Ortsverein Altona: Unterschied zwischen den Versionen

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Der '''Ortsverein Altona''' war bis [[1933]] eine Gliederung des [[Bezirksverband Schleswig-Holstein|Bezirksverbandes Schleswig-Holstein]]. [[1938]] wurde die selbstständige Stadt Altona als Stadtteil der Hansestadt Hamburg eingegliedert, so dass die Wiedergründung nach der NS-Zeit im Bezirksverband Hamburg erfolgte.  
Der '''Ortsverein Altona''' war bis [[1933]] eine Gliederung des [[Bezirksverband Schleswig-Holstein|Bezirksverbandes Schleswig-Holstein]]. Er wurde am [[30. Mai]] [[1864]] in Schleswig-Holstein als erste [[ADAV]]-Gemeinde gegründet.  


Ein später sehr bedeutendes Mitglied war [[Louise Schroeder]], von [[1915]] bis [[1933]] im Vorstand.
==Geschichte==
Altona war bis zu den 1860er Jahren mit 30&nbsp;000 Einwohnern nach Kopenhagen die zweitgrößte Stadt im dänischen Gesamtstaat. Es blieb auch nach der Annexion durch Preußen ([[1867]]) die größte Stadt Schleswig-Holsteins, größer als Kiel, wo nur 18&nbsp;000 Menschen lebten.<ref>{{Osterroth-100-Jahre}}, Seite 6 f.</ref> Die Stadt profitierte von ihrer Nähe zu Hamburg und dem wirtschaftlichen Aufschwung der Hansestadt, verfügte über einen florierenden Getreide- und Fischereihafen<ref name=":0">Schote, Heiner: ''Altona: Von der dänischen Stadtgründung zum Hamburger Bezirkszentrum''. In: ''Natur- und Landeskunde. Zeitschrift für Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg'', 10-12/2020, S. 234</ref>, war aber eher kleingewerblich strukturiert.<ref name=":1">Krämer, Gerd: ''[https://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay04.pdf Altona 1848-1890. "Das Bollwerk des Nordens"]''. In: ''Demokratische Geschichte'' 3(1988), S. 63</ref>


== Vorsitzende ==
Für Industrieansiedlung attraktiver war das angrenzende Ottensen, das im Gegensatz zu Altona (und Hamburg) dem Deutschen Zollverein angehörte und daher vom schnell wachsenden deutschen Binnenmarkt profitierte.<ref name=":0" /> Die hier entstehenden Glashütten, Zigarrenfabriken und Eisengießereien<ref name=":1" /> brachten eine starke Schicht von Industriearbeitern mit sich. Erst [[1889]] wurde Ottensen nach Altona eingemeindet.
[[1919]]-[[1933]] - [[Paul Bugdahn]]<ref>Martens, Holger: ''SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959'' (Malente 1998), Bd. 1, S. 54</ref>
<blockquote>"Altona entwickelte sich zu einer Wohnstadt für Hamburger und Ottenser Arbeiter, die wegen billigerer Lebenshaltungskosten hierher zogen. Die Bevölkerung verdoppelte sich deshalb im Zeitraum von [[1864]] bis [[1885]] von 53.039 auf 104.717 Personen."<ref>Krämer, Gerd: ''[https://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_02/Demokratische_Geschichte_Band_02_Essay02.pdf Mann der Arbeit aufgewacht. Die Altonaer und Ottensener Gemeinden des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins]''. In: ''Demokratische Geschichte'' 2(1987), Seite 15</ref></blockquote>


[[Kategorie:Ehem. Ortsverein]]
Schon seit der [[Vorgeschichte der Arbeiterbewegung|Revolution 1848]] organisierten sich Arbeiter in Altona. Der dortigen [[Arbeiterverein|Arbeiterbildungsverein]] ging aus einer bürgerlichen Organisation hervor, die bereits vorher existiert hatte. Dann aber gewannen die Arbeiter unter der Agitation des Tischlergesellen [[G.A. Hirschhoff]] die Mehrheit im Verein, verschärften seine Zielsetzung und nannten ihn in "Neuer Bürgerverein" um.<ref>Pelger, Hans: ''[http://library.fes.de/jportal/servlets/MCRFileNodeServlet/jportal_derivate_00020047/afs-1968-161.pdf Zur demokratischen und sozialen Bewegung in Norddeutschland im Anschluß an die Revolution von 1848]'', in: ''Archiv für Sozialgeschichte'', Band 8 (1968), Seite 179f</ref> Vorsitzender wurde [[Karl von Bruhn]].
 
[[G.A. Hirschhoff]] war gleichzeitig die Verbindungsperson zum [[Arbeiterverein|Arbeitergesamtverein für Schleswig-Holstein]], der sich Anfang [[1850]] in Kiel gegründete. Er trieb die überregionale Zusammenarbeit voran und plädierte für einen Anschluss des schleswig-holsteinischen Arbeitergesamtvereins an die Leipziger Arbeiterverbrüderung.<ref>Pelger, Hans: ''[http://library.fes.de/jportal/servlets/MCRFileNodeServlet/jportal_derivate_00020047/afs-1968-161.pdf Zur demokratischen und sozialen Bewegung in Norddeutschland im Anschluß an die Revolution von 1848]'', in: ''Archiv für Sozialgeschichte'', Band 8 (1968), Seite 170</ref>
 
Mit den Arbeitern gelangte die Arbeiterbewegung von Hamburg aus nach Altona und von dort aus ins restliche Schleswig-Holstein. Altona galt als das "Bollwerk des Nordens"<ref name=":1" />. Später wurde zum Beispiel lange der Reichstagswahlkreis [[Kreisverband Herzogtum Lauenburg|Herzogtum Lauenburg]] von dort mitbetreut.
 
Der Beginn der Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein lässt sich damit datieren auf die Gründung der [[ADAV]]-Gemeinde in Altona ein Jahr, nachdem sich der [[ADAV|Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV)]] in Leipzig gegründet hatte.<blockquote>"Neben [[Karl von Bruhn|C. Bruhn]] traten [[Jacob Audorf|Audorf]], Hesse und [[Carl Schallmayer|Schallmeyer]] in der ersten Arbeiterversammlung auf, zu der die Altonaer Gemeinde der Lassalleaner am [[30. Mai]] [[1864]] eingeladen hatte. Von nun an trafen sich ihre Mitglieder jeden Montag im Schumacherhaus, um aus Schriften Lassalles vorzulesen und darüber zu diskutieren. Alle vier Wochen veranstalteten sie eine öffentliche Hauptversammlung, deren dritte von 350 Arbeitern besucht wurde."<ref>{{Osterroth-100-Jahre}}, Seite 8</ref></blockquote>
 
Der [[ADAV]] konnte auf eine bereits bestehende Gewerkschaftsbewegung aufbauen. [[1862]] gab es in Altona Vereinigungen der Korbmacher, Bildhauer, Brotträger, Hutmacher, Hausknechte usw.<ref>{{Regling-Anfänge-des-Sozialismus|Seite=113}}</ref> Der Altonaer Zigarrenarbeiterverein, dessen Bevollmächtigter ab [[1867]] [[Otto Reimer]] war, vertrat die Vereine aus Flensburg, Kiel und Schleswig.<ref>Pelger, Hans: ''[http://library.fes.de/jportal/servlets/MCRFileNodeServlet/jportal_derivate_00020047/afs-1968-161.pdf Zur demokratischen und sozialen Bewegung in Norddeutschland im Anschluß an die Revolution von 1848]'', in: ''Archiv für Sozialgeschichte'', Band 8 (1968), Seite 185</ref> Auch hier gab es also auch schon eine überregionale Vernetzung der Arbeiterschaft.
 
[[Datei:Bericht zur Bezirksfrauenkonferenz in Altona.png|mini|Bezirksfrauenkonferenz 1921]][[1869]] hatte der [[ADAV]] in Altona 164 Mitglieder und war der zweitgrößte in Schleswig-Holstein. Ab Juli kündigte [[Georg Winter]] als Bevollmächtigter (=Vorsitzender) die Mitgliederversammlungen, die immer dienstags zunächst im Schumacheramthaus in der Großen Bergstraße stattfanden, regelmäßig im ''Social-Demokrat'' an. Die erste fand am [[27. Juli]] statt.<ref>''[https://fes.imageware.de/fes/web/index.html?open=SC05100&page=3 Social-Demokrat - Tagesausgabe]'', 27.8.1869</ref><br><br>
 
Der Präsident des [[ADAV]], [[Johann Baptist von Schweitzer]], besuchte auf seiner Reise durch den Verein im November [[1869]] auch das erfolgreiche Altona.<ref>[https://fes.imageware.de/fes/web/index.html?open=SC05126&page=1 ''Social-Demokrat'' - Tagesausgabe], 27.10.1869</ref> Auch sein Nachfolger [[Wilhelm Hasenclever]] machte im Rahmen einer Agitationsreise Anfang [[1872]] hier Station und wurde begeistert empfangen, als er <blockquote>"nach [[Ferdinand Lassalle|Lassalles]] Vorbild in einer mit Schimmeln bespannten Kutsche einfuhr, was auf die Arbeiter Eindruck machte, aber den ''Volksstaat'' der [[Eisenacher]] zum Spott reizte."<ref>{{Osterroth-100-Jahre}}, Seite 13</ref></blockquote>
 
Seit [[1872]] verfügte der Verein auch über eine Traditionsfahne.<ref>{{Osterroth-100-Jahre}}, Seite 23</ref> [[Hermann Molkenbuhr]] erinnerte sich, Frauen aus der Partei hätten so erfolgreich Geld für eine Parteifahne gesammelt, <blockquote>"daß sie sich keine großen Beschränkungen aufzuerlegen brauchten. Es wurde teure Seide gekauft und eine der vornehmsten Fahnenstickerinnen mit der Ausführung betraut. Im November sollte Fahnenweihe sein. [...] Die ganze Sache paßte [[Georg Winter|Winter]] nicht. Er war Gegner, daß so großer Luxus getrieben werde. Er glaubte, eine einfache Wollfahne hätte denselben Zweck erfüllt."</blockquote>
Erst die Einnahme von über 1000 Mark für die Parteikasse hatte ihn versöhnt.<ref>Braun, Bernd: ''"Ich wollte nach oben!" Die Erinnerungen von [[Hermann Molkenbuhr]] 1851-1880'' (Dietz, Bonn 2006), S. 174</ref> Dies war wohl die Fahne, die [[Otto Reimer]] dann mit sich nach Amerika nahm, damit sie nicht der Polizei in die Hände fiel.<ref>Braun, Bernd: ''"Ich wollte nach oben!" Die Erinnerungen von [[Hermann Molkenbuhr]] 1851-1880'' (Dietz, Bonn 2006), S. 302</ref>
 
[[1874]] entstand der [[Arbeitergesangverein|Arbeitergesangsverein]] "Liedertafel Lassalle".<ref>{{Osterroth-100-Jahre}}, Seite 51</ref>
 
Am [[3. Oktober]] [[1875]] erschien zum ersten Mal das ''[[Hamburger Echo|Hamburg-Altonaer Volksblatt]]''. Zwei Jahre später hatte die Zeitung in [[Ortsverein Altona|Altona]]-[[Ortsverein Ottensen|Ottensen]] 4057, im restlichen Schleswig-Holstein 553 Abonnenten.<ref>{{Osterroth-100-Jahre}}, Seite 17</ref>
 
[[1877]] entschieden sich die Mitglieder gegen die Beteiligung an den örtlichen Kirchengemeinderatswahlen - anders als die Genossen aus [[Ortsverein Ottensen|Ottensen]] - weil dies gegen die Parteigrundsätze verstoßen würde.<ref>[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN876151209_18771223/page/1 Die Reform 23.12.1877, S. 1]</ref> Im selben Jahr stellten sie allerdings erstmals (erfolglos) Kandidaten für die Kommunalwahl auf.<ref>[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1762960893_18771129/page/1 Hamburg-Altonaer Volksblatt 29.11.1877, S. 1]</ref>
 
Das [[Sozialistengesetz]] ab Oktober [[1878]] traf die politische Arbeit zunächst hart. In Altona-Ottensen fanden [[1877]] 190 sozialistische Veranstaltungen verschiedener Art statt; im Jahr darauf waren es nur noch 85.<ref>{{Osterroth-100-Jahre}}, Seite 19</ref>
 
Es existierte noch 1908 auch ein eigenständiger ''Sozialdemokratischer Frauenwahlverein'' mit 1000 Mitgliedern, der später auf den Ortsverein verschmolzen wurde.<ref>[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19080613/page/3 Hamburger Echo 13.6.1907, S. 3]</ref>
 
Etwa ab [[1910]] lag in Altona auch ein Schwerpunkt der [[Frauen- und Gleichstellungspolitik|Frauenpolitik]] der Landespartei, weil [[Louise Schroeder]] dort sehr aktiv war. So fand im Vorfeld des [[Bezirksparteitag 1921, Altona|Bezirksparteitages]] am [[21. November]] [[1921]] die [[Frauen- und Gleichstellungspolitik|Bezirksfrauenkonferenz]] in den Altonaer "Blumensälen" statt. Unter der Leitung von Louise Schroeder referierten [[Elfriede Ryneck]] aus Berlin über Frauen- und Wohlfahrtspolitik und [[Toni Pfülf]] aus München über Kultur- und Bildungspolitik.<ref>''[[Die Gleichheit]]'', 1.1.1922, S. 10</ref>
 
[[1937]] wurde die selbstständige Stadt Altona im Zuge des "Groß-Hamburg-Gesetzes" als Stadtteil in die Hansestadt Hamburg eingegliedert, so dass die Wiedergründung nach der NS-Herrschaft in der Landesorganisation Hamburg erfolgte. Dort gibt es heute den Kreisverband Altona mit neun Distrikten.
 
===Wachstum===
Bevor die Stadt Altona schließlich selbst von Hamburg geschluckt wurde, vergrößerte sie sich immer wieder auf Kosten ihrer Nachbargemeinden. Auch auf die Organisation der Partei in dem Gebiet hatte dies Auswirkungen.
 
Bereits 1889 war Ottensen in Altona eingegliedert worden. Dennoch bildete sich dort nach Aufhebung des Sozialistengesetzes der eigenständige [[Ortsverein Ottensen]], der sich erst etwa 20 Jahre später mit dem Ortsverein Altona vereinen würde.
 
Gleichzeitig wurde auch Bahrenfeld eingemeindet. Schon bis [[1876]] hatte es dort wohl eine Reihe von aktiven Mitgliedern der [[SAPD]] gegeben, denn es gab einen lokalen Vertrieb der Zeitung ''[[Wähler]]'', welche vom Zentralwahlkomitee als Ersatz für die verbotene Parteiorganisation geschaffen worden war, allerdings gab es im November des Jahres einen monatelangen Rückstand beim Verkauf der Ausgaben.<ref>Vorwärts 8.11.1876, S. 3</ref>
 
[[1927]] wurden durch das Unterelbegesetz zahlreiche Gemeinden aus dem Kreis Pinneberg nach Altona eingemeindet. In jeder von ihnen gab es bis dahin einen selbstständigen SPD-Ortsverein. Sie schlossen sich in der nachfolgenden Zeit dem Ortsverein Altona an. Diese waren: [[Ortsverein Lurup]], [[Ortsverein Schnelsen]], [[Ortsverein Stellingen]], [[Ortsverein Rissen]], [[Ortsverein Sülldorf]], [[Ortsverein Nienstedten]], [[Ortsverein Blankenese]], [[Ortsverein Klein-Flottbek]], [[Ortsverein Groß-Flottbek]], [[Ortsverein Osdorf (Altona)]], [[Ortsverein Eidelstedt]]. Für ihre Gebiete wurden innerhalb des OV Altona Distrikte gebildet.
 
==Vorsitzende==
*[[1919]]-[[1933]] - [[Paul Bugdahn]]<ref>{{Martens-45-59}}, S. 54</ref>
*?
*[[1900]]-[[1906]] - [[Wilhelm Kahle]]<ref>Vgl. [https://www.spurensuche-kreis-pinneberg.de/spur/holsteiner-hof-parteilokal-der-spd/ Spurensuche im Kreis Pinneberg und Umgebung], abgerufen 17.9.2019</ref>
*?
*um [[1869]] - [[Georg Winter]]
*[[1864]]-???? - [[Karl von Bruhn]]
 
[[Louise Schroeder]] gehörte dem Vorstand von [[1915]] bis [[1933]] an. Weitere Mitglieder waren [[Max Brauer]], der [[1911]] in den Vorstand der Ortsgruppe Ottensen gewählt wurde, und [[Paul Nevermann]], der [[1920]] in die SPD eingetreten war.
 
==Literatur==
*Döll-Krämer, Inge / Krämer, Gerd / Vesper, Ingrid: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_07/Demokratische_Geschichte_Band_07_Essay05.pdf Sozialdemokratische Frauens- und Vertrauenspersonen in Altona vor 1914. Ein Beitrag zur Geschichte der Frauenbewegung in Schleswig-Holstein]''. In: ''[[Demokratische Geschichte]]'' 7(1992), S. 121-150
*von Dücker, Elisabeth: ''Ein fast vergessenes Kapitel Altonaer Industrie- und Arbeitergeschichte. Anmerkungen zur Geschichte der Glasmacher und der Glasindustrie in Ottensen (1850-1930)''. In: Paetau, Rainer / Rüdel, Holger (Hrsg.): ''Arbeiter und Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein im 19. und 20. Jahrhundert'' (Neumünster 1987) ISBN 3-529-02913-0, S. 97-134
*Frühauf, Anne: ''[https://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_31/Demokratische_Geschichte_Band_31_Essay_2.pdf Das Industriezeitalter in Altona und Ottensen. Entwicklung, Umbruch, letzte Zeugen]''. In: ''[[Demokratische Geschichte]]'', Band 31 (2021), S. 33-75
*Krämer, Gerd: ''[https://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_02/Demokratische_Geschichte_Band_02_Essay02.pdf Mann der Arbeit aufgewacht. Die Altonaer und Ottensener Gemeinden des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins]''. In: ''[[Demokratische Geschichte]]'' 2(1987), S. 13-53
*Krämer, Gerd: ''[https://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay04.pdf Altona 1848-1890. Das Bollwerk des Nordens]''. In: ''[[Demokratische Geschichte]]'' 3(1988), S. 63-75
*Kutz-Bauer, Helga: ''Arbeiterschaft und Sozialdemokratie in Hamburg vom Gründerkrach bis zum Ende des Sozialistengesetzes''. In: Herzig, Arno / Langewiesche, Dieter / Sywottek, Arno (Hrsg.): ''Arbeiter in Hamburg'' (Hamburg 1983), S. 179-192 [Berücksichtigt auch Altona und Wandsbek]
*Laufenberg, Heinrich: ''Geschichte der Arbeiterbewegung in Hamburg, Altona und Umgebung'' (Neudruck Hamburg 1977)
*Möller, Hans-Kai: ''[https://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_01/Demokratische_Geschichte_Band_01_Essay02.pdf Die Zigarrenmacher in Altona-Ottensen. Zur Wiederentdeckung einer fast vergessenen Berufsgruppe]''. In: ''[[Demokratische Geschichte]]'' 1(1986), S. 11-28
*Stegmann, Dirk: ''[https://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_26/03_Stegmann.pdf Von Groß-Hamburg nach Groß-Altona. Die Eingemeindungsdebatte in den Elbvororten 1915-1927]''. In: ''[[Demokratische Geschichte]]'' 26(2016), S. 75-114
*Sywottek, Arnold (Hrsg.): ''Das andere Altona'' (Hamburg 1984)
*tom Dieck, Johannes: ''[https://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_22/Demokratische_Geschichte_Band_22_Essay_3.pdf Kulturpolitik in Altona der Ära Brauer. Das Beispiel Altonaer Stadttheater 1924-1929]''. In: ''[[Demokratische Geschichte]]'' 22(2011), S. 63-124
 
==Einzelnachweise==
<references />
 
[[Kategorie:Ehemaliger Ortsverein|Altona]]
[[Kategorie:Ortsverein Altona|Altona]]
[[Kategorie:Ehemaliger Ortsverein im heutigen Hamburg|Altona]]
[[Kategorie:ADAV]]

Version vom 17. Mai 2025, 18:42 Uhr

Der Ortsverein Altona war bis 1933 eine Gliederung des Bezirksverbandes Schleswig-Holstein. Er wurde am 30. Mai 1864 in Schleswig-Holstein als erste ADAV-Gemeinde gegründet.

Geschichte

Altona war bis zu den 1860er Jahren mit 30 000 Einwohnern nach Kopenhagen die zweitgrößte Stadt im dänischen Gesamtstaat. Es blieb auch nach der Annexion durch Preußen (1867) die größte Stadt Schleswig-Holsteins, größer als Kiel, wo nur 18 000 Menschen lebten.[1] Die Stadt profitierte von ihrer Nähe zu Hamburg und dem wirtschaftlichen Aufschwung der Hansestadt, verfügte über einen florierenden Getreide- und Fischereihafen[2], war aber eher kleingewerblich strukturiert.[3]

Für Industrieansiedlung attraktiver war das angrenzende Ottensen, das im Gegensatz zu Altona (und Hamburg) dem Deutschen Zollverein angehörte und daher vom schnell wachsenden deutschen Binnenmarkt profitierte.[2] Die hier entstehenden Glashütten, Zigarrenfabriken und Eisengießereien[3] brachten eine starke Schicht von Industriearbeitern mit sich. Erst 1889 wurde Ottensen nach Altona eingemeindet.

"Altona entwickelte sich zu einer Wohnstadt für Hamburger und Ottenser Arbeiter, die wegen billigerer Lebenshaltungskosten hierher zogen. Die Bevölkerung verdoppelte sich deshalb im Zeitraum von 1864 bis 1885 von 53.039 auf 104.717 Personen."[4]

Schon seit der Revolution 1848 organisierten sich Arbeiter in Altona. Der dortigen Arbeiterbildungsverein ging aus einer bürgerlichen Organisation hervor, die bereits vorher existiert hatte. Dann aber gewannen die Arbeiter unter der Agitation des Tischlergesellen G.A. Hirschhoff die Mehrheit im Verein, verschärften seine Zielsetzung und nannten ihn in "Neuer Bürgerverein" um.[5] Vorsitzender wurde Karl von Bruhn.

G.A. Hirschhoff war gleichzeitig die Verbindungsperson zum Arbeitergesamtverein für Schleswig-Holstein, der sich Anfang 1850 in Kiel gegründete. Er trieb die überregionale Zusammenarbeit voran und plädierte für einen Anschluss des schleswig-holsteinischen Arbeitergesamtvereins an die Leipziger Arbeiterverbrüderung.[6]

Mit den Arbeitern gelangte die Arbeiterbewegung von Hamburg aus nach Altona und von dort aus ins restliche Schleswig-Holstein. Altona galt als das "Bollwerk des Nordens"[3]. Später wurde zum Beispiel lange der Reichstagswahlkreis Herzogtum Lauenburg von dort mitbetreut.

Der Beginn der Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein lässt sich damit datieren auf die Gründung der ADAV-Gemeinde in Altona ein Jahr, nachdem sich der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) in Leipzig gegründet hatte.

"Neben C. Bruhn traten Audorf, Hesse und Schallmeyer in der ersten Arbeiterversammlung auf, zu der die Altonaer Gemeinde der Lassalleaner am 30. Mai 1864 eingeladen hatte. Von nun an trafen sich ihre Mitglieder jeden Montag im Schumacherhaus, um aus Schriften Lassalles vorzulesen und darüber zu diskutieren. Alle vier Wochen veranstalteten sie eine öffentliche Hauptversammlung, deren dritte von 350 Arbeitern besucht wurde."[7]

Der ADAV konnte auf eine bereits bestehende Gewerkschaftsbewegung aufbauen. 1862 gab es in Altona Vereinigungen der Korbmacher, Bildhauer, Brotträger, Hutmacher, Hausknechte usw.[8] Der Altonaer Zigarrenarbeiterverein, dessen Bevollmächtigter ab 1867 Otto Reimer war, vertrat die Vereine aus Flensburg, Kiel und Schleswig.[9] Auch hier gab es also auch schon eine überregionale Vernetzung der Arbeiterschaft.

Bezirksfrauenkonferenz 1921

1869 hatte der ADAV in Altona 164 Mitglieder und war der zweitgrößte in Schleswig-Holstein. Ab Juli kündigte Georg Winter als Bevollmächtigter (=Vorsitzender) die Mitgliederversammlungen, die immer dienstags zunächst im Schumacheramthaus in der Großen Bergstraße stattfanden, regelmäßig im Social-Demokrat an. Die erste fand am 27. Juli statt.[10]

Der Präsident des ADAV, Johann Baptist von Schweitzer, besuchte auf seiner Reise durch den Verein im November 1869 auch das erfolgreiche Altona.[11] Auch sein Nachfolger Wilhelm Hasenclever machte im Rahmen einer Agitationsreise Anfang 1872 hier Station und wurde begeistert empfangen, als er

"nach Lassalles Vorbild in einer mit Schimmeln bespannten Kutsche einfuhr, was auf die Arbeiter Eindruck machte, aber den Volksstaat der Eisenacher zum Spott reizte."[12]

Seit 1872 verfügte der Verein auch über eine Traditionsfahne.[13] Hermann Molkenbuhr erinnerte sich, Frauen aus der Partei hätten so erfolgreich Geld für eine Parteifahne gesammelt,

"daß sie sich keine großen Beschränkungen aufzuerlegen brauchten. Es wurde teure Seide gekauft und eine der vornehmsten Fahnenstickerinnen mit der Ausführung betraut. Im November sollte Fahnenweihe sein. [...] Die ganze Sache paßte Winter nicht. Er war Gegner, daß so großer Luxus getrieben werde. Er glaubte, eine einfache Wollfahne hätte denselben Zweck erfüllt."

Erst die Einnahme von über 1000 Mark für die Parteikasse hatte ihn versöhnt.[14] Dies war wohl die Fahne, die Otto Reimer dann mit sich nach Amerika nahm, damit sie nicht der Polizei in die Hände fiel.[15]

1874 entstand der Arbeitergesangsverein "Liedertafel Lassalle".[16]

Am 3. Oktober 1875 erschien zum ersten Mal das Hamburg-Altonaer Volksblatt. Zwei Jahre später hatte die Zeitung in Altona-Ottensen 4057, im restlichen Schleswig-Holstein 553 Abonnenten.[17]

1877 entschieden sich die Mitglieder gegen die Beteiligung an den örtlichen Kirchengemeinderatswahlen - anders als die Genossen aus Ottensen - weil dies gegen die Parteigrundsätze verstoßen würde.[18] Im selben Jahr stellten sie allerdings erstmals (erfolglos) Kandidaten für die Kommunalwahl auf.[19]

Das Sozialistengesetz ab Oktober 1878 traf die politische Arbeit zunächst hart. In Altona-Ottensen fanden 1877 190 sozialistische Veranstaltungen verschiedener Art statt; im Jahr darauf waren es nur noch 85.[20]

Es existierte noch 1908 auch ein eigenständiger Sozialdemokratischer Frauenwahlverein mit 1000 Mitgliedern, der später auf den Ortsverein verschmolzen wurde.[21]

Etwa ab 1910 lag in Altona auch ein Schwerpunkt der Frauenpolitik der Landespartei, weil Louise Schroeder dort sehr aktiv war. So fand im Vorfeld des Bezirksparteitages am 21. November 1921 die Bezirksfrauenkonferenz in den Altonaer "Blumensälen" statt. Unter der Leitung von Louise Schroeder referierten Elfriede Ryneck aus Berlin über Frauen- und Wohlfahrtspolitik und Toni Pfülf aus München über Kultur- und Bildungspolitik.[22]

1937 wurde die selbstständige Stadt Altona im Zuge des "Groß-Hamburg-Gesetzes" als Stadtteil in die Hansestadt Hamburg eingegliedert, so dass die Wiedergründung nach der NS-Herrschaft in der Landesorganisation Hamburg erfolgte. Dort gibt es heute den Kreisverband Altona mit neun Distrikten.

Wachstum

Bevor die Stadt Altona schließlich selbst von Hamburg geschluckt wurde, vergrößerte sie sich immer wieder auf Kosten ihrer Nachbargemeinden. Auch auf die Organisation der Partei in dem Gebiet hatte dies Auswirkungen.

Bereits 1889 war Ottensen in Altona eingegliedert worden. Dennoch bildete sich dort nach Aufhebung des Sozialistengesetzes der eigenständige Ortsverein Ottensen, der sich erst etwa 20 Jahre später mit dem Ortsverein Altona vereinen würde.

Gleichzeitig wurde auch Bahrenfeld eingemeindet. Schon bis 1876 hatte es dort wohl eine Reihe von aktiven Mitgliedern der SAPD gegeben, denn es gab einen lokalen Vertrieb der Zeitung Wähler, welche vom Zentralwahlkomitee als Ersatz für die verbotene Parteiorganisation geschaffen worden war, allerdings gab es im November des Jahres einen monatelangen Rückstand beim Verkauf der Ausgaben.[23]

1927 wurden durch das Unterelbegesetz zahlreiche Gemeinden aus dem Kreis Pinneberg nach Altona eingemeindet. In jeder von ihnen gab es bis dahin einen selbstständigen SPD-Ortsverein. Sie schlossen sich in der nachfolgenden Zeit dem Ortsverein Altona an. Diese waren: Ortsverein Lurup, Ortsverein Schnelsen, Ortsverein Stellingen, Ortsverein Rissen, Ortsverein Sülldorf, Ortsverein Nienstedten, Ortsverein Blankenese, Ortsverein Klein-Flottbek, Ortsverein Groß-Flottbek, Ortsverein Osdorf (Altona), Ortsverein Eidelstedt. Für ihre Gebiete wurden innerhalb des OV Altona Distrikte gebildet.

Vorsitzende

Louise Schroeder gehörte dem Vorstand von 1915 bis 1933 an. Weitere Mitglieder waren Max Brauer, der 1911 in den Vorstand der Ortsgruppe Ottensen gewählt wurde, und Paul Nevermann, der 1920 in die SPD eingetreten war.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 6 f.
  2. 2,0 2,1 Schote, Heiner: Altona: Von der dänischen Stadtgründung zum Hamburger Bezirkszentrum. In: Natur- und Landeskunde. Zeitschrift für Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg, 10-12/2020, S. 234
  3. 3,0 3,1 3,2 Krämer, Gerd: Altona 1848-1890. "Das Bollwerk des Nordens". In: Demokratische Geschichte 3(1988), S. 63
  4. Krämer, Gerd: Mann der Arbeit aufgewacht. Die Altonaer und Ottensener Gemeinden des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins. In: Demokratische Geschichte 2(1987), Seite 15
  5. Pelger, Hans: Zur demokratischen und sozialen Bewegung in Norddeutschland im Anschluß an die Revolution von 1848, in: Archiv für Sozialgeschichte, Band 8 (1968), Seite 179f
  6. Pelger, Hans: Zur demokratischen und sozialen Bewegung in Norddeutschland im Anschluß an die Revolution von 1848, in: Archiv für Sozialgeschichte, Band 8 (1968), Seite 170
  7. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 8
  8. Regling, Heinz Volkmar: Die Anfänge des Sozialismus in Schleswig-Holstein (Wachholtz Verlag, Neumünster 1965), Seite 113
  9. Pelger, Hans: Zur demokratischen und sozialen Bewegung in Norddeutschland im Anschluß an die Revolution von 1848, in: Archiv für Sozialgeschichte, Band 8 (1968), Seite 185
  10. Social-Demokrat - Tagesausgabe, 27.8.1869
  11. Social-Demokrat - Tagesausgabe, 27.10.1869
  12. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 13
  13. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 23
  14. Braun, Bernd: "Ich wollte nach oben!" Die Erinnerungen von Hermann Molkenbuhr 1851-1880 (Dietz, Bonn 2006), S. 174
  15. Braun, Bernd: "Ich wollte nach oben!" Die Erinnerungen von Hermann Molkenbuhr 1851-1880 (Dietz, Bonn 2006), S. 302
  16. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 51
  17. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 17
  18. Die Reform 23.12.1877, S. 1
  19. Hamburg-Altonaer Volksblatt 29.11.1877, S. 1
  20. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 19
  21. Hamburger Echo 13.6.1907, S. 3
  22. Die Gleichheit, 1.1.1922, S. 10
  23. Vorwärts 8.11.1876, S. 3
  24. Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (Malente 1998), ISBN 3-933862-24-8, S. 54
  25. Vgl. Spurensuche im Kreis Pinneberg und Umgebung, abgerufen 17.9.2019