Wilhelm Poller: Unterschied zwischen den Versionen
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'''Julius Wilhelm Poller''', *[[6. Juni]] [[1860]] in Kleinschirna/Sachsen, †[[15. März]] [[1935]] in Mühlheim/Main; Metallformer, Polizeipräsident von Kiel. Mitglied der SPD. | '''Julius Wilhelm Poller''', * [[6. Juni]] [[1860]] in Kleinschirna/Sachsen, † [[15. März]] [[1935]] in Mühlheim/Main; Metallformer, Polizeipräsident von Kiel. Mitglied der SPD mindestens ab [[1890]]. | ||
==Leben & Beruf== | ==Leben & Beruf== | ||
Wilhelm Poller | Wilhelm Poller wurde [[1860]] als erster Sohn des Metallformers Karl Heinrich Poller und dessen Frau Ida Friederike Poller (geborene Epperlein) in der sächsischen Gemeinde Kleinschirma geboren. Er wuchs mit drei Schwestern und einem Bruder auf. | ||
Ostern [[1874]] begann Wilhelm Poller mit 14 Jahren eine Lehre als Metallformer in dem Betrieb, in dem sein Vater als Meister arbeitete. Nach der Lehre | Ostern [[1874]] begann Wilhelm Poller mit 14 Jahren eine Lehre als Metallformer bei Balduin Bechstein in Altenburg, dem Betrieb, in dem sein Vater als Meister arbeitete. Nach der Lehre leistete er seinen Militärdienst in Altenburg ab. Dann kehrte er zu seinem Ausbildungsbetrieb zurück. [[1881]] starb seine Mutter mit nur 40 Jahren. | ||
[[1882]] ging Wilhelm Poller auf Wanderschaft, wie es damals für Gesellen üblich war. Acht Jahre war er "auf der Walz", bevor er sich [[1890]] in [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kiel]] niederließ - dem Jahr, in dem das [[Sozialistengesetz]] auslief. Er wohnte zunächst im [https://kiel-wiki.de/Papenkamp Papenkamp 21] in einem typischen Arbeiterviertel und arbeitete als Former in verschiedenen Betrieben, auch solchen mit bekanntermaßen hohem politischem Organisationsgrad wie der Friedrichsorter Torpedowerkstatt.<ref>Fischer, Rolf: ''Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze.'' In: ''Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte'', Band 90, Heft 3 (2021), S. 136</ref> Es ist also wahrscheinlich, dass er zu dieser Zeit schon der SPD angehörte. | |||
Jedenfalls machte er sich schnell einen Namen. [[1891]] wird er bereits als Vorsitzender des Unterstützungsvereins der Former genannt.<ref>{{Vorlage:Brecour-sozialdemokratische-Partei}}, S. 59</ref> | |||
Am [[19. Mai]] [[1891]] heiratete er [[Marie Poller|Marie (Clara Maria Martha) Köhler]] (* [[26. Mai]] [[1867]] in Dresden, † [[3. März]] [[1905]] in Kiel), die er wohl schon in Dresden kennengelernt hatte.<ref>Fischer, Rolf: ''Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze.'' In: ''Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte'', Band 90, Heft 3 (2021), S. 137</ref> Sie bekamen vier Kinder: Maria, Oskar, Walter und Karl, der allerdings nur ein Jahr alt wurde. Sie wohnten in dieser Zeit in der [https://kiel-wiki.de/Wei%C3%9Fenburgstra%C3%9Fe Weißenburgstraße 15]. Dort befindet sich heute ein "Rewe"-Markt. | |||
[[1905]] | Wegen seiner politischen Aktivitäten kündigte ihm sein Arbeitgeber [[1894]]. Ohne Einkommen litt die junge Familie Not. In dieser Lage bekam er eine Anstellung als Redakteur bei der seit dem Vorjahr erneut erscheinenden ''[[Schleswig-Holsteinische Volkszeitung|Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung]]''. Ab [[1907]] war er [[Parteisekretär]] der [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kieler SPD]], ab [[1919]] Polizeipräsident der Stadt. | ||
[[1905]] starb [[Marie Poller]] mit nur 37 Jahren. Auch sie war eine wichtige Sozialdemokratin in Kiel. | |||
Nach dem Ende seiner dienstlichen und politischen Karriere [[1924]] lebte Wilhelm Poller im [https://kiel-wiki.de/Kronshagener_Weg Kronshagener Weg 1b]. Er schrieb Artikel, Gedichte und ein Theaterstück; daneben reiste er durch Europa. | |||
Als die Nazis [[1933]] die Macht an sich rissen, wurde die Lage auch für den bekannten Sozialdemokraten Wilhelm Poller bedrohlich. Durch das NS-"Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" wurde ihm seine Pension genommen. Etwa [[1934]] zog er nach Mühlheim/Main zu seinem Sohn Oskar Poller und starb dort bereits am [[15. März]] [[1935]] mit 74 Jahren. Dort wurde er zunächst auch beigesetzt; seinem Wunsch gemäß ruht seine Urne aber mittlerweile in Kiel.<ref>''... an einem 6. Juni in Kiel'', ''VZ'', 4.6.1960</ref> | |||
Am [[6. Juni]] [[1944]], seinem 84. Geburtstag, erfolgte "in aller Stille die Umbettung" auf den Kieler Urnenfriedhof, wo sein Sohn [[Walter Poller]] eine "persönlich-politische Trauerrede"<ref>Nachzulesen in ''... an einem 6. Juni in Kiel'', ''VZ'', 4.6.1960</ref> hielt. Vorher besuchten die sechs Beteiligten, zu denen [[Julius Leber]] und [[Theodor Haubach]] sowie der Kieler [[Ernst Rahm]] gehörten, die [[Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand|Gräber der Revolutionsopfer]] auf dem Eichhof.<ref>Fischer, Rolf: ''Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze.'' In: ''Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte'', Band 90, Heft 3 (2021), S. 161 f.</ref> | |||
==Partei & Politik== | ==Partei & Politik== | ||
Mit dem Ende des [[Sozialistengesetz|Sozialistengesetzes]] und seiner Ankunft in Kiel | Mit dem Ende des [[Sozialistengesetz|Sozialistengesetzes]] und seiner Ankunft in Kiel begann auch die politische Aktivität von Wilhelm Poller. Er machte sich einen Namen, was ihm auch seine Stelle bei der [[VZ]] eintrug. [[1894]] nahm er als Delegierter am SPD-Parteitag in Frankfurt/Main teil. | ||
Wegen "Majestätsbeleidigung" | Wegen "Majestätsbeleidigung" steckte ihn das Kaiserreich [[1896]] für neun Monate ins Zuchthaus in Glückstadt. | ||
[[1900]] | [[1900]] wurde er [[Vertrauensperson|Vertrauensmann]] für den 7. Wahlkreis Kiel-Neumünster und engagierte sich intensiv in der Parteiarbeit. Er organisierte Wahlkämpfe, verfasste Broschüren und politische Berichte und organisierte Redner. Zusammen mit dem Kieler Reichstagsabgeordneten [[Carl Legien]] gehörte Wilhelm Poller zu den Reformern in der SPD, die den Alltag für die Menschen der Arbeiterklasse Schritt für Schritt verbessern wollten - am Fernziel der sozialistischen Gesellschaft aber weiterhin festhielten. | ||
[[1902]] | [[1902]] reiste Wilhelm Poller als Delegierter zum SPD-Parteitag nach München, wo er erstmals im Protokoll mit einem Redebeitrag auftauchte. | ||
[[1905]] | === Parteisekretär === | ||
[[1905]] reorganisierte sich der [[Landesverband]]. Die alte, lose Struktur stammte noch aus Zeit vor dem [[Sozialistengesetz]] und entsprach nicht mehr den Anforderungen an eine Partei mit wesentlich mehr Mitgliedern. Es entstand der bekannte [[Organisationsaufbau der SPD]] vom [[Ortsverein]] über den [[Kreisverband]] zum [[Bezirk]]. Der [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel#Sozialdemokratischer Zentralverein|Sozialdemokratische Zentralverein]] bestand nun aus den Ortsvereinen [[Kreisverband Kiel|Kiel]], [[Kreisverband Neumünster|Neumünster]], [[Ortsverein Hassee|Hassee-Winterbek]], [[Ortsverein Neumühlen-Dietrichsdorf|Dietrichsdorf]], [[Ortsverein Rendsburg|Rendsburg]], [[Ortsverein Preetz|Preetz]], [[Ortsverein Nortorf|Nortorf]], [[Ortsverein Hohenwestedt|Hohenwestedt]] und [[Ortsverein Heikendorf|Heikendorf]].<ref>Fischer, Rolf: ''Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze.'' In: ''Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte'', Band 90, Heft 3 (2021), S. 142 f.</ref> Als Parteisekretär kümmerte sich Wilhelm Poller um die Organisation; ab [[1907]] hatte er sein Büro im neu eröffneten [[Gewerkschaftshaus Kiel|Kieler Gewerkschaftshaus]]. | |||
[[Datei:1907 SPD-Werbung Stadtverordnetenwahl.png|mini|Werbung Stadtverordnetenwahl, 1907]] | |||
[[1907]] kandidierte Wilhelm Poller erstmals zu einer [[Kommunalwahl 1907|Kommunalwahl]] - allerdings erfolglos. In der [[Kommunalwahl 1909]] gelang es ihm, über den Wahlbezirk im "[[Ortsverein Gaarden|Roten Gaarden]]" in die Stadtverordnetenversammlung einzuziehen. Die Kieler SPD hatte hier offenbar ihren besten Mann aufgestellt. Die bürgerliche Seite reagierte immer wieder mit Eingriffen ins Wahlrecht, das die Arbeiterschaft - die Wähler der SPD - benachteiligte. Die Kieler SPD schloss sich daraufhin mit den Ortsvereinen [[Ortsverein Gaarden|Gaarden]], [[Ortsverein Hassee|Hassee-Winterbek]] und [[Ortsverein Ellerbek|Ellerbek]]-[[Ortsverein Wellingdorf|Wellingdorf]] zum [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Sozialdemokratischen Verein Groß-Kiel]] mit 9000 Mitgliedern zusammen. Wilhelm Poller blieb [[Parteisekretär]]. | |||
[[ | In der [[Kommunalwahl 1915]] gewann er den Bezirk III (Süd) und blieb Ratsherr. Während des 1. Weltkriegs setzte er sich für die Einheit der SPD ein. Auch in Kiel spaltete sich die [[USPD]] ab, bekam aber - abgesehen von einigen Ortsvereinen - keinen großen Zulauf. Wilhelm Poller blieb der Linie der [[MSPD]] treu, auch auf den Parteitagen. Doch als sich die Lage im Reich und in Kiel immer mehr verschlechterte, wurde auch die SPD immer kritischer. Bei den Demonstrationen und Streiks Anfang [[1918]] ahnte Wilhelm Poller das Ende offenbar schon voraus: | ||
<blockquote>"Wenn aber derartige Warnung […] bei den herrschenden Klassen absolut nichts fruchten sollten, nun, so trifft nicht die Arbeiterklasse die Schuld, wenn die Dinge schließlich einen verhängnisvollen Lauf nahmen."<ref>Zitiert nach: Fischer, Rolf: ''Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze.'' In: ''Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte'', Band 90, Heft 3 (2021), S. 128 ff.</ref></blockquote> | |||
... | === Novemberrevolution === | ||
[[Datei:Wilhelm Poller Ausweis 1919.jpg|alternativtext=Gastausweis für die Nationalversammlung|mini|Gastausweis für die Nationalversammlung]] | |||
Am [[30. Oktober]] [[1918]] wurde Wilhelm Poller als Nachfolger des verstorbenen [[Daniel Rindfleisch]] mit 1935 von 2086 Stimmen zum ehrenamtlichen Magistratsmitglied gewählt<ref>''[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19181102/page/5 Stadtratswahl]'', ''[[Hamburger Echo]]'', 2.11.1918, Seite 5</ref> und saß damit als Stadtrat und Parteisekretär während der [[Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand|Novemberrevolution]] mitten drin. Er führte wichtige Verhandlungen mit dem Gouverneur von Kiel und war dabei, als der Oberpräsident praktisch abgesetzt wurde. Er reiste im Land umher uns setzte Beschlüsse der provisorischen Landesregierung um. | |||
Wilhelm Poller setzte sich in der Folge für Demokratie und Republik ein und wetterte gegen die Spartakisten, die [[USPD]] und die [[KPD]], die ein Rätesystem nach russischem Vorbild wollten. Als Gast "im Dienste der Reichsregierung" nahm er an einigen Sitzungen der Nationalversammlung teil. | |||
Danach war er wohl bis ins Frühjahr 1919 zumindest de facto Fraktionsvorsitzender und war zwischenzeitlich als Oberpräsident im Gespräch.<ref>[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19190326MO/page/1 Hamburger Echo 26.3.1919] und [https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1699277745_19190325AB/page/2 Hamburger Fremdenblatt 25.3.1919]</ref> | |||
=== Polizeipräsident in Kiel === | |||
Am [[15. April]] [[1919]] ernannte der preußische Innenminister [[Wolfgang Heine]] Wilhelm Poller zum kommissarischen Kieler Polizeipräsidenten.<ref>[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1699277745_19190415AB/page/6 Hamburger Fremdenblatt 15.4.1919]</ref> Am [[15. Juli]] löste er dann endgültig seinen konservativ-nationalen Vorgänger ab. Republik und Stadt standen von links und rechts unter Druck. Immer wieder kam es zu gewalttätigen Aufständen. Das Militär, mit dem Kiel voll war, verhielt sich oft illoyal gegenüber der demokratischen Regierung. Während des [[Kapp-Lüttwitz-Putsch|Kapp-Lüttwitz-Putsches]] im März [[1920]] wurde Wilhelm Poller vom obersten militärischen Befehlshaber in Kiel, Konteradmiral Magnus von Levetzow, abgesetzt und unter Arrest gestellt, allerdings aus gesundheitlichen Gründen zu Hause. So konnte er telefonisch weiter agieren. | |||
Als der Putsch nach wenigen Tagen zusammenbrach, kam er am [[17. März]] wieder frei. In den Kieler Straßen tobten Gefechte zwischen Freikorps und Kieler Arbeitern und Soldaten. Allein 53 Zivilisten starben an diesem Tag in Kiel. | |||
[[1924]] schied Wilhelm Poller mit fast 65 Jahren aus dem Dienst aus und beendete auch seine politische Karriere. Sein Nachfolger als Polizeipräsident von Kiel wurde [[Carl Dietrich]]. | |||
==Literatur== | ==Literatur== | ||
[[Rolf Fischer|Fischer, Rolf]]: ''Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze'' In: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 90, Heft 3 | *[[Rolf Fischer|Fischer, Rolf]]: ''Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze''. In: ''Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte'', Band 90, Heft 3 (Husum 2021), S. 128-164 | ||
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==Einzelnachweise== | ==Einzelnachweise== | ||
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Version vom 7. Februar 2024, 16:03 Uhr
Wilhelm Poller |
Julius Wilhelm Poller, * 6. Juni 1860 in Kleinschirna/Sachsen, † 15. März 1935 in Mühlheim/Main; Metallformer, Polizeipräsident von Kiel. Mitglied der SPD mindestens ab 1890.
Leben & Beruf
Wilhelm Poller wurde 1860 als erster Sohn des Metallformers Karl Heinrich Poller und dessen Frau Ida Friederike Poller (geborene Epperlein) in der sächsischen Gemeinde Kleinschirma geboren. Er wuchs mit drei Schwestern und einem Bruder auf.
Ostern 1874 begann Wilhelm Poller mit 14 Jahren eine Lehre als Metallformer bei Balduin Bechstein in Altenburg, dem Betrieb, in dem sein Vater als Meister arbeitete. Nach der Lehre leistete er seinen Militärdienst in Altenburg ab. Dann kehrte er zu seinem Ausbildungsbetrieb zurück. 1881 starb seine Mutter mit nur 40 Jahren.
1882 ging Wilhelm Poller auf Wanderschaft, wie es damals für Gesellen üblich war. Acht Jahre war er "auf der Walz", bevor er sich 1890 in Kiel niederließ - dem Jahr, in dem das Sozialistengesetz auslief. Er wohnte zunächst im Papenkamp 21 in einem typischen Arbeiterviertel und arbeitete als Former in verschiedenen Betrieben, auch solchen mit bekanntermaßen hohem politischem Organisationsgrad wie der Friedrichsorter Torpedowerkstatt.[1] Es ist also wahrscheinlich, dass er zu dieser Zeit schon der SPD angehörte.
Jedenfalls machte er sich schnell einen Namen. 1891 wird er bereits als Vorsitzender des Unterstützungsvereins der Former genannt.[2]
Am 19. Mai 1891 heiratete er Marie (Clara Maria Martha) Köhler (* 26. Mai 1867 in Dresden, † 3. März 1905 in Kiel), die er wohl schon in Dresden kennengelernt hatte.[3] Sie bekamen vier Kinder: Maria, Oskar, Walter und Karl, der allerdings nur ein Jahr alt wurde. Sie wohnten in dieser Zeit in der Weißenburgstraße 15. Dort befindet sich heute ein "Rewe"-Markt.
Wegen seiner politischen Aktivitäten kündigte ihm sein Arbeitgeber 1894. Ohne Einkommen litt die junge Familie Not. In dieser Lage bekam er eine Anstellung als Redakteur bei der seit dem Vorjahr erneut erscheinenden Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung. Ab 1907 war er Parteisekretär der Kieler SPD, ab 1919 Polizeipräsident der Stadt.
1905 starb Marie Poller mit nur 37 Jahren. Auch sie war eine wichtige Sozialdemokratin in Kiel.
Nach dem Ende seiner dienstlichen und politischen Karriere 1924 lebte Wilhelm Poller im Kronshagener Weg 1b. Er schrieb Artikel, Gedichte und ein Theaterstück; daneben reiste er durch Europa.
Als die Nazis 1933 die Macht an sich rissen, wurde die Lage auch für den bekannten Sozialdemokraten Wilhelm Poller bedrohlich. Durch das NS-"Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" wurde ihm seine Pension genommen. Etwa 1934 zog er nach Mühlheim/Main zu seinem Sohn Oskar Poller und starb dort bereits am 15. März 1935 mit 74 Jahren. Dort wurde er zunächst auch beigesetzt; seinem Wunsch gemäß ruht seine Urne aber mittlerweile in Kiel.[4]
Am 6. Juni 1944, seinem 84. Geburtstag, erfolgte "in aller Stille die Umbettung" auf den Kieler Urnenfriedhof, wo sein Sohn Walter Poller eine "persönlich-politische Trauerrede"[5] hielt. Vorher besuchten die sechs Beteiligten, zu denen Julius Leber und Theodor Haubach sowie der Kieler Ernst Rahm gehörten, die Gräber der Revolutionsopfer auf dem Eichhof.[6]
Partei & Politik
Mit dem Ende des Sozialistengesetzes und seiner Ankunft in Kiel begann auch die politische Aktivität von Wilhelm Poller. Er machte sich einen Namen, was ihm auch seine Stelle bei der VZ eintrug. 1894 nahm er als Delegierter am SPD-Parteitag in Frankfurt/Main teil.
Wegen "Majestätsbeleidigung" steckte ihn das Kaiserreich 1896 für neun Monate ins Zuchthaus in Glückstadt.
1900 wurde er Vertrauensmann für den 7. Wahlkreis Kiel-Neumünster und engagierte sich intensiv in der Parteiarbeit. Er organisierte Wahlkämpfe, verfasste Broschüren und politische Berichte und organisierte Redner. Zusammen mit dem Kieler Reichstagsabgeordneten Carl Legien gehörte Wilhelm Poller zu den Reformern in der SPD, die den Alltag für die Menschen der Arbeiterklasse Schritt für Schritt verbessern wollten - am Fernziel der sozialistischen Gesellschaft aber weiterhin festhielten.
1902 reiste Wilhelm Poller als Delegierter zum SPD-Parteitag nach München, wo er erstmals im Protokoll mit einem Redebeitrag auftauchte.
Parteisekretär
1905 reorganisierte sich der Landesverband. Die alte, lose Struktur stammte noch aus Zeit vor dem Sozialistengesetz und entsprach nicht mehr den Anforderungen an eine Partei mit wesentlich mehr Mitgliedern. Es entstand der bekannte Organisationsaufbau der SPD vom Ortsverein über den Kreisverband zum Bezirk. Der Sozialdemokratische Zentralverein bestand nun aus den Ortsvereinen Kiel, Neumünster, Hassee-Winterbek, Dietrichsdorf, Rendsburg, Preetz, Nortorf, Hohenwestedt und Heikendorf.[7] Als Parteisekretär kümmerte sich Wilhelm Poller um die Organisation; ab 1907 hatte er sein Büro im neu eröffneten Kieler Gewerkschaftshaus.
1907 kandidierte Wilhelm Poller erstmals zu einer Kommunalwahl - allerdings erfolglos. In der Kommunalwahl 1909 gelang es ihm, über den Wahlbezirk im "Roten Gaarden" in die Stadtverordnetenversammlung einzuziehen. Die Kieler SPD hatte hier offenbar ihren besten Mann aufgestellt. Die bürgerliche Seite reagierte immer wieder mit Eingriffen ins Wahlrecht, das die Arbeiterschaft - die Wähler der SPD - benachteiligte. Die Kieler SPD schloss sich daraufhin mit den Ortsvereinen Gaarden, Hassee-Winterbek und Ellerbek-Wellingdorf zum Sozialdemokratischen Verein Groß-Kiel mit 9000 Mitgliedern zusammen. Wilhelm Poller blieb Parteisekretär.
In der Kommunalwahl 1915 gewann er den Bezirk III (Süd) und blieb Ratsherr. Während des 1. Weltkriegs setzte er sich für die Einheit der SPD ein. Auch in Kiel spaltete sich die USPD ab, bekam aber - abgesehen von einigen Ortsvereinen - keinen großen Zulauf. Wilhelm Poller blieb der Linie der MSPD treu, auch auf den Parteitagen. Doch als sich die Lage im Reich und in Kiel immer mehr verschlechterte, wurde auch die SPD immer kritischer. Bei den Demonstrationen und Streiks Anfang 1918 ahnte Wilhelm Poller das Ende offenbar schon voraus:
"Wenn aber derartige Warnung […] bei den herrschenden Klassen absolut nichts fruchten sollten, nun, so trifft nicht die Arbeiterklasse die Schuld, wenn die Dinge schließlich einen verhängnisvollen Lauf nahmen."[8]
Novemberrevolution
Am 30. Oktober 1918 wurde Wilhelm Poller als Nachfolger des verstorbenen Daniel Rindfleisch mit 1935 von 2086 Stimmen zum ehrenamtlichen Magistratsmitglied gewählt[9] und saß damit als Stadtrat und Parteisekretär während der Novemberrevolution mitten drin. Er führte wichtige Verhandlungen mit dem Gouverneur von Kiel und war dabei, als der Oberpräsident praktisch abgesetzt wurde. Er reiste im Land umher uns setzte Beschlüsse der provisorischen Landesregierung um.
Wilhelm Poller setzte sich in der Folge für Demokratie und Republik ein und wetterte gegen die Spartakisten, die USPD und die KPD, die ein Rätesystem nach russischem Vorbild wollten. Als Gast "im Dienste der Reichsregierung" nahm er an einigen Sitzungen der Nationalversammlung teil.
Danach war er wohl bis ins Frühjahr 1919 zumindest de facto Fraktionsvorsitzender und war zwischenzeitlich als Oberpräsident im Gespräch.[10]
Polizeipräsident in Kiel
Am 15. April 1919 ernannte der preußische Innenminister Wolfgang Heine Wilhelm Poller zum kommissarischen Kieler Polizeipräsidenten.[11] Am 15. Juli löste er dann endgültig seinen konservativ-nationalen Vorgänger ab. Republik und Stadt standen von links und rechts unter Druck. Immer wieder kam es zu gewalttätigen Aufständen. Das Militär, mit dem Kiel voll war, verhielt sich oft illoyal gegenüber der demokratischen Regierung. Während des Kapp-Lüttwitz-Putsches im März 1920 wurde Wilhelm Poller vom obersten militärischen Befehlshaber in Kiel, Konteradmiral Magnus von Levetzow, abgesetzt und unter Arrest gestellt, allerdings aus gesundheitlichen Gründen zu Hause. So konnte er telefonisch weiter agieren.
Als der Putsch nach wenigen Tagen zusammenbrach, kam er am 17. März wieder frei. In den Kieler Straßen tobten Gefechte zwischen Freikorps und Kieler Arbeitern und Soldaten. Allein 53 Zivilisten starben an diesem Tag in Kiel.
1924 schied Wilhelm Poller mit fast 65 Jahren aus dem Dienst aus und beendete auch seine politische Karriere. Sein Nachfolger als Polizeipräsident von Kiel wurde Carl Dietrich.
Literatur
- Fischer, Rolf: Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 90, Heft 3 (Husum 2021), S. 128-164
Links
- Wikipedia: Wilhelm Poller
Einzelnachweise
- ↑ Fischer, Rolf: Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 90, Heft 3 (2021), S. 136
- ↑ Brecour, Wilhelm: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932], Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983), S. 59
- ↑ Fischer, Rolf: Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 90, Heft 3 (2021), S. 137
- ↑ ... an einem 6. Juni in Kiel, VZ, 4.6.1960
- ↑ Nachzulesen in ... an einem 6. Juni in Kiel, VZ, 4.6.1960
- ↑ Fischer, Rolf: Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 90, Heft 3 (2021), S. 161 f.
- ↑ Fischer, Rolf: Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 90, Heft 3 (2021), S. 142 f.
- ↑ Zitiert nach: Fischer, Rolf: Der Kieler Polizeipräsident Wilhelm Poller - eine biografische Skizze. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 90, Heft 3 (2021), S. 128 ff.
- ↑ Stadtratswahl, Hamburger Echo, 2.11.1918, Seite 5
- ↑ Hamburger Echo 26.3.1919 und Hamburger Fremdenblatt 25.3.1919
- ↑ Hamburger Fremdenblatt 15.4.1919