Landtagswahl 1996: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Grünen waren eine bunte Truppe: vor allem am Anfang gab es Rangeleien über die Sitzordnung. Klaus Gärtner, der die Staatskanzlei für Heide Simonis leitete, nachdem sie ihn schon  m Haushaltsausschuss in Bonn gut kennengelernt hatte, sollte am Katzentisch setzen, weil er Mitglied der FDP war. Schließlich einigten wir uns mit den Grünen, dass Gärtner seinen Tisch ein bisschen zurückschieben musste. Heide Simonis wäre ohne ihn wohl nicht ausreichend und umfassend in allen Fragen informiert gewesen.
Die Grünen waren eine bunte Truppe: vor allem am Anfang gab es Rangeleien über die Sitzordnung. Klaus Gärtner, der die Staatskanzlei für Heide Simonis leitete, nachdem sie ihn schon  m Haushaltsausschuss in Bonn gut kennengelernt hatte, sollte am Katzentisch setzen, weil er Mitglied der FDP war. Schließlich einigten wir uns mit den Grünen, dass Gärtner seinen Tisch ein bisschen zurückschieben musste. Heide Simonis wäre ohne ihn wohl nicht ausreichend und umfassend in allen Fragen informiert gewesen.


Dann gab es aber andere strittige Punkte: die A20, die quer durch Schleswig Holstein von Lübeck über Bad Segeberg nach Glückstadt führen sollte, war von den Grünen in ihrem Parteiprogramm und  in ihren Wahlkampfaussagen ausgeschlossen worden. Als dafür ein Kompromiss gefunden wurde, nachdem das Land ja nur die Auftragsverwaltung für ein Bundesprojekt übernehmen würde, rebellierte die grüne Basis vor allem in Lübeck und Segeberg. Die Schlagzeilen in den Zeitungen prophezeiten bereits das Ende der Verhandlungen<ref>DIE WELT: ''[https://www.welt.de/print-welt/article648077/Koalitionspoker-wird-zur-Zitterpartie.html Koalitionspoker wird zur Zitterpartie]'', 08.05.1996</ref>. Außerdem ging es den Grünen um einen  möglichst schnellen Ausstieg aus der [[Atomkraft|Atomenergie]]. Aber für die A 20 wurde dann doch ein Kompromiss gefunden, den auch die Grünen auf ihrem Parteitag akzeptierten.
Dann gab es aber andere strittige Punkte: die A20, die quer durch Schleswig Holstein von Lübeck über Bad Segeberg nach Glückstadt führen sollte, war von den Grünen in ihrem Parteiprogramm und  in ihren Wahlkampfaussagen ausgeschlossen worden. Als dafür ein Kompromiss gefunden wurde, nachdem das Land ja nur die Auftragsverwaltung für ein Bundesprojekt übernehmen würde, rebellierte die grüne Basis vor allem in Lübeck und Segeberg. Die Schlagzeilen in den Zeitungen prophezeiten bereits das Ende der Verhandlungen<ref>''[https://www.welt.de/print-welt/article648077/Koalitionspoker-wird-zur-Zitterpartie.html Koalitionspoker wird zur Zitterpartie]'', DIE WELT, 08.05.1996</ref>. Außerdem ging es den Grünen um einen  möglichst schnellen Ausstieg aus der [[Atomkraft|Atomenergie]]. Aber für die A 20 wurde dann doch ein Kompromiss gefunden, den auch die Grünen auf ihrem Parteitag akzeptierten.


An den Koalitionsverhandlungen nahmen von jeder Seite 12 Funktionäre teil. Die einzelnen Kapitel wurden dann in unter Arbeitsgruppen ausgehandelt und formuliert.
An den Koalitionsverhandlungen nahmen von jeder Seite 12 Funktionäre teil. Die einzelnen Kapitel wurden dann in unter Arbeitsgruppen ausgehandelt und formuliert.

Version vom 5. Januar 2018, 22:42 Uhr

[[Datei:{{#setmainimage:KA001496.jpg}}|thumb|200px|right|"Echt stark" - Plakat zur Landtagswahl 1992]] Die Landtagswahl 1996 fand am 24. März 1996 statt. Die SPD verlor die absolute Mehrheit, die sie seit der Landtagswahl 1988 im Landtag gehabt hatte.

Ausgangssituation

Die Jahre zwischen 1990 und 1996 waren für die SPD dramatische Jahre: der Rücktritt von Björn Engholm und die anschließende Schubladenaffäre stürzten die Partei in eine nachhaltige Depression. Es war Heide Simonis zu verdanken, dass die SPD langsam wieder Fuss fassten.

Zur Landtagswahl 1996 stellte dann die CDU den ehemaligen Generalsekretär und Verteidigungsminister Volker Rühe aus Hamburg auf, von dem er sich wohl genügend Zugkraft erhoffte.

Regierungsprogramm & Spitzenkandidatur

Auf dem Landesparteitag 1995 in Neumünster wurde das Regierungsprogramm diskutiert und beschlossen und die Liste zur Landtagswahl gewählt. Spitzenkandidatin war Ministerpräsidentin Heide Simonis - sie wurde auf dem Landesparteitag mit 92,81 % Zustimmung gewählt. Auf auf Platz 2 der Liste war eine Frau: Ute Erdsiek-Rave. Es folgten mit Hans Wiesen und Heinz-Werner Arens zwei Männer - danach wurde der Reißverschluss bis Platz 35 eingehalten.

Heide Simonis gelang es trotz des bekannten CDU-Gegenkandidaten mit 43,3 % Wahlsiegerin zu bleiben. Nun fehlte aber ein Koalitionspartner.

Koalitionsverhandlungen

Das Rotkielchen nimmt den Wirbel um die rot-grüne Koalition auf die Schippe

Es sollte die erste rot-grüne Koalition in Schleswig-Holstein folgen. Der SPIEGEL beschrieb die Koalitionsverhandlungen als erstmals von Frauen dominiert: Auf Seiten der SPD Ministerpräsidentin Heide Simonis und Fraktionsvorsitzende Ute Erdsiek-Rave, auf Seiten der GRÜNEN Angelika Beer und Irene Fröhlich.[1]

Allerdings hatte sich auch die FDP Hoffnungen auf eine Regierungsbeteiligung gemacht. Deren Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki hatte sich eigens dafür eingesetzt, dass der FDP-Landesparteitag sich nicht per Beschluss an die CDU binde. Laut SPIEGEL spekulierte er darauf, dass die angeblich "bekennende Grünen-Hasserin" Heide Simonis die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen an die Wand fahren und dann eine Koalition mit der FDP eingehen werde.[2]

Eckart Kuhlwein erinnert[3] sich an die Koalitionsverhandlungen: "Die Grünen in Schleswig Holstein hatten keinerlei Regierungserfahrung, aber wir beschlossen mit ihnen Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Heide Simonis wäre eigentlich eine Koalition mit der FDP lieber gewesen.

Die Grünen waren eine bunte Truppe: vor allem am Anfang gab es Rangeleien über die Sitzordnung. Klaus Gärtner, der die Staatskanzlei für Heide Simonis leitete, nachdem sie ihn schon m Haushaltsausschuss in Bonn gut kennengelernt hatte, sollte am Katzentisch setzen, weil er Mitglied der FDP war. Schließlich einigten wir uns mit den Grünen, dass Gärtner seinen Tisch ein bisschen zurückschieben musste. Heide Simonis wäre ohne ihn wohl nicht ausreichend und umfassend in allen Fragen informiert gewesen.

Dann gab es aber andere strittige Punkte: die A20, die quer durch Schleswig Holstein von Lübeck über Bad Segeberg nach Glückstadt führen sollte, war von den Grünen in ihrem Parteiprogramm und in ihren Wahlkampfaussagen ausgeschlossen worden. Als dafür ein Kompromiss gefunden wurde, nachdem das Land ja nur die Auftragsverwaltung für ein Bundesprojekt übernehmen würde, rebellierte die grüne Basis vor allem in Lübeck und Segeberg. Die Schlagzeilen in den Zeitungen prophezeiten bereits das Ende der Verhandlungen[4]. Außerdem ging es den Grünen um einen möglichst schnellen Ausstieg aus der Atomenergie. Aber für die A 20 wurde dann doch ein Kompromiss gefunden, den auch die Grünen auf ihrem Parteitag akzeptierten.

An den Koalitionsverhandlungen nahmen von jeder Seite 12 Funktionäre teil. Die einzelnen Kapitel wurden dann in unter Arbeitsgruppen ausgehandelt und formuliert. Heide Simonis machte besonderen Eindruck, weil sie gelegentlich heftig pokerte. Als der grüne Steenblock einmal den Verhandlungsraum verließ, sagte sie uns, der werde schon wieder hereinkommen. Heide war Nächte lange Verhandlungen gewöhnt, weil sie mit den Gewerkschaften im öffentlichen Dienst häufig nächtelang über Lohnerhöhungen und Tarife zu verhandeln hatte."

Koalitionsvertrag

Der ausgehandelte Vertrag wurde auf Seiten der SPD vom außerordentlichen Landesparteitag in Neumünster angenommen:

Zum strittigen Punkt der A 20 steht dort als Einleitung:

"In der Beurteilung konkreter Straßenbauvorhaben besteht bei den Koalitionspartnern häufig keine Deckungsgleichheit bei der Bewertung. Dies gilt insbesondere für das Vorhaben einer A 20 einschließlich einer Elbquerung. Unbeschadet dessen besteht für die Straßenbauverwaltung des Landes Schleswig-Holstein für die im vordringlichen Bedarf befindlichen Maßnahmen des Bedarfsplanes für die Bundesfernstraßen ein durch den Bund erteilter gesetzlicher Planungsauftrag. Bündnis 90/DIE GRÜNEN erkennt die primäre Zuständigkeit des Bundes und die besondere Rolle der Landesverwaltung im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung an. Dem durch den Bund erteilten gesetzlichen Planungsauftrag wird nach einer angemessenen Prioritätensetzung nachgekommen, die die Dringlichkeit der Projekte, ihre Finanzierbarkeit und den wirtschaftlichen Einsatz der Planungskapazität berücksichtigt.Die Stellungnahmen des Landes zur Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes und des Bedarfsplanes für die Bundesfernstraßen sowie die Beantragung von zusätzlichen Mitteln für Neubaumaßnahmen beim Bund erfolgen im Einvernehmen der Koalitionspartner."

Ergebnis

Prozent Änderung Sitze
SPD 39,8 % -6,4 33 (26 direkt)
CDU 37,2 % +3,4 30 (19 direkt)
SSW 2,5 % +0,6 2
Grüne 8,1 % +3,13 6
FDP 5,7 % +0,1 4
Sonstige 6,7 %

Wahlbeteiligung: 71,78 %

  • SSW = Südschleswigscher Wählerverband, von der 5%-Klausel befreit.

Siehe auch

Quellen

  1. Umarmen und erdrücken, DER SPIEGEL, 13.5.1996
  2. Ministerles spielen, DER SPIEGEL, 18.3.1996
  3. Kuhlwein, Eckart: Die Koalition mit den Grünen 1996 in Kiel, unveröffentlicht
  4. Koalitionspoker wird zur Zitterpartie, DIE WELT, 08.05.1996