Otto Engel: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Otto Engel''', * [[8. April]] [[1906]] in Rogätz b. Magdeburg, † [[28. Mai]] [[1983]] in Kiel; Tischler, Parteisekretär. Verwitwet, mindestens ein Kind. Mitglied der SPD seit [[1924]].<ref>Traueranzeige der SPD, ''Kieler Nachrichten'', 31.5.1983.</ref>
'''Otto Engel''', * [[8. April]] [[1906]] in Rogätz b. Magdeburg, † [[28. Mai]] [[1983]] in Kiel; Tischler, Parteisekretär. Verwitwet, zwei Kinder. Mitglied der SPD seit [[1924]].<ref>Traueranzeige der SPD, ''Kieler Nachrichten'', 31.5.1983.</ref>


== Leben & Beruf==
== Leben & Beruf ==
Nach der Ausbildung zum Tischler in Magdeburg ging Otto Engel auf Wanderschaft, die ihn durch halb Europa führte. Auf diese Weise kam er [[1928]] nach [[Kreisverband Kiel]]. Seine politische Heimat fand er in der [[Sozialistische Arbeiterjugend|Arbeiterjugend]] und in der SPD.<ref>''Kieler Nachrichten'', 7.4.1971</ref> Der Kieler Parteivorstand schickte ihn zur Fortbildung auf die [[Arbeitervolkshochschule Harrisleefeld|Arbeitervolkshochschule]] nach Harrisleefeld. Danach arbeitete er bis [[1933]] als Werbeleiter der ''[[Schleswig-Holsteinische Volkszeitung|Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung (VZ)]]''. Nach der Machtübernahme der Nazis und Verbot der VZ fand er eine Beschäftigung am Fahrkartenschalter des Kieler Hauptbahnhofs und überstand so die NS-Zeit. Aus dieser beruflichen Verbindung heraus gründete er nach Kriegsende die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands mit.<ref>''Kieler Nachrichten'', 7.4.1971</ref> [[1949]] gehörte er zu den Mitbegründern der (dritten) [[Freie Volksbühne Kiel|Volksbühne Kiel]].  
Nach der Ausbildung zum Tischler in Magdeburg ging Otto Engel auf Wanderschaft, die ihn durch halb Europa führte. Auf diese Weise kam er [[1928]] nach [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kiel]]. Zunächst arbeitslos, verkaufte er Brot und Margarine und war auch in einem Trio als Straßensänger zu hören. Dann bekam er Arbeit als Tischler im Betrieb eines Genossen.<ref>Handschr. Stichworte Trauerrede</ref> Seine politische Heimat fand er in der [[Sozialistische Arbeiterjugend|Arbeiterjugend]] und in der SPD.<ref>''Kieler Nachrichten'', 7.4.1971</ref> Der Kieler Parteivorstand schickte ihn zur Fortbildung auf die [[Arbeitervolkshochschule Harrisleefeld|Arbeitervolkshochschule]] nach Harrisleefeld. Danach arbeitete er bis [[1933]] als Werbeleiter der ''[[Schleswig-Holsteinische Volkszeitung|Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung (VZ)]]''.  


Seine Frau und er hatten zwei Töchter, Eva und [[Gerda Schilling|Gerda]], die später [[Günter Schilling]] heiratete. Seine Frau starb vor ihm.<ref>Traueranzeige Otto Engel, ''Kieler Nachrichten'', 31.5.1983</ref>
Seine Frau Rosa, geb. Schmidt, lernte er [[1928]] in der [[Sozialistische Arbeiterjugend|Arbeiterjugend]] kennen.<ref>Handschr. Stichworte Trauerrede</ref> Das Paar hatte zwei Töchter, Eva und [[Gerda Schilling|Gerda]], die später [[Günter Schilling]] heiratete.<ref>Traueranzeige Otto Engel, ''Kieler Nachrichten'', 31.5.1983</ref> Seine Frau starb weit vor ihm, etwa [[1956]].
: "Der Tod von 'Rößchen' hat ihn hart getroffen und er hat diesen Schlag nie ganz verwinden können, trotz der Fürsorge seiner Kinder und Enkelkinder."<ref>Handschr. Stichworte Trauerrede</ref>
 
Zu seinen engsten Freunden wurden [[Julius Bredenbeck]], [[Rolf Renger]], [[Albert Witte]], [[Hein Wulff]], [[Siegfried Wurbs]] und über die Kieler Partei hinaus [[Heinrich Fischer]] und [[Heinrich Warstatis]] gezählt. Darüber hinaus habe er aufgrund seiner Hilfsbereitschaft, seiner "urigen Art mit viel Humor", die aber mit Sensibilität gepaart gewesen sei, viele weitere Freunde gehabt.<ref>Handschr. Stichworte Trauerrede</ref> Er war, wie man heute sagen würde, außerordentlich gut vernetzt.
 
=== NS-Herrschaft ===
Nach der Machtübernahme der Nazis und Verbot der VZ betrieb er zusammen mit seinem ebenfalls in Kiel lebenden Bruder [[Willi Engel]] im Schlossgarten einen Zeitungspavillon, der Mittelpunkt der verbotenen [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kieler SPD]] wurde. Er verkaufte auch Zeitungen von Haus zu Haus - ein guter Weg, um unauffällig Kontakte zu halten. Dabei führte er neben Schweizer Zeitungen auch solche, die nicht verboten, aber nicht in jedem Laden erhältlich waren, etwa [[Blick in die Zeit]]. "X-mal" sei der Zeitungspavillon von der Polizei geschlossen worden, Otto Engel aber wie ein "Stehaufmännchen" immer wiedergekommen, bevor der Zeitungsverkauf [[1936]] endgültig verboten wurde. Diese Rolle sei seine "größte Tat", die Jahre '33 bis '36 seine "Glanzzeit" gewesen.<ref>Handschr. Stichworte Trauerrede</ref>
 
Weshalb der Dreißigjährige nicht zur Wehrmacht eingezogen wurde, ist nicht ermittelt. Ab [[1938]] verkaufte er Fahrkarten am Schalter des Kieler Hauptbahnhofs und überstand so die restliche NS-Herrschaft. Aus dieser beruflichen Verbindung heraus beteiligte er sich noch [[1945]] an der Gründung der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands.<ref>''Kieler Nachrichten'', 7.4.1971</ref> [[1949]] gehörte er zu den Mitbegründern der (dritten) [[Freie Volksbühne Kiel|Volksbühne Kiel]] und blieb bis [[1975]] ihr 2. Vorsitzender.<ref>Handschr. Stichworte Trauerrede</ref>


== Partei & Politik ==
== Partei & Politik ==
Als einer der "Menschen der ersten Stunde" wurde Otto Engel unmittelbar nach Kriegsende wieder für die SPD aktiv. Von der Wiedergründung in Kiel am [[4. Oktober]] [[1945]] bis [[1971]] war er hauptamtlicher Sekretär des [[Kreisverband Kiel|Kreisvereins bzw. Kreisverbandes Kiel]]. [[Norbert Gansel]] bezeichnete ihn zu seinem 75. Geburtstag als "Parteisekretär von altem Schrot und Korn" und "einen heimlichen König der Parteiorganisation".<ref>''Kieler Nachrichten'', 7.4.1981</ref>
Als einer der "Menschen der ersten Stunde" wurde Otto Engel schon vor Ende der NS-Herrschaft wieder für die SPD aktiv. "Er organisierte die ersten Parteiversammlungen im Untergrund noch während der Nazizeit."<ref>Handschr. Stichworte Trauerrede</ref> Schon im Januar [[1945]] bildeten sich erste [[Stubenzirkel]], auch in seiner Wohnung, und bereiteten die Neubildung der SPD als einer zukunftweisenden Kraft nach der absehbaren Niederlage Deutschlands vor.
 
Von der Wiedergründung in Kiel am [[4. Oktober]] [[1945]] bis [[1971]] führte er als hauptamtlicher Sekretär die Geschäfte des [[Kreisverband Kiel|Kreisvereins bzw. Kreisverbandes Kiel]]. [[Norbert Gansel]] bezeichnete ihn zu seinem 75. Geburtstag als "Parteisekretär von altem Schrot und Korn" und "einen heimlichen König der Parteiorganisation".<ref>''Kieler Nachrichten'', 7.4.1981</ref> Was ihn auszeichnete, seien ein "unbestechlicher Charakter, ungewöhnlich feste Grundauffassung", "politische Zuverlässigkeit", Kontaktfreudigkeit, Organisationsgabe und eine außergewöhnliche Hartnäckigkeit gewesen: "Er hat immer weitergemacht, auch wenn alle anderen schon aufgaben."<ref>Handschr. Stichworte Trauerrede</ref>  


[[Jochen Steffen]] schilderte seine erste Begegnung mit ihm im Februar [[1946]]:
[[Jochen Steffen]] schilderte seine erste Begegnung mit ihm im Februar [[1946]]:
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Die Voraussage, man werde an Jochen Steffen nicht "nur Freude" haben, bewahrheitete sich offenbar. Es heißt in der Partei, dass es während eines Landesparteitages zwischen den beiden auf Grund politischer Differenzen zu einer nächtlichen Schlägerei gekommen sei; andere Genossen hätten Otto Engel zurückhalten und beruhigen müssen.<ref>So u.a. Mitteilung von [[Rosa Wallbaum]], die aber bei diesem Streit nicht selbst anwesend war.</ref>
Die Voraussage, man werde an Jochen Steffen nicht "nur Freude" haben, bewahrheitete sich offenbar. Es heißt in der Partei, dass es während eines Landesparteitages zwischen den beiden auf Grund politischer Differenzen zu einer nächtlichen Schlägerei gekommen sei; andere Genossen hätten Otto Engel zurückhalten und beruhigen müssen.<ref>So u.a. Mitteilung von [[Rosa Wallbaum]], die aber bei diesem Streit nicht selbst anwesend war.</ref>


[[Datei:48659 Willy Brandt in Kiel.jpg|thumb|280px|right|Bundeskanzler [[Willy Brandt]] mit Otto Engel 1971]][[1971]] verabschiedete ihn der Kreisverband, dessen Geschäfte er 25 Jahre lang geführt hatte, mit einem Empfang im [[Gustav Garbe|Garbesaal]] des [[Gewerkschaftshaus Kiel|Gewerkschaftshauses]] in den Ruhestand.<ref>''Kieler Nachrichten'', 7.4.1971</ref>
[[Datei:48659 Willy Brandt in Kiel.jpg|thumb|280px|right|Bundeskanzler [[Willy Brandt]] mit Otto Engel 1971]]Am [[8. April]] [[1971]] verabschiedete ihn der Kreisverband, dessen Geschäfte er 25 Jahre lang geführt hatte, mit einem Empfang im [[Gustav Garbe|Garbesaal]] des [[Gewerkschaftshaus Kiel|Gewerkschaftshauses]] in den Ruhestand.<ref>''Kieler Nachrichten'', 7.4.1971</ref> Sein Nachfolger wurde [[Gert Günther]].


=== Kommunalpolitik ===
=== Kommunalpolitik ===
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== Ehrungen ==
== Ehrungen ==
[[Datei:Fotos 2340.jpg|thumb|280px|left|Bundesverdienstkreuz für Otto Engel (Mitte)]]
[[Datei:Fotos 2340.jpg|thumb|280px|left|Bundesverdienstkreuz für Otto Engel (Mitte)]]
Am [[18. Juni]] [[1973]] wurde Otto Engel das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.<ref>''Kieler Nachrichten'', 19.6.1973</ref>
[[1970]] erhielt Otto Engel für seine kommunalpolitischen Verdienste die Freiherr-vom-Stein-Gedenkmedaille des Landes Schleswig-Holstein.<ref>Handschr. Stichworte Trauerrede</ref>
 
Am [[18. Juni]] [[1973]] wurde ihm das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.<ref>''Kieler Nachrichten'', 19.6.1973</ref>


Am [[8. April]] [[1981]] richtete der [[Kreisverband Kiel]] einen Empfang zu seinem 75. Geburtstag (nicht 80., wie die ''KN'' schrieben!) aus. Eingeladen waren u.a. [[Rolf Renger|Rolf]] und [[Helga Renger]], [[Hermann Sade|Hermann]] und [[Ilse Sade]], [[Walter Gelszeit]], [[Hermann Köster|Alma Köster]], [[Egon Müller]] und [[Herbert Schütt]].
Am [[8. April]] [[1981]] richtete der [[Kreisverband Kiel]] einen Empfang zu seinem 75. Geburtstag (nicht 80., wie die ''KN'' schrieben!) aus und überreichte ihm die Ehrenmedaille der SPD. Eingeladen waren u.a. [[Rolf Renger|Rolf]] und [[Helga Renger]], [[Hermann Sade|Hermann]] und [[Ilse Sade]], [[Walter Gelszeit]], [[Hermann Köster|Alma Köster]], [[Egon Müller]] und [[Herbert Schütt]].


Zu seiner Beisetzung sandte auch der Parteivorstand in Bonn einen Kranz mit Schleife<ref>Lt. in der Kreisgeschäftsstelle vorliegender Rechnung vom 8.6.1983</ref>, wohl auch, weil er mit [[Willy Brandt]] befreundet gewesen war.
Zu seiner Trauerfeier am [[2. Juni]] [[1983]] sandte auch der Parteivorstand in Bonn einen Kranz mit Schleife<ref>Lt. in der Kreisgeschäftsstelle vorliegender Rechnung vom 8.6.1983</ref>, wohl auch, weil er mit [[Willy Brandt]] befreundet gewesen war.


== Literatur ==
== Literatur ==
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*Gottfried H. Philipp: ''Von altem Schrot und Korn. Otto Engel (SPD) wird morgen 80 [sic!] Jahre alt'', ''Kieler Nachrichten'', 7.4.1981
*Gottfried H. Philipp: ''Von altem Schrot und Korn. Otto Engel (SPD) wird morgen 80 [sic!] Jahre alt'', ''Kieler Nachrichten'', 7.4.1981
*Ph [Gottfried H. Philipp]: ''Otto Engel †'', ''Kieler Nachrichten'', 30.5.1983
*Ph [Gottfried H. Philipp]: ''Otto Engel †'', ''Kieler Nachrichten'', 30.5.1983
*?: Handschriftliche Stichworte zur Trauerrede für Otto Engel, Akten der Kreisgeschäftsstelle Kiel; gehalten verm. vom Kreisvorsitzenden [[Claus Möller]]


== Quellen ==
== Quellen ==

Version vom 10. Januar 2020, 07:20 Uhr

Otto Engel
Otto Engel
Otto Engel
Geboren: 8. April 1906
Gestorben: 28. Mai 1983

Otto Engel, * 8. April 1906 in Rogätz b. Magdeburg, † 28. Mai 1983 in Kiel; Tischler, Parteisekretär. Verwitwet, zwei Kinder. Mitglied der SPD seit 1924.[1]

Leben & Beruf

Nach der Ausbildung zum Tischler in Magdeburg ging Otto Engel auf Wanderschaft, die ihn durch halb Europa führte. Auf diese Weise kam er 1928 nach Kiel. Zunächst arbeitslos, verkaufte er Brot und Margarine und war auch in einem Trio als Straßensänger zu hören. Dann bekam er Arbeit als Tischler im Betrieb eines Genossen.[2] Seine politische Heimat fand er in der Arbeiterjugend und in der SPD.[3] Der Kieler Parteivorstand schickte ihn zur Fortbildung auf die Arbeitervolkshochschule nach Harrisleefeld. Danach arbeitete er bis 1933 als Werbeleiter der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung (VZ).

Seine Frau Rosa, geb. Schmidt, lernte er 1928 in der Arbeiterjugend kennen.[4] Das Paar hatte zwei Töchter, Eva und Gerda, die später Günter Schilling heiratete.[5] Seine Frau starb weit vor ihm, etwa 1956.

"Der Tod von 'Rößchen' hat ihn hart getroffen und er hat diesen Schlag nie ganz verwinden können, trotz der Fürsorge seiner Kinder und Enkelkinder."[6]

Zu seinen engsten Freunden wurden Julius Bredenbeck, Rolf Renger, Albert Witte, Hein Wulff, Siegfried Wurbs und über die Kieler Partei hinaus Heinrich Fischer und Heinrich Warstatis gezählt. Darüber hinaus habe er aufgrund seiner Hilfsbereitschaft, seiner "urigen Art mit viel Humor", die aber mit Sensibilität gepaart gewesen sei, viele weitere Freunde gehabt.[7] Er war, wie man heute sagen würde, außerordentlich gut vernetzt.

NS-Herrschaft

Nach der Machtübernahme der Nazis und Verbot der VZ betrieb er zusammen mit seinem ebenfalls in Kiel lebenden Bruder Willi Engel im Schlossgarten einen Zeitungspavillon, der Mittelpunkt der verbotenen Kieler SPD wurde. Er verkaufte auch Zeitungen von Haus zu Haus - ein guter Weg, um unauffällig Kontakte zu halten. Dabei führte er neben Schweizer Zeitungen auch solche, die nicht verboten, aber nicht in jedem Laden erhältlich waren, etwa Blick in die Zeit. "X-mal" sei der Zeitungspavillon von der Polizei geschlossen worden, Otto Engel aber wie ein "Stehaufmännchen" immer wiedergekommen, bevor der Zeitungsverkauf 1936 endgültig verboten wurde. Diese Rolle sei seine "größte Tat", die Jahre '33 bis '36 seine "Glanzzeit" gewesen.[8]

Weshalb der Dreißigjährige nicht zur Wehrmacht eingezogen wurde, ist nicht ermittelt. Ab 1938 verkaufte er Fahrkarten am Schalter des Kieler Hauptbahnhofs und überstand so die restliche NS-Herrschaft. Aus dieser beruflichen Verbindung heraus beteiligte er sich noch 1945 an der Gründung der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands.[9] 1949 gehörte er zu den Mitbegründern der (dritten) Volksbühne Kiel und blieb bis 1975 ihr 2. Vorsitzender.[10]

Partei & Politik

Als einer der "Menschen der ersten Stunde" wurde Otto Engel schon vor Ende der NS-Herrschaft wieder für die SPD aktiv. "Er organisierte die ersten Parteiversammlungen im Untergrund noch während der Nazizeit."[11] Schon im Januar 1945 bildeten sich erste Stubenzirkel, auch in seiner Wohnung, und bereiteten die Neubildung der SPD als einer zukunftweisenden Kraft nach der absehbaren Niederlage Deutschlands vor.

Von der Wiedergründung in Kiel am 4. Oktober 1945 bis 1971 führte er als hauptamtlicher Sekretär die Geschäfte des Kreisvereins bzw. Kreisverbandes Kiel. Norbert Gansel bezeichnete ihn zu seinem 75. Geburtstag als "Parteisekretär von altem Schrot und Korn" und "einen heimlichen König der Parteiorganisation".[12] Was ihn auszeichnete, seien ein "unbestechlicher Charakter, ungewöhnlich feste Grundauffassung", "politische Zuverlässigkeit", Kontaktfreudigkeit, Organisationsgabe und eine außergewöhnliche Hartnäckigkeit gewesen: "Er hat immer weitergemacht, auch wenn alle anderen schon aufgaben."[13]

Jochen Steffen schilderte seine erste Begegnung mit ihm im Februar 1946:

"Aus dem Nebenzimmer stürzte ein kleiner Mann mit seltsam abstehenden Ohren und Haaren; [...]. Er kaute heftig, hielt in der linken Hand ein Stück Brot, von dem er soviel abgebissen hatte, daß seine Backen so prall abstanden, als hätte er Billardbälle in ihnen verborgen, schüttelte meine Rechte und nuschelte mit leicht sächsischem Akzent: 'Willkommen, Genosse, nu ham wir bald so viele Studenten, daß wir sie organisieren könn!' [...] Er wirkte auf mich zunächst komisch, zumal er auch mit leerem Mund sächselnd nuschelte. Aber ich merkte schnell, daß er "helle", belesen und wendig war. [...] Er fragte sehr präzise nach. Und erklärte mir, daß ich offenbar etliches mehr wisse als er, der Parteisekretär. Daran könne ich sehen, in welchen Verein ich geraten sei. Eigentlich müsse er alles zuerst erfahren [...]. Er fragte mich nach Literatur ab und wie ich sie bewertete. Sein Ergebnis faßte er so zusammen: 'Na, nur Freude werden wir mit dir nicht haben!' Bevor ich mich verabschiedete, wollte ich die Namen der anderen Studenten und SPD-Mitglieder wissen. Er strahlte mich fröhlich an: 'Also, eigentlich bist du der erste Student. Ich wollte dich nur nicht gleich entmutigen.' Er forderte mich auf, immer, wenn es sich so ergäbe, bei ihm hereinzusehen, um über Politik zu diskutieren."[14]

Die Voraussage, man werde an Jochen Steffen nicht "nur Freude" haben, bewahrheitete sich offenbar. Es heißt in der Partei, dass es während eines Landesparteitages zwischen den beiden auf Grund politischer Differenzen zu einer nächtlichen Schlägerei gekommen sei; andere Genossen hätten Otto Engel zurückhalten und beruhigen müssen.[15]

Bundeskanzler Willy Brandt mit Otto Engel 1971

Am 8. April 1971 verabschiedete ihn der Kreisverband, dessen Geschäfte er 25 Jahre lang geführt hatte, mit einem Empfang im Garbesaal des Gewerkschaftshauses in den Ruhestand.[16] Sein Nachfolger wurde Gert Günther.

Kommunalpolitik

Von der ersten ernannten Ratsversammlung am 6. Dezember 1945 an war Otto Engel bis 1970 in der Kieler Selbstverwaltung aktiv. Zur Kommunalwahl 1970 trat er nicht wieder an. Von 1946 bis 1948 war er als ehrenamtlicher Stadtrat zuständig für das Wohnungswesen.

Ehrungen

Bundesverdienstkreuz für Otto Engel (Mitte)

1970 erhielt Otto Engel für seine kommunalpolitischen Verdienste die Freiherr-vom-Stein-Gedenkmedaille des Landes Schleswig-Holstein.[17]

Am 18. Juni 1973 wurde ihm das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.[18]

Am 8. April 1981 richtete der Kreisverband Kiel einen Empfang zu seinem 75. Geburtstag (nicht 80., wie die KN schrieben!) aus und überreichte ihm die Ehrenmedaille der SPD. Eingeladen waren u.a. Rolf und Helga Renger, Hermann und Ilse Sade, Walter Gelszeit, Alma Köster, Egon Müller und Herbert Schütt.

Zu seiner Trauerfeier am 2. Juni 1983 sandte auch der Parteivorstand in Bonn einen Kranz mit Schleife[19], wohl auch, weil er mit Willy Brandt befreundet gewesen war.

Literatur

  • Jochen Steffen (Hrsg. Jens-Peter Steffen): Personenbeschreibung. Biographische Skizzen eines streitbaren Sozialisten (Kiel 1997)
  • Schleswig-Holsteinische Volkszeitung, 7.4.1966
  • Ph [Gottfried H. Philipp]: Nach 25 Parteisekretärs-Jahren in den wohlverdienten Ruhestand, Kieler Nachrichten, 7.4.1971
  • pdl: Bundesverdienstkreuz an zwei Kommunalpolitiker verliehen, Kieler Nachrichten, 19.6.1973
  • Gottfried H. Philipp: Von altem Schrot und Korn. Otto Engel (SPD) wird morgen 80 [sic!] Jahre alt, Kieler Nachrichten, 7.4.1981
  • Ph [Gottfried H. Philipp]: Otto Engel †, Kieler Nachrichten, 30.5.1983
  • ?: Handschriftliche Stichworte zur Trauerrede für Otto Engel, Akten der Kreisgeschäftsstelle Kiel; gehalten verm. vom Kreisvorsitzenden Claus Möller

Quellen

  1. Traueranzeige der SPD, Kieler Nachrichten, 31.5.1983.
  2. Handschr. Stichworte Trauerrede
  3. Kieler Nachrichten, 7.4.1971
  4. Handschr. Stichworte Trauerrede
  5. Traueranzeige Otto Engel, Kieler Nachrichten, 31.5.1983
  6. Handschr. Stichworte Trauerrede
  7. Handschr. Stichworte Trauerrede
  8. Handschr. Stichworte Trauerrede
  9. Kieler Nachrichten, 7.4.1971
  10. Handschr. Stichworte Trauerrede
  11. Handschr. Stichworte Trauerrede
  12. Kieler Nachrichten, 7.4.1981
  13. Handschr. Stichworte Trauerrede
  14. Steffen: Personenbeschreibung, S. 130 f.
  15. So u.a. Mitteilung von Rosa Wallbaum, die aber bei diesem Streit nicht selbst anwesend war.
  16. Kieler Nachrichten, 7.4.1971
  17. Handschr. Stichworte Trauerrede
  18. Kieler Nachrichten, 19.6.1973
  19. Lt. in der Kreisgeschäftsstelle vorliegender Rechnung vom 8.6.1983