Daniel Rindfleisch: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Daniel Rindfleisch''', * [[1866]] in Ischl/Allgäu (heute Ortsteil von Seeon-Seebruck), [[14. Mai]] [[1918]] in Ischl/Allgäu; Buchdrucker/Schriftsetzer, Expedient. Mitglied der SPD vermutlich seit etwa [[1890]].<ref>Der Text dieses Eintrags stammt im Wesentlichen von [[Rolf Fischer]].</ref>
'''Daniel Rindfleisch''', * [[7. Oktober]] [[1866]] in Isny/Donaukreis (heute Allgäu), Kgr. Württemberg, † [[14. Mai]] [[1918]] in Isny; Buchdrucker/Schriftsetzer, Expedient. Mitglied der SPD vermutlich seit etwa [[1890]].


==Leben & Beruf==
==Leben & Beruf==
Als wandernder Geselle des Schriftsetzer- oder Buchdruckerhandwerks ist Daniel Rindfleisch [[1885]] nach Kiel gekommen. Er war Mitgründer und später Vorsitzender Zahlstelle des Kieler Fachvereins der Buchbinder.<ref name=":3">''[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19180517/page/5 Schleswig-Holstein]'', Hamburger Echo, Freitag, den 17. Mai 1918, Seite 5</ref>  
Daniel Rindfleisch war der Sohn des Waldmeisters<ref name=":5" />, später Buch- und Schreibmaterialien-Händlers Johann Michael Thomas Rindfleisch und seiner Frau Anna Maria, geb. Schönlin<ref name=":4">Stadtarchiv Kiel: Heiratsurkunde Nr. 67, Standesamt Kiel I, Heiraten 1888-1895</ref>, aus Isny im Donaukreis, Königreich Württemberg. Dort besuchte er die Volks- und Realschule. Er war zunächst evangelisch<ref>So die Angabe in allen Geburtsurkunden.</ref>, in den letzten Jahren Dissident<ref name=":5">So in seiner Personalakte bei der Stadt Kiel: ''Personal-Akten des Magistrats zu Kiel, betreffend den unbes. Stadtrat Daniel Rindfleisch, Band I, 1917''. Stadtarchiv Kiel, Akte 24762 </ref>, d.h. er rechnete sich keiner Religionsgemeinschaft zu.
Vom November [[1886]] bis zum September [[1889]] leistete er im Ulanenregiment ''König Wilhelm'' (2. Württ.) Nr. 20 seinen Militärdienst ab; er wurde als Unteroffizier entlassen.<ref name=":5" /> Als wandernder Geselle des Schriftsetzer- oder Buchdruckerhandwerks kam er [[1885]] nach Kiel und wurde dort Mitgründer und später Vorsitzender der Zahlstelle des Kieler Fachvereins der Buchbinder, einer gewerkschaftlichen Organisation.<ref name=":3">''[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19180517/page/5 Schleswig-Holstein]'', ''[[Hamburger Echo]]'', 17.5.1918, Seite 5</ref> Bei [[Wilhelm Brecour]] wird er im Januar [[1891]] zum ersten Mal erwähnt, als Vorsitzender des Kieler Zentralverbands der Buchbinder.<ref>Brecour, Wilhelm: ''Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung'' (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in ''Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung'', Kiel 1983), S. 59</ref>  


Vor [[1900]] muss er seine Frau, die wohl aus Rathjensdorf bei Plön stammte, kennengelernt und geheiratet haben, denn das einzige Kind, die gemeinsame Tochter Mariechen, kam um [[1900]] zur Welt. Die Familie lebte in der Harmsstraße. Im Nachbarhaus wohnte [[Edmund Söhnker]] mit seiner Familie, so dass sich die beiden Männer gut kannten. Mariechen Rindfleisch wurde, wie sie später im Verwandtenkreis erzählte, eine der Spielkameradinnen des jungen [[Hans Söhnker]]. Nach der NS-Herrschaft arbeitete sie lange als Buchhändlerin in der "Buchhandlung Gutenberg" im [[Gewerkschaftshaus Kiel|Gewerkschaftshaus]] an der [[Carl Legien|Legienstraße]].<ref name=":0">Familiengeschichtliche Hinweise des Urenkels Eggert Casper, Kiel; Manuskript Slg. Rolf Fischer</ref>  
Am [[1891]] heirateten er - damals noch wohnhaft in der Koldingstraße 1 - und das Dienstmädchen Helene Dorothea Christine, geb. Rathje (* [[29. Juli]] [[1869]], [[18. April]] [[1938]], jeweils in Kiel)<ref name=":6">Stadtarchiv Kiel: Sterbeurkunde Nr. 517, Standesamt Kiel I, Todesfälle 1938</ref>, Tochter des Bierfuhrmannes Carl Heinrich Rathje und seiner Frau Catharina Magdalena Dorothea - beide schon verstorben. Sie lebte im Kronshagener Weg 35 bei einem Zimmermeister Rathje, der zugleich Trauzeuge, also vermutlich ihr Bruder war.<ref name=":4" /> Das Ehepaar Rindfleisch bekam vier Kinder, von denen nur zwei, Paul Ernst (* [[21. März]] [[1895]], † [[2. August]] [[1938]] in Hamburg-Wandsbek)<ref>Stadtarchiv Kiel: Geburtsurkunde Nr. 687, Standesamt Kiel I, Geburten 1895-1896</ref> und die Tochter Anna Maria 'Mariechen' (* [[3. Januar]] [[1901]], † [[13. April]] [[1986]] in Kiel)<ref>Stadtarchiv Kiel: Geburtsurkunde Nr. 66, Standesamt Kiel I, Geburten 1899-1901</ref> bis ins Erwachsenenalter überlebten. Hans Friedrich (1892-1898)<ref>Stadtarchiv Kiel: Geburtsurkunde Nr. 1001, Standesamt Kiel I, Geburten 1892-1894</ref> und Otto Karl (1896-1897)<ref>Stadtarchiv Kiel: Geburtsurkunde Nr. 1803, Standesamt Kiel I, Geburten 1895-1896</ref> starben früh - damals für viele Familien eine alltägliche Erfahrung.


[[Datei:Daniel Rindfleisch und Familie.png|thumb|left|300px|Daniel Rindfleisch und Familie, ca. 1915]]Mit wachsendem politischem Engagement wechselte Daniel Rindfleisch als Expedient zur ''[[Schleswig-Holsteinische Volkszeitung|Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung]] (VZ)'', wo er seine Zeit stärker der Stadtpolitik widmen konnte.
Alltäglich für Arbeiterfamilien waren auch die ständigen Umzüge auf der Suche nach einer günstigeren oder der wachsenden Familie angepassten Wohnung. Die Familie Rindfleisch lebte nacheinander am Blocksberg 23 (Hinterhaus), in der Schauenburgerstraße 27, am Knooper Weg 162 (wo Mariechen geboren wurde) und in der Harmsstraße 73 (wo Helene Rindfleisch bis zu ihrem Lebensende blieb<ref name=":6" />). Dort wohnte auch [[Edmund Söhnker]] mit seiner Familie; die beiden Männer dürften sich gut gekannt haben. Mariechen Rindfleisch war, wie sie später im Verwandtenkreis erzählte, eine der Spielkameradinnen des jungen [[Hans Söhnker]]. Nach der NS-Herrschaft arbeitete sie lange als Buchhändlerin in der "Buchhandlung Gutenberg" im [[Gewerkschaftshaus Kiel|Gewerkschaftshaus]] an der [[Carl Legien|Legienstraße]].<ref name=":0">Familiengeschichtlicher Hinweis des Urenkels Eggert Casper, Kiel; Manuskript Slg. Rolf Fischer</ref>


Am [[12. Juni]] [[1903]] verurteilte das Landgericht Kiel ihn zu drei Monaten Gefängnis wegen Beleidigung des Kaisers. Aus einem kritischen Artikel über den König von Belgien in der [[Schleswig-Holsteinische Volkszeitung|VZ]] hatte man Anspielungen auf den Kaiser herausgelesen.<ref>''[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19031014 Schleswig-Holstein - Kiel]'', ''[[Hamburger Echo]]'', Mittwoch, den 14. Oktober 1903, Seite 5</ref> Einsitzen musste er im Provinzialgefängnis in [[Ortsverein Glückstadt|Glückstadt]]. Am Freitag, den [[26. Februar]] [[1904]] wurde er dort entlassen und von einer Abordnung der Kieler SPD abgeholt. Am Bahnhof in Kiel erwartete ihn noch ein größeres Empfangskomitee.<ref>''[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19040228/page/6 Kiel]'', Hamburger Echo - Sonntag, den 28. Februar 1904, Seite 6</ref>
[[Datei:Daniel Rindfleisch und Familie.png|thumb|left|300px|Daniel Rindfleisch und Familie, ca. 1915]]Mit wachsendem politischem Engagement wechselte Daniel Rindfleisch als Expedient, später Prokurist zur ''[[Schleswig-Holsteinische Volkszeitung|Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung]] (VZ)'', wo er seine Zeit stärker der Stadtpolitik widmen konnte. Zum Beispiel konnte er häufiger an Wahlkreiskonferenzen in anderen Reichstagswahlkreisen teilnehmen und muss sich dadurch auch gut in der Landespartei ausgekannt haben.


[[1908]] verurteilte das Kieler Schöffengericht Daniel Rindfleisch und [[Eduard Adler]] wegen der Teilnahme an einer Demonstration zu einer Geldstrafe von 15 Mark.<ref>''[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19080522/page/7 Kiel]'', Hamburger Echo, Freitag, den 22. Mai 1908, Seite 7</ref>  
[[1906]] wurde Daniel Rindfleisch für sechs Jahre zum Vertreter der Gehülfen am Kaufmannsgericht gewählt. In der gleichen Wahl wurde [[Hermann Adam]] Vertreter der Geschäftsinhaber.<ref>''[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19071024/page/6 Kiel]'', ''[[Hamburger Echo]]'', 24.10.1907, Seite 6</ref>


Aufgrund seines politischen oder gewerkschaftlichen Engagements wurde er mehrfach inhaftiert. Als Folge davon, so die Familienlegende, litt er an Schwindsucht. In der Bergluft des Allgäus, in seiner Heimat Ischl, hoffte er auf Genesung<ref name=":0" />, starb dort jedoch im Mai [[1918]] mit 51 oder 52 Jahren.  
Aufgrund seines politischen oder gewerkschaftlichen Engagements wurde er mehrfach inhaftiert. Als Folge davon, so die Familienlegende, litt er an Schwindsucht. In der Bergluft des Allgäus, in seiner Heimat Isny, hoffte er auf Genesung<ref name=":0" />, starb dort jedoch im Mai [[1918]] mit 51 Jahren.  


==Partei & Politik==
==Partei & Politik==
Wann Daniel Rindfleisch der SPD beitrat, ließ sich bisher nicht ermitteln. Aber bei [[Wilhelm Brecour]] wird er im Januar [[1891]] zum ersten Mal erwähnt, als Vorsitzender des Kieler Zentralverbands der Buchbinder, einer gewerkschaftlichen Organisation.<ref>Brecour, Wilhelm: ''Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung'' (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in ''Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung'', Kiel 1983), S. 59</ref> Er engagierte sich in dem noch jungen Verein offenbar mit Erfolg politisch, denn schon wenige Jahre später nahm er eine zentrale Position in der Kieler SPD ein: Von [[1896]] bis [[1907]] oder [[1908]] führte er den Vorsitz des [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel#Sozialdemokratischer Verein Kiel und Umgegend|Sozialdemokratischen Vereins Kiel und Umgegend]] und entwickelte sich zu einem der führenden Kommunalpolitiker.<ref name=":1">Fischer, Rolf: ''"Mit uns die neue Zeit!" Kiels Sozialdemokratie im Kaiserreich und in der Revolution'' (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2: 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4, S. 58</ref>
Wann Daniel Rindfleisch der SPD beitrat, ließ sich bisher nicht ermitteln; angesichts seiner politischen Laufbahn muss es aber spätestens um [[1890]] gewesen sein. Er engagierte sich in dem noch jungen Fachverein der Buchbinder offenbar mit Erfolg politisch, denn schon wenige Jahre später nahm er eine zentrale Position in der Kieler SPD ein: Von [[1896]] bis [[1907]] führte er den Vorsitz des [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel#Sozialdemokratischer Verein Kiel und Umgegend|Sozialdemokratischen Vereins Kiel und Umgegend]] und entwickelte sich zu einem der führenden Kommunalpolitiker<ref name=":1">Fischer, Rolf: ''"Mit uns die neue Zeit!" Kiels Sozialdemokratie im Kaiserreich und in der Revolution'' (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2: 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4, S. 58</ref>, den die Polizei fest im Blick hatte. Achtmal wurde er allein [[1899]] von der Obrigkeit vorgeladen.


Dass Daniel Rindfleisch nicht nur von "milder" Art gewesen sein muss, zeigt ein Vorfall im Jahr [[1902]]: Frauen war die politische Tätigkeit generell verboten; sie durften aber Versammlungen als Zuhörerinnen von einem separaten Raum aus verfolgen. Das hatte sich bei der Kieler Polizei noch nicht herumgesprochen: Bei einer Parteiversammlung in der Gaststätte "Elysium" waren auf einer Tribüne auch Frauen anwesend. Der überwachende Polizist forderte von Daniel Rindfleisch, der als Vorsitzender die Sitzung leitete, die Frauen aus dem Lokal zu weisen. Dieser weigerte sich, die Polizei stürmte den Saal. Die SPD führte Beschwerde über das Vorgehen der Obrigkeit; seitdem konnten die Genossinnen ungestört teilnehmen.<ref>Fischer, Rolf: ''"Mit uns die neue Zeit!" Kiels Sozialdemokratie im Kaiserreich und in der Revolution'' (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2: 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4, S. 42</ref>  
[[1900]] entsandte ihn die Kieler SPD als ihren Vertreter zur Teilnahme an der Beisetzung von [[Wilhelm Liebknecht]].<ref>''[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19000811/page/3 Schleswig-Holstein]'', ''[[Hamburger Echo]]'', 11.8.1900, Seite 3</ref>


Auch nachdem er den Vorsitz abgegeben hatte - an [[Edmund Söhnker]], seinen politischen Weggefährten aus der Harmsstraße - engagierte sich Daniel Rindfleisch weiterhin im Kreisverein:  
Dass Daniel Rindfleisch nicht nur von "milder" Art gewesen sein muss, zeigt ein Vorfall im Jahr [[1902]]: Frauen war die politische Tätigkeit generell verboten; sie durften aber Versammlungen als Zuhörerinnen von einem separaten Raum aus verfolgen. Das hatte sich bei der Kieler Polizei noch nicht herumgesprochen: Bei einer Parteiversammlung in der Gaststätte "Elysium" waren auf einer Tribüne auch Frauen anwesend. Der überwachende Polizist forderte von Daniel Rindfleisch, der als Vorsitzender die Sitzung leitete, die Frauen aus dem Lokal zu weisen. Dieser weigerte sich, die Polizei stürmte den Saal. Die SPD führte Beschwerde über das Vorgehen der Obrigkeit; seitdem konnten die Genossinnen ungehindert teilnehmen.<ref>Fischer, Rolf: ''"Mit uns die neue Zeit!" Kiels Sozialdemokratie im Kaiserreich und in der Revolution'' (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2: 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4, S. 42</ref>
<blockquote>"Die Genossen Adler und Rindfleisch wurden als angebliche >Führer< von großen Demonstrationszügen, in denen sie sich tatsächlich nur als Teilnehmer befanden, zu je 150 Mk. Geldstrafe verurteilt".<ref name=":1" /></blockquote>  
 
Das war [[1909]]. Etwa [[1912]] übernahm er unter dem Vorsitzenden [[Heinrich Bielenberg]] den stellvertretenden Vorsitz. Wie bedeutsam er für die Kieler SPD war, mag der Umstand zeigen, dass er im August [[1915]] auf der Trauerfeier für den bekannten Kommunalpolitiker [[Ernst Cappel]] neben [[Gustav Garbe]] eine der beiden Trauerreden hielt. Er referierte auch in Stadtteilversammlungen und beteiligte sich an Wahlkämpfen und Veranstaltungen. Im Denken stand er der gemäßigten Sozialdemokratie nah, sprach sich im 1. Weltkrieg für den "Burgfrieden" aus und kritisierte die Spaltung durch die ab [[1915]]/[[1916|16]] entstehende linksradikale Opposition in Kiel. Als sich [[1917]] die [[USPD]] abspaltete, blieb er der SPD (jetzt [[MSPD]]) treu.   
In seiner Personalakte bei der Stadt Kiel ist vermerkt, er habe in den Jahren [[1903]] bis [[1907]] wegen Pressvergehen Geld- und Gefängnisstrafen erhalten.<ref name=":5" />
 
Am [[12. Juni]] [[1903]] verurteilte das Landgericht Kiel ihn zu drei Monaten Gefängnis wegen Beleidigung des Kaisers. Aus einem kritischen Artikel über den König von Belgien in der ''[[Schleswig-Holsteinische Volkszeitung|VZ]]'' hatte man Anspielungen auf den Kaiser herausgelesen.<ref>''[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19031014 Schleswig-Holstein - Kiel]'', ''[[Hamburger Echo]]'', 14.10.1903, Seite 5</ref> Einsitzen musste er im Provinzialgefängnis in [[Ortsverein Glückstadt|Glückstadt]]. Am Freitag, dem [[26. Februar]] [[1904]] wurde er dort entlassen und von einer Abordnung der Kieler SPD abgeholt. Am Bahnhof in Kiel erwartete ihn ein noch größeres Empfangskomitee.<ref>''[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19040228/page/6 Kiel]'', ''[[Hamburger Echo]]'', 28.2.1904, Seite 6</ref>
 
[[1908]] verurteilte das Kieler Schöffengericht Daniel Rindfleisch und [[Eduard Adler]] wegen der Teilnahme an einer Demonstration zu einer Geldstrafe von je 15 Mark.<ref>''[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19080522/page/7 Kiel]'', ''[[Hamburger Echo]]'', 22.5.1908, Seite 7</ref>  
 
Auch nachdem er den Vorsitz abgegeben hatte - an [[Edmund Söhnker]], seinen politischen Weggefährten aus der Harmsstraße - engagierte sich Daniel Rindfleisch weiterhin im Kreisverein. Etwa [[1912]] übernahm er unter dem Vorsitzenden [[Heinrich Bielenberg]] den stellvertretenden Vorsitz. Wie seine Stellung innerhalb der Kieler SPD war, mag der Umstand zeigen, dass er im August [[1915]] auf der Trauerfeier für den bekannten Kommunalpolitiker [[Ernst Cappel]] neben [[Gustav Garbe]] eine der beiden Trauerreden hielt. Er referierte auch in Stadtteilversammlungen und beteiligte sich an Wahlkämpfen und Veranstaltungen. Im Denken stand er der gemäßigten Sozialdemokratie nah, sprach sich im 1. Weltkrieg für den "Burgfrieden" aus und kritisierte die Spaltung durch die ab [[1915]]/[[1916|16]] entstehende linksradikale Opposition in Kiel. Als sich [[1917]] die [[USPD]] abspaltete, blieb er der SPD (jetzt [[MSPD]]) treu.   


===Kommunalpolitik===
===Kommunalpolitik===
[[Datei:1907 SPD-Werbung Stadtverordnetenwahl.png|thumb|left|250px|Werbung der SPD zur Stadtverordnetenwahl 1907]]Seit [[1906]]<ref name=":2">Traueranzeige der Stadt, ''Kieler Zeitung'', 15.5.1918</ref> oder Herbst [[1907]]<ref name=":3" /> gehörte Daniel Rindfleisch der Kieler Stadtvertretung an und war damit einer der wenigen Stadtverordneten, die die Kieler Sozialdemokratie stellen konnte. Das preußische Dreiklassenwahlrecht und das in Kiel geltenden "Zensus-Wahlrecht" sicherten den bürgerlichen Parteien immer die Mehrheit im Rathaus. Repräsentativ war diese Zusammensetzung nicht, denn die große Mehrzahl der Kieler Bevölkerung war vom Wahlrecht ausgeschlossen.
[[Datei:1907 SPD-Werbung Stadtverordnetenwahl.png|thumb|left|250px|Werbung der SPD zur Stadtverordnetenwahl 1907]]Seit [[1906]]<ref name=":2">Traueranzeige der Stadt, ''Kieler Zeitung'', 15.5.1918</ref> oder Herbst [[1907]]<ref name=":3" /> gehörte Daniel Rindfleisch der Kieler Stadtvertretung an und war damit einer der wenigen Stadtverordneten, die die Kieler Sozialdemokratie stellen konnte. Das preußische Dreiklassenwahlrecht und das in Kiel geltende "Zensus-Wahlrecht" sicherten den bürgerlichen Parteien immer die Mehrheit im Rathaus. Repräsentativ war diese Zusammensetzung nicht, denn die große Mehrheit der Kieler Bevölkerung war vom Wahlrecht ausgeschlossen.
 
Daniel Rindfleisch wurde Vorsitzender der SPD-Fraktion<ref name=":3" /> und meldete sich in der Stadtverordnetenversammlung häufig zu Wort. So stritt er im August [[1915]], zusammen mit [[Wilhelm Spiegel]], gegen die Erhöhung der Milchpreise durch den Magistrat, die die Finanzen der Arbeiterhaushalte zusätzlich belastet hätte.<ref>Fischer, Rolf: ''"Mit uns die neue Zeit!" Kiels Sozialdemokratie im Kaiserreich und in der Revolution'' (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2: 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4, S. 123</ref> Sein Engagement führte ihn auch zur Übernahme höherer Ämter, die einen politischen Zeitenwechsel andeuteten.
 
Am [[7. Januar]] [[1913]]<ref>''[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19130108/page/4 Ein sozialdemokratischer Stadtverordnetenvorsteher]'', ''[[Hamburger Echo]]'', 8.1.1913, Seite 4</ref> wurde mit Daniel Rindfleisch erstmals in der Geschichte der Kieler Kommunalpolitik ein Sozialdemokrat stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher. Dies wurde von der SPD als Erfolg gefeiert und machte seine herausgehobene Stellung in ihrem Kreis deutlich. 


Daniel Rindfleisch wurde Vorsitzender der SPD-Fraktion und später stellvertretender Stadtverordneten-Vorsteher.<ref name=":3" />
Dieses Amt musste er allerdings schon im April [[1914]] aus gesundheitlichen Gründen niederlegen. Wegen einer schweren Herzkrankheit musste er in Bad Nauheim eine Kur machen. Für Amtshandlungen des Stadtverordnetenkollegiums war aber die Unterschrift beider Vorsteher nötig, so dass es in der Kommunalpolitik zu Verzögerungen gekommen wäre. Als Nachfolger wurde [[Wilhelm Brecour]] gewählt.<ref>''[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19140410/page/6 Kiel. Aus dem Stadtverordnetenkollegium]'', ''[[Hamburger Echo]]'', 10.4.1914, Seite 6</ref>


Er meldete sich in der Stadtverordnetenversammlung häufig zu Wort. So stritt er im August [[1915]], zusammen mit [[Wilhelm Spiegel]], gegen die Erhöhung der Milchpreise durch den Magistrat, die die Finanzen der Arbeiterhaushalte zusätzlich belastet hätte.<ref>Fischer, Rolf: ''"Mit uns die neue Zeit!" Kiels Sozialdemokratie im Kaiserreich und in der Revolution'' (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2: 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4, S. 123</ref> Sein Engagement führte ihn auch zur Übernahme ganz besonderer Ämter, die einen politischen Zeitenwechsel andeuteten. 
Später muss er noch einmal stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher geworden sein, denn im Januar [[1917]] wurde [[Eduard Adler]] zu seinem Nachfolger gewählt.<ref>''[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19170109/page/6 Kiel]'', ''[[Hamburger Echo]]'', 9.1.1917, Seite 6</ref>  


[[Datei:Traueranzeige Rindfleisch.jpg|mini|Traueranzeige der Stadt für Daniel Rindfleisch]]Am [[7. Januar]] [[1913]]<ref name=":2" /> wurde mit Daniel Rindfleisch erstmals in der Geschichte der Kieler Kommunalpolitik ein Sozialdemokrat stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher. Dies wurde von der SPD als Erfolg gefeiert und machte seine herausgehobene Stellung in ihrem Kreis deutlich. Im Januar [[1915]] wies der preußische Innenminister die Staatsorgane an, ein "gewisses Entgegenkommen als Anerkennung des Burgfriedens" gegenüber der Sozialdemokratie zu zeigen.  
Im Januar [[1915]] wies der preußische Innenminister die Staatsorgane an, ein "gewisses Entgegenkommen als Anerkennung des Burgfriedens" gegenüber der Sozialdemokratie zu zeigen. Wohl aufgrund dessen<ref>''[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19161122/page/6 Kapitel Neuorientierung]'', ''[[Hamburger Echo]]'', 22.11.1916, Seite 6</ref> wurde am [[20. November]] [[1916]]<ref>''[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19161121/page/4 Stadtratswahl in Kiel]'', ''[[Hamburger Echo]]'', 21.11.1916, Seite 4</ref> ein erster Sozialdemokrat - wieder Daniel Rindfleisch - als unbesoldeter Stadtrat in den Kieler Magistrat gewählt; eine Entscheidung, die noch wenige Jahre zuvor unvorstellbar gewesen wäre. Daniel Rindfleisch erhielt 3976 Stimmen, der bisherige Amtsinhaber nur 1409. Er wurde für den Magistrat auch in die Armenkommission gewählt. Für alles stand ihm eine Dienstaufwandsentschädigung von 1800 Mark jährlich zu.<ref name=":4" />


Wohl aufgrund dessen wurde [[1916]] ein erster Sozialdemokrat - wieder Daniel Rindfleisch - als unbesoldeter Stadtrat in den Kieler Magistrat gewählt; eine Entscheidung, die noch wenige Jahre zuvor unvorstellbar gewesen wäre. Allerdings handelte es sich dabei um ein Ehrenamt, im Gegensatz zu den besoldeten bürgerlichen Stadträten. Gleichzeitig wurden erstmals auch zwei SPD-Stadtverordnete, [[Eduard Adler]] und ein [[Genosse Ribbe]], in die Schuldeputation gewählt. Von einer auch nur irgendwie gleichberechtigten Teilhabe der SPD an den kommunalen Aufgaben und Entscheidungen kann deswegen aber noch längst nicht gesprochen werden.<ref>Paetau, Rainer: ''Konfrontation oder Kooperation. Arbeiterbewegung und bürgerliche Gesellschaft im ländlichen Schleswig-Holstein und in der Industriestadt Kiel zwischen 1900 und 1925'' (Neumünster 1988), S. 155 f.</ref>
[[Datei:Traueranzeige Rindfleisch.jpg|mini|Traueranzeige der Stadt für Daniel Rindfleisch]]Er füllte das Amt bis zu seinem Tod aus; am [[30. Oktober]] [[1918]] wurde [[Wilhelm Poller]] zum Nachfolger des Verstorbenen gewählt.<ref>''[https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1754726119_19181102/page/5 Stadtratswahl]'', ''[[Hamburger Echo]]'', 2.11.1918, Seite 5</ref>


Daniel Rindfleisch füllte sein letztes Amt bis zu seinem Tod im Mai [[1918]] aus. Die Stadt Kiel bescheinigte in der von Bürgermeister Dr. Gradenwitz und dem stellvertretenden Stadtverordnetenvorsteher [[Eduard Adler]] unterzeichneten Traueranzeige ihrem verstorbenen sozialdemokratischen Stadtrat, er habe "mit hingebungsvoller Treue zum Wohle unserer Stadt mitgearbeitet".<ref name=":2" />
Allerdings handelte es sich dabei um ein Ehrenamt, im Gegensatz zu den besoldeten Stadträten, die noch alle aus den bürgerlichen Parteien kamen. Gleichzeitig wurden erstmals auch zwei SPD-Stadtverordnete, [[Eduard Adler]] und ein [[Genosse Ribbe]], in die Schuldeputation gewählt. Von einer auch nur irgendwie gleichberechtigten Teilhabe der SPD an den kommunalen Aufgaben und Entscheidungen kann deswegen aber noch längst nicht gesprochen werden.<ref>Paetau, Rainer: ''Konfrontation oder Kooperation. Arbeiterbewegung und bürgerliche Gesellschaft im ländlichen Schleswig-Holstein und in der Industriestadt Kiel zwischen 1900 und 1925'' (Neumünster 1988), S. 155 f.</ref>


==Stimmen==
==Stimmen==
Die Stadt Kiel bescheinigte in der von Bürgermeister Dr. Gradenwitz und dem stellvertretenden Stadtverordnetenvorsteher [[Eduard Adler]] unterzeichneten Traueranzeige ihrem verstorbenen Amtsträger, er habe
<blockquote>"mit hingebungsvoller Treue zum Wohle unserer Stadt mitgearbeitet. Sein ehrenfester Charakter und seine milde Sinnesart schufen ihm überall Freunde."<ref name=":2" /></blockquote>


*Von "ehrenfestem Charakter" und "milder Sinnesart" sei er gewesen, so heißt es über Daniel Rindfleisch.<ref name=":2" />
Seine Genossen riefen ihm nach:
*"Ein mutiger, selbstloser Kämpfer, ein rastloser, treuer und gewissenhafter Arbeiter, ein trotz etwas rauher äußerer Schale liebenswürdiger, stets hilfsbereiter Mensch und Kamera, wird er uns stets ein leuchtendes Vorbild sein."<ref name=":3" />
<blockquote>"Ein mutiger, selbstloser Kämpfer, ein rastloser, treuer und gewissenhafter Arbeiter, ein trotz etwas rauher äußerer Schale liebenswürdiger, stets hilfsbereiter Mensch und Kamerad, wird er uns stets ein leuchtendes Vorbild sein."<ref name=":3" /></blockquote>


==Literatur==
==Literatur==

Aktuelle Version vom 2. Februar 2024, 17:46 Uhr

Daniel Rindfleisch
Daniel Rindfleisch
Daniel Rindfleisch
Geboren: 7. Oktober 1866
Gestorben: 14. Mai 1918

Daniel Rindfleisch, * 7. Oktober 1866 in Isny/Donaukreis (heute Allgäu), Kgr. Württemberg, † 14. Mai 1918 in Isny; Buchdrucker/Schriftsetzer, Expedient. Mitglied der SPD vermutlich seit etwa 1890.

Leben & Beruf

Daniel Rindfleisch war der Sohn des Waldmeisters[1], später Buch- und Schreibmaterialien-Händlers Johann Michael Thomas Rindfleisch und seiner Frau Anna Maria, geb. Schönlin[2], aus Isny im Donaukreis, Königreich Württemberg. Dort besuchte er die Volks- und Realschule. Er war zunächst evangelisch[3], in den letzten Jahren Dissident[1], d.h. er rechnete sich keiner Religionsgemeinschaft zu. Vom November 1886 bis zum September 1889 leistete er im Ulanenregiment König Wilhelm (2. Württ.) Nr. 20 seinen Militärdienst ab; er wurde als Unteroffizier entlassen.[1] Als wandernder Geselle des Schriftsetzer- oder Buchdruckerhandwerks kam er 1885 nach Kiel und wurde dort Mitgründer und später Vorsitzender der Zahlstelle des Kieler Fachvereins der Buchbinder, einer gewerkschaftlichen Organisation.[4] Bei Wilhelm Brecour wird er im Januar 1891 zum ersten Mal erwähnt, als Vorsitzender des Kieler Zentralverbands der Buchbinder.[5]

Am 1891 heirateten er - damals noch wohnhaft in der Koldingstraße 1 - und das Dienstmädchen Helene Dorothea Christine, geb. Rathje (* 29. Juli 1869, † 18. April 1938, jeweils in Kiel)[6], Tochter des Bierfuhrmannes Carl Heinrich Rathje und seiner Frau Catharina Magdalena Dorothea - beide schon verstorben. Sie lebte im Kronshagener Weg 35 bei einem Zimmermeister Rathje, der zugleich Trauzeuge, also vermutlich ihr Bruder war.[2] Das Ehepaar Rindfleisch bekam vier Kinder, von denen nur zwei, Paul Ernst (* 21. März 1895, † 2. August 1938 in Hamburg-Wandsbek)[7] und die Tochter Anna Maria 'Mariechen' (* 3. Januar 1901, † 13. April 1986 in Kiel)[8] bis ins Erwachsenenalter überlebten. Hans Friedrich (1892-1898)[9] und Otto Karl (1896-1897)[10] starben früh - damals für viele Familien eine alltägliche Erfahrung.

Alltäglich für Arbeiterfamilien waren auch die ständigen Umzüge auf der Suche nach einer günstigeren oder der wachsenden Familie angepassten Wohnung. Die Familie Rindfleisch lebte nacheinander am Blocksberg 23 (Hinterhaus), in der Schauenburgerstraße 27, am Knooper Weg 162 (wo Mariechen geboren wurde) und in der Harmsstraße 73 (wo Helene Rindfleisch bis zu ihrem Lebensende blieb[6]). Dort wohnte auch Edmund Söhnker mit seiner Familie; die beiden Männer dürften sich gut gekannt haben. Mariechen Rindfleisch war, wie sie später im Verwandtenkreis erzählte, eine der Spielkameradinnen des jungen Hans Söhnker. Nach der NS-Herrschaft arbeitete sie lange als Buchhändlerin in der "Buchhandlung Gutenberg" im Gewerkschaftshaus an der Legienstraße.[11]

Daniel Rindfleisch und Familie, ca. 1915

Mit wachsendem politischem Engagement wechselte Daniel Rindfleisch als Expedient, später Prokurist zur Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung (VZ), wo er seine Zeit stärker der Stadtpolitik widmen konnte. Zum Beispiel konnte er häufiger an Wahlkreiskonferenzen in anderen Reichstagswahlkreisen teilnehmen und muss sich dadurch auch gut in der Landespartei ausgekannt haben.

1906 wurde Daniel Rindfleisch für sechs Jahre zum Vertreter der Gehülfen am Kaufmannsgericht gewählt. In der gleichen Wahl wurde Hermann Adam Vertreter der Geschäftsinhaber.[12]

Aufgrund seines politischen oder gewerkschaftlichen Engagements wurde er mehrfach inhaftiert. Als Folge davon, so die Familienlegende, litt er an Schwindsucht. In der Bergluft des Allgäus, in seiner Heimat Isny, hoffte er auf Genesung[11], starb dort jedoch im Mai 1918 mit 51 Jahren.

Partei & Politik

Wann Daniel Rindfleisch der SPD beitrat, ließ sich bisher nicht ermitteln; angesichts seiner politischen Laufbahn muss es aber spätestens um 1890 gewesen sein. Er engagierte sich in dem noch jungen Fachverein der Buchbinder offenbar mit Erfolg politisch, denn schon wenige Jahre später nahm er eine zentrale Position in der Kieler SPD ein: Von 1896 bis 1907 führte er den Vorsitz des Sozialdemokratischen Vereins Kiel und Umgegend und entwickelte sich zu einem der führenden Kommunalpolitiker[13], den die Polizei fest im Blick hatte. Achtmal wurde er allein 1899 von der Obrigkeit vorgeladen.

1900 entsandte ihn die Kieler SPD als ihren Vertreter zur Teilnahme an der Beisetzung von Wilhelm Liebknecht.[14]

Dass Daniel Rindfleisch nicht nur von "milder" Art gewesen sein muss, zeigt ein Vorfall im Jahr 1902: Frauen war die politische Tätigkeit generell verboten; sie durften aber Versammlungen als Zuhörerinnen von einem separaten Raum aus verfolgen. Das hatte sich bei der Kieler Polizei noch nicht herumgesprochen: Bei einer Parteiversammlung in der Gaststätte "Elysium" waren auf einer Tribüne auch Frauen anwesend. Der überwachende Polizist forderte von Daniel Rindfleisch, der als Vorsitzender die Sitzung leitete, die Frauen aus dem Lokal zu weisen. Dieser weigerte sich, die Polizei stürmte den Saal. Die SPD führte Beschwerde über das Vorgehen der Obrigkeit; seitdem konnten die Genossinnen ungehindert teilnehmen.[15]

In seiner Personalakte bei der Stadt Kiel ist vermerkt, er habe in den Jahren 1903 bis 1907 wegen Pressvergehen Geld- und Gefängnisstrafen erhalten.[1]

Am 12. Juni 1903 verurteilte das Landgericht Kiel ihn zu drei Monaten Gefängnis wegen Beleidigung des Kaisers. Aus einem kritischen Artikel über den König von Belgien in der VZ hatte man Anspielungen auf den Kaiser herausgelesen.[16] Einsitzen musste er im Provinzialgefängnis in Glückstadt. Am Freitag, dem 26. Februar 1904 wurde er dort entlassen und von einer Abordnung der Kieler SPD abgeholt. Am Bahnhof in Kiel erwartete ihn ein noch größeres Empfangskomitee.[17]

1908 verurteilte das Kieler Schöffengericht Daniel Rindfleisch und Eduard Adler wegen der Teilnahme an einer Demonstration zu einer Geldstrafe von je 15 Mark.[18]

Auch nachdem er den Vorsitz abgegeben hatte - an Edmund Söhnker, seinen politischen Weggefährten aus der Harmsstraße - engagierte sich Daniel Rindfleisch weiterhin im Kreisverein. Etwa 1912 übernahm er unter dem Vorsitzenden Heinrich Bielenberg den stellvertretenden Vorsitz. Wie seine Stellung innerhalb der Kieler SPD war, mag der Umstand zeigen, dass er im August 1915 auf der Trauerfeier für den bekannten Kommunalpolitiker Ernst Cappel neben Gustav Garbe eine der beiden Trauerreden hielt. Er referierte auch in Stadtteilversammlungen und beteiligte sich an Wahlkämpfen und Veranstaltungen. Im Denken stand er der gemäßigten Sozialdemokratie nah, sprach sich im 1. Weltkrieg für den "Burgfrieden" aus und kritisierte die Spaltung durch die ab 1915/16 entstehende linksradikale Opposition in Kiel. Als sich 1917 die USPD abspaltete, blieb er der SPD (jetzt MSPD) treu.

Kommunalpolitik

Werbung der SPD zur Stadtverordnetenwahl 1907

Seit 1906[19] oder Herbst 1907[4] gehörte Daniel Rindfleisch der Kieler Stadtvertretung an und war damit einer der wenigen Stadtverordneten, die die Kieler Sozialdemokratie stellen konnte. Das preußische Dreiklassenwahlrecht und das in Kiel geltende "Zensus-Wahlrecht" sicherten den bürgerlichen Parteien immer die Mehrheit im Rathaus. Repräsentativ war diese Zusammensetzung nicht, denn die große Mehrheit der Kieler Bevölkerung war vom Wahlrecht ausgeschlossen.

Daniel Rindfleisch wurde Vorsitzender der SPD-Fraktion[4] und meldete sich in der Stadtverordnetenversammlung häufig zu Wort. So stritt er im August 1915, zusammen mit Wilhelm Spiegel, gegen die Erhöhung der Milchpreise durch den Magistrat, die die Finanzen der Arbeiterhaushalte zusätzlich belastet hätte.[20] Sein Engagement führte ihn auch zur Übernahme höherer Ämter, die einen politischen Zeitenwechsel andeuteten.

Am 7. Januar 1913[21] wurde mit Daniel Rindfleisch erstmals in der Geschichte der Kieler Kommunalpolitik ein Sozialdemokrat stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher. Dies wurde von der SPD als Erfolg gefeiert und machte seine herausgehobene Stellung in ihrem Kreis deutlich.

Dieses Amt musste er allerdings schon im April 1914 aus gesundheitlichen Gründen niederlegen. Wegen einer schweren Herzkrankheit musste er in Bad Nauheim eine Kur machen. Für Amtshandlungen des Stadtverordnetenkollegiums war aber die Unterschrift beider Vorsteher nötig, so dass es in der Kommunalpolitik zu Verzögerungen gekommen wäre. Als Nachfolger wurde Wilhelm Brecour gewählt.[22]

Später muss er noch einmal stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher geworden sein, denn im Januar 1917 wurde Eduard Adler zu seinem Nachfolger gewählt.[23]

Im Januar 1915 wies der preußische Innenminister die Staatsorgane an, ein "gewisses Entgegenkommen als Anerkennung des Burgfriedens" gegenüber der Sozialdemokratie zu zeigen. Wohl aufgrund dessen[24] wurde am 20. November 1916[25] ein erster Sozialdemokrat - wieder Daniel Rindfleisch - als unbesoldeter Stadtrat in den Kieler Magistrat gewählt; eine Entscheidung, die noch wenige Jahre zuvor unvorstellbar gewesen wäre. Daniel Rindfleisch erhielt 3976 Stimmen, der bisherige Amtsinhaber nur 1409. Er wurde für den Magistrat auch in die Armenkommission gewählt. Für alles stand ihm eine Dienstaufwandsentschädigung von 1800 Mark jährlich zu.[2]

Traueranzeige der Stadt für Daniel Rindfleisch

Er füllte das Amt bis zu seinem Tod aus; am 30. Oktober 1918 wurde Wilhelm Poller zum Nachfolger des Verstorbenen gewählt.[26]

Allerdings handelte es sich dabei um ein Ehrenamt, im Gegensatz zu den besoldeten Stadträten, die noch alle aus den bürgerlichen Parteien kamen. Gleichzeitig wurden erstmals auch zwei SPD-Stadtverordnete, Eduard Adler und ein Genosse Ribbe, in die Schuldeputation gewählt. Von einer auch nur irgendwie gleichberechtigten Teilhabe der SPD an den kommunalen Aufgaben und Entscheidungen kann deswegen aber noch längst nicht gesprochen werden.[27]

Stimmen

Die Stadt Kiel bescheinigte in der von Bürgermeister Dr. Gradenwitz und dem stellvertretenden Stadtverordnetenvorsteher Eduard Adler unterzeichneten Traueranzeige ihrem verstorbenen Amtsträger, er habe

"mit hingebungsvoller Treue zum Wohle unserer Stadt mitgearbeitet. Sein ehrenfester Charakter und seine milde Sinnesart schufen ihm überall Freunde."[19]

Seine Genossen riefen ihm nach:

"Ein mutiger, selbstloser Kämpfer, ein rastloser, treuer und gewissenhafter Arbeiter, ein trotz etwas rauher äußerer Schale liebenswürdiger, stets hilfsbereiter Mensch und Kamerad, wird er uns stets ein leuchtendes Vorbild sein."[4]

Literatur

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 So in seiner Personalakte bei der Stadt Kiel: Personal-Akten des Magistrats zu Kiel, betreffend den unbes. Stadtrat Daniel Rindfleisch, Band I, 1917. Stadtarchiv Kiel, Akte 24762
  2. 2,0 2,1 2,2 Stadtarchiv Kiel: Heiratsurkunde Nr. 67, Standesamt Kiel I, Heiraten 1888-1895
  3. So die Angabe in allen Geburtsurkunden.
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 Schleswig-Holstein, Hamburger Echo, 17.5.1918, Seite 5
  5. Brecour, Wilhelm: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983), S. 59
  6. 6,0 6,1 Stadtarchiv Kiel: Sterbeurkunde Nr. 517, Standesamt Kiel I, Todesfälle 1938
  7. Stadtarchiv Kiel: Geburtsurkunde Nr. 687, Standesamt Kiel I, Geburten 1895-1896
  8. Stadtarchiv Kiel: Geburtsurkunde Nr. 66, Standesamt Kiel I, Geburten 1899-1901
  9. Stadtarchiv Kiel: Geburtsurkunde Nr. 1001, Standesamt Kiel I, Geburten 1892-1894
  10. Stadtarchiv Kiel: Geburtsurkunde Nr. 1803, Standesamt Kiel I, Geburten 1895-1896
  11. 11,0 11,1 Familiengeschichtlicher Hinweis des Urenkels Eggert Casper, Kiel; Manuskript Slg. Rolf Fischer
  12. Kiel, Hamburger Echo, 24.10.1907, Seite 6
  13. Fischer, Rolf: "Mit uns die neue Zeit!" Kiels Sozialdemokratie im Kaiserreich und in der Revolution (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2: 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4, S. 58
  14. Schleswig-Holstein, Hamburger Echo, 11.8.1900, Seite 3
  15. Fischer, Rolf: "Mit uns die neue Zeit!" Kiels Sozialdemokratie im Kaiserreich und in der Revolution (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2: 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4, S. 42
  16. Schleswig-Holstein - Kiel, Hamburger Echo, 14.10.1903, Seite 5
  17. Kiel, Hamburger Echo, 28.2.1904, Seite 6
  18. Kiel, Hamburger Echo, 22.5.1908, Seite 7
  19. 19,0 19,1 Traueranzeige der Stadt, Kieler Zeitung, 15.5.1918
  20. Fischer, Rolf: "Mit uns die neue Zeit!" Kiels Sozialdemokratie im Kaiserreich und in der Revolution (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie Band 2: 1900-1920)(Kiel 2013) ISBN 978-3-86935-196-4, S. 123
  21. Ein sozialdemokratischer Stadtverordnetenvorsteher, Hamburger Echo, 8.1.1913, Seite 4
  22. Kiel. Aus dem Stadtverordnetenkollegium, Hamburger Echo, 10.4.1914, Seite 6
  23. Kiel, Hamburger Echo, 9.1.1917, Seite 6
  24. Kapitel Neuorientierung, Hamburger Echo, 22.11.1916, Seite 6
  25. Stadtratswahl in Kiel, Hamburger Echo, 21.11.1916, Seite 4
  26. Stadtratswahl, Hamburger Echo, 2.11.1918, Seite 5
  27. Paetau, Rainer: Konfrontation oder Kooperation. Arbeiterbewegung und bürgerliche Gesellschaft im ländlichen Schleswig-Holstein und in der Industriestadt Kiel zwischen 1900 und 1925 (Neumünster 1988), S. 155 f.