Heide Simonis

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Heide Simonis
Heide Simonis
Heide Simonis
Geboren: 5. Juli 1943

Heide Simonis (geb. Steinhardt), * 4. Juli 1943 in Bonn; Diplom-Volkswirtin. Verheiratet mit Prof. Dr. Udo Simonis. 1969 trat sie in die SPD ein, in den Ortsverein Wik in Kiel. Sie war Deutschlands erste Ministerpräsidentin.

Werdegang

Heide Simonis ist die älteste von drei Schwestern. Nach dem Besuch eines Mädchengymnasiums studierte sie Volkswirtschaft und Soziologie an den Universitäten Erlangen, Nürnberg und Kiel - jeweils dort, wo ihr Vater tätig war. Ihre Eltern bestanden darauf, dass sie auch als Studentin zu Hause lebte.[1] 1967 legte sie in Kiel ihr Examen als Diplom-Volkswirtin ab und heiratete den Ökologen Prof. Dr. Udo Ernst Simonis.

"Ich war es, die Udo den Heiratsantrag machte – einer musste die Sache ja in die Hand nehmen. Er hat kurz trocken geschluckt und dann "Ja" gesagt. Dieser Hochzeitstag! Ich glaube bestimmt, dass mein Mann sich heimlich wünschte, er hätte sich vorher den Fuß gebrochen. Ich sehe uns noch heute vor mir: Er sitzt da, blass, klein, im dunklen Anzug, und ich daneben mit einer Pillbox wie Jackie Kennedy und einem rosa-lila Ding von Kleid. – Anlässlich der zweiwöchigen Hochzeitsreise gab es prompt den ersten Streit. Ich wollte über Nürnberg und er über Freiburg fahren, und da er am Steuer saß, setzte er sich einfach durch. Ich legte ihm eine handfeste Szene hin. Danach haben wir diese Reise beide aber noch sehr genossen."[2]

Anschließend lebte das Ehepaar Simonis mehrere Jahre im Ausland, zunächst bis 1968 in Sambia, wo Heide Simonis Lektorin für Deutsch an der Universität Lusaka, ihr Mann volkswirtschaftlicher Berater der Regierung war. Von 1970 bis 1972 wechselten sie nach Tokio (Japan); Heide Simonis war als Tutorin für Deutsch am dortigen Goethe-Institut und später im Marketing Research bei der Unterwäsche-Firma Triumph International tätig. 1972 kehrte das Ehepaar nach Kiel zurück. Bis 1976 arbeitete Heide Simonis als Berufsberaterin für Menschen mit Gymnasial- oder Hochschulabschluss beim Arbeitsamt Kiel. Gleichzeitig gehörte sie der Kieler Ratsversammlung an.

Ihre anschließende politische Karriere führte sie in den Bundestag und in die schleswig-holsteinische Landesregierung. In vielen Politikbereichen war sie die erste Frau, die es dort jemals gegeben hatte.

Lange Jahre lebten Heide und Udo Simonis außerhalb von Kiel, im Alten Kreishaus in Bordesholm. 2003 zogen sie in eine Altbauwohnung am Kieler Schrevenpark um.

Nach ihrem Ausscheiden aus der aktiven Politik übernahm sie vom 1. Januar 2006 bis zum 2. Februar 2008 den Vorsitz von UNICEF Deutschland. Im Frühjahr 2006 nahm sie an dem Fernseh-Tanzturnier Let's Dance teil, mit dem erklärten Ziel, etwaige Gewinne an UNICEF Deutschland zu spenden. Teile der Medien und der Öffentlichkeit machten sich dennoch über ihr Auftreten lustig. Nach einem Kreislaufzusammenbruch stieg sie vorzeitig aus.[3]

Seither engagiert sie sich für verschiedene gesellschaftliche Projekte auf Landesebene, u.a. als Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Sängerbundes und als Schirmherrin für verschiedene Frauenfachprojekte, etwa gegen häusliche Gewalt.

Heide Simonis' weithin bekannte Hobbies sind Sammeln, vor allem von Kaffeekannen (das sie 2013 aus Platzmangel schon aufgegeben hatte)[4], Quilten (das Nähen großer Flickendecken) und das Singen. Sie legte 2016 einen Schleswig-Holstein-Kriminalroman vor, der allerdings nicht auf ihren eigenen politischen Erfahrungen beruht.[5]

Während ihrer Amtszeit überstand sie eine Brustkrebserkrankung, die jedoch vertraulich gehalten wurde. 2009 übernahm sie von Heide Moser die Schirmherrschaft des Fördervereins für Palliativmedizin Kiel, die sie 2016 abgab.[6]

2014 machte sie öffentlich, dass sie seit 2012 von ihrer Parkinson-Erkrankung weiß.[7]

Politische Karriere

Heide Simonis (28) als Ratsfrau, 1971

Von 1972 bis 1976 war Heide Simonis Mitglied im Kreisvorstand der Kieler SPD.

1971 in die Kieler Ratsversammlung für Leo Langmann, der in den Landtag gewählt worden war, nachgerückt. Sie trat ihr Mandat wegen ihres Japanaufenthaltes aber erst Ende 1971 an. 1976 hatte ihre Kandidatur für den Bundestag Vorrang. Sie wurde für den Bundestags-Wahlkreis Rendsburg-Eckernförde direkt gewählt. Damit war sie die jüngste Abgeordnete, die es bis dahin zur MdB geschafft hatte. Bis zu ihrem Wechsel 1988 gehörte sie dem Fraktionsvorstand und als erste Frau dem Haushaltsausschuss an, wo sie auch ab 1977 Fraktionssprecherin wurde.

Von 1988 bis 1991 sowie von 1993 bis 2005 gehörte sie dem Bundesvorstand an.

Sie war Mitglied der 7., 8., 10., 11., 12., 13. und 14. Bundesversammlung.

Landesregierung

1988 berief der frisch gewählte Ministerpräsident Björn Engholm Heide Simonis als Finanzministerin in sein Kabinett. Seit 1992 vertrat sie zusätzlich im Landtag den Wahlkreis Kiel-Ost. Als 1993 Günther Jansen wegen der "Schubladenaffäre" zurücktrat, rückte Heide Simonis zur stellvertretenden Ministerpräsidentin auf. Bereits vorher hatte ihr Björn Engholm bescheinigt, für seine Nachfolge in Frage zu kommen. Zu diesem Zeitpunkt plante er, im Sommer 1994 Kanzlerkandidat der SPD zu werden. Als Konkurrenten um seine Nachfolge nannte die ZEIT im April 1993 den Chef der Landtagsfraktion, Gert Börnsen, den Bundesratsminister Gerd Walter und den Kieler Bundestagsabgeordneten Norbert Gansel[8]. Einige Tage später, am 3. Mai 1993, trat Björn Engholm als Ministerpräsident zurück; sie wurde seine Nachfolgerin.

Heide Simonis war die erste Frau, die in Deutschland ein Ministerpräsidentenamt bekleidete, und blieb bis 2009 auch die einzige. Zunächst noch mit absoluter Mehrheit, regierte sie ab 1996 an der Spitze einer rot-grünen Koalition. Sie verfolgte Björn Engholms Zielsetzung weiter, Schleswig-Holstein aus einem wirtschaftlich abgehängten Agrarland in ein modernes Bundesland umzuformen. Eine große Rolle spielten dabei die Umstrukturierung der Verwaltung, die Ansiedlung von Zukunftsindustrien im Gesundheitsbereich, vor allem Medizin- und Biotechnologie und die Etablierung weiterer Hochschulen im Land.

Im dritten Kabinett Simonis im Jahr 2000 hatten bei 5 Ministerinnen (davon 4 SPD) und 4 Ministern (davon 3 SPD) die Frauen die Mehrheit - zum ersten Mal in Deutschland.

Ministerpräsidentenwahl 2005

Nach der Landtagswahl vom 20. Februar 2005 verfügte die Koalition nur noch unter Tolerierung durch den Südschleswigschen Wählerverband (SSW) über eine Mehrheit von einer Stimme. Simonis' Wiederwahl galt jedoch als sicher; Probeabstimmungen hatten zu keinen Abweichungen geführt. In allen vier Wahlgängen, denen Simonis sich am 17. März 2005 stellte, erhielt sie jedoch eine Stimme weniger, als sie hätte erhalten müssen, und wurde nicht wiedergewählt.

FAZ und Focus streuten später das Gerücht, Ralf Stegner könne der "Heidemörder" gewesen sein[9]. Heide Simonis lehnte diese Unterstellung ab, und Ralf Stegner richtete einen Offenen Brief an den "Heidemörder". Sie zog sich mit einer Erklärung vollständig aus der Landespolitik zurück. Wer die Person war, die ihr in SPD, Grünen oder SSW die Unterstützung versagte, ist bis heute unbekannt.

Im Rahmen des folgenden Landesparteitages am 23. April 2005 verabschiedete die SPD Schleswig-Holstein ihre ehemalige Ministerpräsidentin. Landesvorsitzender Claus Möller dankte ihr im Namen der Partei in einer sehr persönlichen Rede für ihre politische Lebensleistung.

Ehrungen

1998 verlieh der Aachener Karnevalsverein wegen ihrer "scharfsinnigen, unkonventionellen und herzlichen" Art Heide Simonis den "Orden wider den tierischen Ernst".[10]

Zu den Kappelner Heringstagen 1998 wurde sie zur "Heringskönigin" ausgerufen.[11]

2010 verlieh Japan ihr den "Mittleren Orden der Aufgehenden Sonne am Band". Damit wurden ihre Verdienste um die Förderung freundschaftlicher Beziehungen und des gegenseitigen Verständnisses zwischen Japan und Deutschland gewürdigt.[12]

Am 12. August 2013 richtete die Landesregierung anlässlich ihres 70. Geburtstages einen Empfang für sie aus.[13] Das Schleswig-Holstein-Magazin hatte aus diesem Anlass bereits am 4.7.2013 einen Bericht über sie gebracht.

Ebenfalls 2013 verlieh ihr der Verband Deutscher Sinti und Roma e. V. - Landesverband Schleswig-Holstein als erstem Menschen die Auszeichnung "Schleswig-Holsteinischer MEILENSTEIN", mit dem besonders herausragendes soziales, humanistisches und unbürokratisches Engagement für die Minderheit der Sinti und Roma gewürdigt wird. Nicht zuletzt wurde damit die Beharrlichkeit anerkannt, mit der sich Heide Simonis seit Februar 1998 dafür eingesetzt hatte, die Sinti und Roma als Minderheit in die Landesverfassung aufzunehmen; dies erreichte schließlich die Regierung von Torsten Albig im November 2012.[14]

Am 30. Juni 2014 wurde Heide Simonis zur Ehrenbürgerin des Landes Schleswig-Holstein ernannt. Sie war die sechste Person und die erste Frau, die so ausgezeichnet wurde. Die Ehrenbürgerwürde hatte sie in ihrer Regierungszeit ins Leben gerufen.[15] In seiner Laudatio sagte Ministerpräsident Torsten Albig unter anderem:

"Heide Simonis hat sich nicht nur große Verdienste um Schleswig-Holstein erworben, sie verkörpert seit Jahrzehnten unser Land, deshalb ist es naheliegend, sie zur Ehrenbürgerin des Landes zu ernennen." Als ausgewiesene Finanz- und Wirtschaftsexpertin habe sie die Modernisierung des Landes vorangetrieben und sich so großen Respekt verdient.[16]

Zitate

  • "Die Leute, die mich lieben, behaupten, ich sei aktiv und ginge ran. Und auch wer mich hasst, meint zumindest, ich wäre ein aktives Biest."[17]
  • "Viel Spaß, und macht keinen Scheiß" - anlässlich der Eröffnung der Kieler Woche 1996.
  • "Wenn Du immer nur tust, was Du schon kannst, wirst Du immer bleiben, was Du bist."[18]

Stimmen

Bettina Munimus analysiert Heide Simonis' Karriere und resümiert:

"Simonis’ politischer Aufstieg scheint also nur auf den ersten Blick eine Anhäufung von Zufällen gewesen zu sein. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich: Sie vermochte die sich ihr öffnenden "Fenster der Gelegenheiten" geschickt zu nutzen. Und es steckte auch harte Arbeit dahinter. Es war die Kombination aus der aufkommenden Bedeutung des Faktors "Frau" in der Politik, Simonis’ anfänglich linke Dogmatik im Einklang mit dem SPD-Landesverband Schleswig-Holstein, das Mittel der rhetorischen Provokation und nicht zuletzt ihre Sachkompetenz und das erworbene Ansehen im "harten" Männerbereich Finanzen, die das Image der agilen und führungsstarken Powerfrau prägte und sie sukzessiv bis zur ersten Ministerpräsidentin Deutschlands aufstiegen ließ."[19]

Das Land Schleswig-Holstein schreibt zu seiner Ehrenbürgerin:

"Heide Simonis hat als erste Ministerpräsidentin das Bild der starken Frauen in der Politik maßgeblich bestimmt. Mit ihrer offenen und authentischen Art hat sie das öffentliche Erscheinungsbild der Politik in Schleswig-Holstein weit über ein Jahrzehnt positiv geprägt."[20]

Veröffentlichungen

Literatur

  • Koelbl, Herlinde: Spuren der Macht. Die Verwandlung des Menschen durch das Amt; eine Langzeitstudie (München 2010) ISBN 978-3-86873-309-9
  • Meyer, Antje: Heide Simonis : Deutschlands erste Ministerprädidentin (Bergisch Gladbach 1994) ISBN 978-3-404-61297-0
  • Munimus, Bettina: Heide Simonis. Aufstieg und Fall der ersten Ministerpräsidentin Deutschlands (Stuttgart 2010) ISBN 978-3-8382-0170-2
  • Neugebauer, Günter: Das Wort hat der Abgeordnete Neugebauer. Notizen über Heide Simonis, Affären und Geschehnisse in der Regional- und Landespolitik Schleswig-Holsteins (Nübbel 2014) ISBN 978-3-00-046087-6
  • Richter, Regina: Angela Merkel und andere kluge Frauen. Selbst- und Fremdbilder von Frauen in politischen Spitzenpositionen (Saarbrücken 2007) ISBN 978-3-8364-2159-1

Videos

Lass mal schnacken (2013)

Links

Quellen

  1. Vgl. ihre Äußerung in Lass mal schnacken (2013)
  2. heide-simonis.de Heide Simonis auf ihrer Internetseite über das Thema Heirat
  3. Heide Simonis steigt bei RTL-Tanzshow aus, Handelsblatt, 7.5.2006
  4. Vgl. ihre Äußerung in Lass mal schnacken (2013)
  5. Kristiane Backheuer: Heide kümmert sich um Mörder, Kieler Nachrichten online, 2.7.2016
  6. Christian Trutschel: "Eine unglaublich segensreiche Arbeit", Kieler Nachrichten, 6.12.2016
  7. Ulrich Exner: Und was wird dann aus mir? Eine Ehrenbürgerin!, Die Welt, 1.7.14
  8. Herz, Wilfried: Chefin werden, aber ohne Quote, DIE ZEIT, 9.4.1993
  9. Gaschke, Susanne: Ein Gerücht und seine zerstörerische Wirkung, DIE ZEIT, 23.3.2005
  10. Wikipedia-Artikel Orden wider den tierischen Ernst, abgerufen am 23.11.14
  11. Kristiane Backheuer: Heide kümmert sich um Mörder, Kieler Nachrichten online, 2.7.2016
  12. Japanischer Orden für Simonis, Die Welt, 3.11.10
  13. Bericht auf N3, Schleswig-Holstein-Magazin, 12.8.13
  14. Laudatio von Anna Weiß, Mitglied des Landesvorstandes der Sinti und Roma
  15. Ulrich Exner: Und was wird dann aus mir? Eine Ehrenbürgerin!, DIE WELT, 1.7.14
  16. Zitiert nach Schleswig-Holstein - Ehrenbürger, abgerufen 21.11.2015
  17. heide-simonis.de Flott davor
  18. heide-simonis.de Ernennung zur Ehrenbürgerin des Landes Schleswig-Holstein
  19. Munimus, Bettina: Alles nur Zufälle?, Internetseite des Göttinger Instituts für Demokratieforschung, 15.11.2010
  20. Schleswig-Holstein - Ehrenbürger, abgerufen 21.11.2015