übertrafen, brauchten wir von den 40.000 DM nur
18.900 DM in Anspruch zu nehmen.
Kandidatenaufstellung
Außer Bartels hatten auch Almut Auerbach und Birgit Hannemann-Röttgers kandidiert. Bartels glaubt, dass er sich nur durchsetzen konnte, weil die Nominierung als Mitgliederversammlung stattfand.
1994
Ergebnis
52,7% der Kielerinnen und Kieler gaben Norbert Gansel ihre Erststimme.
Wahlkampf
Wahlplakat für Norbert Gansel aus dem Bundestagswahlkampf 1994
Kandidatenaufstellung
1990
Ergebnis
Bei der ersten gesamtdeutschen Wahl bekommt Norbert Gansel 51% der Erststimmen.
Wahlkampf
Kandidatenaufstellung
Nach den Erinnerungen von Susanne Gaschke soll Ralf Stegner spontan gegen Gansel angetreten sein, Stegner dementiert dies.
Außerdem gewann die Kielerin Heide Simonis den Wahlkreis Rendsburg-Eckernförde.
Wahlkampf
Kandidatenaufstellung
Wahlkreiskonferenz der SPD Kiel, 1975
1972
Ergebnis
Der junge Norbert Gansel holt bei seiner ersten Wahl 59,4% der Erststimmen.
Zudem gewann Jürgen Anbuhl den Wahlkreis 2: Schleswig - Eckernförde, zu dem die Kieler Stadtteile nördlich des Kanals gehörten. Bei den vorherigen Wahlen war dieser stets von der CDU gewonnen worden.
Wahlkampf
Erstmals schließt die Kieler SPD auf Initiative ihres Direktkandidaten aus, Spenden von Unternehmen oder Interessenverbänden anzunehmen - die Geburtsstunde des gläsernen Abgeordneten Gansel.
Gansel mit Willy Brandt bei einer großen Wahlkampfveranstaltung in der Ostseehalle 1972
Auftakt zum Bundestagswahlkampf der SPD 1969. Von links: Stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungsozialisten Norbert Gansel, Wahlkampfleiter Gerd Hansen, Dr. Hans Müthling MdB und Kreisvorsitzender Karl Heinz Luckhardt mit dem SPD-Infobus vor der SPD-Zentrale am Kleinen Kuhberg
Kandidatenaufstellung
1965
Ergebnis
Der ehemalige Oberbürgermeister Hans Müthling gewinnt mit 49% das Direktmandat.
Wahlkampf
Kandidatenaufstellung
1961
Ergebnis
Bei der ersten Bundestagswahl nach dem Beschluss des Godesberger Programms gewinnt mit 47% der Erststimmen Fritz Baade zum ersten Mal das Direktmandat.
Wahlkampf
Kandidatenaufstellung
1957
Ergebnis
Erneut zogen Bruno Diekmann und Fritz Baade über die Liste in den Bundestag ein. Den Wahlkreis gewinnt die CDU mit 50,0% der Erststimmen.
Wahlkampf
Kandidatenaufstellung
1953
Ergebnis
Bruno Diekmann zog ebenso wie Fritz Baade über die Landesliste für Kiel in den Bundestag ein. Der CDU-Kandidat hatte 55,6% der Erststimmen erhalten.
Wahlkampf
Kandidatenaufstellung
1949
Ergebnis
Fritz Baade zog als erster sozialdemokratischer Bundestagsabgeordneter aus Kiel über die Liste ins Parlament ein. Das Direktmandat ging mit 52,9% an die CDU.